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Traum - Plan - Erfolg der Popcorn-Effekt Bei einem Maiskorn entscheiden ab einem gewissen Punkt Stärke, Energie und Druck, ob es zu einem Popcorn explodiert. Welche Voraussetzungen müssen beim Menschen gegeben sein, dass sich Erfolg einstellt? Am Anfang des Erfolges steht ein Traum oder eine Idee. Wann explodieren beim Menschen Können und Talent? Und welche Rolle spielen Kindheit, Bildung, Glück? Claudia Reiterer fragt in ihrem Buch Menschen, die die oberste Sprosse der Karriereleiter erreicht haben, nach ihren persönlichen Erfolgsformeln. Gibt es sie überhaupt? Inspirationen aus Gesprächen mit: Freddy Burger, Roland Düringer, Frank Elstner, Heinz Fischer, Andreas Gabalier, Marc Girardelli, Jane Goodall, Florian Gschwandtner, Elisabeth Gürtler, Marcel Hirscher, Gertrud Höhler, Margot Käßmann, Gerlinde Kaltenbrunner, Angelika Kirchschlager, Annett Louisan, Helmut Marko, Anne Meyer-Minnemann, Cornelius Obonya, DJ Ötzi, Tatjana Oppitz, Alfons Schuhbeck, Barbara Stöckl, Rudolf Taschner, Kristin Walzer, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Susie Wolff und Gerhard Zeiler.
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Seitenzahl: 392
Claudia Reiterer
Der Popcorn-Effekt
Vom Traum zum Erfolg
CLAUDIA REITERER
Vom Traum zum Erfolg
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1. Auflage 2015© 2015 by Braumüller GmbHServitengasse 5, A-1090 Wien
www.braumueller.at
Autorenfotos Umschlag: ORF | Thomas RamstorferISBN der Printausgabe: 978-3-99100-159-1
ISBN E-Book: 978-3-99100-160-7
Für meine FreundinnenDoris und Christine
DER ANFANG DES ERFOLGS
DAS FELD DER KINDHEIT UND JUGEND
Ich will nichts Geerbtes
„Ich habe aus dem Satz ‚Aus dir wird nichts!‘ ‚Aus mir kann alles werden!‘ gemacht.“Claudia Reiterer
GEWALTIGE VÄTER UND MÜTTER
„Die Hilfe von meiner Mutter in meiner Kindheit war der Schlüssel zum Erfolg.“Jane Goodall
„Du musst versuchen, schneller zu sein als die anderen.“Vater zu Susie Wolff
„Wenn man Kinder hat, die keine Angst haben, dann muss man auch solche Eltern haben!“Marc Girardelli
„Eltern sollten keinen zu großen Druck auf ihre Kinder ausüben.“Marcel Hirscher
„Wenn ich sage, es ist Grün, auch wenn es Rot ist, ist es Grün.“Elisabeth Gürtlers Vater
„Wir haben dich was Anständiges lernen lassen.“Vater zu Freddy Burger
„Wenn ich einmal im Leben was erreichen sollte, dann gebe ich jedem Menschen, der mich fragt und was in der Küche machen will, eine Chance.“Alfons Schuhbeck
„Der Schauspieler Otto Tausig sollte mir auf Wunsch meines Vaters den Schauspielberuf ausreden.“Roland Düringer
DER GENETISCHE RUCKSACK UND DIE UMWELT
„Jeder muss ein Profil haben, viele fahren mit Slicks durchs Leben.“Alfons Schuhbeck
SCHULE – EINE EWIGE BAUSTELLE
„Fehlerfrei – wie dumm ist das denn?“Florian Gschwandtner
„Wie still wäre es im Wald, wenn nur die begabtesten Vögel sängen.“Homepage Evangelische Schule Berlin Zentrum – Alexander Puschkin
„Ich möchte mein Kind in keine Schule schicken, wo es nur höchst engagierte Lehrer gibt. Das Kind wäre dort ja total überfordert.“Rudolf Taschner
VOR-BILDER
„Handle ein einziges Mal nach deinem Gefühl, nicht immer nach deinem Verstand!“Zitat aus dem Film „Knight Moves“
„Du musst immer daran glauben, dass ein Mann sein Schicksal verändern kann. Alles ist möglich, du musst nur die Sterne neu ordnen.“Zitat aus dem Film „Ritter aus Leidenschaft“
„Ich war begeistert, weil ich unter anderem wusste, dass ich dann ins Fußballstadion und in die Staatsoper gehen kann.“Bundespräsident Heinz Fischer über seinen Vater, als dieser Staatssekretär wurde
DIE ZUTATEN DES ERFOLGS
TALENT UND FLEISS
„Was willst du?“ – „24 Stunden arbeiten.“Barbara Stöckl
„Das Einklinken in das andere System ist der Schlüssel zum Erfolg. Beobachte, wie die anderen leben und was sie wollen.“Alfons Schuhbeck
Die 10.000-Stunden-Regel
„Ich kenne einige Sänger und Sängerinnen, die nicht besonders begabt sind, dafür aber wahnsinnig fleißig.“Angelika Kirchschlager
„Wenn es darauf ankommt, ist es das gewisse Etwas, ich nenne es das ‚Killergen‘, das den Unterschied ausmacht. Das schlägt auch Trainingsweltmeister.“Marcel Hirscher
„Die breite Masse hat nicht mitbekommen, was das am Anfang für ein harter Kampf war.“Andreas Gabalier
„Schlamperei, Ungenauigkeit, das Reinfallen auf sich selbst verhindern letztendlich Erfolg bei durchaus begabten Menschen.“Cornelius Obonya
„Verschleudere dein Talent nicht, schärfe es, mache was daraus, es gibt keinen Grund, sich auf irgendetwas auszuruhen.“Gerhard Bronner zu Cornelius Obonya
GEDULD UND DURCHHALTEVERMÖGEN
„Durchhaltevermögen schlägt Talent.“Marc Girardelli
„Wenn ich meinen inneren Schweinehund überwinden will, dann sage ich mir selber ‚Aufstehen, Krone richten, weitermachen‘.“Tatjana Oppitz
„Ich habe Eckart Witzigmann 35-mal gefragt, ob ich bei ihm arbeiten darf.“Alfons Schuhbeck
SCHUSTER, BLEIB (NICHT) BEI DEINEM LEISTEN
„Erfolg beginnt immer mit einer Idee!“Cornelius Obonya
„Der eigenen Sehnsucht zu folgen, heißt, mit dem Mainstream in Konflikt zu kommen.“Heinrich Staudinger
EMOTIONALE INTELLIGENZ
„Das Leben muss doch auch Sinn machen, nicht nur Profit.“Gertrud Höhler
Entscheidende Kompetenzen für Emotionale Intelligenz
INTUITION – KOPF ODER BAUCH?
„Ich glaube von 100 Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe, habe ich 99 aus dem Bauch getroffen, aber es war sehr schön, als 98 davon hinterher intellektuell bestätigt werden konnten.“Frank Elstner
„Alles, was ich im Leben aus dem Hirn gemacht habe, war nicht optimal. Alles, was ich aus dem Bauch heraus gemacht habe, war erfolgreich.“Alfons Schuhbeck
„Ich habe in meinem Leben viele Entscheidungen intuitiv getroffen und sie waren richtig.“Freddy Burger
„In der Bildungsdebatte ist die Herzensbildung unterrepräsentiert.“Barbara Stöckl
„Ich entscheide mich nur, wenn Kopf und Bauch gleichzeitig Ja sagen. Sonst treffe ich diese Entscheidung nicht.“Gerhard Zeiler
„Zwei Drittel Kopf und ein Drittel Bauch.“Heinz Fischer
„Ich verstehe die Masse, also nicht den Superhochintelligenten und auch nicht den ganz Supersuperdummen, aber die Masse. Und das ist eine intuitive Fähigkeit.“Florian Gschwandtner
RESILIENZ, DIE PSYCHISCHE WIDERSTANDSKRAFT – BIEGEN STATT BRECHEN
Wer geht, wer bleibt, wer kommt. Was war, was ist, was sein wird.
KREATIVITÄT
„Es gibt keinen Lift zum Erfolg, du musst die Stufen nehmen.“Florian Gschwandtner
Das Bewusstsein, etwas Besonderes zu sein
Denken Sie über den Tellerrand, senkrecht und quer
Der erste Kreativitätstest der Welt
Der falsche und der richtige Raum
DER ZUFALL UND DAS LIEBE GLÜCK
„Wenn ich im Schlafsack gesteckt wäre, der ist immer zu bis ganz oben, dann hätte ich keine Chance gehabt.“Gerlinde Kaltenbrunner
„Träume erlauben uns, Möglichkeiten auszuprobieren, die in der Wirklichkeit gar nicht gehen, aus denen man aber trotzdem etwas lernen kann.“Ernst Ulrich von Weizsäcker
„Alle Erfindungen gehören dem Zufall an, die einen näher, die anderen weiter vom Ende, sonst könnten sich vernünftige Leute hinsetzen und Entdeckungen machen, so wie man Briefe schreibt.“Georg Christoph Lichtenberg
DER PROZESS
WAS TREIBT SIE AN?
DRUCK
„Meine besten Ideen hatte ich nur unter Druck.“Frank Elstner
„Wenn man oben ist, dann gibt es nur eine Richtung, und zwar nach vorne mit Vollgas.“Marcel Hirscher
„Kraftreserven können durch Gefühle wie Wut mobilisiert werden und Wut ist ein wichtiger Motor für Erfolg.“Gertrud Höhler
MISSERFOLG UND SCHEITERN
„Weg mit dem Misserfolgsvermeidungsdenken!“Gerhard Zeiler
„Wenn Systeme erfolgreich sein sollen, müssen sie Fehler provozieren und geradezu erlauben.“Ernst Ulrich von Weizsäcker
Wenn Misserfolge letztlich erfolgreich werden
„Visionen, Ideen und Kreativität entstehen nur im tatsächlichen Verlust.“Gerry Friedle alias DJ Ötzi
„Ohne Scheitern wäre ich nichts, für mich war das Verlieren oft lehrreicher als das Gewinnen.“Marcel Hirscher
„Ich lasse mir den Kopf nicht durch Schwierigkeiten vernebeln.“Helmut Marko
FREUDE UND LEIDENSCHAFT
„Raus aus der Blumenwiese und rein in den Dschungel.“Anne Meyer-Minnemann
„Das Schönste, was es gibt, ist Visionen zu haben, Fantasie, Leidenschaft und Disziplin.“Alfons Schuhbeck
KRÄNKUNGEN UND MANGEL
„Man würde nie so viel von sich preisgeben, man macht das eigentlich nur, weil man so eine Sehnsucht hat nach Anerkennung, Liebe und Lob.“Gerry Friedle alias DJ Ötzi
MUT UND RISIKO
„Man muss den Mut haben, sich zu blamieren.“Barbara Stöckl
Racing-Gen ohne Führerschein und mit Jochen Rindt
„Es gibt immer einen Weg, wenn der andere versperrt ist, immer einen Weg nach vorne.“Margot Käßmann
„Unternehmer müssen sich immer mit dem ‚Worst Case‘ beschäftigen.“Freddy Burger
„Man muss die Tollkühnheit haben, das Risiko zu lieben.“Marc Girardelli
„Mut ist der schmale Grat zwischen Tollkühnheit und Feigheit.“Gertrud Höhler
DIE ENTSCHEIDUNG
„Raus aus der Enge und von außen draufschauen.“Gerlinde Kaltenbrunner
„Ich frage und mache Sitzungen und Meetings, aber die Entscheidung treffe ich allein.“Elisabeth Gürtler
„Du musst die Reise zum Erfolg in einige Zwischenetappen einteilen, sonst verlierst du den Glauben an dich.“Marc Girardelli
PLAN ODER KEIN PLAN?
„A dream without a plan is just a wish!“Susie Wolff
„Einen Chef braucht man nicht, wenn die Sonne scheint. Einen Chef braucht man vor allem, wenn es regnet. Er muss den Regenschirm aufspannen.“Gerhard Zeiler
WARUM SIND MANCHMALARSCHLÖCHERERFOLGREICHER?
„In der schlechtesten Gesellschaft kann der Schlechteste nach oben kommen.“Gertrud Höhler
„Führung durch Angst ist nicht mehr so weit verbreitet wie früher, aber noch immer zum Überdruss vorhanden. Auf Dauer hat niemand damit Erfolg.“Gerhard Zeiler
„Ich will kein geistiges Sodbrennen.“Alfons Schuhbeck
„Wahrscheinlich ist auch der unangenehmste Zeitgenosse im Grunde eine kleine Seele, die geliebt werden will.“Angelika Kirchschlager
„Der Schlimme ist interessanter als der Brave.“Florian Gschwandtner
DER KNALL-EFFEKT
DER POPCORN-MOMENT
„Ich kann ohne Applaus leben, aber nicht, wenn ich auf der Bühne stehe.“Udo Jürgens
„Ein Unternehmer muss nicht gewählt werden, auch wenn er unbeliebt ist, ist er Unternehmer. Dann ist er ein unbeliebter Unternehmer.“Elisabeth Gürtler
NEID UND KRITIK
„‚Nix gschimpft is gnua globt‘, also keine Kritik ist genug Lob.“ORF-Journalist Geert Kahl zu Claudia Reiterer nach ihrer ersten „Pressestunde“
Wenn sich Genies bekämpfen
„Künstler sollen Menschen sein dürfen auf der Bühne […] kein Kanonenfutter.“Angelika Kirchschlager
„Ich muss vor mir selber geradestehen, nach meinen Wertvorstellungen leben; die Leute, die etwas Negatives über mich schreiben, sollen glücklich werden damit.“Gerlinde Kaltenbrunner
„Neid ist ein Feind des Erfolgs.“Andreas Gabalier
„Ich freue mich immer, wenn andere besser sind als ich und insofern spüre ich dabei keinen Neid.“Ernst Ulrich von Weizsäcker
„Berechtigte Kritik motiviert mich.“Tatjana Oppitz
„Es ist besser, nach einer Diskussion recht zu haben als vor einer Diskussion unrecht.“Gerhard Zeiler
„Wenn man glaubt, man kann es immer allen recht machen, scheitert man.“Barbara Stöckl
DIE DRITTELFORMEL UND ANDERE ERFOLGSREZEPTE
„Ein Drittel Glück. Ein Drittel Können. Ein Drittel Sympathie.“Claudia Reiterer
„Frauen müssen hellwach sein und springen, wenn sie Chancen haben, und nie sagen: Das ist mir zu viel oder ich weiß nicht, ob ich das kann. Sie müssen JA sagen!“Elisabeth Gürtler
DIE NUMMER ZWEI
Bronze macht glücklicher als Silber
WAS HABEN DIE SIEGER GEMEINSAM?
ARBEIT ALS ENERGIEQUELLE
MUT ZUR PAUSE
„Du kannst dich nur in der Stille spüren, anders geht’s nicht.“Angelika Kirchschlager
„Der Mensch braucht Auszeiten, der Mensch braucht Erholungszeit. Man kann nicht alles zur gleichen Zeit machen.“Freddy Burger
„Nichts aufschieben. Aus einem kleinen Haufen wird dann ein unreparierbarer Berg.“Alfons Schuhbeck
KUNST DER BALANCE
„Erfolg ist nicht einfach das So-Bleiben, sondern auch das Anders-Werden.“Ernst Ulrich von Weizsäcker
„JA, ICH WILL!“
OHNE ZIEL, KEINE RICHTUNG
STANDORT BESTIMMT DEN STANDPUNKT
LÖFFELLISTE
„‚Die Popcorn Six‘: Können, Glück, Durchhaltevermögen, Fleiß, Persönlichkeit und Willenskraft.“Claudia Reiterer
REFERENZEN
Ich sitze mit meinem Mann und meinem Sohn vor dem Fernsehgerät und wir zittern gemeinsam mit Marcel Hirscher. Schafft er es zum vierten Mal Weltcupgesamtsieger zu werden oder nicht? Mein Pulsschlag ist erhöht. Wie hoch muss er erst bei Hirscher sein und wie hält dieser Ausnahmesportler den Druck in diesem Moment überhaupt aus? Wie schafft er es, die Grenzen zu überwinden?
Erfolgreiche Menschen begleiten uns überallhin, sogar bis in unser Wohnzimmer, sei es am Smartphone, im Radio, in Büchern, den Zeitungen und natürlich im Fernsehen. Man denke nur an die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten oder an Frank Elstner mit seinen „Menschen der Woche“. Ein anderes Mal liege ich auf der Couch und bereite mich mit den Thesen von Ernst Ulrich von Weizsäcker auf einen Klima- und Umweltschutzkongress vor. Aus dem Radio höre ich Gerlinde Kaltenbrunner, die von ihren Bergexpeditionen erzählt. Und wenn ich koche, verwende ich gerne die Gewürzmischungen von Alfons Schuhbeck und entspanne mich bei den lebensnahen Texten und der Musik von Annett Louisan. Als ich einmal Cornelius Obonya in „Die Hebamme“ genießen wollte, machte ich mir Popcorn für das Heimkinofeeling, aber es funktionierte nicht. Erst beim zweiten Anlauf glückte es. Ich fragte mich: Was habe ich beim ersten Mal falsch gemacht? Lag es an den Zutaten? Oder stimmte die Temperatur nicht? Welche Parameter müssen gegeben sein, um erfolgreich Popcorn herzustellen? Die Erzeugung von Popcorn ist wie eine Parabel für den Erfolg im Leben. Denn auch der berufliche Durchbruch ist das Ergebnis der richtigen Zutaten im korrekten Verhältnis. Es braucht Können, Glück, Begabung, Emotionale Intelligenz, Förderer und Fleiß. Alles hinein in den Topf des Lebens, den Deckel draufsetzen, mit Mut und Risiko die Temperatur nach oben drehen, die Hitze und den Druck aushalten, bis die Grenzen von innen heraus gesprengt werden und wie beim Maiskorn der Erfolg in diesem einen besonderen Moment aufgeht, die innere Stärke nach außen quillt. Das funktioniert meist nur, wenn man aus den genetischen und sozialen Zwängen, auf die man konditioniert wurde, ausbricht. Wenn es läuft, dann läuft es, und alles geht plötzlich wie von selbst, der Erfolg stellt sich ein. Wie aber kommt es dazu? Was muss man tun, um erfolgreich zu werden? Ich wollte es genauer wissen und habe einige Menschen, die es, wie man im Volksmund sagt, „geschafft haben“, interviewt, um sie genau das zu fragen. Was hat bei ihnen zu diesem Popcorn-Moment geführt? Und wer hat vielleicht den Topf einmal von der heißen Platte zurückgezogen, weil das Risiko zu groß war? Aus den Erfolgsgeschichten anderer kann man lernen und immer auch die eine oder andere Lebensweisheit mitnehmen. Solche Denkanstöße für das eigene Leben, die eigene Erfolgsgeschichte finden sich in diesem Buch zuhauf. Ich nenne sie die Popcorn-Sätze. Aber fangen wir bei der Basis an. Beim Popcorn muss das Feld, auf dem die Maispflanzen angebaut werden, stimmen, sonst können sie nicht gedeihen und daraus nie die Maiskörner werden, die „aufgehen“. Umgelegt auf uns Menschen sind die ersten prägenden Jahre jene der Kindheit und Jugend. Wie war es wohl um das Feld der Kindheit und Jugend von Publikumslieblingen und Siegern bestellt?
Bis zu meinem 25. Lebensjahr wusste ich nichts über meine Gene oder was die Aussage, du hast diese oder andere Eigenschaften „geerbt“, bedeuten sollte. Kinder und deren Chancen werden oft nur nach ihrem Erbgut beurteilt. Das empfinde ich seit jeher als ungerecht. Der Grund: Ich bin nicht bei meinen leiblichen Eltern aufgewachsen. Kinder, die von ihren biologischen Erzeugern großgezogen wurden, wiesen für mich häufig Ähnlichkeiten im Verhalten oder in ihrer Entwicklung zu ihren Eltern auf. Aber ist das wirklich so? Werden Umwelt und Gene meist nicht zu Unrecht gleichgesetzt?
Um Popcorn produzieren zu können, benötige ich den Rohstoff, die Maispflanze, und ein Feld, auf dem die Pflanze wachsen kann. Dazu wird das Samenkorn in den leicht feuchten Boden ausgelegt. Acht Grad sind die ideale Temperatur für die Aussaat. Ob die Pflanzen gedeihen, hängt von der Beschaffenheit des Bodens, von der Witterung, also von Sonne und Regen, sowie von der Pflege ab. Relevant ist auch, ob zusätzlich ein Dünger verwendet wird oder nicht. Und wenn ja, welcher? Trotzdem wird nicht jedes Samenkorn gleich gut wachsen, auch wenn es sich um dasselbe Feld handelt, in das es gesät wurde. Es hängt also von unzähligen Faktoren und Bedingungen ab, ob die Saat aufgeht, das Korn gut wachsen und eine reiche Ernte eingefahren werden kann. Die Biologen nennen es die „Ökologie“ eines Organismus: „Die größte Eiche in einem Wald ist nicht nur deshalb die größte, weil sie aus der kräftigsten Eichel stammt, sondern weil ihr auch kein anderer Baum die Sonne genommen hat, die Erde tief und nährstoffreich ist, kein Hase den Jungbaum angefressen und kein Forstarbeiter den jungen Baum vorzeitig gefällt hat.“1
Wenn es aber um uns Menschen geht, dann wird noch immer darüber diskutiert, ob nun die Gene ODER die Umwelt schuld an unserem Lebensverlauf sind. Oder wird das nur gerne als Ausrede für die eigene Bequemlichkeit verwendet? Bewertet die Gesellschaft etwas als erfolgreich, dann hat man das Talent geerbt. Steht am Schluss ein gescheiterter Lebensweg, ist es Schicksal gewesen.
Am Tag meiner Geburt kam ich in ein Kinderheim in Wien, wo ich ein knappes Jahr verbrachte. Die Zustände in den Heimen dieser Zeit wurden erst vor Kurzem aufgearbeitet. Ein Bericht der Historikerkommission unter der Leitung von Reinhard Sieder aus dem Jahr 2012 spricht von „liebloser, menschenverachtender und gewaltsamer Erziehung“ in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren. Damals war Gewalt gesetzlich erlaubt. Erst 1977 wurde das Züchtigungsrecht der Eltern abgeschafft. Erst 1989 hat Österreich nach Schweden, Finnland und Norwegen mit dem Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz das absolute Gewalt verbot in der Erziehung verankert.2
Mit elf Monaten wurde ich in einem lastwagenähnlichen Gefährt mit anderen Heimkindern „ausgeliefert“ und zu meinen Pflegeeltern gebracht. Es war nicht ungewöhnlich, wenn Besitzer von landwirtschaftlichen Betrieben gleich bis zu zehn Pflegekinder aufgenommen haben. Im Historikerbericht ist die Rede von Großpflegefamilien und „Pflegekolonien“ in bestimmten ländlichen Bezirken in der Steiermark und dem Burgenland. „Wir vermuten, dass das Pflegegeld und die Arbeitsleistung der älteren Pflegekinder maßgebliche Motive der an Geld und Arbeitskräfte mangelleidenden Bauernfamilien waren“3, heißt es weiter. Meine Pflegeeltern hatten keine Landwirtschaft. Aber ihre hochintelligente leibliche Tochter Marianne hatte eine schwere spastische, körperliche Lähmung, konnte nicht gehen sowie ihre Hände nicht einsetzen, und hatte sich immer Geschwister gewünscht. So sind drei Pflegekinder ins Haus gekommen. Auch wenn mir eine bewusste Erinnerung an die Zeit im Heim fehlt, so wusste ich immer aus dem Bauch heraus, wenn mir später angedroht wurde, mich „wieder ins Heim zu schicken“, weil ich unartig war, dass das noch viel schlimmer sein müsste. Als ich „geliefert“ wurde, konnte ich bereits laufen, und mein kindliches Gemüt war von Zornattacken geprägt. Ich konnte so lange die Luft anhalten, bis ich blau im Gesicht wurde. Nur ein Kübel kaltes Wasser half mir wieder beim Atmen. Heute nehme ich an, dass es eine der unangenehmen Spätfolgen des ersten Lebensjahres gewesen sein könnte.
Als Pflegekind auf dem Land, in einem Dorf mit damals 17 Häusern und 56 Einwohnern, war man ein Kind zweiter Klasse. Das spürte ich am eigenen Leib und wirklich bewusst in der Volksschule. Mein Pflegebruder Josef, ein dunkelhäutiges Mädchen und ich wurden einige Male in die Ecke gestellt. Sehr schnell entdeckte ich, dass ich mit Leistung den Zustand ändern konnte. Ich lernte auf Teufel komm raus. Josef war ein Zeichentalent und hatte einen unglaublichen Humor. Eines Tages, wir waren etwa 13 Jahre alt und auf dem Weg zum Bus in die Hauptschule, sagte ich zu Josef, dass wir von zu Hause weg müssten, wenn aus uns was werden sollte. Er stimmte mir zu und einmal ausgesprochen, war dieser Wunsch von diesem Tag an fest in meinem Kopf verankert. Zu dieser Zeit besuchte ich gerade die Hauptschule in Hartberg. Sie war zwar nur fünf Kilometer von zu Hause und der Volksschule entfernt, aber weit genug, um zu bemerken, sich durch den eigenen Lebenslauf durchschummeln zu können. Ich verschwieg immer öfter Teile meiner Familiengeschichte, lernte selbstsicher aufzutreten, lernte fleißig und merkte schnell, dass ich so gleich wie die anderen behandelt wurde. Mein Gerechtigkeitssinn wurde bereits in meiner Schulzeit geschärft, wenn man etwa auf „Schwache“ losgegangen ist oder Sätze wie „Aus der kann ja nichts werden, die Mutter ist Alkoholikerin, der Vater nie daheim!“ über eine Mitschülerin gefallen sind. Das machte mich rasend, diese Bestimmtheit, dass man von den Eltern die Zukunftsaussichten des Kindes ableitete. Was sollte dann aus mir werden? Von meiner biologischen Mutter wusste ich damals nichts, außer dass sie mich weggegeben hatte. Als Kind war das für mich völlig unbegreiflich und ich hatte Angst, ein schlechter Mensch zu werden. Nein, bestimmte ich für mich. Dieser Angst wollte ich nicht nachgeben und ich spürte früh, ich kann denken, was ich will, und vielleicht auch ein Leben führen, das ich will. Träumen, Tagträumen, war meine Lieblingsbeschäftigung. Die Augen schließen und mich auf einer Bühne tanzen und spielen sehen oder im Radio Klaviermusik hören und mir vorstellen, das bin ich, eine große Konzertpianistin, die sich bei tosendem Applaus verbeugt. Es war ein gutes Gefühl. Viele Grenzen, wie Schulbildung und Elternhaus, schienen aus Beton gegossen zu sein, aber in meinem Kopf gab es keine Balken, nur Freiheit. Musik, meine Freundinnen, die Kirche, Selbstgespräche, die Reise in Fantasiewelten unzähliger Bücher aus der Leihbibliothek, das Verfassen vieler Tagebücher haben meinem geistigen Überleben den nötigen Raum gegeben. Und ich habe aus dem Satz „Aus dir wird nichts!“ „Aus mir kann alles werden!“ gemacht, zumindest in meinen Träumen. Das alles konnte allerdings nicht wettmachen, dass ich im echten Leben Angst hatte und lange mutlos war.
Was wäre aus mir geworden, wenn ich geliebt und gelobt, meine Talente gefördert worden wären? Oder waren es gerade die Angst, die Kränkungen, der ständige Kampfgeist, die mich antrieben und meine Ziele erreichen ließen? Sind erfolgreiche Menschen mehrheitlich gut behütet aufgewachsen oder haben traumatische Erfahrungen sie erst auf den Erfolgskurs gebracht? Wussten sie schon in ihrer Kindheit oder Jugend genau, was sie werden oder erreichen wollten? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein? Ist es die Intelligenz, der soziale Hintergrund, die Schulbildung oder ein angeborenes Talent? Ich erinnere mich an Klassenbeste, die nun ein durchschnittliches Dasein fristen, und an „schlechte“ Schülerinnen, die beruflich Erfolg haben. Jeder hat seine eigene Geschichte. Ich traf Menschen, die liebevolle Eltern hatten, Patriarchen als Väter oder gar ohne Vater oder bei Pflegeeltern aufgewachsen sind, Menschen, die auf der Straße lebten, Förderer hatten, Mütter mit und ohne Angst.
Es fing im Hühnerstall an und endete im Urwald. Die 1934 geborene britische Verhaltensforscherin Jane Goodall verbrachte mit ihrer Mutter Ferien auf dem Bauernhof der Großeltern. Beim Einsammeln der Hühnereier ging ihr eines nicht aus dem Kopf: „Wo ist bei einer Henne die Öffnung so groß, um ein Ei herauszulassen?“ Die kleine Jane folgte einer Henne in ihr Hühnerhaus, aber diese floh vor lauter Schreck. Daraufhin kroch sie in den nächsten kleinen Hühnerstall und wartete still in einer Ecke mit Stroh getarnt. Sie beobachtete eine Henne so lange, bis diese aufstand und etwas rundes Weißes langsam aus den Federn zwischen ihren Beinen fiel. Jane war mehrere Stunden im Stall. Familie, Freunde und die alarmierte Polizei suchten sie schon. Sie wird nie vergessen, dass ihre Mutter, als sie wieder auftauchte, nicht mit ihr schimpfte, sondern sich ihre Geschichte von dem Wunder mit dem Ei geduldig anhörte: „Ich sage meinem Publikum immer, dass die Hilfe von meiner Mutter in meiner Kindheit und darüber hinaus eigentlich der Schlüssel zu meinem Erfolg war. Sie hat mich stets darin bestärkt, hart für meine Träume zu arbeiten, positiv zu denken und daran zu glauben, was ich erreichen will. Sie war auch in den ersten Monaten meiner Forschungsarbeit in Gombe in Afrika eine große Stütze für mich, denn sie begleitete mich und war an meiner Seite. Das Gleiche gilt für Schimpansen-Mütter. Es gibt gute und schlechte. Der Nachwuchs der unterstützenden Mütter ist erfolgreicher. Ich erzähle diese Geschichten den Eltern von heute, um sie darin zu bestärken, dass auch sie ihre Kinder unterstützen sollen.“ Die amerikanische Baby-Forscherin Alison Gopnik hat in ihrem Buch „Kleine Philosophen“ festgestellt, dass Kinder Forscher, Beobachter, Nachahmer und Denker sind. Es geht um die „Zuwendung“, sagt der Erziehungswissenschaftler Jörg Ramseger von der Fachuniversität Berlin in einem Thesenpapier für die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.4
Diese Zuwendung beider Elternteile durfte auch die Britin Susie Wolff erfahren. „Ich wurde angstfrei erzogen“, erzählt sie mir bei unserem Treffen im Café Français in Wien. In der Königsklasse der Autorennen, der Formel 1, gibt es auch keinen Platz für Angst. Wolff sitzt als einzige weibliche Testfahrerin im Cockpit für Williams. Das nächste Training in Barcelona steht an, für das Rennen am 15. März 2015 in Melbourne in Australien muss alles perfekt sein. Ihre Eltern lernten sich im Motorbike-Shop ihres Vaters kennen. Es ist ihre Mutter, die ihre Tochter angstfrei alles probieren ließ. Das erste Rennen auf einem Mini-Motorbike absolvierte sie mit nur zwei Jahren. Mit vier Jahren fuhr sie jeden Hang mit den Skiern runter. Nie hörte sie „Pass auf!“ oder „Vorsicht, ich habe Angst!“ Einmal hatte sie keine Handschuhe an und ihre Finger waren schon ganz blau. Da meinte ihre Mutter nur: „Warum hast du nichts gesagt?“ Sie erinnert sich, dass sie einfach nicht wusste, dass überhaupt etwas passieren kann. Auch rückblickend gesehen ist für Wolff ihre Mutter eine starke, unabhängige Frau und eine große Unterstützung für ihren Vater. Die Beziehung ihrer Eltern ist von gegenseitigem Respekt geprägt. Die großen Entscheidungen treffe der Vater, er sei der „Chef“. Ohne ihre Eltern wäre sie nicht dort, wo sie heute ist, sagt sie.
Ihr Vater half ihr schon als Kleinkind, Entscheidungen selbst zu treffen, die wegweisende war das erste Gokartrennen. Sie empfand es als furchtbar, weil alle anderen besser und schneller waren und immer wieder gegen ihr Auto fuhren. Sie war kein „Naturtalent“. Die achtjährige Susie kam zu ihrem Vater und sagte: „Ich mag das überhaupt nicht, das ist alles nicht mein Ding!“ Seine Reaktion: „Okay, wir haben zwei Möglichkeiten. Wir stellen das Auto zurück in den Lastwagen und wir fahren nach Hause, das ist alles kein Problem. Oder du gehst zurück und versuchst, schneller zu sein als die anderen, und wenn die anderen dich schlagen wollen, dann schlägst du doppelt zurück.“ Ihr um 18 Monate älterer Bruder David Stoddard war immer ein Vorbild für sie, weil ihre Eltern in der Erziehung nie einen Unterschied zwischen den beiden gemacht haben. Sie lernte: Gewinnen zu wollen, ist keine Frage des Geschlechts und „was David kann, kann ich auch“. Das kleine Mädchen ging zurück zu seinem Gokart und machte weiter. Das war der Moment, „wo ich selbst spürte, jetzt ist die Entscheidung gefallen, ich will Rennen fahren“. Sie fuhr schon kurz darauf Rennen gegen Lewis Hamilton. Der zweifache Formel-1-Weltmeister hat bereits damals alle Rennen gewonnen und für Wolff war er immer schon einer der talentiertesten Fahrer. Wenn sie sich jetzt an der Rennstrecke treffen, dann schwelgen sie ab und an in der Vergangenheit: „Schau, wie weit wir es geschafft haben. Wir waren Kinder, die einfach einen Traum verfolgt haben. […] Jetzt bist du Formel-1-Weltmeister und ich bin Testfahrerin bei einem der bekanntesten und besten F1-Teams.“
Mit 13 fuhr sie zum ersten Mal in der Formel 3, dem Trainingsplatz für die Formel 1. Sie fing an, Meisterschaften zu fahren. Die Berufsentscheidung, Rennfahrerin werden zu wollen, traf sie aber erst mit 14: „In diesem Moment wusste ich, das ist mein Job, das bin ich, ich kann Rennen fahren.“ Der Lohn folgte gleich, sie wurde im selben Alter „British Woman Kart Racing Driver of the Year“. Sie liebt das prickelnde Gefühl von Geschwindigkeit. Wenn sie nicht Autorennfahrerin wäre, wäre sie Skirennläuferin geworden.
Jane Goodall und Susie Wolff fühlten bei ihren Eltern keine Panik. Angstfreiheit hat nach Kenntnis der Entwicklungspsychologie entscheidend mit einer festen Bezugsperson zu tun, die Zeit mit dem Kind verbringt. Gewalt und Frustrationserlebnisse in dieser frühen Phase prägen sich unauslöschlich ins Gehirn ein. Erziehung bedeutet, Kindern Liebe und auf positive Weise die richtige Zeit und den richtigen Ort für ihr Handeln zu zeigen. Kinder brauchen das Gefühl, ein verlässliches Zuhause zu haben, wo man sich wohlfühlt und gerne hinkommt.
„Angstfreiheit ist eine Grundvoraussetzung für Risikosportarten“, sagt Marc Girardelli. Er zählt noch immer zu den Allergrößten im internationalen Skirennsport: 100-mal auf dem Siegerpodest, 46 Weltcupsiege, elf Weltmeisterschaftstitel sowie zwei olympische Medaillen und vielleicht ein Rekord für die Ewigkeit: fünfmal Sieger des Gesamtweltcups. „Wenn man Kinder hat, die keine Angst haben, dann muss man auch solche Eltern haben“ und man dürfe „keine Angst vor dem Risiko haben“, meint Girardelli. Das gelte für beide Seiten. Viele Eltern kontaktieren ihn wegen ihrer Kinder, die sie für talentierte Rennsportler halten. Er scheut sich nicht, die Eltern darauf hinzuweisen: „Wenn ein Kind für diesen Sport ein Talent hat, dann müssen Sie jeden Tag Angst haben, dass das Kind nicht lebendig nach Hause kommt. Wenn Ihr Kind durch die tiefsten Flüsse schwimmt, die gefährlichsten Sachen macht, die kein anderes Kind sonst macht, dann hat es die richtige Mentalität, Rennsportler zu werden.“ Ein Kind ist für Girardelli ein Rohdiamant, das für den Feinschliff viel Training braucht, aber wenn ein „Kind schon Angst hat, von einem Stuhl runterzuspringen, vergiss es, vielleicht ist es dann für Minigolf oder einen anderen Sport talentiert“. Um seine beiden Kinder braucht er sich diesbezüglich keine Gedanken zu machen, sie streben gar keine Sportlerkarriere an. Und das war auch nicht Girardellis erstes Ziel. Er war vier, als ihn sein Vater das erste Mal auf die Skier stellte. Er war ständig in den Schnee gefallen und hatte nur geheult. Sein Vater, erzählt er, wollte offenbar seinem besten Freund beweisen, dass sein Sohn auch so gut fahren könne wie dessen Nachwuchs. Die Ski wurden bis zum nächsten Winter in den Keller gesperrt und da hatte er plötzlich den Spaß daran entdeckt. Er hatte mit fünf Jahren keinen Buckel im Wald und keine Naturschanze ausgelassen. Wenn sein Vater vergessen hatte, ihm zu sagen, dass er mit „schönen Schwüngen“ ins Tal fahren soll, war er automatisch Schuss gefahren.
Sein erstes Rennen, mit sieben Jahren die Landesmeisterschaft in Vorarlberg, war ein Fiasko. Eine Minute nach dem Start hatte er gleich zwölf Sekunden verloren, „da hätte ich gleich zu Fuß runterlaufen können, dann wäre ich wahrscheinlich schneller gewesen“. Sein Vater wollte ihn deshalb am nächsten Tag nicht starten lassen, aber Marc Girardelli wollte unbedingt und er erinnert sich an einen richtigen Wutausbruch am Start. Er fuhr und verlor dann nur mehr zwei Sekunden auf die Besten, die allerdings auch um einige Jahre älter waren als er.
In Jane Goodalls Kindheit gab es keinen Fernseher und Marc Girardelli sowie Susie Wolff sind in ihrer Schulzeit noch ohne Facebook, das erst am 4. Februar 2004 online ging, und andere soziale Medien aufgewachsen. Die Familie und die Schule waren damals die klassischen Sozialisationsinstanzen. Über das Ausmaß dieser Medialisierung der Kultur sind sich die Kommunikationswissenschaftler nicht einig, die Zeitspanne ist für qualitative Aussagen wohl noch zu kurz.
Nicht zu kurz ist es für erste Ergebnisse über die falsch verstandene Über-Förderung von Kindern. Es sind die sogenannten Helikopter-Eltern, die einerseits um ihren Nachwuchs kreisen, sie behüten und vor allen schlimmen Erfahrungen bewahren und andererseits durch entsprechende Kurse und Förderungen zu Genies auf den Gebieten der Musik bis hin zur Sprache machen wollen. In einer Studie der Universität Amsterdam haben Wissenschaftler um Eddi Brummelman im Fachblatt „PNAS“ die Ursache von Narzissmus untersucht und sie bei den Eltern von egozentrischen Kindern gefunden. Insgesamt wurden 565 niederländische Kinder zwischen sieben und elf Jahren sowie deren Eltern über zwei Jahre lang alle sechs Monate befragt. Von den Eltern wollte man wissen, ob ihr Nachwuchs „besser als andere Kinder“ sei oder „im Leben etwas Außergewöhnliches verdienen“. Väter und Mütter, „die ihre Kinder überhöhen und ihnen dadurch vermitteln, sie seien besser als andere, fördern demnach die Entwicklung narzisstischer Persönlichkeitsstörungen“5. Kinder, die nie lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, neigen später eher zu Narzissmus, besitzen weniger Einfühlungsvermögen und reagieren überempfindlich auf Kritik. Das Forschungsteam der Studie warnte aber davor, dass man Narzissmus nicht mit einem hohen Selbstwertgefühl verwechseln soll. Eltern, die ihre Kinder mit viel emotionaler Wärme behandeln, stärkten das Selbstwertgefühl. „Menschen mit hohem Selbstwertgefühl sehen sich auf Augenhöhe mit anderen, während Narzissten denken, sie würden darüberstehen“3, so der Co-Autor Brad Bushman von der Ohio State University in Columbus.6
Eltern machen manchmal sich selbst und ihren Kindern Druck, um ihrem Nachwuchs eine bessere Startposition zu ermöglichen. Der 2015 amtierende vierfache Weltcupgesamtsieger im alpinen Skizirkus Marcel Hirscher empfiehlt Eltern, dies auf keinen Fall zu tun: „Massiver Druck nimmt die Freude und den Spaß und die anderen würden einen dann erst recht überholen.“ Wie bei Susie Wolff wurde auch in seinem Elternhaus sehr früh und offen über seine Wünsche und Ziele geredet und kein Druck ausgeübt. Sein Vater fragte ihn: „Was willst du? Möchtest du besser werden beim Skifahren oder ist es für dich okay, wenn du ein guter Skifahrer bist und reicht dir das Talent allein?“ Er war bei dieser entscheidenden Frage 13 oder 14 Jahre alt. Er wusste schon damals, wenn er in die Profiliga aufsteigen will, muss er Abstriche machen und nicht mehr nur „Schuss“ den Berg runterfahren wie seine Freunde, sondern an seiner Technik arbeiten, um sie im richtigen Moment „nutzen und ausspielen“ zu können. Das sei weder „witzig noch lustig“ für ihn gewesen, aber „sonst wäre er nie ans Ziel gekommen“. Im Inneren verehrte er manche Sportler schon als kleines Kind und wollte so werden wie sie. Er hatte aber lange nicht den Mut, das auch auszusprechen. Der entscheidende Moment kam in der Hauptschule mit der Abschlusszeitung: „Jeder hat seine Berufswünsche angeführt und bei mir gab es Riesendiskussionen, weil ich geschrieben habe, ‚Ich möchte gerne Weltcupfahrer werden‘. Die anderen haben mich deswegen ausgelacht, gar nicht bösartig, sie meinten einfach, ich sei ‚komplett verrückt‘.“ Vielleicht war es „lächerlich zu diesem Zeitpunkt, trotzdem hab ich das Ziel erreicht“. Es war für Marcel Hirscher der Punkt, an dem er Selbstverantwortung für sich und seine Entscheidungen spürte. Für manch andere würde dieser Punkt nie kommen. „Wenn ich junge Athleten sehe, die mit 14 das Gewand der Nationalmannschaft tragen, eine eigene Homepage, ihren eigenen Kopfsponsor haben, der nicht einmal Geld dafür zahlt, und trotzdem tun sie es sich drauf, weil es sich so gehört, und im besten Fall haben sie auch noch ihre eigenen Autogrammkarten, das ist für mich abgehoben, far-out – das ist viel zu viel. Da sage ich, so einer wird den Berg nicht schaffen. Einer, der mit 14 glaubt, er ist schon oben angekommen, aber es noch lange nicht ist.“
Wolff, Goodall, Girardelli und Hirscher haben ihre Kindheit positiv in Erinnerung. Sie wurden ständig ermuntert und ihnen wurden auch Fehler zugestanden. Zwei französische Wissenschaftler halten dieses Erziehungsprinzip für erfolgreich. Der Doktorand Frédérique Autin von der Universität Poitiers hat zusammen mit seinem Doktorvater, dem Psychologieprofessor Jean-Claude Croizet, drei Experimente mit mehreren hundert Sechstklässlern konzipiert. Im ersten sollten 111 Kinder verschiedene Anagramme lösen. Unter einem Anagramm ist ein Wort zu verstehen, das aus einem anderen Wort durch Umstellung einzelner Buchstaben gebildet wurde. Der Haken: Sie waren allesamt unlösbar. Nach einer Weile unterbrach Autin die eine Hälfte der Kinder und sprach ihnen Mut zu. Schwierigkeiten und Fehler seien beim Lernen ganz normal, sagte er ihnen, ständiges Üben sei wie beim Fahrradfahren wichtig. Die andere Hälfte bekam keine Ermunterung, sondern wurde nur gefragt, wie sie die Anagramme lösen wollte. Nun unterzog Autin alle Kinder einer Aufgabe, bei der ihr Arbeitsgedächtnis getestet wurde. Hintergrund: Das Arbeitsgedächtnis spielt bei vielen geistigen Leistungen eine wesentliche Rolle, etwa beim Lesen von Texten oder beim Lösen von Problemen. Und siehe da: Die Gruppe, der Autin gut zugesprochen hatte, schnitt wesentlich besser ab als jene Gruppe, die mit der unlösbaren Aufgabe allein gelassen wurde.7 Das sieht „Tiger Mom“ Amy Chua völlig anders. Sie wurde mit ihrem Bestseller „The Battle of the Tiger Mother“ (2011) über die Grenzen Amerikas bekannt. Die ideale Erziehung sieht sie als eine Art Bootcamp: „Vergesst die als Hobbys getarnten Stümpereien eurer Kinder, vergesst Freizeit überhaupt; […] gut erzogene, das heißt, erfolgreiche Kinder bekommt ihr, wenn ihr deren Leben zum Rund-um-die-Uhr-Lernen macht, sie ab und zu als ‚Abfall‘ bezeichnet oder ihnen bei Minderleistung droht, Stofftiere zu verbrennen, oder ein ‚echtes chinesisches Kind‘ zu adoptieren.“8 Erfolg gebe es nur mit Disziplin, Disziplin, Disziplin. Chua meint damit aber die negative Assoziation für Zwang, Druck, Verzicht und Durchsetzung. Es geht um Belohnung und Bestrafung. Disziplin als Machtinstrument von oben nach unten, keineswegs auf Augenhöhe mit dem Kind.
Diese Erfahrung hat die Unternehmerin und Chefin des Sacher-Imperiums, des Fünfsternehotels Astoria in Seefeld sowie des Bristols neben der Wiener Staatsoper und Generaldirektorin der Spanischen Hofreitschule Elisabeth Gürtler gemacht. Das Hotel Sacher in Wien führt sie übrigens gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Ehemann. Sie sitzt mir gegenüber, makellos gekleidet und geschminkt auf dem vorderen Rand eines weichen Sessels. Sie verliert keine Sekunde die perfekte Haltung, obwohl sie stark verkühlt ist, aber dennoch das Gespräch auf keinen Fall verschieben wollte. Mit jeder Faser verkörpert sie Disziplin. Wir sitzen im Entree des weltberühmten Hotels Sacher; Indira Gandhi, John F. Kennedy oder Queen Elizabeth II. waren hier schon als Gäste beherbergt. Im Mittelpunkt des Raumes hängt unübersehbar ein Porträt von Anna Maria Sacher. Sie hatte das Hotel ihres Mannes Anfang des 20. Jahrhunderts erst zu einer internationalen Institution gemacht. Sie ist mit ebenso strenger Sitzhaltung und ihrem Hund auf dem Bild zu sehen. Zwei Frauen, eine Haltung. Die sichtbare Disziplin hat eine Geschichte, die in Elisabeth Gürtlers Kindheit zurückreicht. Ihr Vater Fritz Mauthner, ein international tätiger Getreidegroßhändler, war ein diktatorischer Patriarch, der keinen Widerspruch duldete. Er wollte immer Söhne, hatte aber zwei Töchter, die er dann wie Söhne behandelte. Er war ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann und hatte alles an seinem Leben gemessen. Er wollte, dass sein Lebenswerk weitergeführt wird. Elisabeth Gürtler bleiben drei Prämissen ihres Vaters ewig in Erinnerung:
•Nur unnütze Leute schlafen in der Früh.
•Quod licet Iovi, non licet bovi.*
•Wenn ich sage, es ist Grün, auch wenn es Rot ist, ist es Grün.
Gürtler versuchte mit dem Verhalten eines „Herrschers“ auf ihre Art umzugehen: „Man lernt diplomatisch zu sein, denn so einem Menschen kann man nicht sagen ‚Ich habe recht, so ist es und da gebe ich nicht nach‘, sondern man muss genau überlegen, wann man was sagt, warte ich noch auf den richtigen Augenblick, denn erzürnen darf man so jemanden auf keinen Fall!“
Der Psychologe Robert Sternberg nennt das „Praktische Intelligenz“, die einem hilft, Situationen richtig einzuschätzen. Dazu gehört unter anderem, „zu wissen, was man zu wem sagt, wann man es sagt und wie man es vorbringt, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen.“9
Dass Gürtler Zitate auf Latein so leicht von der Zunge gehen, ist ebenfalls ihres Vaters Werk. Sie hatte bei einer Lateinschularbeit Teile von Ovid nicht gut genug übersetzt und bekam einen Dreier. Der Vater tobte: „Nur für Leistung gibt es eine Gegenleistung.“ Sollte sie bei der nächsten Arbeit keinen Einser schreiben, würde er dafür sorgen, dass ihr geliebtes Pferd wegkommt. Elisabeth Gürtler lernte daraufhin so intensiv, dass sie einen Einser bekam und „Pipsi“ behalten konnte. Ein Pferd und seine Reiterin bilden eine Einheit, da kann niemand dem anderen seinen Willen aufzwingen. Gürtler war Dressurreiterin und errang bei den Staatsmeisterschaften einen zweiten und einen dritten Platz. Ihr Traum war es, einmal am Land zu leben, Pferde zu züchten und Hunde um sich zu haben. Ihr Vater wollte jedoch immer, dass sie ins Unternehmen einstieg. Aus diesem Grund absolvierte sie in Wien an der damaligen Hochschule für Welthandel ein wirtschaftswissenschaftliches Studium mit dem akademischen Grad „Diplom-Kaufmann“. Für die Arbeit mit Getreide hielt ihr Vater sie aber nicht für geeignet.
Am 15. Januar 2015, wenige Wochen nach dem Tod von Udo Jürgens, sitze ich im Zug nach Zürich. Mein Ziel ist die Carmenstrasse, das Büro des jahrzehntelangen Managers von Udo Jürgens. Der Termin war seit Monaten geplant, lange vor dem plötzlichen Tod des Sängers. Zu den Feiern rund um dessen 80. Geburtstag hatte ich auf ARTE eine Dokumentation über Udo Jürgens gesehen, wo auch Freddy Burger, die starke Nummer zwei, als Macher des Erfolgs zu Wort kam. Burger kommt pünktlich, er wirkt wenig überraschend müde und abgekämpft; am übernächsten Tag sollte die große Trauerfeier in Zürich stattfinden, danach waren noch welche in Berlin und Wien angesetzt. „Ich bin eigentlich nicht vorbereitet und schon gar nicht, um in diesen Tagen über Erfolg zu sprechen“, beginnt er das Gespräch. Ich weiß, ich darf ihn nicht aus den Augen verlieren, ja nicht auf meine Unterlagen schauen, muss mein Interview umstellen. Er weist mir einen fixen Platz zu, in meinem direkten Blickfeld rechts hinter ihm steht eine lebensgroße Figur von Udo Jürgens, die mit dem Finger in meine Richtung zeigt. Er setzt sich mir mit verschränkten Armen gegenüber, die er aber nach wenigen Minuten lösen sollte. Ich erzähle ihm, dass mein erster Brotberuf Krankenschwester war, worauf er erwidert, dass man diese Erfahrungen gut in seiner Branche brauchen könne, denn es gebe in diesem Bereich viele „Kranke“. Er muss an einen ihm unvergesslichen Satz seines Vaters denken: „Wir haben dich was Anständiges lernen lassen.“ Das Anständige war in den 1960er-Jahren eine Lehre als Hochbauzeichner. Ursprünglich wollte er wie sein Vater Grafikdekorateur werden, er hatte ihm als Junge oft bei der Arbeit geholfen, doch es war keine Lehrstelle frei gewesen. Sein Onkel hatte ein Architekturbüro, also machte er dort eine Schnupperlehre und anschließend die Ausbildung. „Ich hatte eine Lehrstelle, wo ich drei Jahre lang gelernt habe, wie man NICHT mit Menschen umgehen soll. Schuld daran war ein autoritärer Lehrmeister. Ich habe gelernt, wenn ich jemals ein Unternehmen führen dürfe, so würde ich es NIE machen. Am Schluss habe ich den Beruf aufgegeben, weil ich die Arbeit gehasst habe.“ Freddy Burger war einer der zehn besten Absolventen der Stadt Zürich, wusste aber auch, dass er diesen Beruf nie ausüben würde, dafür aber einen anderen. Als Vizepräsident des Jugendtanzklubs Zürich mit 2000 Mitgliedern war er verantwortlich für die Buchung der Orchester. Mit der Organisation der Tanzveranstaltungen verdiente er doppelt so viel wie als Lehrling. Aber wie sollte er seiner Familie den Wechsel in das Unterhaltungsgeschäft beibringen? Der Ruf war schlecht, es hieß, man würde zu den „Langhaarigen und Unseriösen“ gehen. Die Begriffe „Manager“ und „Showgeschäft“ gab es damals noch nicht. Burger verkündete seinen Berufswunsch bei einem Abendessen: „Zuerst schwiegen alle. Meine Mama hat runtergeguckt, meine Schwester und mein Bruder waren still, und mein Vater hat gesagt: ‚So, mein lieber Sohn, jetzt muss ich dir was sagen. Wir haben dich was Anständiges lernen lassen. Wenn du dich für den bisherigen Weg entscheidest, würden wir dich unterstützen. Wenn du aber in das Unterhaltungsgeschäft gehen willst, dann ist das deine Entscheidung. Ab heute zahlst du Kostgeld, wenn du hier weiter wohnen willst. Und wenn du nicht mehr bezahlen kannst, fliegst du raus‘.“ Burger stimmte dem Kostgeld zu und versicherte seinem Vater, dass er immer zahlen werde, er sah das als eine zusätzliche Herausforderung. Sein Vater wiederholte dennoch: „Wir werden dich nicht unterstützen.“
Rückblickend meint Burger, dass jede andere Ausbildung, sei es ein Studium oder eine kaufmännische Lehre, hilfreicher gewesen wäre als die eines Hochbauzeichners. Einen Vorteil entdeckte er doch. Er hat gelernt, „räumlich“ zu denken und genau zu arbeiten, denn „wenn man auf einem Plan Fehler macht, also mit einem falschen Maß arbeitet, dann wäre das auf der Baustelle, wo sie das umsetzen müssen, ein Desaster“. Bei seinen späteren Konzepten für die Gastronomie habe er so wenigstens Pläne lesen können.
Wieder sitze ich im Zug. In München treffe ich Starkoch und Gewürzpapst Alfons Schuhbeck in seinem Restaurant „Orlando“. Er verwendet fast ausschließlich Metaphern aus seinem Berufsfeld, wenn wir über die Facetten des Erfolgs reden: Sieb, Dampf, Druck, Temperatur, Energie.
Wie bei Burger hatte auch Schuhbecks Vater den Hang, seinem Sohn einen technischen Beruf als sicher und zukunftsreich einzutrichtern. Er drängte Schuhbeck dazu, die Lehre eines Fernmeldetechnikers zu absolvieren. Schuhbeck wollte partout nicht und hatte „absichtlich bei der Aufnahmeprüfung alles falsch gemacht“. Er wollte durchfallen. „Ich wusste, ich habe kein Talent, ich kann es nicht, ich will es nicht.“ Wenig überraschend bestand er die Aufnahmeprüfung nicht. Sein Glücksgefühl hielt jedoch nur kurz an. Ein anderer Bewerber hatte sich den Fuß gebrochen, weshalb er in diese Ausbildung nachgerutscht ist. Dreieinhalb Jahre dauerte die Lehre, die er durchgezogen hatte, denn schon damals galt für Schuhbeck: „Bei mir gibt es nie einen Abbruch, bei mir gibt es nur Durchziehen. Ich hab die Prüfung bestanden, und das nicht einmal schlecht. Ich wusste aber, das kann nicht mein Leben sein! Wenn das mein Leben ist, dann werde ich unglücklich durchs Leben gehen. Das bin ich nicht, ich habe andere Talente. Und wenn man weiß, was man nicht will, dann wird das Feld breiter. Da kann man Gas geben und das andere fällt raus. Nicht denken: Hätt i, war i, tat i. Es geht darum, was ich kann und was ich liebe.“
Er wollte in Paris Koch werden – auch wenn er kein Wort Französisch konnte. Mit diesem Ziel vor Augen ging er zur zentralen Arbeitsbehörde in Frankfurt und wollte wissen, wie er das bewerkstelligen könne. Dort sagte man ihm, es wäre sinnlos, nach Frankreich zu fahren, weil die Franzosen die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht besonders mögen würden. Der 18-Jährige sagte zu dem Beamten: „Ich fahre trotzdem nach Paris und wenn ich Erfolg habe, dann schreibe ich Ihnen eine Karte.“
Ein Mann, ein Wort. Er fuhr mit dem Auto in die französische Hauptstadt, parkte sich in die Mitte der Champs-Élysées und fragte in jedem Lokal, ob jemand Deutsch könne. Und tatsächlich lernte er einen Mann aus dem Elsass kennen. Dieser stellte ihm zwei Stunden später seinen Chef vor. So bekam er seinen ersten Job in der Küche und hat sich geschworen: „Wenn ich einmal im Leben was erreichen sollte, dann gebe ich jedem Menschen, der mich fragt und was in der Küche machen will, eine Chance. Ich konnte kein Wort Französisch, Nullkommanull. Ich hab den Küchenchef gesehen, dann hab ich gelacht und gewusst, mit dem kann ich. Der hat zwar gewusst, dass ich nichts kann, aber er fand mich sympathisch.“ Übrigens: Die Ansichtskarte hat er dem Beamten vom Arbeitsamt geschrieben.
Der Vater von Roland Düringer ist verzweifelt. So lange hatte man in die Ausbildung des Sohnes investiert, in die Höhere Technische Lehranstalt für Maschinenbau. Er hatte auch schon einen Job als Technischer Zeichner in der OMV, einem internationalen Öl- und Gaskonzern, in Aussicht, und dann will er ausgerechnet Schauspieler werden. Düringer kennt aber gerade wegen seines Vaters die Bretter, die die Welt bedeuten, von klein auf, war sein Vater doch Garderobier im Wiener Burgtheater. Der Vater lässt aber nichts unversucht und überredet den Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor Otto Heinz Tausig (1922–2011), seinem Sohn diesen Wunsch auszureden. Eineinhalb Stunden dauert das Gespräch, in dem Tausig ihm die schlechten Seiten seines Berufs aufzählt, es könne schließlich „nicht jeder Schauspieler werden und gleich in einem Theater spielen und nicht jeder ist talentiert“. Roland Düringer erwidert darauf: „Ja, aber Sie machen es ja auch!“ Es war ein „netter Versuch“, ihn zu manipulieren, aber genau in diesem Moment dachte er sich, was soll schon passieren, „ich probiere es und wenn es nicht funktioniert, dann klopfe ich bei der OMV an“. Tausig hätte wissen müssen, wie stark die Sehnsucht nach der Bühne sein konnte, er selbst hatte sich mit 13 Jahren heimlich an einer Schauspielschule beworben, wurde aber mit dem Rat, es mit 16 noch einmal zu versuchen, abgewiesen. Da er wegen des Krieges nach England flüchten musste, sollte er erst mit 24 Jahren am Max Reinhardt Seminar landen und damit sein erfolgreiches Theaterleben einläuten.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, gilt auch für das Feld der Kindheit und Jugend. Wo ist man geboren, in welcher Zeit, mit welchen Werten und mit welcher Kultur?