Der reizende Darm - Benjamin I. Brown - E-Book

Der reizende Darm E-Book

Benjamin I. Brown

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Beschreibung

Magenkrämpfe, Schmerzen, Unwohlsein, Blähungen, Durchfall und Verstopfungen – "Reizdarmsyndrom" ist der Sammelbegriff für diese Symptome, an denen mittlerweile mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschland leiden. Der erfahrene Ernährungswissenschaftler Benjamin Brown räumt mit dem Mythos auf, Verdauungsprobleme ließen sich medizinisch meist nicht erklären. Auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und mit einem individuell anpassbaren Fünf-Schritte-Plan zeigt er dem Leser geprüfte, sichere Wege auf, um die Darmgesundheit wieder herzustellen und damit die eigene Lebensqualität nachhaltig zu verbessern.

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BENJAMIN I. BROWN

DERREIZENDEDARM

Ihr individueller 5-Schritte-Plan zur gesunden Verdauung

Mit einem Vorwortvon Dr. med. Adrian Schulte

Aus dem Englischen vonUlla Rahn-Huber

Wichtiger Hinweis

Die Informationen und Ratschläge in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt von Autor und Verlag erarbeitet und geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat. Alle Leserinnen und Leser sind daher aufgefordert, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit sie die Anregungen in diesem Buch umsetzen wollen. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlags für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »The Digestive Health Solution« bei Exisle Publishing Pty Ltd, Australien.

Dieses Buch enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte der Scorpio Verlag keinen Einfluss hat. Deshalb können wir für diese fremden Inhalte auch keine Haftung übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich. Die verlinkten Seiten wurden zum Zeitpunkt der Verlinkung auf mögliche Rechtsverstöße überprüft, rechtswidrige Inhalte waren nicht erkennbar. Bei Bekanntwerden von Rechtsverletzungen werden wir derartige Links umgehend entfernen.

1. eBook-Ausgabe 2017Text Copyright © BENJAMIN I BROWNExisle Publishing Ltd© der deutschsprachigen Ausgabe 2017Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, MünchenUmschlaggestaltung: Favoritbuero, MünchenSatz: BuchHaus Robert Gigler, München

Konvertierung: Brockhaus/CommissionePub: 978-3-95803-122-7ePdf: 978-3-95803-123-4

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.www.scorpio-verlag.de

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

Dies ist Ihr Buch. Es stellt Ihre Fragen, sucht für Sie nach Antworten und versetzt Sie in die Lage, aus eigener Kraft gesund zu werden. Jeder von uns hat seine Gesundheit und sein Wohlbefinden selbst in der Hand.

Dieses Buch ist auch allen in der klinischen Praxis, Lehre und Wissenschaft Tätigen gewidmet, die sich selbstlos für einen Wandel in der Medizin hin zu einem mitfühlenderen, natürlicheren und individuelleren Gesundheitswesen einsetzen, das Aspekte der Ernährung, des Lebensstils und der Umwelt mit einbezieht.

INHALT

Vorwort von Dr. med. Adrian Schulte

Einleitung

TEIL 1:VERDAUUNGSPROBLEME VERSTEHEN

Darmstörungen – eine Epidemie

Neun weitverbreitete Mythen

Leiden Sie am Reizdarmsyndrom?

Die gängigen Verdauungssymptome verstehen

Was ist in Ihrem Darm los?

Überempfindlichkeit der Verdauungsorgane

Verzögerte Magenentleerung (Gastroparese)

Bakterielle Fehl- und Überbesiedlung

Entzündungen

Durchlässigkeit der Darmwand

Stress

TEIL 2:DEN DARM RICHTIG FIT MACHEN

Bakterien – die bösen vertreiben und die guten in Balance bringen

Dünndarmfehlbesiedlung

Überhandnehmen pathogener Darmkeime und RDS

Postinfektiöses RDS

Sind »böse« Keime die Ursache für Ihr RDS?

So stärken Sie Ihre bakterielle Magen-Darm-Flora

Gesünder durch eine gute Verdauung

Mangel an Magensäure

Mangel an Bauchspeicheldrüsenenzymen

Gallensäureverlustsyndrom

Steckt eine Verdauungsschwäche hinter Ihren Symptomen?

So verbessern Sie Ihre Verdauung

Verstopfung beseitigen und das System neu starten

Verstopfungsursachen

Wie können Sie herausfinden, ob Ihre Probleme auf eine Verstopfung zurückzuführen sind?

Wie kann Verstopfung behandelt werden?

Biofeedback-Therapie

Behandeln Sie die Grundursache

Versteckten Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf die Spur kommen

Glutenhaltige Getreide

Milch und Milchprodukte

Andere problematische Nahrungsmittel

Stecken Nahrungsmittelunverträglichkeiten hinter Ihren Symptomen?

Mit problematischen Lebensmitteln umgehen

Die Bakterien auf eine kohlenhydratarme Diät setzen

Fruktose

Ballaststoffe

Die Low-FODMAP-Diät

Fast Food für Bakterien

Die Nerven der Darm-Hirn-Achse neu verdrahten

Die Darm-Hirn-Achse

Vom Stress, mit einer Verdauungskrankheit zu leben

Woher weiß ich, ob meine Symptome mit Stress zu tun haben?

Was kann ich tun, um den von RDS ausgelösten Stress zu mindern?

Die Verdauungsuhr neu stellen

Woher weiß ich, dass Schlafmangel hinter meinen Symptomen steckt?

Was kann ich tun, um besser zu schlafen?

Das Fitnessprogramm für den Darm

Ist Bewegungsmangel für meine Symptome mitverantwortlich?

Wie kann ich meine körperliche Aktivität steigern?

TEIL 3:DER 5-SCHRITTE-PLAN

In 5 Schritten zur gesunden Verdauung

Schritt 1: Symptome schnell lindern

Schritt 2: Gute Darmbakterien züchten

Schritt 3: Die Darmnerven beruhigen

Schritt 4: Setzen Sie Ihre Verdauung auf Diät

Schritt 5: Lebenslang beschwerdefrei bleiben

Der Weg zur gesunden Verdauung

Dank

Infoteil

Diagnostische Speziallabors

Ganzheitliche Behandlungsmöglichkeiten

Literaturempfehlungen

Website des Autors

Quellen

Register

VORWORT

Im deutschsprachigen Raum leidet nahezu jeder Fünfte unter einem gereizten Darm. Das Reizdarmsyndrom ist somit eine der häufigsten Darmkrankheiten. Sie ist zum Glück weder tödlich noch lebensverkürzend, für viele Betroffene jedoch unerträglich. Unerträglich, weil der Darm macht, was er will. Das Haus zu verlassen, wird zum unberechenbaren Abenteuer, da für viele Betroffene nicht vorhersehbar ist, wann eine Toilette in der Nähe sein sollte.

Keine andere Darmerkrankung hat sich in den letzten 20 Jahren, in denen ich auf diesem Gebiet klinisch tätig bin, rasanter vermehrt. Die Ursachen sind so vielfältig, dass das Reizdarmsyndrom auch für viele Therapeuten zu einer riesigen Herausforderung wird. Falsches Essverhalten ist eine mögliche Ursache genauso wie die heute weitverbreitete Laktoseintoleranz, Fruktosemalabsorption, Glutenunverträglichkeit, der Einsatz von Antibiotika, neue, für unseren Darm unbekannte Nahrungsmittel oder psychische Belastungen, sei es privater oder beruflicher Natur. Für die Patienten ist der Leidensweg oft gekennzeichnet von Fehldiagnosen, Verlegenheitsdiagnosen und umfangreicher Diagnostik. Sie werden durch dubiose Nahrungsunverträglichkeitstests verunsichert und verlieren jegliches Vertrauen.

Benjamin Brown zeigt in seinem unaufgeregten Buch Wege auf, diesem Dilemma zu entgehen. Das Buch vermittelt die notwendige Ruhe und Gelassenheit, die beim Umgang mit diesem Thema notwendig sind. Grundlagen werden allgemeinverständlich dargestellt und die für die Praxis wichtigsten Behandlungsstrategien aufgezeigt. Ein Buch nicht nur für gereizte Därme, sondern auch für jeden Therapeuten, der mit diesem Krankheitsbild konfrontiert wird.

Der individuelle 5-Schritte-Plan von Benjamin Brown wird Sie dabei unterstützen, die Ursachen für Ihre Beschwerden zu identifizieren, sinnvolle Therapieansätze zu finden und Ihre Symptome weitgehend zu lindern.

Dr. med. Adrian Schulte

Autor des Bestsellers Alles Scheiße!? Wenn der Darm zum Problem wird

EINLEITUNG

Die Idee zu diesem Buch entstand in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Paris. Drei Wochen zuvor hatte ich mich auf eine Reise durch Südspanien, über die Straße von Gibraltar und durch das herrliche Marokko begeben. Wie viele Auslandsreisende genoss auch ich das lokale, manchmal nicht nach den gewohnten hygienischen Standards zubereitete Essen, und so schaffte ich es, mir einen Reisedurchfall einzuhandeln. Wider besseres Wissen beschloss ich, die Tour trotzdem fortzusetzen, und kämpfte mit zusammengebissenen Zähnen gegen permanente Übelkeit, Krämpfe, Schmerzen und intervallweise auftretende Durchfallattacken an. Als ich schließlich von Marrakesch nach Paris flog, war ich körperlich und nervlich derart am Ende, dass ich dort zusammenbrach – nicht gerade das Highlight meiner Reise!

Nach diversen Behandlungen und ein paar Tagen Ruhe wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen, obwohl ich immer noch unter massiven Beschwerden litt: starke Bauchschmerzen, Krämpfe, abwechselnd Durchfall und Verstopfung, Blähungen und ein geschwollener Bauch, Herzrasen, ständige Schwindelgefühle und immer wieder auftretende Anfälle von extremer Übelkeit. Mehrere Wochen vergingen auf diese Weise. Ich war völlig erschöpft und von Ängsten gepeinigt. Ich weiß noch, wie es mir allein schon große Schwierigkeiten bereitete, zum Einkaufen zu meinem zwei Blocks entfernten Lebensmittelladen zu gehen. Um eine ernstere Erkrankung auszuschließen, unterzog ich mich einer ganzen Reihe von Untersuchungen. Man prüfte Herz-, Nieren- und Leberfunktion, und es wurde abgeklärt, ob ein Parasitenbefall vorlag. Die Ergebnisse waren alle unauffällig, und man sagte mir, dass sich meine Beschwerden voraussichtlich mit der Zeit legen würden. Dann entdeckte ich, dass bei mir ein klassischer Fall von post-infektiösem Reizdarmsyndrom vorlag, oder einfacher formuliert: Infolge einer Infektion reagierte mein Darm mit hartnäckigen Verdauungsproblemen.

Glücklicherweise hatte ich mich seit Jahren beruflich als Autor, Referent und praktizierender Behandler mit ganzheitlicher Medizin befasst und darum eine gewisse Vorstellung davon, was mir fehlte und wie ich möglichst bald wieder gesund werden könnte. Darum ließ ich selbst ein paar Tests durchführen. Es stellte sich heraus, dass die Mischung der Bakterien in meinem Magen-Darm-Trakt, die eigentlich aus einer hübschen, gesunden Population von »guten Keimen« wie dem Lactobacillus und dem Bifidobacterium mit nur wenigen »bösen Keimen« bestehen sollte, komplett auf dem Kopf stand. Ich kann es nicht mehr mit Sicherheit sagen, aber ich meine, noch nie zuvor derart verheerende Untersuchungsergebnisse gesehen zu haben. Es überraschte mich nicht, dass einer der führenden Wissenschaftler der Darmbakterienforschung, dem ich meine Geschichte bei einem Abendessen erzählte, ein gutes Stück von mir abrückte – angeblich Scherzes halber –, als ich ihm von meinen Laborwerten berichtete.

Nachdem ich eine gewisse Vorstellung davon hatte, wo ich ansetzen musste, fing ich an zu recherchieren und einen Behandlungsplan aufzustellen. Durch eine ganze Palette von Maßnahmen, die von der Einnahme verschiedener Naturheilmittel über eine Ernährungsumstellung bis hin zu diversen Mind-Body-Therapien reichte, gelang es mir im Laufe der darauffolgenden Monate, meine Symptome so gut wie völlig zum Verschwinden zu bringen. Mittlerweile kommt es nur noch gelegentlich zu einem kleineren Aufflackern von Beschwerden – ein hervorragendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass es sich hier um ein Krankheitsbild handelt, unter dem manche Menschen über Jahre hinweg schwer leiden.

Auf meinem Heilungsweg durchforstete ich sorgfältig alles, was es an populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Literatur zu diesem Thema gibt, und stellte fest, dass es für Menschen mit meiner Art von Beschwerden nur wenig an wirklich Lesenswertem gab. Die Therapievorschläge beschränken sich meist auf eine Einzelmaßnahme wie die Gabe von Medikamenten, eine Ernährungsumstellung oder eine psychotherapeutische Behandlung. Nur selten werden die Symptome in einem größeren Zusammenhang betrachtet und ein umfassenderes Konzept entwickelt, in dem unterschiedliche Behandlungsformen kombiniert werden. Auch stellte ich fest, dass viele vielversprechende Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur einfach nicht den Weg zu einem breiteren Publikum finden oder schlichtweg in Vergessenheit geraten. Und dann ist da noch die Vielzahl von dubiosen Informationen, die im Internet kursieren und vor allem von Leuten verbreitet werden, die ihre Produkte verkaufen wollen. Vieles mag gut gemeint sein, kann aber irreführend oder sogar schädlich wirken.

Und noch etwas fiel mir auf: Das Reizdarmsyndrom wird im Allgemeinen als ein mysteriöses Geschehen betrachtet. Man fasst unter dem Begriff ein verwirrendes Sammelsurium von Symptomen mit unklarer Ursache zusammen, was vielleicht der Grund dafür sein mag, dass man mir zunächst riet, abzuwarten, nichts zu tun und auf das Beste zu hoffen – eine frustrierende Empfehlung, mit der viele Menschen leider nur zu gut vertraut sind. Ich stellte jedoch fest, dass es durchaus eine Vielzahl von Gründen gibt, warum Menschen diese hartnäckigen, nervtötenden Beschwerden haben. Diese Ursachen zu identifizieren und zu behandeln kann eine deutliche Linderung bewirken und die Symptome manchmal ganz zum Verschwinden bringen. In der Tat drückt man Patienten in vielen Fällen das Etikett »Reizdarmsyndrom« nur deshalb auf, weil die zugrunde liegende, therapierbare Ursache nicht identifiziert und entsprechend behandelt wurde.

Angesichts dieser Erkenntnisse und in dem Wissen, dass es Millionen von Menschen gibt, die täglich unter schweren Symptomen leiden, habe ich mich darangemacht, ein breites Spektrum an klinischen Forschungen und wissenschaftlichen Studien zu sichten, die Hoffnung auf Linderung, wenn nicht gar Heilung von Reizdarmbeschwerden machen.

Wie Sie sehen werden, kann jedes Verdauungsleiden individuell ganz unterschiedlich gelagert sein. So viele Symptome es gibt, so viele potenzielle Ursachen sind in Betracht zu ziehen. Dass es angesichts der Vielschichtigkeit der Problematik je eine Universallösung geben könnte, ob in Form einer magischen Diät oder Wunderpille, ist darum eher unwahrscheinlich. Wenn Sie aber mehr über Ihre Krankheit wissen und verstehen möchten, was in Ihrem Darm vorgeht, warum Ihre Symptome auftreten und welche Fragen Sie stellen müssen, um die für Sie passenden Antworten zu finden, dann können Sie sich – so meine Hoffnung – Linderung bei einer Vielzahl von Verdauungsproblemen verschaffen, die an Ihren Kräften und Nerven zehren und Ihnen ein gutes Stück Lebensqualität rauben.

TEIL 1: VERDAUUNGSPROBLEME VERSTEHEN

Darmstörungen – eine Epidemie

Bauchschmerzen, Blähungen, Unbehawgen im Bauchraum und unregelmäßiger Stuhlgang sind die klassischen Zeichen des Reizdarmsyndroms; die Symptome beschränken sich jedoch nicht allein auf den Verdauungsapparat. Sie können daneben auch eine Vielzahl anderer Beschwerden von Muskelschmerzen über Erschöpfung bis hin zu Ängsten umfassen. Wenn Sie derartige Beschwerden haben, sind Sie nicht allein. Es gibt extrem viele Menschen, denen es genauso ergeht wie Ihnen. Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung leiden am Reizdarmsyndrom, sodass wir es hier mit dem weltweit häufigsten Beschwerdebild im Bereich des Magen-Darm-Trakts zu tun haben.

Über viele Jahre hinweg wurden die Symptome des Reizdarmsyndroms (RDS; auch IBS vom Englischen irritable bowel syndrome) als rein psychosomatisch abgetan (man sprach früher dementsprechend von »nervöser Colitis«) oder auf eine ungesunde Ernährung geschoben. Inzwischen wissen wir, dass dies beides nicht stimmt. Trotzdem tut man sich bis heute mit der Einordnung schwer. Betroffene leiden also nicht nur unter ihren Beschwerden, sondern zusätzlich an dem Frust, nicht zu wissen, was genau es mit ihrer Krankheit auf sich hat.

Es ist wichtig zu wissen, dass sich die konventionelle medizinische Diagnose von RDS ausschließlich an einer Reihe von häufig auftretenden Begleiterscheinungen orientiert, es also per definitionem keine funktionellen Ursachen dafür gibt. Mit anderen Worten: Wenn man Ihnen den Stempel »Reizdarmsyndrom« aufdrückt, haben Sie zwar die Beschwerden. Dennoch wird sich kaum jemand damit befassen, was genau mit Ihrem Verdauungssystem nicht stimmt und warum die Symptome auftreten. Das Fehlen einer objektiven Diagnose, etwa in Form eines Bluttests, stellt eine noch größere Herausforderung dar. Zudem führt die Komplexität der im Bereich der Verdauung möglichen Störungen dazu, dass nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch Mediziner oft ratlos sind, sodass es häufig zu Fehldiagnosen und -behandlungen kommt.

Es gibt keine einfache Methode zur Ausheilung von RDS-Symptomen. Medikamente funktionieren bei den meisten Menschen nicht sonderlich gut, und keines von ihnen macht Hoffnung auf eine vollständige Genesung. Höchst bedenklich ist, dass es sich bei den am häufigsten eingesetzten Pharmazeutika um Schmerzmittel handelt oder die Betroffenen zur Selbstmedikation zu gefährlichen Betäubungsmitteln greifen, die bestenfalls eine leichte Linderung bewirken, aber massive Nebenwirkungen haben. Es überrascht nicht, dass sich die meisten RDS-Patienten auf einem ziemlich langen Leidensweg befinden.

Bei den meisten Betroffenen treten die Symptome täglich und seit vielen Jahren auf. Eine große Studie an Probanden mit RDS ergab, dass 50 Prozent ihre Beschwerden seit über zehn und bemerkenswerte 16 Prozent sogar seit bis zu 30 Jahren hatten. Alarmierenderweise traten die Symptome bei 57 Prozent täglich, bei 25 Prozent in wöchentlichen und bei 14 Prozent in monatlichen Intervallen auf.1 Mit einer Erkrankung des Verdauungsapparats zu leben kann das Leben zur Hölle machen.

Eine Erkrankung ist mit einer erschreckenden Einbuße an Lebensqualität verbunden. Einschränkungen in der Ernährung, Stimmungsbeeinträchtigungen und Symptome wie Schmerzen, Blähungen, Verstopfung und Durchfall machen es unmöglich, ein normales Leben zu führen. Im Durchschnitt gehen RDS-Patienten pro Jahr zehn Wochen Zeit für alltägliche Aktivitäten verloren, und ihre Beschwerden sind so gravierend, dass sie eigenen Aussagen zufolge, wenn sie die Wahl hätten, lieber auf 25 Prozent ihrer verbleibenden Lebenszeit (durchschnittlich 15 Jahre) verzichten würden, als weiter mit ihren Problemen zu leben.2

Warum die Symptomatik Mediziner bis heute immer wieder vor Rätsel stellt, liegt an der Komplexität des Krankheitsbilds und der Vielzahl an beteiligten Umweltfaktoren, auf die genetisch entsprechend disponierte Menschen reagieren.3 Mit anderen Worten: Ihr Verdauungssystem ist Ihr Schwachpunkt, und Ihre Beschwerden können von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren verursacht werden. Es gibt also nicht einen, sondern viele verschiedene Auslöser, die zur Entstehung von Magen-Darm-Problemen führen. Die genauen Gründe im Einzelfall abzuklären ist darum kein einfaches Unterfangen, und oft steckt mehr als eine Ursache dahinter.

Die in jüngerer Zeit eingetretenen Veränderungen im Hinblick auf die Umwelt und die Lebensweise können erklären, weshalb Verdauungsbeschwerden mittlerweile derart häufig auftreten. Es wird vermutet, dass es sich bei RDS wie bei anderen chronischen Beschwerdebildern – etwa Herzerkrankungen oder Fettleibigkeit – um eine moderne Zivilisationskrankheit handelt. In der Tat steigt die RDS-Rate in der Bevölkerung in dem Maße an, wie sich eine Gesellschaft modernisiert.4 Dieser kulturelle Anpassungsprozess bringt einen dramatischen Wandel der Lebensweise mit sich: mehr psychischer Stress, mangelnder Schlaf, ein Umbruch in den Ernährungsgewohnheiten, ein geringeres Maß an körperlicher Aktivität, soziale Isolation und eine Belastung mit Arzneistoffen und Umweltgiften – all dies sind typische Erscheinungen unseres heutigen Lebens, die sich negativ auf die Funktion unserer Verdauung auswirken können.

Obwohl nicht selten eine familiäre Veranlagung zu RDS vorliegt und man in Untersuchungen festgestellt hat, dass manche Gene die Anfälligkeit für Verdauungsstörungen erhöhen, geht man im Allgemeinen davon aus, dass der genetische Anteil am Krankheitsgeschehen eher gering ist. Man glaubt vielmehr, dass eine Vielzahl von Umweltfaktoren in Kombination mit einer subtilen genetischen Prädisposition den Hintergrund bildet. Mit anderen Worten: Bei manchen Menschen ist der Darm ein Schwachpunkt, und diese veranlagungsbedingte Schwäche kann sich, wenn die entsprechenden Störfaktoren dazukommen, in Form von schwersten, chronischen Beschwerden äußern.

RDS wird vielfach noch immer als Symptomatik ohne greifbare Ursache abgetan. Dieser Auffassung widersprechen jedoch aktuelle Studien, die eindeutige Auslöser identifizieren und durch deren Behandlung eine signifikante Linderung, wenn nicht gar komplette Ausheilung der Symptome erreicht werden konnten.

Auch die Vorstellung, dass RDS mit keiner tieferen Störung im Magen-Darm-System in Verbindung steht, ist nicht länger haltbar. In Untersuchungen wurden Veränderungen im gastroenterologischen System nachgewiesen, die viele der Symptome mit erklären können. Die Art der Störung mag von Person zu Person unterschiedlich sein, dennoch gibt es Gemeinsamkeiten, die sich durch entsprechende Tests identifizieren und mit erstaunlich guten Ergebnissen behandeln lassen.

Diese Entdeckungen lassen Verdauungsbeschwerden in neuem Licht erscheinen – als komplexes Problem mit greifbarem, ausgesprochen realem Hintergrund. Dies gibt Anlass zur Hoffnung, denn wenn es gelingt, die Wurzeln einer Krankheit zu identifizieren und zu beseitigen, ist dies ein großer Schritt Richtung Heilung.

Dieses Buch nimmt Sie mit auf eine Reise durch die aktuelle Forschung, um Ihnen ein besseres Verständnis vom Geschehen in Ihrem Darm zu vermitteln und aufzuzeigen, warum die Gesundheit Ihres Verdauungssystems mit der Gesundheit Ihres Körpers in Zusammenhang steht. Gleichzeitig geht es den Ursachen Ihrer Beschwerden auf den Grund und gibt Ihnen das notwendige Wissen, um diese auszuräumen. So können Sie selbst Ihren Darum sanieren und Ihr Allgemeinbefinden insgesamt verbessern.

Neun weitverbreitete Mythen

Mythos 1: Es ist alles nur im Kopf

Lange Zeit dachte man, RDS-Symptome seien rein psychisch verursacht, und noch immer bekommen Menschen mit chronischen Darmbeschwerden zu hören, dass ihre Probleme alle nur im Kopf seien. Nun, sie sind in Ihrem Kopf, aber auf ganz andere Weise, als Sie denken! Mehrere Studien haben bei Betroffenen eine erhöhte Belastung mit Stress und Ängsten und sogar funktionelle Veränderungen im Gehirn festgestellt. Dies aber zeigt nur die eine Hälfte des Bildes.

Der Kopf ist Teil des Magen-Darm-Systems. Diese Aussage mag leicht verrückt klingen, aber Gehirn und Darm sind über die sogenannte Darm-Hirn-Achse, einem Netzwerk aus Nerven und Hormonen, aufs Engste miteinander verknüpft und stehen in ständiger Kommunikation. Durch die laufende Übermittlung von Signalen kann der Darm dem Gehirn mitteilen, ob wir hungrig oder satt sind, und das Gehirn den Darm benachrichtigen, wenn wir Stress empfinden oder Angst haben. Das Interessante ist, dass der Darm Einfluss auf unsere Gefühle nehmen kann, aber mehr dazu später.

Es ist also Fakt, dass Gehirn und Darm eng miteinander verbunden sind und eine Störung in einem Bereich auch den anderen Bereich beeinträchtigen kann. So wie Stress Verdauungsprobleme auslösen kann, können Verdauungsprobleme Stress auslösen. Wenn Ihnen also jemand sagt, Ihre Probleme seien alle nur im Kopf, dann weisen Sie diese Person höflich darauf hin, dass ihr eigenes Gehirn nach aktuellem Stand der Wissenschaft im Darm sitzt. Stress, Depressionen und Ängste treten bei Menschen, die an Verdauungskrankheiten leiden, ausgesprochen häufig auf, doch in den allermeisten Fällen handelt es sich bei solchen Störungen eher um Symptome als um Ursachen.

Mythos 2: Es gibt keine bekannten Ursachen

Wie Sie bei der Lektüre dieses Buchs noch feststellen werden, gibt es eine Vielzahl äußerst unterschiedlicher potenzieller Ursachen für Verdauungsbeschwerden, und auch die Symptome sind äußerst verschieden, sodass man das Geschehen nur im Gesamtzusammenhang begreifen kann. Fehldiagnosen und -behandlungen sind darum gang und gäbe. Medikamente bringen bei RDS nur selten wirkliche Besserung, weil sie lediglich innerhalb einer schmalen Bandbreite wirksam sind.

Eine Diagnose (d.h. die Einordnung einer Krankheit aufgrund von Symptomen oder Tests) kann zwar hilfreich sein, aber es macht wesentlich mehr Sinn, den tieferen Ursachen auf die Spur zu kommen. Würden Sie es nicht auch vorziehen, wenn man die tieferen Zusammenhänge abklären und Ihnen helfen würde, Ihren Beschwerden auf den Grund zu gehen, statt Ihnen einfach das Etikett »RDS« aufzudrücken?

Dieses Buch will Ihnen helfen, einer breiten Palette an möglichen Ursachen nachzuforschen, sodass Sie eine langfristige Besserung erzielen und sich mit den Auslösern auseinandersetzen können, statt als Reizdarmpatient mit wenig Hoffnung auf Genesung abgestempelt zu werden. In der Tat kann es zahlreiche Erklärungen dafür geben, warum Menschen an Verdauungsbeschwerden leiden, und es gibt viele Dinge, die man dagegen tun kann.

Mythos 3: Die Symptome verschwinden mit der Zeit von allein

Bei manchen Menschen treten Verdauungsbeschwerden in Intervallen auf, und manchmal verschwinden sie tatsächlich nach einiger Zeit wieder. Meistens aber handelt es sich leider um bleibende Probleme; manche der Betroffenen haben sogar ein Leben lang damit zu tun. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass RDS das Risiko der sogenannten chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED; auch IBD vom Englischen Inflammatory Bowel Disease) erhöht, einer ernsten, die Lebensqualität stark beeinträchtigenden Autoimmunstörung. Manche Experten betrachten RDS sogar als eine milde Vorstufe von CED. In der Tat gibt es zwischen beiden viele Ähnlichkeiten, und bei RDS tritt CED mit deutlich (bis zu 15-fach) erhöhter Wahrscheinlichkeit auf.5 Die gute Nachricht ist, dass Ihre Symptome mit der Zeit sehr wahrscheinlich verschwinden werden, sobald Sie die tieferen Ursachen erkannt und beseitigt haben.

Sich mit Ihren Symptomen in der Hoffnung abzufinden, dass sich diese irgendwann von allein bessern werden, bringt Sie jedoch nicht weiter. Sie müssen Ihre Probleme bei den Wurzeln packen! Sollte sich beispielsweise herausstellen, dass Sie an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit leiden und irgendetwas in Ihrer Ernährung Ihre Symptome verschlimmert, werden sich diese kaum wie durch Zauberhand mit der Zeit – oder durch den Einsatz von Medikamenten – in Luft auflösen, solange sie das problematische Lebensmittel weiter verzehren.

Dieses Buch verspricht keine Wunderheilung. Es stellt Ihnen jedoch das nötige Wissen und Instrumentarium zur Verfügung, um die Zügel selbst in die Hand zu nehmen, statt in dem Vertrauen abzuwarten, dass sich Ihr Zustand schon irgendwie bessern wird. Wenn Sie handeln, können sich Ihre Symptome in der Tat mit der Zeit bessern, und manchmal kann dies sogar sehr schnell geschehen.

Mythos 4: Probiotische Nahrungsergänzungsmittel bringen nichts

Die Medien lieben reißerische Botschaften und stellen Forschungsergebnisse oft verzerrt dar. Die Berichterstattung zum Thema probiotische Nahrungsergänzungsmittel stellt hier keine Ausnahme dar. Es ist nicht etwa so, dass die Leute, die solche Artikel schreiben, unrecht hätten oder bösartig wären, wir dürfen nur einfach nicht so naiv an die in den Medien unter fett gedruckten Überschriften verbreiteten Informationen über wissenschaftliche Studien herangehen.

Wenn wir uns mit den Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln wie Probiotika befassen wollen, müssen wir den Stand der Forschung insgesamt betrachten. Liest man einzelne Studien, kann dies leicht ein verzerrtes Bild ergeben. Genau diese aber sind im Allgemeinen Gegenstand der Berichterstattung, was dann vielleicht folgende Schlagzeile ergibt: »Probiotische Nahrungsergänzungsmittel sind nutzlos«. Was aber haben Tausende von anderen Studien herausgefunden?

Manche Probiotika haben sich als außerordentlich wirksam bei weitverbreiteten Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Schmerzen und Durchfall erwiesen, aber nicht alle (selbst solche, für die in der einen oder anderen Hinsicht ein positiver Effekt nachgewiesen wurde) funktionieren bei jedem. Die Wahrheit ist also, dass bestimmte Probiotika bei manchen Menschen sehr viel bringen. Sie können erwiesenermaßen nicht nur Symptome lindern, sondern auch dazu beitragen, das Gleichgewicht der Darmbakterien zu verbessern, in dessen Störung womöglich eine der tieferen Ursachen für Verdauungsprobleme zu sehen ist.

Mythos 5: Die Ernährung hat nichts damit zu tun

Viele Menschen, die unter Verdauungsproblemen leiden, glauben, dass die Ernährung an ihren Symptomen schuld sei. Leider berücksichtigen manche der diätetischen Empfehlungen für RDS nicht den aktuellen Forschungsstand und werden dem Krankheitsbild nicht gerecht, weil sie nur allgemeine Ratschläge für eine gesunde Ernährung geben, die meist gar nichts bringen.

Häufig heißt es, man solle einfach eine gesunde, ausgewogene Kost zu sich nehmen, was für viele Menschen mit Verdauungsproblemen ziemlich katastrophale Folgen haben könnte. Es gibt zahlreiche scheinbar gesunde Lebensmittel, die eine Symptomverschlimmerung bewirken oder sogar die eigentliche Ursache des Problems sein könnten, obwohl sie als vorteilhaft gepriesen werden.

Wie sagt der alte Spruch so schön? »Des einen Nahrung ist des anderen Gift.« Ein für alle gleichermaßen gültiges Patentrezept für eine gute Ernährung gibt es einfach nicht. Dieses Buch hilft Ihnen, die Lebensmittel zu identifizieren, die Ihnen womöglich, auch wenn Sie es nie vermutet hätten, Probleme bereiten, und versetzt Sie so in die Lage, Ihre persönlichen Essgewohnheiten im Hinblick auf eine gesunde Verdauung zu optimieren.

Die Ernährung umzustellen mag nicht in jedem Fall die Lösung sein, doch bei manchen Betroffenen liegt hier die Hauptursache für die Beschwerden. Sie spielt in diesem Zusammenhang tatsächlich eine außerordentlich wichtige Rolle, aber vielleicht nicht in der Art und Weise, wie man Sie bisher glauben machte.

Mythos 6: Sie müssen mehr Ballaststoffe essen

Alte Studien kamen zu dem Schluss, dass der Verzehr von mehr Ballaststoffen gegen Blähungen, Schmerzen, Verstopfung oder Durchfall hilft, und seither wird gern dazu geraten. Doch diese Untersuchungen wiesen schwerwiegende strukturelle Mängel auf, und wir wissen heute, dass Ballaststoffe in manchen Fällen die Beschwerden sogar drastisch verschlimmern können.

In der Tat wurde in bahnbrechenden Arbeiten zur diätetischen Behandlung von funktionellen Störungen des Verdauungsapparats festgestellt, dass die Reduktion des Ballaststoffanteils zu einer erheblichen Symptomlinderung führen kann – eine Erkenntnis, die das Mantra »Esst mehr Ballaststoffe« mit einem Schlag vom Tisch fegt. Es scheint auch darauf anzukommen, welche Ballaststoffe genau verzehrt werden, denn manche verschlimmern die Beschwerden, während andere sie reduzieren können.

Sollten Sie also festgestellt haben, dass es Ihnen nichts bringt oder sich Ihr Zustand sogar verschlechtert, wenn Sie mehr Ballaststoffe zu sich nehmen, machen Sie sich nichts draus! Sie sind nicht allein. In diesem Buch erfahren Sie, auf welche Weise bestimmte Ballaststoffe zu einer Symptomverschlimmerung führen und weshalb dies so ist. Anhand dieses Wissens können Sie Ihre Ernährung so umstellen, dass Sie keine weiteren akuten Attacken mehr zu befürchten haben. Zudem erfahren Sie, welche Arten von Ballaststoffen wirklich zu einer Sanierung Ihres Darms beitragen können.

Mythos 7: Die Symptome betreffen nur den Darm

Eines der größten Missverständnisse im Hinblick auf Verdauungsstörungen und womöglich gar des menschlichen Körpers insgesamt liegt in der Vorstellung, Beschwerden in einem Bereich würden in keinerlei Zusammenhang mit Beschwerden in einem anderen Bereich stehen. Im Körper ist alles miteinander verbunden und funktioniert synchron. Probleme mit der Verdauung haben also mit Problemen im ganzen übrigen Körper zu tun.

Wer unter Verdauungsstörungen leidet, hat häufig auch Symptome, die die mentalen Funktionen, die emotionale Befindlichkeit, den Schlaf, die Muskulatur, die Gelenke und die Schmerzempfindlichkeit, den energetischen Zustand des Körpers, das Wasserlassen und die Sexualität betreffen. Dass sie auftreten, ist kein Zufall. Sie stehen meist in ursächlichem Zusammenhang mit Problemen im übrigen Körper.

Statt Ihre Beschwerden rein lokal zu betrachten, stellen Sie sich das Ganze lieber als ein komplexes Geschehen vor, das viele verschiedene Bereiche Ihres Körpers betrifft und eine alarmierende Bandbreite von Symptomen nach sich ziehen kann, die weit über die Verdauung hinausreichen.

Mythos 8: Medikamente sind die Lösung

Leider gibt es keine Medikamente, mit denen sich RDS-Symptome wirklich kurieren lassen, und es ist unwahrscheinlich, dass es je eine entsprechende Wunderdroge geben wird. Manche Mittel werden eingesetzt, um bestimmte Symptome wie zum Beispiel schweren Durchfall in den Griff zu bekommen, aber ihre Wirksamkeit im Hinblick auf die Beschwerden, die Betroffenen am meisten zusetzen – Bauchschmerzen und Blähungen –, ist durchweg enttäuschend.

Dass Verdauungsstörungen sich mit einer medikamentösen Behandlung kaum beseitigen lassen, liegt an der zielgerichteten Wirkung von Arzneistoffen etwa auf einen bestimmten Zellrezeptor oder biochemischen Pfad. Bei den meisten Menschen liegen den Problemen vielfältige Faktoren zugrunde, die den Darm, das Gehirn, das Immun- und Nervensystem betreffen. Diese mit einem einzelnen Medikament anzusprechen ist nur in sehr begrenztem Maße möglich. Zudem können die Symptome auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen sein, etwa die Ernährung oder Veränderungen in der bakteriellen Darmflora. Logischerweise ist es darum deutlich effizienter, den eigentlichen Verursachern auf die Spur zu kommen und diese zu beseitigen, statt mit einer chemischen Substanz gegen die Symptome vorzugehen. Selbst wenn Medikamente Linderung bringen könnten und dies womöglich sogar tun, ändert das nichts an der grundsätzlichen Frage, warum das Problem überhaupt auftritt.

Mythos 9: Es gibt keine Heilung

Die Symptome von RDS sind heilbar, jedoch nicht im traditionellen Sinne einer Patentlösung, die für alle passt. Welche Behandlungsstrategie die richtige ist, ist von Person zu Person verschieden, und in den meisten Fällen muss an unterschiedlichen Stellen von der Ernährung über die individuellen Verhaltensweisen bis hin zum Lebensstil angesetzt werden. Wenn es Ihnen gelingt, die Ursachen in den Griff zu bekommen, die hinter Ihren ganz persönlichen Symptomen stecken, können Sie erhebliche Verbesserungen erzielen und Ihr Beschwerdebild womöglich sogar ganz überwinden, obwohl es dazu einiges an Lernaufwand und Selbsterforschung, so manchen Versuch und Irrtum und lebenslanger Achtsamkeit bedarf.

Vielleicht ist das ein wenig viel verlangt in unserer heutigen, auf schnelle Lösungen programmierten Welt, in der man jedes Wehwehchen mit der passenden Pille zu kurieren versucht, aber wie Sie wissen, ist das Versprechen einer sofortigen Heilung oft nur Illusion. Die moderne Medizin hält nicht alle Antworten parat, und es gilt zu begreifen, dass es sich bei Erkrankungen des Verdauungsapparats um ein komplexes Geschehen handelt, bei dem viele erschwerende Faktoren mit im Spiel sind. Sie können Ihre Symptome ignorieren und weiter leiden oder Ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen und proaktiv an die Sache herangehen, um dann die Symptomfreiheit zu genießen.

Leiden Sie am Reizdarmsyndrom?

Um es vereinfachend auf den Punkt zu bringen: Wenn Sie Bauchschmerzen, Blähungen, Unbehagen im Bauchraum und unregelmäßige Stuhlgänge plagen, trifft höchstwahrscheinlich die Diagnose Reizdarmsyndrom, kurz RDS, auf Sie zu. Aber das Thema ist weitaus komplizierter. Schauen wir uns das Ganze also einmal genauer an.

Sollten Sie an den oben aufgeführten Beschwerden leiden, sind Sie nicht allein. RDS betrifft fast jeden fünften Menschen und gehört damit zu den häufigsten Verdauungsstörungen überhaupt.1 Doch ungeachtet seiner flächendeckenden Verbreitung wird es von Ärzten nicht immer zuverlässig erkannt. Vielen Menschen stellt man eine falsche Diagnose, was dann natürlich zu Fehlbehandlungen führt.2 Erschwerend kommt hinzu, dass manche Mediziner immer noch an der alten, irrigen Auffassung festhalten, das Krankheitsbild habe seine Wurzeln ohnehin im Kopf, sodass sie es als rein psychosomatisch abtun.

Es gibt keinen einzigen Labortest, mit dem sich RDS feststellen ließe, und so stützt sich die Beurteilung auf die Rom-III-Kriterien zur Diagnose von funktionellen Störungen des menschlichen Verdauungsapparats. Diese wurden von der sogenannten Konsensus-Konferenz herausgegeben, einem – wie der Name bereits verrät – in Rom tagenden profitunabhängigen Expertenkomitee. Die Rom-III-Kriterien liefern eine einfache Definition:

 

Innerhalb der letzten drei Monate an mindestens drei Tagen im Monat abdominelle Schmerzen oder Unbehagen* mit zwei der drei Eigenschaften:

1. Linderung durch Stuhlgang

2. Beginn der Schmerzen verbunden mit einer Veränderung der Stuhlhäufigkeit

3. Beginn der Schmerzen verbunden mit einer Veränderung der Stuhlkonsistenz

* Unbehagen wird als »unkomfortables Gefühl, kein Schmerz« definiert.

Wer also gelegentlich Bauchschmerzen oder Unbehagen im Bauchraum verspürt und seit mindestens drei Monaten einen veränderten Stuhlgang hat, fällt demnach unter die Diagnose RDS. Sollten Sie tatsächlich am Reizdarm leiden, dürfte Ihnen jedoch auf den ersten Blick klar sein, dass dies eine, sagen wir mal, reichlich unzulängliche Beschreibung ist. In Wirklichkeit nämlich sind die Symptome sehr viel vielfältiger und treten oftmals deutlich häufiger auf. Wir werden uns an anderer Stelle noch ausführlich mit ihnen befassen.

Die Rom-III-Kriterien sehen außerdem eine Unterscheidung in drei Subtypen vor, je nachdem, ob Verstopfung, Durchfall oder eine Kombination von beidem das dominante Symptom ist:

 

SUBTYP 1: RDS-D (mit Diarrhö): weicher oder wässriger Stuhl bei mindestens 25 Prozent und harter oder klumpiger Stuhl bei weniger als 25 Prozent aller Darmentleerungen

SUBTYP 2: RDS-O (mit Obstipation): harter oder klumpiger Stuhl bei mindestens 25 Prozent und weicher oder wässriger Stuhl bei weniger als 25 Prozent aller Darmentleerungen

SUBTYP 3: RDS-M (Mischform oder zyklisches Auftreten): harter oder klumpiger Stuhl bei mindestens 25 Prozent und weicher oder wässriger Stuhl bei mindestens 25 Prozent aller Darmentleerungen

Das Problematische an dieser Einordnung ist, dass sich der Zustand vieler Betroffener immer wieder ändert, sodass sie zwischen allen Subtypen hin- und herpendeln. Die Behandlung orientiert sich meist an dem Subtyp, der sich als dominant erweist. So wird man Ihnen zum Beispiel bei RDS-D ein Mittel gegen Durchfall verordnen.

Es sei an dieser Stelle der Hinweis erlaubt, dass die Rom-III-Kriterien eher den Hirnen von Experten entsprungen sind, als sich an einer Auseinandersetzung mit der realen Bandbreite der Beschwerden zu orientieren, an denen Menschen mit RDS tatsächlich leiden. Sie taugen mehr zu Forschungszwecken als zur Diagnose. In der Tat wurde in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift darauf hingewiesen, dass die Richtigkeit der Rom-III-Kriterien nicht erwiesen ist. Mit anderen Worten, sie sind nichts, worauf man sich ausschließlich verlassen sollte.3

Welche Symptome sind also kennzeichnend für RDS? Neben den in den Rom-III-Kriterien beschriebenen ist eine Vielzahl weiterer Beschwerden zu nennen. Beantworten Sie die folgenden Fragen, um zu sehen, welche der gängigeren Ihnen vertraut sind.

 

Kreuzen Sie »Ja« an, wenn bei Ihnen das jeweilige Symptom im letzten Monat an mehr als drei Tagen pro Woche aufgetreten ist.

1.

Leiden Sie unter Bauchschmerzen oder Unbehagen im Bauchraum?

Ja □

Nein □

2.

Bessern sich die Schmerzen bzw. das Unbehagen nach dem Stuhlgang?

Ja □

Nein □

3.

Verändern sich die Schmerzen bzw. das Unbehagen mit dem Stuhlgang?

Ja □

Nein □

4.

Fühlen Sie sich aufgebläht oder aufgetrieben?

Ja □

Nein □

5.

Ist Ihr Bauch sichtbar aufgebläht?

Ja □

Nein □

6.

Leiden Sie unter Verstopfung (harter, klumpiger Stuhl)?

Ja □

Nein □

7.

Leiden Sie an Durchfall (weicher, wässriger Stuhl)?

Ja □

Nein □

8.

Leiden Sie an einer Kombination aus Verstopfung und Durchfall?

Ja □

Nein □

9.

Treten Bauchschmerzen und Krämpfe auf?

Ja □

Nein □

10.

Leiden Sie an übermäßiger Gasbildung?

Ja □

Nein □

11.

Leiden Sie unter heftigem Stuhldrang, sodass Sie das Gefühl haben, sofort eine Toilette aufsuchen zu müssen?

Ja □

Nein □

12.

Pressen Sie beim Stuhlgang stark?

Ja □

Nein □

13.

Erhöht sich die Häufigkeit des Stuhlgangs, wenn die Schmerzen einsetzen?

Ja □

Nein □

14.

Wird Ihr Stuhl weicher, wenn die Schmerzen einsetzen?

Ja □

Nein □

15.

Haben Sie ein Gefühl der unvollkommenen Stuhlentleerung?

Ja □

Nein □

16.

Bemerken Sie Schleimablagerungen an Ihrem Stuhl?

Ja □

Nein □

17.

Leiden Sie unter Reflux oder Sodbrennen?

Ja □

Nein □

18.

Verschlechtern sich Ihre Symptome nach dem Essen?

Ja □

Nein □

19.

Verschlechtern sich Ihre Symptome im Laufe des Tages?

Ja □

Nein □

20.

Besteht ein Zusammenhang zwischen Ihren Symptomen und Stress?

Ja □

Nein □

21.

Leiden Sie an Depressionen und/oder Ängsten?

Ja □

Nein □

22.

Leiden Sie an chronischer Erschöpfung und Müdigkeit?

Ja □

Nein □

23.

Leiden Sie an Muskelziehen und Schmerzen?

Ja □

Nein □

Wenn Sie die Fragen 1, 2 oder 3 mit »Ja« beantwortet haben, fallen Sie unter die offizielle RDS-Definition. In Wirklichkeit aber ist eine Vielzahl anderer, häufig auftretender Symptome bekannt, sodass die Bandbreite Ihrer Beschwerden sehr wahrscheinlich deutlich größer ist.

Wie Sie sehen, ist RDS von vielfältigen Symptomen begleitet. Mag sein, dass nicht alle bei Ihnen auftreten, aber einige davon sind Ihnen sicher vertraut. Es ist also festzuhalten, dass das Beschwerdebild weit über die Beschreibung des Rom-III-Kriterienkatalogs hinausreicht. Es handelt sich vielmehr um eine Kombination verschiedener Symptome, die von Verdauungsbeschwerden bis hin zu Problemen reichen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Magen-Darm-Trakt stehen, etwa chronische Erschöpfung, Ängste oder Muskelschmerzen.

Die gängigen Verdauungssymptome verstehen

Verstopfung (Obstipation)

Verstopfung ist ein ausgesprochen häufiges Phänomen. In einer groß angelegten Studie in den USA mit über 10000 Teilnehmern gaben 14,7 Prozent an, an Verstopfung zu leiden, und beinahe die Hälfte davon seit über fünf Jahren.4 Viele der Betroffenen fallen unter die offiziellen RDS-Kriterien.