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"The Call of Cthulhu" ist eine Kurzgeschichte des amerikanischen Schriftstellers H. P. Lovecraft aus dem Jahr 1926. Sie ist Teil des sogenannten Cthulhu-Mythos, einem fiktiven Universum von Geschichten, das von Lovecraft und anderen Autoren geschaffen wurde. Ausgangspunkt der Handlung ist der unbekannte Erzähler, der die Aufzeichnungen seines verstorbenen Großonkels entdeckt, die von unheimlichen Geschehnissen berichten. Der Großonkel untersuchte eine geheimnisvolle Kultgemeinschaft, die sich der Huldigung des außerirdischen Wesens Cthulhu verschrieben hatte, welches seit Jahrtausenden in seinem unterseeischen Grabestempel schlummert. Als der Kult aufgrund einer besonderen Sternenkonstellation wieder aktiv wird, geraten die Grenzen zwischen Realität und Albtraum zunehmend ins Wanken.
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Seitenzahl: 62
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Der Ruf von Cthulhu
The Call of Cthulhu (1926)
(Gefunden in den Unterlagen des kürzlich verstorbenen Francis Wayland Thurston aus Boston)
von H. P. Lovecraft
Übersetzung: Stefan Gresse (2023)
Inhaltsverzeichnis:
I. Der Schrecken aus Ton
II. Die Geschichte von Inspektor Legrasse
III. Der Irrsinn vom Ozean
„Die großen Kräfte und Wesen haben möglicherweise überdauert... Sie könnten Überlebende einer überaus fernen Epoche sein, in der sich das Bewusstsein vielleicht in ganz anderen Formen und Gestalten ausdrückte, die sich aber bereits lange vor dem Vormarsch der Menschen wieder zurückgezogen haben... Formen, von denen allein die Poesie und die Legende eine flüchtige Erinnerung erhalten haben, wo sie als Götter, Monstren und mythologische Geschöpfe aller Art auftauchen...“
Algernon Blackwood
I. Der Schrecken aus Ton
Der barmherzigste Umstand auf der Welt ist meiner Meinung nach die Unfähigkeit des menschlichen Geistes, all sein Wissen zueinander in Beziehung zu setzen. Wir leben auf einer friedlichen Insel der Unwissenheit inmitten dunkler Meere der Unendlichkeit, und es war nicht vorgesehen, dass wir weit hinausreisen. Die Wissenschaften, die jeweils in ihre eigene Richtung streben, haben uns bisher wenig geschadet. Aber eines Tages wird das Zusammenfügen von isolierten Wissensbeständen solch erschreckende Perspektiven auf die Realität und unsere furchtbare Position darin werfen, dass wir wegen dieser Offenbarung entweder verrückt oder vor der tödlichen Erkenntnis in den Frieden und die Sicherheit eines neuen dunklen Zeitalters fliehen werden.
Theosophen haben die gewaltige Erhabenheit des kosmischen Zyklus erahnt, in dem unsere Welt und die menschliche Rasse nur vergängliche Ereignisse darstellen. Sie haben mit Ausdrücken auf seltsame Überreste hingedeutet, die einem das Blut gefrieren lassen würden, wenn sie sie nicht mit einem blasierten Optimismus übertüncht hätten. Aber nicht von den Theosophen stammt dieser eine Ausblick auf verbotene Äonen, der mich erschauern lässt, wenn ich daran denke, und der mich wahnsinnig macht, wenn ich davon träume. Dieser Ausblick, wie alle furchtbaren Ausblicke auf die Wahrheit, offenbarte sich durch das zufällige Zusammenfügen vereinzelter Hinweise – in diesem Falle einer alten Zeitungsnotiz und den Aufzeichnungen eines verstorbenen Professors. Ich hoffe, dass niemand anders diese Verknüpfung herstellen wird. Sicherlich werde ich, solange ich lebe, niemals wissentlich irgendein Glied zu dieser so abscheulichen Beweiskette beitragen. Ich glaube zudem, dass der Professor beabsichtigte, über sein Wissen zu schweigen, und er seine Aufzeichnungen zerstört hätte, wenn nicht der Tod ihn so plötzlich dahingerafft hätte.
Im Winter 1926-27 erhielt ich zum ersten Mal Kenntnis von der Angelegenheit im Zusammenhang mit dem Tod meines Großonkels George Gammell Angell, einem emeritierten Professor für semitische Sprachen an der Brown University in Providence, Rhode Island. Professor Angell war weithin als Autorität für alte Inschriften bekannt und wurde häufig von den Leitern namhafter Museen konsultiert, so dass sein Tod im Alter von zweiundneunzig Jahren vielen in Erinnerung geblieben sein dürfte. Auf lokaler Ebene wurde das Interesse durch die Unklarheit der Todesursache verstärkt. Das Schicksal ereilte den Professor auf dem Rückweg von der Fähre aus Newport; wie Zeugen berichteten, sei er plötzlich hingefallen, nachdem er von einem Schwarzen in Seemannsuniform angerempelt worden war, als dieser aus einer Gasse der eigentümlichen, dunklen Hinterhöfe an der steilen Hangseite gelaufen kam, die den kürzesten Weg vom Hafenviertel zum Haus des Verstorbenen in der Williams Street darstellte.
Die Ärzte konnten keine sichtbare Verletzung feststellen, kamen jedoch nach einer verwirrenden Debatte zu dem Schluss, dass eine verborgene Läsion des Herzens, verursacht durch den anstrengenden Aufstieg des steilen Hügels, für das Ableben des alten Mannes verantwortlich war. Zu der Zeit sah ich keinen Grund, ihrem Urteil zu misstrauen, aber in letzter Zeit gerate ich ins Zweifeln – und mehr als das.
Als Erbe und Testamentsvollstrecker meines Großonkels sollte ich seine Papiere gründlich durchgehen und brachte zu diesem Zweck seine gesamte Sammlung von Akten und Kästen in meine Wohnung in Boston. Ein großer Teil des von mir zusammengestellten Materials soll später einmal von der American Archaeological Society veröffentlicht werden. Es gab einen Kasten, den ich äußerst rätselhaft fand und daher nur sehr ungern jemand anderem hätte zeigen wollen. Der Kasten war verschlossen, und ich konnte den Schlüssel nicht finden, bis mir einfiel, den Schlüsselbund zu untersuchen, den der Professor immer in seiner Tasche bei sich trug. Dann gelang es mir tatsächlich, den Kasten zu öffnen, aber nur um dann vor einem noch größeren Rätsel zu stehen. Was könnte die Bedeutung des seltsamen Tonreliefs, der zusammenhanglosen Notizen und Zeitungsausschnitte sein, die ich in der Kiste fand? War mein Onkel in seinen letzten Jahren leichtgläubig das Opfer einer Betrügerei geworden? Ich beschloss, den exzentrischen Bildhauer ausfindig zu machen, der für diese offenkundige Störung des inneren Friedens eines alten Mannes verantwortlich war.
Das Basrelief war ein grobes Rechteck, weniger als einen Zoll tief und etwa fünf mal sechs Zoll groß; offensichtlich von moderner Herkunft. Seine Muster waren jedoch weit entfernt, die Atmosphäre und Anmutung der Moderne zu repräsentieren; denn obwohl die Launen des Kubismus und Futurismus vielfältig und wild sind, reproduzieren sie doch selten die kryptische Regelmäßigkeit, die sich in prähistorischen Schriften verbirgt. Und eine Art von Schrift schienen die meisten dieser Muster sicherlich zu repräsentieren; zu diesem Schluss kam ich, obwohl mein Gedächtnis, trotz einer großen Vertrautheit mit den Unterlagen und Sammlungen meines Onkels, nicht in der Lage war, diese spezielle Schriftart zu identifizieren.
Oberhalb der mutmaßlichen Hieroglyphen befand sich eine bildliche Darstellung, obwohl ihre äußerst impressionistische Ausführung eine sehr klare Vorstellung von ihrer Natur verbot. Es schien eine Art Monster, oder das Symbol für ein Monster zu sein, in einer Form, die nur eine kranke Fantasie ersinnen konnte. Wenn ich sage, dass meine etwas übertriebene Vorstellungskraft damit gleichzeitig Bilder eines Oktopus, eines Drachen und der Karikatur eines Menschen verband, komme ich dem Wesen der Darstellung recht nah. Ein breiiger, tentakelbewehrter Kopf auf einem grotesken und schuppigen Körper mit rudimentären Flügeln. Aber es war hauptsächlich die allgemeine Kontur des Ganzen, die es so verstörend machte. Im Hintergrund der Figur war die vage Andeutung eines architektonischen Hintergrunds von zyklopischen Ausmaßen zu erkennen.
Die Papiere, die dieser Kuriosität beilagen, waren, abgesehen von einem Stapel von Zeitungsausschnitten, alle in Professor Angells Handschrift abgefasst und offenbarten keinen Anspruch auf literarische Gefälligkeit. Das, was das Hauptdokument zu sein schien, war mit „CTHULHU-KULT“ überschrieben, in sorgfältig gedruckten Großbuchstaben, um das fehlerhafte Lesen eines so unbekannten Wortes zu vermeiden. Das Manuskript war in zwei Abschnitte unterteilt, von denen der erste mit „1925 – Traum und Traumarbeit von H. A. Wilcox, 7 Thomas Street, Providence, Rhode Island“ überschrieben war, und der zweite mit „Bericht von Inspektor John R. Legrasse, 121 Bienville Street, New Orleans, Lousianna, bei der Jahrestagung der A. A. S. – Notizen dazu und Prof. Webbs Bericht“. Bei den anderen Manuskriptpapieren handelte es sich ausnahmslos um kurze Notizen, einige davon Berichte über die seltsamen Träume verschiedener Personen, einige Zitate aus theosophischen Büchern und Zeitschriften (insbesondere W. Scott-Elliots Atlantis und Das verlorene Lemuria), und der Rest waren Kommentare über langlebige Geheimgesellschaften und verborgene Kulte, versehen mit Verweisen auf Passagen in mythologischen und anthropologischen Quellen wie Frazers „Der goldene Zweig“ und Miss Murrays „Hexenkult in Westeuropa“. Die Zeitungsausschnitte bezogen sich größtenteils auf ungewöhnliche Geisteskrankheiten und Ausbrüche von Gruppenwahn oder Manie im Frühjahr 1925.