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Elvira Zeißler

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Beschreibung

Einst beglich ein Drache seine Lebensschuld mit einer Rüstung, die Stärke, Weisheit und Mut verlieh …

- Eine Fantasy-Kurzgeschichte und das Prequel zum großen Fantasy-Abenteuer "Die Saga der Drachenrüstung" - 


Die komplette Saga im Überblick:
Der Schwur des Drachen (Vorgeschichte)
Der Drachenzahndolch (Band 1)
Die Rückehr der Drachen (Band 2)
Auch als preisgünstige eBook-Gesamtausgabe erhältlich!

Leserstimmern über "Die Saga der Drachenrüstung"

"Eine wundervolle Geschichte voller Magie und Abenteuer, die mich in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen hat."
"Es ist toll zu lesen und jedes Wort sitzt perfekt"

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Seitenzahl: 40

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Elvira Zeißler

Der Schwur des Drachen

Aus den Chroniken der Drachenrüstung

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Der Schwur des Drachen

Eonur spannte den Bogen und zielte. Er genoss das Gefühl der Ruhe, das ihn jedes Mal dabei überkam. In so einem Augenblick zählte nichts außer dem Pfeil auf der Sehne des Bogens und dem Tier, das er jagte. Dieses Mal war es ein junger Hirsch, ein wunderschönes Tier mit einem ungewöhnlich hellen, fast weißen Fell, wie sie nur tief im Drachengebirge vorkamen. Der Hirsch wandte den Kopf und der junge Jäger lockerte die Spannung der Bogensehne. Der Augenblick für den perfekten Schuss war vorbei. Doch er würde wiederkommen. Eonur konnte warten. Er strich sich eine Strähne des schulterlangen, von der Sonne gebleichten Haares zurück und zielte erneut.

Seit drei Tagen war er nun schon auf der Jagd, so tief wie jetzt war er noch nie in die Berge vorgedrungen. Und seit über einer Stunde lauerte er nun schon dem weißen Hirsch auf. Er pirschte mal hierhin, mal dorthin um das Tier herum, stets auf der Hut, es nicht zu erschrecken, und wartete. Immer wieder spannte der Jäger den Bogen und ließ ihn dann wieder sinken. Er musste das Tier mit einem einzigen Pfeil erlegen, genau ins Auge, damit nichts dessen wunderschönes, seidiges Fell besudelte, das er seiner Alinera am Hochzeitstag zu Füßen legen wollte.

Eonur schlich einen Schritt zur Seite, spannte mit einer fließenden Bewegung den Bogen und schoss. Im selben Augenblick, als der Pfeil sirrend die Sehne verließ, zuckte der Hirsch zusammen und sprang davon. Enttäuscht sah Eonur zu, wie sein Pfeil ins Leere flog und schließlich in einem Baumstamm stecken blieb. Doch der junge Jäger rührte sich nicht. Etwas musste das Tier erschreckt haben und es war vermutlich immer noch da. Aufmerksam betrachtete er die Bäume und Felsen um ihn herum, doch er konnte keine Gefahr entdecken.

Gerade als er sich beruhigt erheben wollte, ging ein gewaltiges Rütteln durch die Erde, er wurde von den Füßen gerissen und prallte hart gegen einen Baum hinter seinem Rücken. Noch einmal und noch einmal bebte die Erde. Mit einem schrecklichen Tosen krachten riesige Steinbrocken von einem weiter oben gelegenen Felsmassiv herab und der Teil des Berges, auf dem Eonur sich befand, geriet plötzlich ins Rutschen. Voller Panik versuchte der Jäger, sich aufzurappeln und sicheren Boden zu erreichen. Er klammerte sich an Grasbüscheln fest, die er mit den Wurzeln herauszog, und riss sich die Fingernägel an der harten Erde ein, in dem verzweifelten Versuch, Halt zu finden. Es dauerte nur einige Augenblicke, doch Eonur kam es wie Tage vor, bis er schließlich einen größeren Baum erreichte. Er klammerte sich, so fest er konnte, an den knorrigen Baumstamm und schloss die Augen. „Bitte helft mir!“, flüsterte er den Guten Geistern zu. „Bitte lasst mich Alinera wiedersehen!“

Das Beben der Erde hörte bald auf und schließlich spürte er auch keine Erschütterungen durch herunterfallende Felsbrocken mehr. Vorsichtig öffnete Eonur die Augen und sah sich um. Die kleine Lichtung, auf der vor so kurzer Zeit noch der weiße Hirsch ruhig gegrast hatte, war verschwunden, von einem gewaltigen Erdrutsch weggerissen. Und überall lagen riesige Steine verstreut, von denen ein jeder genügt hätte, um ihn darunter zu begraben. Doch obwohl die Erde wieder stillstand, erfüllte ein fernes Donnern die Luft. Nein, kein Donnern, erkannte der junge Jäger schließlich mit einem Schaudern, sondern ein Brüllen. Er wagte es gar nicht, sich auszumalen, was für ein Wesen einen solchen Laut erzeugen konnte oder weshalb. Eonur zögerte. Es hieß, dass das Drachengebirge seinen Namen nicht umsonst trug. Dass es nicht nur wegen der steilen, spitz nach oben zulaufenden Felsklippen und der tiefen Erdspalten, die an die Rückenstacheln eines Drachen erinnerten, so genannt wurde. Natürlich hatte er selbst noch nie eines dieser unheimlichen Geschöpfe gesehen. Er spürte, wie Neugier und Furcht in seinem Herzen kämpften. Er war kein Feigling. Doch alle Menschen wussten, dass Drachen bösartig und hinterhältig sein sollten und dass man ihnen am besten nicht in die Quere kam. Sogar das Kopfgeld, das auf diese Wesen ausgesetzt war, verleitete kaum jemanden, sich auf die Suche nach diesen ihnen zu machen. Und selbst wenn einer töricht genug war, es zu versuchen, kam er nie wieder zurück.

Eonur lauschte erneut. Das Brüllen klang eindeutig schmerzerfüllt, auch wenn es langsam leiser wurde. Wer auch immer es war, wurde allmählich schwächer. Eonurs Entscheidung war gefällt. Die Jagd jetzt noch fortzusetzen, wäre leichtsinnig und gefährlich. Es konnte jederzeit ein weiteres Erdbeben geben. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte. Er würde das Schicksal nicht zweimal am selben Tag herausfordern. Der Weg, auf dem er gekommen war, lag unter dem Erdrutsch begraben. Er musste sich also eine andere Stelle für den Abstieg suchen. Wenn er dabei das verletzte Geschöpf, ob Drache oder anderes Wesen, fand, dann sollte es so sein. Wenn nicht, dann nicht. Er würde es nicht unnötig riskieren, Alinera noch vor der Hochzeit zur Witwe zu machen.

Entschlossen klopfte er sich den Staub und heruntergefallene Blätter von der kurzen Jacke und machte sich mit einem Stoßgebet zu den Guten Geistern auf den Weg.

Es erwies sich als gar nicht so einfach, eine gute Stelle für den Abstieg zu finden. Das Drachengebirge zeigte sich ihm nun von seiner wilden und gefährlichen Seite. Stundenlang wanderte er umher, auf der Suche nach einem sicheren Rückweg. Immer wieder kam er an Stellen, wo die dünne Erdschicht, die den kahlen Fels des Berges normalerweise bedeckte, infolge des Erdbebens weggerissen worden war. Der nackte Stein, teilweise so glatt wie ein poliertes Knochenmesser, bot den suchenden Händen und Füßen des jungen Jägers kaum Halt. Nur mit sehr viel Geschick und noch mehr Glück gelang es ihm immer wieder, unversehrt festen Boden zu erreichen. Einmal war er trotz all seines Könnens abgerutscht. Zusammen mit losem Geröll kullerte er den Abhang herunter, bis es ihm gelang, an einem größeren Felsen Halt zu finden.

Als der Himmel bereits das Rot der Abenddämmerung zeigte, hatte Eonurs ehemals helle Wildlederhose, die Alinera so liebevoll mit feinen Stickereien verziert hatte, eine lehmbraune Färbung angenommen. Und sein Gesicht war so voller Staub, dass seine großen blauen Augen fast unnatürlich hell zu leuchten schienen.

Schließlich erreichte Eonur endlich eine Stelle, die ihm vielversprechend für den Abstieg erschien. Ein kleiner Fluss hatte über Jahrtausende eine flache Schlucht in den Berg geschnitten, die sich nun zusammen mit dem Flusslauf um den Hang herum abwärtswand. Erfreut stieg er zu dem Fluss herunter, nahm ein paar Schlucke des kalten, klaren Wassers und ließ es sich genüsslich über das erhitzte Gesicht laufen. Wenn er Glück hatte, würde er dem Bach bis in das Talanar-Tal folgen können. Die meisten der kleinen Bergflüsse liefen dort zusammen, um gemeinsam als der Talanar-Strom den Weg ins Große Meer fortzusetzen. Und vom Tal war es nicht mehr weit bis zu seinem Heimatdorf. Eonur dachte nur noch daran, nach Hause zu kommen. Das Brüllen, das ihn anfangs so erschüttert hatte, war schon längst verstummt, und er war selbst so erschöpft, dass er jeden Gedanken daran vergessen hatte.

Einige Zeit folgte er dem Flusslauf, bis er einen großen Felsen erreichte, der wohl beim Erdbeben in die Schlucht gestürzt war. Das Wasser suchte sich bereits einen Weg an dem großen Stein vorbei und Eonur beschloss, diesem Beispiel zu folgen. Vorsichtig ging er um den Felsbrocken herum und zuckte erschrocken zurück. Hinter dem Fels tobte ein Feuersturm! Die Flammen schossen ihm entgegen, blendeten ihn und versengten ihm Haut und Haar. Der junge Jäger taumelte und ging hinter dem Stein in Deckung. Über sich und neben sich konnte er sehen, wie die Flammen an dem Felsen vorbeigriffen und die Luft durch die Hitze zum Flimmern brachten.