Der Resilienzfaktor - Carolin Giesemann - E-Book

Der Resilienzfaktor E-Book

Carolin Giesemann

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Beschreibung

Noch nie schien uns die Welt so viele Chancen zu bieten. Gleichzeitig folgt eine Krise auf die andere: Pandemie, Kriege, Inflation, Fachkräftemangel und Stress im Job. Es ist klar: Alles bleibt unberechenbar. Wir brauchen deshalb mehr denn je die Fähigkeit, uns gut durch Krisen zu bringen und zu erkennen, wo in der Unsicherheit unsere Gestaltungsfreiheit liegt. In ihrem Buch vermitteln Carolin Giesemann und Ines Bruckschen die wichtigsten Grundlagen persönlicher Resilienz und verbinden sie mit Elementen aus der Karrieregestaltung. Sie greifen dabei auf Ergebnisse der Resilienzforschung, Arbeitsforschung und der Positiven Psychologie zurück. Egal, ob du gerade die ersten beruflichen Schritte gehst, in der Rush-Hour des Lebens nach Balance suchst oder dich neu orientieren willst: Das Buch liefert dir konkrete Methoden und Tools für eine resiliente Karriere. Denn nur, wenn wir gut für uns selbst sorgen, können wir auf Dauer das erreichen, was uns wichtig ist.

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Carolin GiesemannInes Bruckschen

DER RESILIENZFAKTOR

Was dich langfristig erfolgreich macht

INHALTSVERZEICHNIS

GEBRAUCHSANLEITUNG

DANK

ANMERKUNGEN

LITERATUR

0CHECK-IN

WAS BRAUCHEN WIR HEUTE FÜR EIN GELINGENDES LEBEN?

1AKZEPTANZ

STARTE MIT DEM, WAS DA IST

2OPTIMISMUS

WIE DU EIN ZUVERSICHTLICHES BILD VON DEINER ZUKUNFT ENTWICKELST

3EIGENVERANTWORTUNG

WIE DU DEINE (JOB-)ENTWICKLUNG SELBST IN DIE HAND NIMMST

4SELBSTWIRKSAMKEIT

WIE DU DEINE MÖGLICHKEITEN ERWEITERST

5LÖSUNGSORIENTIERUNG

WIE DU IMMER MUTIGER UND AKTIVER WIRST

6NETZWERKORIENTIERUNG

WIE DU STÄRKENDE BEZIEHUNGEN AUFBAUST

7ZUKUNFTSORIENTIERUNG

WIE DU AKTIV EINE NEUE GESCHICHTE FÜR DICH SCHREIBST

8CHECK-OUT

Gebrauchsanleitung für dieses Buch

Hallo, schön, dass du da bist und dir Zeit nimmst für Impulse, wie du deinen Job und dein Leben noch aktiver gestalten kannst. Und dich gleichzeitig wappnest für Herausforderungen oder Krisen, die ja immer Teil unseres Lebens sind. Sprich: wie du den Resilienzfaktor nutzt, um langfristig erfolgreich zu werden.

Du kannst dieses Buch unterschiedlich nutzen – je nachdem, wofür du es gerade liest. Du suchst:

konkrete Hilfestellungen in schwierigen Situationen?

Dann lies das Buch am besten von vorn bis hinten. Das Buch ist in sieben wichtige Bausteine der Resilienz gegliedert, die aufeinander aufbauen. Am meisten profitierst du, wenn du über das Gelesene selbst noch einmal nachdenkst und die Tools nicht nur überfliegst, sondern direkt ausprobierst. Dieses Buch darf auf jeden Fall vollgeschrieben werden!

den nächsten beruflichen Schritt, der dich erfüllt und dir Perspektiven bietet?

Auch in diesem Fall fang am besten vorne an und finde Kapitel für Kapitel heraus, was dich wirklich interessiert, worin du gut bist, was du gerne machst und welche Jobs und Projekte zu dir passen könnten. Mit diesem Wissen entwickelst du schließlich eine Strategie, die dich in vielen kleinen motivierenden Schritten zu deinem Ziel bringt.

kleine, feine Inspirationen, wie du dich weiterentwickeln kannst?

Dann blättere gern hin und her. Wir haben in den Kapiteln verschiedene Reflexionsfragen und Tools eingefügt. Schau, was dich anspricht, und probier das eine oder andere einfach mal aus. Oder schau dir erst mal nur die Zeichnungen an – und lies an der Stelle rein, wo ein Bild dein Interesse weckt.

Impulse für dich als Coach oder als Führungskraft?

Jedes Kapitel hat einen Resilienzbaustein als Fokus. Du kannst also gezielt nach Übungen oder Anregungen suchen. Dein Mitarbeiter sieht sich immer als Opfer? Schau mal ins Kapitel »Eigenverantwortung«. Du willst deinen Coachee dabei unterstützen, auf neue Ideen zu kommen? Dann wirst du bei »Lösungsorientierung« fündig.

Für alle gilt: Das Buch darf gern immer wieder gelesen werden.

Es ist im besten Sinne ein Arbeits- und Nachschlagebuch – ähnlich wie ein Kochbuch, das man ja auch nicht nach dem ersten Kochen weglegt, sondern immer wieder zur Anregung, Planung und Umsetzung aufschlägt, bis die einzelnen Bilder und Schritte von allein kommen.

Wir wünschen dir viel Freude beim Lesen, beim Lachen und beim Tun.

CHECK-IN

Was brauchen wir heute für ein gelingendes Leben?

Bevor wir damit starten, uns Bausteine für ein gelingendes Leben anzusehen, frag dich doch mal kurz selbst:

Wie sieht für mich konkret ein gelingendes Leben aus?

Zur Inspiration ein paar Gedanken von uns:

Carolin:

Zeit mit Familie und Freunden verbringen,

Freude und Erfüllung im Beruf und mich als wirksam erleben,

die Möglichkeit, zu wachsen und zu lernen,

mich kreativ ausdrücken – mit Musik, mit Schreiben oder Zeichnen

Zeit in der Natur und einfach da sein.

Ines:

Verbundenheit spüren mit den Menschen, die mir wichtig sind,

einen Beruf ausüben, der mir Freude macht und etwas bewirkt,

die Schönheit des Augenblicks wahrnehmen (Sonnenstrahlen auf der Haut, Blütenduft, Kinderlachen, Haselnusseis …),

gesund sein und Energie haben für meine Ziele.

Unser Leben ist ein großes Versprechen

Noch nie schien uns die Welt so viele Chancen zu bieten. Wir können alles werden, arbeiten, wo wir wollen, mitgestalten und uns entwickeln. Gleichzeitig folgt eine Krise auf die andere: Pandemie, Kriege, Inflation, Fachkräftemangel und Stress im Job haben uns dünnhäutig gemacht. Mittlerweile ist klar: Es wird anstrengend und unberechenbar bleiben. Wir brauchen also mehr denn je die Fähigkeit, uns gut durch Krisen zu bringen und zu erkennen, wo in der Unsicherheit unsere Gestaltungsfreiheit liegt.

So viele Möglichkeiten – und was der eine als Chance sieht, empfindet ein anderer eher als überfordernd

Bislang fällt vielen von uns vor allem eine Strategie ein, wenn es turbulenter wird: Zähne zusammenbeißen, Augen zu und durch, einfach noch mehr anstrengen. Dafür opfern wir auch Wochenenden oder Urlaubstage, muss ja alles gemacht werden. Und wenn uns dann irgendwann die Puste ausgeht, suchen wir die Ursache dafür wieder bei uns. Wieso schaffe ich das nicht? Andere kriegen das doch auch hin …

Wirklich? Die Zahl der psychischen Erkrankungen wie Burn-out, Depression, Angststörungen oder Süchte steigt seit Jahren stetig. Die Coaching-Marktanalyse der RAUEN Group1 untersucht regelmäßig den Coaching-Markt und die Themen, die Kunden mitbringen. Für 2024 konstatierte er, dass das Thema Resilienzstärkung seine Häufigkeit und Bedeutung gegenüber 2023 fast verdoppelt und gegenüber 2022 vervierfacht hat. Dabei sind das ja nur diejenigen, die sich eingestehen: Mir wird das zu viel.

Fakt ist: Psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Diese Tendenz zeigt sich schon seit den 2000er-Jahren. Im Jahr 2023 hat sich die Lage weiter verschärft und einen neuen Höchststand an psychischen Erkrankungen erreicht. Das belegen zum Beispiel die Zahlen im DAK Gesundheitsreport 2023. Die Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht.

Zahlen der Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen je 100 Versicherungsnehmer:innen2

Zu wissen, dass wir mit unseren Überforderungsgedanken nicht allein sind, kann tröstlich sein. Menschen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen sind betroffen, überlastete Eltern wie vereinsamende Singles, Geschäftsführerinnen wie Krankenpfleger, Erzieherinnen wie Akademiker. Ständig war Krise in den letzten Jahren. Wir sollen eine Transformation nach der anderen begleiten, altes Wissen verblasst gefühlt schneller, als wir uns neues wieder aneignen, und die alten äußeren Ordnungssysteme wie Hierarchien verlieren an Verbindlichkeit.

Um mit diesen veränderten Gegebenheiten besser klarzukommen, brauchen wir andere Kompetenzen als früher. Herauszufinden, welche das sind, beschäftigt schon seit Jahren etliche Hochschulen und Forschungseinrichtungen, und wir hatten beim Lesen der Studien das Gefühl, es wird von Jahr zu Jahr mehr, was wir können sollen.

Die wichtigsten Zukunftskompetenzen, um mit dem stetigen Wandel und der wachsenden Komplexität zurechtzukommen, sind mittlerweile typische Anforderungen im Job

Obwohl wir ordentlich ausgemistet haben, bleibt auch bei uns das Gefühl: Alle Future Skills zu besitzen hat etwas von der eierlegenden Wollmilchsau.

Wie geht es dir, wenn du liest, was du alles sein sollst? Stresst es dich? Das muss es nicht, denn:

Zum einen sind hier garantiert Kompetenzen dabei, die du schon ziemlich gut draufhast. Welche das sind, kannst du über verschiedene Tools in den Kapiteln »Optimismus«, »Eigenverantwortung« und »Selbstwirksamkeit« herausfinden.

Ein paar andere Kompetenzen kannst und solltest du sogar loslassen oder transformieren. Denn manches, das du fest verinnerlicht hast, kann dir heute im Weg stehen. Dieses Loslassen schafft Raum für Neues! Damit beschäftigen wir uns gleich auf den nächsten Seiten.

Außerdem geben wir dir mit diesem Buch jede Menge weitere Strategien an die Hand, die in kleinen Schritten dafür sorgen, deine Resilienz zu stärken. Denn über eine gesteigerte Selbstfürsorge bleibst du auf gesunde Art und Weise belastbar.

Beginnen wir mit der Reflexion, wie es mit den Zukunftskompetenzen bei dir aussieht.

Einladung zur Selbstreflexion:

Welche Zukunftskompetenzen bringst du schon ganz gut mit (nutze zur Inspiration das Bild auf Seite 11 – Zukunftskompetenzen)?

Bei welchen Zukunftskompetenzen hast du noch Nachholbedarf?

Welche Kompetenz könntest du noch weiterentwickeln, um deinen persönlichen Zielen näher zu kommen?

Loslassen tut gut!

Es ist wie beim Wohnung-Verschönern. Willst du den tollen und unglaublich gemütlichen Lesesessel in dein Wohnzimmer stellen, um darin wunderbare Stunden mit großartigen Büchern zum Entspannen und Krafttanken zu verbringen? Dann musst du erst mal Platz für ihn schaffen.

Es gibt zwei vermeintliche Stärken, die sich bei vielen von uns in den »inneren Wohnzimmern« breitgemacht haben. Früher haben sie für viel Anerkennung gesorgt, heute sind sie doch recht verschlissen und für die heutigen Anforderungen nicht mehr so geeignet.

Gewissenhaftigkeit: Für viele eine Ur-Tugend, deren Verlust in der heutigen Welt eine wahre Tragödie darstellt. Und ehrlich: Wen nervt es nicht, wenn die Präsentationen des Kollegen immer wieder vor Fehlern strotzen oder die Freundin den geliehenen Rasenmäher ziemlich verdreckt zurückbringt. Wenn wir mal wieder die Schludrigkeiten von anderen ausbügeln müssen und so unsere eigene Belastung erhöhen.

Aufgaben gewissenhaft zu erledigen ist grundsätzlich etwas Gutes. Die Übergänge zum Perfektionismus sind jedoch fließend, und beide Verhaltensweisen kosten einfach viel Zeit. Wann ist etwas schon wirklich perfekt? An den meisten Ergebnissen könnten wir bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag feilen und sie verbessern und würden doch niemals fertig. Nun arbeiten die wenigsten von uns in Berufen, in denen Fehler Leben kosten. Heute gilt die Devise: Lieber früher ins Handeln kommen, dabei eher merken, wenn etwas nichts bringt, und dann beim Weitermachen anpassen und wieder Neues ausprobieren.

Manches Neue kommt dazu – wir dürfen aber anderes auch getrost entsorgen!

Ines:

Dass ich diese Zeilen heute schreibe, ist irgendwie lustig, denn eigentlich fühle ich mich ertappt. Gewissenhaftigkeit und Perfektion waren lange ein wichtiger Teil meiner Identität. Ich bin mir auch sicher, dass mein hoher Anspruch mich weit gebracht hat. Aber ich fürchte, ich habe es zeitweise übertrieben. Was habe ich unsere Volontäre in der Redaktion damit genervt, dass sie Texte immer wieder zurückbekamen, wenn noch Fehler drin waren. Und wenn man mich so richtig auf die Palme bringen will, antwortet man nicht auf meine Nachrichten. Leider habe ich auch Zeit mit Ärgern und Umerziehungsmaßnahmen verbracht, um andere vom Nutzen der Gewissenhaftigkeit zu überzeugen. Und dann sollte mein Perfektionsdrang auf einmal »old school« sein? Das Umlernen fand ich erst anstrengend, dann immer leichter. Manchmal überfällt er mich auch heute noch hinterrücks, aber mit den weniger wichtigen Fristen und Aktionen kann ich heute deutlich entspannter umgehen. Und was soll ich sagen: Das spart mir so viel Zeit und Energie!

Was wir dafür bekommen

Wenn wir uns entscheiden, ein bisschen weniger perfektionistisch unterwegs zu sein und vielleicht eine zu 80 Prozent gute Sache abzugeben, dann gewinnen wir die Zeit, die wir in die letzten 20 Prozent gesteckt hätten (nicht unerheblich!). Die können wir dann für kreative Techniken nutzen, um auf neue Ideen zu kommen. Wir können uns mit Menschen austauschen, die ebenfalls gute Anregungen zum Thema beisteuern. Und wir agieren immer pragmatischer.

Beispiel Marshmallow Challenge

Wie wirkungsvoll das »Weiterentwickeln beim Tun« sein kann, zeigt die Marshmallow Challenge. Der Kanadier Tom Wujec hat dieses Spiel entwickelt, 2010 bei einem TED-Talk vorgestellt und mit Hunderten von unterschiedlichen Teams durchgeführt:

Teams von fünf bis sechs Personen erhalten jeweils ein Marshmallow, 20 ungekochte Spaghetti, einen Meter Bindfaden, einen Meter Klebeband und eine Schere. Ihre Aufgabe ist es, innerhalb von 18 Minuten eine möglichst hohe, freistehende Konstruktion zu bauen, auf deren Spitze das (ganze) Marshmallow thront. Gewonnen hat das Team mit der höchsten Konstruktion.

Am besten von allen Teams schnitten Kindergartenkinder mit einer durchschnittlichen Turmhöhe von 75 Zentimetern ab. Schlusslicht waren BWL-Absolvent:innen mit 25 Zentimetern im Schnitt. Wie kommt’s? Die BWL-Teams begannen erst mal, ausgiebig zu planen. Kurz vor Ablauf der Zeit hatte jeder seine konkrete Aufgabe, und alles lief wie am Schnürchen – bis das Marshmallow auf die Spitze gesetzt wurde. Der leichte Zuckerschaum veränderte die Statik der Spaghetti-Konstrukte komplett, viele stürzten vor dem Messen ein.

Die Kindergartenkinder begannen dagegen sofort mit dem Ausprobieren. Gingen Strukturen dabei kaputt – sprich: brachen die Spaghetti –, wurde viel geklebt und damit neue Struktur geschaffen. So wuchs ihr Turm von Minute 1 bis Minute 18 langsam in die Höhe. Was nicht funktionierte, wurde früh erkannt, dann wurde eben etwas anderes ausprobiert. Du kennst das vielleicht als iteratives Vorgehen.

Nicht schöner, aber höher!

Adieu, Einzelkämpfer, bye-bye, Dauer-Durchbeißer!

Es gibt weitere Strategien, die wir getrost loslassen können: Als Einzelne werden wir niemals so viel erreichen wie ein gutes Team oder ein Netzwerk, das Kräfte bündelt. Und wenn wir noch so sehr die Zähne zusammenbeißen. Verabschieden wir uns also von dem Gedanken, alles allein schaffen zu müssen, überlegen wir lieber, welche Menschen am besten zu uns und in unsere Netzwerke passen (mehr dazu im Kapitel »Netzwerkorientierung«).

Auch die Durchbeiß-Strategie hat weitgehend ausgedient: Wir können sie zwar immer mal wieder für eine kurze Zeit nutzen, um eine Ausnahmesituation zu überbrücken. Sobald die Durchbeiß-Strategie zum Dauerzustand wird, schadet sie uns. Zum einen gesundheitlich, zum anderen aber auch in puncto Leistung – wer immer am Anschlag arbeitet, kann nicht so kreativ und intelligent agieren wie ausgeruhte Köpfe. In so einem Fall sollten wir Unterstützung suchen und sehen, welche Bereiche wir in unserem Leben dringend ausbalancieren wollen.

Wie sieht es bei dir aus? Wie wichtig ist es dir, perfekte Arbeit abzuliefern?

Einladung zur Selbstreflexion:

In welchen Situationen ist es dir besonders wichtig, gewissenhaft zu arbeiten und perfekte Ergebnisse abzuliefern? Fallen dir Beispiele ein?

Wie häufig hattest du schon das Gefühl, alles allein hinbekommen zu müssen? Was waren das konkret für Phasen?

An welche Situationen würdest du künftig gerne etwas lockerer rangehen? Bei welchen Themen wünschst du dir mehr Team-Feeling? Wo könntest du um Unterstützung bitten? Wo würden auch 80 Prozent reichen?

Die Hoffnung, bei veränderten Rahmenbedingungen würde sich alles andere verbessern, ist weit verbreitet. Es wäre auch so angenehm, da müssten wir ja »nur« die für uns ideale Organisation finden und alles wird gut. Natürlich ist etwas Wahres dran. In wirklich toxischen Umfeldern können wir an unserer Haltung arbeiten, so viel wir wollen, ohne dass es zum Guten führt. Grundsätzlich müssen aber alle Unternehmen den Herausforderungen unserer Zeit begegnen, und wir werden an den wenigsten Stellen eine Welt wiederfinden, wie sie früher war und wo es weniger stressig zugeht. Wir können jedoch sehr gut an unserer Fähigkeit arbeiten, mit diesen Gegebenheiten zurechtzukommen. Denn die Resilienz hilft uns wirklich. Sie ist der Faktor, der uns langfristig erfolgreich und gesund sein lässt.

Resilienz – Was ist das überhaupt?

Noch vor einigen Jahren war der Begriff »Resilienz« außerhalb der Physik weitgehend unbekannt. Ursprünglich bedeutet er, dass etwas, das sich unter Druck verformt, beim Nachlassen des Drucks wieder in seine ursprüngliche Form zurückspringt, zum Beispiel wie eine Stahlfeder oder ein Schwamm.

Vor allem die Forscherin und Psychologin Emmy Werner hat mit einer berühmten Längsschnittstudie die Grundlage dafür gelegt, den Resilienzbegriff auf unsere psychische Gesundheit zu übertragen. Sie fragte sich, wie Kinder, die unter schwierigen Bedingungen heranwachsen, dennoch psychisch gesunde und stabile Persönlichkeiten werden. Untersucht hat sie das bereits in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts auf der Insel Kauai, einer Nachbarinsel von Hawaii, auf der damals Armut und eine hohe Arbeitslosigkeit herrschten. Insgesamt wurden die Teilnehmenden 40 Jahre lang regelmäßig untersucht. Dabei fand sie verschiedene Faktoren, die das gesunde Aufwachsen begünstigten. Besonders wichtig: mindestens eine stabile Beziehung während der Kindheit (das konnte neben den Eltern auch ein Großelternteil oder eine Lehrerin sein).

Seitdem wurden weltweit unzählige Resilienzstudien durchgeführt, teilweise nur zu einzelnen Aspekten, teilweise sehr breit angelegt. Einen weiteren Schub bekam die Resilienzforschung, als Martin Seligman, ein amerikanischer Psychologe, in den 1990er-Jahren die Positive Psychologie begründete. Bis dahin hatte sich die Psychologie vor allem auf psychische Erkrankungen fokussiert. Seligman forschte nun daran, wie psychische Gesundheit gefördert werden kann – auch unter schwierigen Bedingungen (Seligman arbeitete dazu sehr oft mit dem Militär zusammen).

Dass das Thema immer prominenter wird, sieht man schon daran, wie häufig der Begriff mittlerweile gegoogelt wird. Da wundert es nicht, dass in den letzten Jahren immer mehr Bücher, Ideen und Konzepte zu Resilienz erschienen sind. Dabei gibt es zwischen den Autorinnen und Autoren viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Schnell verliert man hier den Überblick: Es gibt Bambus-, Stehauf-Männchen- oder Lotus-Strategien, die aus 5, 7, 8 oder noch mehr Säulen, Schlüsseln, Faktoren oder Elementen bestehen. Und mittlerweile gibt es auch noch Konzepte für Teamresilienz und sogar eine ISO-Norm für Resilienz für Organisationen. Alles ziemlich unübersichtlich …

Wir haben für dich die wichtigsten Forschungen und Bücher zum Thema gesichtet, sortiert und geprüft. In dieses Buch haben wir das aufgenommen, was einerseits wissenschaftlich gut belegt ist. Und was du andererseits in deinem beruflichen Alltag, aber auch bei deiner Karrieregestaltung leicht nutzen kannst.

Welche Bausteine haben wir dir für deine Resilienz mitgebracht?

Mit den Resilienzbausteinen, die wir dir zusammen mit den passenden Tools in diesem Buch anbieten, bist du gut gewappnet für die ständigen Veränderungen in deinem beruflichen (und privaten) Umfeld. Alle sieben Resilienzbausteine zusammen ergeben dann deinen Resilienzfaktor, der dich langfristig erfolgreich macht.

Manche Tools werden dir womöglich schnell zur lieben Gewohnheit. Andere nutzt du vielleicht nur gelegentlich, oder du lässt es ganz, weil es dir gerade nicht passend für dich erscheint. Das ist auch so gewollt. Es ist ein bisschen wie mit einem Besteckkasten: Ein Messer brauchst du täglich. Aber wenn du eine Suppe auslöffeln willst, ist es gut zu wissen, dass du auch noch eine Suppenkelle in der Schublade hast. Und bei einem Fischgericht könnten auch die Fischmesser einmal zum Einsatz kommen.

Wir werden dir dabei immer nur so viel Theorie wie nötig zumuten. Uns geht es ums Machen – wir wollen ganz praktische Hilfe anbieten bei den kleineren und größeren Herausforderungen des Lebens. Deshalb kombinieren wir jeden Baustein mit einfachen Tools, die dich sofort ins Tun bringen. Na, neugierig?

Wir haben uns bewusst entschieden, von Bausteinen zu sprechen – denn das heißt, du kannst immer wieder neu kombinieren, von manchem viel verbauen, anderes nur auf die Spitze setzen – wie es zu dir und deinem Leben passt.

Sieben unterschiedliche Bausteine, die sich immer wieder neu zusammenbauen lassen

Und das funktioniert wirklich?

Dafür gibt es jetzt doch noch ein bisschen Theorie. Und zwar über unser faszinierendstes Organ: unser Gehirn. In diesem Gehirn stecken (grob vereinfacht) zwei Gehirne – und die schauen wir uns mal genauer an.

Da wäre einerseits unser (entwicklungsgeschichtlich älteres) »Reptilien«-Gehirn. Das ist großartig darin, unsere Körperfunktionen unbewusst zu steuern: Herzschlag und Atmung, Muskeln, Hunger und Verdauungssystem, unsere Hormone etc. All das können wir zwar bemerken, aber nicht willentlich ansteuern. Ob und wann wir Hunger bekommen, ob uns kalt ist oder wir anfangen zu schwitzen – das hätten wir zwar gern selbst im Griff, aber da hat dieser Part unseres Hirns durchaus seinen eigenen Kopf …

Und dann ist da unser vernunftbegabtes, denkendes, kluges Menschenhirn (das sitzt im neofrontalen Cortex – dieser Part unseres Hirns kann sich auch so schöne Fachbegriffe ausdenken). Damit können wir unsere Aufmerksamkeit lenken, wir können über etwas nachdenken, sind kreativ, lernen neues Wissen.

Wenn alles gut läuft, arbeiten die beiden – »Reptilien«-Gehirn und vernunftbegabtes, denkendes, kluges Menschenhirn – Hand in Hand. Das merken wir nicht mal – aber ein Großteil unseres Lebens funktioniert so. Zum Glück! Das ist sehr effizient, schont unsere Ressourcen und macht unser Leben leicht.

Allerdings sind sich die beiden nicht immer einig. Wenn Gefahr oder Stress droht, übernimmt unser Echsenanteil die Kontrolle und wird zu Godzilla. Und zwar in Sekundenschnelle. Denn unser Reptilienhirn ist schneller als unser denkendes Hirn. Immer! Das merken wir besonders dann, wenn wir uns erschrecken: Wir zucken zurück, noch bevor wir nachdenken konnten. Manchmal merken wir dann im Nachhinein: Ach, das war gar keine riesige Spinne, nur ein dunkler Fleck auf dem Boden. Da ist unser Puls aber schon mal bei 160.

Schuld daran ist die Amygdala, ein kleiner, aber sehr wichtiger Part in unserem Hirn. Bei Stress oder Krisen übernehmen diese sogenannten Mandelkerne das Steuer – und dann hat auch unser ach so kluger Verstand, der so reflektiert ist, keine Chance mehr.

Das hat auch durchaus seine Berechtigung. Wir stammen alle von Menschen ab, die vor dem Säbelzahntiger Reißaus genommen haben, ohne lange darüber nachzudenken, ob der wohl gefährlich ist (die anderen wurden gefressen). Und dass unser Hirn so auf Reize reagiert, ist erst mal gesund. Ja, wir brauchen ein gewisses Maß an Aufregung, Stress und Anspannung in unserem Leben. Das merken wir spätestens dann, wenn wir am dritten Tag am Strand anfangen, uns zu langweilen. Wir suchen manchmal sogar ganz bewusst diesen Kick – sei es im Kino oder beim Blind Date. Problematisch wird es nur, wenn unser ganzes Leben aus Stress und Anspannung besteht. Dann fährt unser hirneigenes Alarmsystem überhaupt nicht mehr runter – und das kann uns krank machen.

Die gute Nachricht ist: Unser Hirn kann lernen, mit Stress und Anspannung entspannter umzugehen, eben resilienter zu werden! Wir haben in diesem Buch viele Tools, die – häufiger angewendet – Spuren hinterlassen in unseren neuronalen Netzen. Und aus einem ersten Trampelpfad kann sogar eine dreispurige Autobahn werden. Egal wie alt wir sind, unser Hirn lernt immer noch dazu.

Die schlechte Nachricht: Lesen allein reicht leider nicht aus. Das wird dein Leben nicht verändern. Schon allein deshalb, weil das Reptilienhirn Sprache nicht versteht. Das erreichen wir nur über unseren Körper.

Deshalb werden wir dich in diesem Buch immer wieder dazu auffordern, mit den Händen zu arbeiten, Dinge zu notieren oder Körperübungen zu machen. Und ja, die Versuchung ist groß, über diese Stellen hinwegzublättern und einfach weiterzulesen. Denn diese Autobahn haben wir fast alle in unserem Hirn (»Das ist ein Buch, und ein Buch ist zum Lesen da!«). Aber wie gesagt, du hast am meisten davon, wenn du dein ganzes Hirn benutzt, um dein Leben so umzugestalten, dass es immer besser zu dir passt.

Du willst das ganze Potenzial dieses Buchs nutzen? Dann schließ doch hier kurz eine Vereinbarung mit dir selbst dazu ab. Die Methode aus der Motivationspsychologie, die wir hier nutzen, heißt WOOP. Du kannst diese Selbstregulationsstrategie immer dann nutzen, wenn du eines deiner Ziele ein bisschen verbindlicher verfolgen möchtest.3 Nimm dir dafür ein paar Minuten Zeit.

Wish:

Wenn du daran denkst, dieses Buch zu lesen und dich mit den Themen »Resilienz« und »Karriere« zu beschäftigen: Was ist dein wichtigster Wunsch dabei?

Objective:

Wenn du mit dem Buch wirklich aktiv arbeitest, was wäre das schönste Ergebnis für dich? Wie würdest du dich dann fühlen? Stell es dir lebhaft und ganz konkret vor!

Obstacle:

Manchmal klappt etwas nicht so, wie wir das gerne hätten. Was in dir könnte dich davon abhalten, dir diesen Wunsch zu erfüllen? Welches innere Hindernis könnte dir dabei im Weg stehen? Male es dir lebhaft aus.

Plan:

Was könntest du tun, um dieses Hindernis zu überwinden? Notiere dir hier eine Handlung oder einen Gedanken, die dir helfen, das Hindernis zu überwinden.

Wenn (mein Hindernis) eintritt, werde ich

Zur Inspiration ein paar Beispiele für dich:

Wenn ich merke, dass ich sofort weiterblättern will, halte ich kurz inne, denke eine Minute über die Aufgabe nach und schreibe einen Satz dazu auf.

Wenn ich unbedingt weiterlesen will, dann notiere ich in meinem Kalender, wann ich die Impulse dazu bearbeiten will.

Wenn ich das Gefühl habe, allein auf keine guten Gedanken zu kommen, schlage ich XY vor, das Programm miteinander zu machen.

Auf diesen Plan kannst du jederzeit zurückgreifen, wenn du merkst, dass du die Übungen doch wieder überblättern willst.

Unser Leben bleibt ein Versprechen

Nichts wird bleiben, wie es ist. Und das ist auch gut so. In den immer gleichen Routinen können wir uns nicht wirklich weiterentwickeln. Es sind Veränderungen, die uns wachrütteln, motivieren oder auch zum Handeln zwingen. Manchmal sind große Erschütterungen um uns herum die Auslöser, manchmal ein altersbedingter Wandel in unserem Inneren. Einmal machen wir einen Riesensatz nach vorne, ein anderes Mal ist es nur ein Minischritt. Wie auch immer: Die Veränderungen werden nicht aufhören, kleinere und größere Krisen werden kommen und gehen, garantiert. Aber wir können entscheiden, ob wir eingetretene Pfade verlassen und uns (gut ausgerüstet) auf unbekanntes Terrain vorwagen, um der Version von uns, die wir sein wollen, immer näher zu kommen. Kommst du mit?

Was du aus dem Kapitel Check-in mitnehmen kannst:

Unsere Welt ist im Wandel, eine Veränderung jagt die nächste. Viele Menschen fühlen sich dauerhaft gestresst oder überlastet. Deshalb ist es so wichtig, dass wir unser eigenes Wohlbefinden aktiv gestalten.

Was ist begehrt am Arbeitsmarkt? Gewissenhaftigkeit und Perfektion bringen uns nicht mehr weit(er), stattdessen sind Kompetenzen gefragt, die wir beim iterativen Arbeiten in Teams brauchen. Auch Selbstfürsorge gehört dazu.

Resilienz ist die Fähigkeit, gesund durch Krisen und Belastungen zu kommen. Das lässt sich aktiv üben. Mit den sieben Bausteinen, die du in diesem Buch kennenlernst, schaffst du dir eine starke Basis für dein tägliches Arbeitsleben.

Wenn du wirklich etwas verändern willst für dich, dann lies dieses Buch nicht in einem Rutsch durch. Mach dir stattdessen Notizen zu den Reflexionsübungen und probiere die Tools aus, die dich ansprechen und auf die du Lust hast. So nutzt du nicht nur deinen Verstand, sondern auch deine Intuition.

Es sind die Veränderungen im Leben, die uns weiterbringen. Unsere Tools werden dich so ausrüsten, dass sie dir durch jede Transformation helfen.

AKZEPTANZ

Starte mit dem, was da ist

In diesem Kapitel bekommst du den ersten Baustein für deinen Weg zu mehr Balance und Freude im Job: Akzeptanz. Klingt unspektakulär? Vielleicht sogar nach Aussitzen, nach Resignation und Stillstand? So ist das definitiv nicht gemeint. Akzeptanz ist eine wesentliche Voraussetzung, um Krisen zu bewältigen – und um Neues anzugehen. Du erfährst gleich, wieso. Außerdem kannst du hier schon die ersten Tools ausprobieren, die dir Lust auf mehr machen werden. Halte dafür am besten schon mal Papier und Stift bereit. Los geht’s!

Carolin:

Es ist 7.15 Uhr, als ich gut gelaunt und entspannt den Tagungsraum betrete. Es ist der zweite Tag einer Führungskräftetagung, die ich moderiere. In einer Viertelstunde soll hier eine »Early-Bird-Session« beginnen, für die ich schon am Vorabend alles aufgebaut habe. Aber dort, wo gestern Abend noch Metaplanwände mit Fragen bestückt und Flipcharts mit Agenda und Aufgabenbeschreibung bereitstanden, ist nun – gähnende Leere. Nur die kahlen Wände starren mich an. Ein Anruf bei meiner Ansprechpartnerin vom Hotel macht mir schnell klar – hier ist nichts mehr zu machen. Die Reinigungskräfte hielten das für Überreste der gestrigen Veranstaltung und haben alles entsorgt.

Ich habe nur noch wenige Minuten, bis die ersten Teilnehmenden eintrudeln werden. Was soll ich tun?

Mich furchtbar aufregen über das Reinigungspersonal: »Wie kann man nur so blöd sein!« Hilft mir nur leider nicht weiter …

Mich über mich selbst ärgern: »Ich bin aber auch dämlich. Wieso habe ich nicht ›Bitte hängen lassen‹ dazu geschrieben!« Löst mein Problem auch nicht.

Mich als Opfer bemitleiden: »Das war ja klar, dass mir das passiert. Immer habe ich solches Pech …« Verführerisch – nur nicht wirklich hilfreich …

Ich habe mich für d) entschieden: Akzeptieren, was ist. Und meinem Kunden und den Teilnehmenden ehrlich erklären, was passiert ist. Und dann? Habe ich mal wieder erfahren, wie hilfsbereit andere sind, wennwir offen bekennen, dass etwas gerade schiefgelaufen ist. Schnell greifen die anderen beherzt zu Stiften und Zetteln, schreiben die Überschriften mit mir neu auf, pinnen Moderationswolken an, organisieren Flipchart-Papier – und so ist diese Early-Bird-Session trotz Fehlstart doch noch ein wunderbares Teamerlebnis geworden.

Kein Ponyhof – nirgends

Unser Leben ist nicht immer Sonnenschein, Vanilleeis und Badewetter. Wir erleben ständig kleine und größere Krisen. Manche haben wir am nächsten Tag schon wieder vergessen – wie die Tomatensoße auf der weißen Bluse beim Mittagessen. Andere begleiten uns Tage oder Wochen. Das kann ein zusätzliches Projekt sein, das unser Chef uns aufgebrummt hat und für das wir nun jeden Tag zwei Stunden länger arbeiten, um überhaupt das Wichtigste zu schaffen. Oder unsere Oma liegt im Krankenhaus, und wir versuchen, sie regelmäßig zu besuchen und parallel eine Kurzzeitpflege zu organisieren.

Doch auch ohne Zusatzprojekt oder Krankheitsfall erleben wir unseren Alltag oft als stressig und krisenhaft. Damit sind wir nicht allein. Personalmangel und Arbeitsverdichtung sorgen branchenübergreifend dafür, dass unsere Jobs anstrengender und hektischer werden. Und als wäre das nicht genug, setzen wir uns auch in unserem Privatleben unter Druck: Wir wollen eine gute Beziehung führen und unsere Freundschaften pflegen. Wir legen Wert auf Fitness und Sport und wollen uns gesund ernähren. Und dabei sind wir ständig online, posten, liken, setzen uns in Szene, wollen nichts verpassen – und vergleichen unbewusst, wie cool, souverän und relaxt die anderen wirken, im Gegensatz zu uns.

Was ich denke, wer oft gestresst ist

Wer wirklich oft gestresst ist

Shit happens oder: Wieso Akzeptanz unser erster Baustein ist

Wenn Krisen und Stress zu unserem Alltag gehören, brauchen wir dringend eine gute Strategie, wie wir damit umgehen können. Und da kommt die Akzeptanz ins Spiel. Die Situation akzeptieren heißt nicht, dass wir uns mit allem abfinden sollen – nach dem Motto: Mein Leben ist halt Mist. Ich habe halt immer Pech. Darum geht es nicht! Denn dann würden wir uns nur in der (bequemen) Opferrolle einrichten.

Worum geht es dann? Schwierige Situationen, Stress im Job oder in der Beziehung, das kostet uns sowieso schon viel Kraft und Energie. Wir sollten dann nicht den Fehler machen, uns noch mehr Kraft zu rauben. Denn das tun wir häufig: Wir hadern mit der Vergangenheit. Wir machen uns selbst Vorwürfe. Wir fragen uns, was gewesen wäre, wenn wir anders gehandelt, uns anders entschieden hätten. Wir stecken mittendrin im Gedankenstrudel.

Oft haben wir uns nämlich angewöhnt, auf eine bestimmte Weise auf Krisen zu reagieren. Und wenn unser Hirn gestresst ist, greift es gern auf (scheinbar) bewährte Strategien zurück.

Einladung zur Selbstreflexion:

Wie reagierst du bisher auf Krisen? Erinnere dich an ein Erlebnis in der letzten Zeit, das schiefgelaufen ist. Das muss nichts Großes sein – vielleicht hast du einen Bus verpasst und bist zu spät zu einem Termin gekommen? Oder du hast deinen Schirm im Café liegen gelassen? Ist dir etwas eingefallen? Was denkst du in solchen Momenten über dich? Was sagst du zu dir?

Wie könntest du stattdessen reagieren? Was würdest du einer Freundin raten? Was würde jemand tun, den du grundsätzlich cool, inspirierend oder beneidenswert findest?

Wir fühlen, was wir denken

Du hast jetzt ein erstes Reaktionsmuster gefunden – wunderbar. Um unsere Reaktionsmuster Schritt für Schritt ändern zu können, helfen uns ein paar kluge Gedanken, die zeigen: Das Thema beschäftigt die Menschheit schon länger. So soll bereits der griechische Philosoph Epiktet gesagt haben: »Nicht die Dinge selbst, sondern nur unsere Vorstellungen darüber machen uns glücklich oder unglücklich.«

Kluge Gedanken dazu machte sich auch Magda Arnold, eine tschechisch-amerikanische Psychologin. Sie entwickelte in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Emotionstheorie. Darin erklärt sie, dass zwischen einem Reiz und der emotionalen Reaktion eine Bewertung liegt. Die Bewertung ist es, die die Emotion erzeugt, nicht der Reiz selbst.1 Die Frage, die sich unser Hirn dabei stellt, ist immer: Ist das gerade bedrohlich für mich? Und schaffe ich es, das zu bewältigen?

Es ist nicht egal, ob wir den Bären im Wald oder im Zoo sehen …

Bei Gefahren wartet unser Hirn allerdings nicht darauf, was wir »denken«. Das hat der Nobelpreisträger Daniel Kahneman in seinem Buch »Schnelles Denken, langsames Denken« wunderbar auf den Punkt gebracht. Sind wir akut bedroht, übernimmt das »schnelle Denken« – das sorgt dafür, dass die Amygdala in unserem Kopf Alarm schlägt und wir reagieren, bevor der Reiz überhaupt unser Bewusstsein erreicht hat. Wir zucken zurück, wenn wir im Gras etwas sehen, das wie eine Schlange aussieht. Erst danach schauen wir genauer hin und sehen, dass es doch nur ein Stock war. Im Zoo vor dem Bärengehege weiß unser Hirn natürlich, dass keine Gefahr droht, also bleibt auch die Amygdala tiefenentspannt.

Nach dem ersten Urteil unseres Hirns, das unbewusst entsteht, können wir mit langsamem Denken unsere Bewertung überprüfen. Und wenn sich unsere Einschätzung ändert, ändert sich auch die Emotion (vor dem Stock haben wir keine Angst mehr). Das ist wichtig – denn so können wir unsere Emotionen regulieren.

Schauen wir uns ein Alltags-Beispiel an: Theresa (alle Namen haben wir geändert) ist beruflich in München und will mit dem Zug um 16.55 Uhr nach Berlin zurückfahren. Die Fahrkarte hat sie schon Wochen vorher gekauft. Als sie am Bahnhof ankommt, sucht sie auf der Anzeigentafel nach ihrem Zug. Der steht dort aber nicht. Am Schalter erklärt ihr der nette Herr von der Bahn, dass sich der Fahrplan geändert habe, der Zug sei heute schon früher gefahren.