Der Sohn des Orkschamanen - Lew Marschall - E-Book
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Der Sohn des Orkschamanen E-Book

Lew Marschall

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Beschreibung

“Die meisten wollen jemand sein, ohne jemand zu werden.” – mysteriöser Naturgeist. Im Leben des jungen Orks Sharshuk geht es dreckig zu. Der Oger seines Stammes sehnt sich danach, ihn zu zerquetschen. Seine Angebetete, die Orkin Zulia, missachtet ihn, weil er nach Flieder stinkt. Ein mickriger Schwächling, der die barbarischen Riten seines Volkes verachtet. Trotzdem zwingt ihn die Tradition, das Schamanenhandwerk seines Vaters zu erlernen. Dabei wünscht er sich nichts sehnlicher, als zu riechen wie die anderen Orks und dass sich ihm Zulia um den Hals wirft. Doch die Große Mutter hat andere Pläne mit ihm. Eines Tages öffnet sich ein Ausweg. Sharshuk glaubt, mithilfe einer seltenen Pflanze seinen Makel loszuwerden. Es gelingt! Und gerade als er sein Leben in den Griff bekommt, taucht eine Heldengruppe in der Steppe seiner Heimat auf. Gewissenlos löscht die niederträchtige Gefolgschaft aus Elf, Zwerg, Magier und Krieger seinen Stamm aus. Dem sanften Sharshuk bleibt nichts außer Rache … Wie würdest du handeln, wenn ein Trupp legendärer Helden deine Welt zerstört? Schlüpfe in geniale Charaktere dieser High-Fantasy-Geschichte voller Schamanismus, bissigem Humor und etwas Grim & Gritty. Die Welt der Orks authentisch, dreckig, überraschend und emotional erzählt. “Ich trete nicht zurück. Ich nehme nur Anlauf.” - Sharshuk Mach dich darauf gefasst, das Abenteuer zu erleben, nach dem du schon so lange suchst. Lade dir gleich das E-Book, um in die mitreißende Geschichte Der Sohn des Orkschamanen einzutauchen.

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Der Sohn des Orkschamanen

FANTASY ROMAN

LEW MARSCHALL

// 1. Auflage 2022 (1.1.0)

// Copyright © 2022 Lew Marschall

// All rights reserved.

// Website: https://lewmarschall.com

// Story Coaching: Florian Führen

// Lektorat & Korrektorat: Manuela Tengler

// Lektorat & Korrektorat II: Christian Quitschke

// Coverillustration: Jeff Brown (https://www.jeffbrowngraphics.com/)

// Illustration Landkarte: Patrick Pissang

// Testleser: Janine, Melanie, Martina, Martin, Marie, Robert, Suzann, Peter, Stefan

// ISBN Paperback: 978-3-9822147-5-7

// ISBN Hardcover: 978-3-9822147-9-5

// Buch erschienen bei: ZEMP Golden Goose GmbH, Salachweg 18a, 86807 Buchloe, Bayern

// Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

* * *

Triggerwarnungen nehmen auf Menschen mit traumatischen Erfahrungen Rücksicht. Aus subjektiver Sicht können diese Trigger von Bedeutung sein oder nicht, unabhängig davon, in welchem Kontext oder Medium sie sich finden. Auch fiktive Texte, wie dieser Roman, können triggern. Wir weisen deshalb an dieser Stelle auf Trigger im vorliegenden Buch hin.

Die Geschichte konfrontiert dich mit Sexualität, Waffengewalt, derber Sprache, Körperflüssigkeiten, Geistern und Verstümmelung.

* * *

Rezensionen sind die größte und sinnvollste Unterstützung. Wenn du das Buch durchgelesen hast, bitte hinterlasse mir eine solche auf dem Buchportal deiner Wahl.

Lieben Dank im Voraus! Für ein gutes Karma.

Für Ella und Zoe.

Inhalt

I. Scham

Fubir Staller – Oger

1. Dong. Dong. Dong Dong Dong

Fubir Staller – Mythos

2. Begattung

Fubir Staller – Rezept Ratten-Roku

3. Drachenstängel

Fubir Staller – Mannwerdung

4. Ogerdreck

Fubir Staller – Toorus

5. Für immer satt

Rat der Menschen, Elfen und Zwerge

6. Gwenselah, der Elf: Zauberei

II. Beherrschung

Fubir Staller – Raizach der Bärenstier

7. Schamanenruf

Kodex der Göttin Melinde

8. Gwenselah, der Elf: Grubenplausch

III. Leid

Fubir Staller – Schamane, Eigenbrödler

9. Überall Knochen

Fubir Staller

10. Jammern

11. Bärenkräfte

IV. Rache

Fubir Staller – Krähe Marbo

12. Knochenarbeit

Rat der Helden

13. Gwenselah, der Elf: Orkische Hunde

Fubir Staller – Rache

14. Geistreise

Auspruch – Blut und Ehre!

15. Ta-Anut

16. Choomurra

V. Wissen

Fubir Staller – Stämme

17. »Shushuk!«

Geschichte der Orks & Elfen

18. Gwenselah, der Elf: Volltreffer

Fubir Staller

19. Vor dem Mittag

Fubir Staller – Feldzüge

20. Der böse Tooru

21. Verfolgt von Dämonen

VI. Vernichtung

Fubir Staller

22. Hoffnungsvolles Versteck

23. Godamus Keule

24. Gwenselah, der Elf: Wilde Natur

Fubir Staller

25. Der Schamane aller Schamanen

VII. Erkenntnis

Fubir Staller – Zitat Sharshuk

26. Ein Brocken Pech

Geschichte der Orks&Menschen&Elfen

27. Gwenselah, der Elf: Wahre Helden

28. Von Ogern und Schuppen

29. Blutige Visionen

30. Von Flieder und Knochen

31. Die Brut

32. Peter, Meister

Fubir Staller – Morrgassa

33. Blut und Ehre

Tagebuch

Dramatis Orkonae

Nachwort

Bücher von Lew Marschall

TeilEins

Scham

Glaubt es mir oder nicht, aber er zeigte mir den Ogerstall!

›Na und!‹ denkt Ihr Euch, werter Leser? 

Vermutlich hätte ich vor meinem Erlebnis auch mit süffisantem Lächeln die Schultern gehoben.

In dem Moment jedoch war Wegrennen alles, was ich wollte. 

Der Gestank trieb mir die letzte Speise aus dem Leib – und das bei den sowieso schon kleinen Rationen, die er mir gönnte. 

Welcher Wesenheit ein Oger ist, fragt Ihr Euch? Seid gewarnt! Dieses Tier stellt eine grauenvolle Schöpfung dar. Hoch wie das Stadttor Ingelspforts und stark wie zehn Ritter, dazu hässlicher als hundert Hexen. 

Der Orkschamane füttert seinen Oger mit Leichenteilen … am liebsten von Menschen.

Die monströsen, bleichen Fleischberge gehorchen ihrem Schamanen nur widerwillig – und allzu häufig schnappen die Feldsteine im Mund des Ogers nach seinem Herrn! Vermutlich hat der erzwungene Gehorsam etwas mit der Trommel zu tun, die auch für die Anrufung eines Geists benutzt wird.

Orks sind zwar am ehesten vergleichbar mit den aufrecht laufenden Gorillas, die im Süden unseres Reiches hausen, aber lasst Euch dennoch nicht täuschen: Ein Orkschamane ist schlau, grausam und so mächtig wie ein Zauberer. 

»BEKENNTNISSE EINES SKLAVEN« VON FUBIR STALLER

Kapitel1

Dong. Dong. Dong Dong Dong

Würde mein Stamm mich doch so behandeln, wie Vaters verfluchter Oger es tut. Der erniedrigt mich wenigstens nicht und will mich nur zerfleischen. Dass ich Angst vor dem Oger habe, weiß Vater nicht. Oh, der große Morrgass. Für unseren Stamm opfert er alles, doch mich verachtet er, weil ich verflucht bin. 

An Morrgass vorbei starre ich an die mit getrockneten Himmelsbrennern behangene Wand unseres Tipis. 

»Ich dachte eigentlich, dass dich Oreo mittlerweile respektiert«, sagt Vater.

Ich glaube, er erkennt meine Gedanken. Das Vieh hasst mich, möchte ich brüllen.

»Doch, Meister Vater. Aber du weißt ja, wie der Oger ist – in letzter Zeit recht launisch.« Mein Blick wandert von Morrgass zur Trommel, die neben der Knochenkeule an der Seitenwand unseres Tipis hängt. Wenn ich auf ihr spiele, dann beruhigt sich der Oger. »Ich will Udonja nur zur Sicherheit mitnehmen.« 

»Du Trottel machst sie nur kaputt. Dann kann nicht einmal ich ihn aufhalten. Er würde nach seinem Weibchen suchen und nie wiederkommen«, sagt Vater.

Dem Alten wäre es lieber, ich verrecke, als dass ihm der Oger abhaut. Aber nicht mit mir. Die Trommel nehme ich mit. Oreo hasst mich sowieso schon, da hole ich ihn sicher nicht ohne sie von seinem Fressplatz.

»Natürlich, Meister Vater. Wo ist er angekettet?«

»Außerhalb des Dorfes.« 

Ich nicke und schiele durch die aufgeschlagene Plane nach draußen. Das Feuerauge senkt sich schon wieder, um in den Schädel der Großen Mutter zurückzukehren. Während der Nacht ist niemand gerne mit einem zwei Krieger großen Leichenfresser alleine. Na gut, Vater vielleicht. Aber deswegen ist er auch der Schamane aller Schamanen. 

»Was stehst du da noch rum? Beweg dich, Sharshuk!« Morrgass schüttelt den Schädel. Mit hochgezogenen Lefzen präsentiert er seine Hauer.

»Ja, Meister Vater.«

Damit dreht er sich zum Kessel in der Mitte unseres Tipis um. »Keine Ausreden diesmal! Das passt nicht zum zukünftigen Schamanen dieses Stammes.«

So deutlich wie immer. Ich mustere noch kurz den Rücken meines Vaters – ein mächtiger Ork mit schwarzem Fell, in dem ein paar silberne Flecken schimmern. Sein Geruch steht einem Leoparden in nichts nach: ein schlauer, tödlicher Jäger.

Dann trotte ich zum Eingang unseres Tipis und halte inne. Nur leicht strecken und ich würde Udonjas Lederband erreichen. Die straff gespannte Haut der Trommel glänzt verführerisch in der Sonne.

Vater hat sich abgewandt und murmelt etwas zu seinem Kessel. Gut. Dann schnell.

Kurzerhand schnappe ich sie mir und laufe los. Auch wenn ich stinke wie ein Fliederbusch, heißt das nicht, dass ich mich von einem Oger töten lassen will. Zumindest nicht heute. Vor zwei Augenwechseln wäre ich dazu bereit gewesen, als Zulia meine Halskette aus Rattenzähnen abgelehnt hat. 

Das liegt sicher nur an meinem Gestank! Wie werde ich ihn nur los? Ich möchte riechen wie der Rest des Stammes. Dann wäre sie mein, die liebliche Zulia.

Während ich laufe, klopft Udonja gegen meine Hüfte und rüttelt mich aus den Gedanken. Längst bin ich außerhalb des Dorfes. Mein Blick fällt auf unser Tipi, das am höchsten in den Himmel aufragt. Zulias Vater ist ein Jäger. Seine Holzhütte grenzt direkt an die Steppe. Dort kocht sie wohl gerade für ihn. Oder ist der Trottel Abbrakar bei ihr? 

Hör auf, dich selbst zu quälen, und konzentriere dich auf deine Aufgabe. 

In der Ferne erspähe ich Oreo bereits. Gerade reißt er seine Arme nach oben, bückt sich und schmettert seine Pranken auf den Boden. Noch ein weiteres Mal drischt er auf etwas ein, das ich nicht erkennen kann. Gut, dass er angekettet ist. 

Aber wie soll ich ihn vom Pfahl lösen und an den Führstrick nehmen, ohne dass er mich mit einem Hieb tötet? Und selbst wenn ich ihn dann am Strick habe, wie bekomme ich ihn dazu, auf mich zu hören?

»Ich dich riechen, Blume!«, ruft Oreo.

Na großartig, ich bin noch nicht mal bei ihm und es geht schon los.

»Ich dich töten! Schnell, damit Gestank aufhört.«

Ich verlangsame meinen Lauf und nähere mich bis zur Reichweite seiner Kette. Vor ihm liegt ein zermatschtes Steppenrind, dessen Eingeweide herausquellen. 

»Ruhig, Oreo. Morrgass will, dass ich dich in deinen Zwinger bringe.«

»Mir egal, was er wollen. Ich wollen frei sein!«

»Warum tust du das?« Ich zeige auf das zerdrückte Tier.

»Ich mögen Fressen platt. Dich auch platt machen!«

Habe ich erwartet, dass es einfach wird? Ich schiebe Udonja vor meine Hüfte und deute mit der Klaue darauf. »Zwing mich nicht, sie einzusetzen.«

»Du sein Feigling.« Polternd lacht der Oger. Dabei fallen ihm dicke Maden aus den eitrigen Wunden, die seinen Leib zieren.

Wenn ich Schamane des Stammes werden will, muss ich es schaffen, Oreo ohne Trommel in seinen Zwinger zu führen. 

Ich schnuppere. Der Oger ist satt, aber angriffslustig. 

Nachdenklich wiege ich den Führstrick in meiner Klaue. »Du kommst mit ohne Ärger zu machen, und ich besorge dir dafür ein Stück Menschenfleisch. Was meinst du?«

Tatsächlich überlegt der Leichenfresser. »Nein. Ich dich töten. Dann Frau suchen.«

Vater besitzt Oreo schon so lange ich riechen kann. Schwer zu glauben, dass er ein Leben vor der Bindung an Udonja hatte. »Wie alt bist du eigentlich?«

»Alt genug für frei sein.« Oreo rüttelt an seiner Kette, die ihn an den Pfahl bindet. Darauf hat Vater Bilder von Toorus gemalt. Nur sie sind stärker als der Oger. »Du mich freigeben?«

»Damit du mich dafür zerfleischst?«

»Besser, dein Vater es tun?«

»Stimmt …«

»Also, du machen?«

»Nein!« Ich zeige ihm den Strick und gehe auf ihn zu. »Lass mich die Trommel nicht benutzen.« Morrgass’ Vertrauen in mich würde weiter sinken und der Stamm hätte einen neuen Grund, mich zu verhöhnen.

Gebannt starre ich in Oreos Fresse. Ich strecke meinen Arm und peile die Öse am Halsband an. Dann hake ich den Führstrick ein.

Angstwasser rinnt mir durchs Fell. 

»Du stinken räudig!«

Plötzlich trifft mich ein Schlag vor der Brust und schleudert mich rückwärts durch die Luft. Zum Glück lande ich auf dem Rücken, sodass Udonja unbeschädigt bleibt. 

Wütend springe ich auf. »Du kommst jetzt mit, du dämliches Mistvieh.« Ich stolziere auf Oreo zu und blicke ihm dabei tief in die Augen. Er riecht belustigt. Dann nehme ich den Führstrick in die Klaue und löse die Haltekette vom Pflock.

Jetzt wird der Oger nur noch von mir gehalten. »Komm!« Ich laufe los, nur um am Ende des Stricks stehen zu bleiben, weil Oreo immer noch sitzt. »Steh auf!«

»Nein.« Er blickt zum sinkenden, rot glühenden Auge der Großen Mutter. »Will das sehen!«

In mir toben die Geister. »Soll ich mich zu dir setzen und wir reden über unsere Beziehung?« 

»So nur Frau zu Oreo sprechen!« Der Oger brüllt lauthals, sodass es die gesamte Steppe hören muss – und springt auf. Jetzt ist der Moment gekommen, loszurennen. Sofort schnellen meine Läufe nach vorn und tragen mich Richtung Dorf. Hinter mir dröhnt die Steppenerde. 

»Ich dir Schädel abbeißen, Blume!«

Verflucht, verflucht, verflucht! Das war nicht schlau. Den Führstrick habe ich längst fallen lassen, denn der Oger folgt mir auch so. Vielleicht sollte ich ihn das nächste Mal gleich vom Zwinger aus beleidigen, dann käme er von allein.

So schnell bin ich in meinem Leben noch nicht gelaufen. Vor allem nicht um mein Leben. Dennoch holt mich Oreo mühelos mit Riesenschritten ein.

Gleich hat er mich. Ich spüre sein Schnaufen direkt in meinem Nacken.

Udonja schlägt im schnellen Takt des Laufes gegen meine Hüfte. Bevor Oreo mich enthaupten kann, reiße ich die Trommel nach vorn und klatsche auf ihr Fell. 

Dong. Dong. Dong Dong Dong.

»Fei… Feigling!«, ruft Oreo und presst seine Pranken an den Kopf. 

Sicherheitshalber laufe ich noch außer Reichweite und drehe mich dann um. Den Rhythmus behalte ich bei. Gute Udonja.

Oreo reibt sich kräftig übers Gesicht und knurrt vor Schmerzen.

Vorsichtig setze ich einen Lauf vor den anderen, bis ich den Führstrick greifen kann. Dann wickle ich ihn um meine linke Klaue, während die rechte weiter trommelt.

Hinter mir strahlt das blutrote Feuerauge der Großen Mutter, als ich unter dem ›Dong. Dong. Dong Dong Dong.‹ Udonjas ins Dorf schreite. Es wäre ein Bild, dass dem Sohn des Orkschamanen gerecht würde! Wäre da nicht der Klang der Trommel. 

Alle sind da. Und sie wissen genau, dass der Oger auch heute keinen Respekt vor mir gezeigt hat.

Morrgass steht vor dem Tipi und schüttelt beschämt den Schädel. Ich rieche seine Wut. Und dazu glotzt der Rest des Stammes, der mir vollkommen egal ist. Nur wenige Ogerlängen abseits entdecke ich Zulia, die mich belächelt. Ich rieche ihre Abscheu. 

»Du nie Schamane sein wirst!«

»Klappe, Oreo!«

Ich hasse diesen Oger.

Seit Wochen hocke ich nun schon in diesem Loch. Sharshuk erlaubt mir, mein Tagebuch zu führen. Ich weiß nicht, wie schlau er wirklich ist, aber ich fürchte, ihn weit unterschätzt zu haben.

Schnell urteilt unsereins über die Orks. Denn anstatt wie anständige Menschen an Zulora und Melinde zu glauben sowie Fuscusius zu verachten, beten sie die sogenannte Große Mutter an. Für die pelzigen Barbaren ist sie Erde, Baum und Fels. 

Aus ihren mütterlichen Augen steigen Sonne und Mond empor – Feuerauge und Nachtauge –, um nach getanem Zug über das Firmament wieder in ihren Schädel zurückzukehren. 

Und ständig weht Sho, der Tooru der Luft! Er füllt unsere Brust, bläst Blätter vom Strauch und treibt Qualm über das Schlachtfeld. 

Ich fragte den Schamanen einst, wie ich Tooru übersetzen soll.

Er schien verblüfft von meiner Einfältigkeit und antwortete: »Geist der Natur. Denn in allem, was uns umgibt, lebt ein Tooru!«

Selbst in meinem Loch?

»BEKENNTNISSE EINES SKLAVEN« VON FUBIR STALLER

Kapitel2

Begattung

Vorbei an den Tipis und Hütten meines Stammes hetze ich durch die Dunkelheit. Links erstreckt sich die Steppe, rechts das Dorf der Ibukraggi. Das Nachtauge ist bereits aus dem Schädel der Großen Mutter aufgestiegen. Es enthüllt die Nebelschleier, die über der Steppe schweben. 

Unschuldig duftet die Nacht.

Ich bin spät dran. Gerade laufe ich hinter Zulias Hütte vorüber. Jetzt ist es nicht mehr weit.

Beinahe rutscht mir die Knochenkeule aus meiner Klaue. Ich hebe den Arm, damit sie nicht im Schlamm schleift. Dadurch reiße ich mir am eingelassenen Rubin die Krallen auf und das bucklige Ende drischt gegen mein Schienbein. Meine Lefze zittert, als der Schmerz daran zerrt. 

Nur kurz verschnaufen. »Ogerdreck!« Ich wechsle Iroka in die linke Klaue, balle die rechte und lecke das Blut aus meiner Faust.

›Lass mich los, Unwürdiger!‹

»Wer spricht da? Abbrakar? Zulia?«

›Ich bin Iroka! Bring mich zurück, oder ich lasse den Blitzgeist auf dich los, der in mir wütet.‹

Dann verstummt die Stimme. Ich schaue auf Iroka und schnüffle in die Dunkelheit. Nichts zu riechen. Auch das Nachtauge beleuchtet kein weiteres Wesen. Sollte die Schamanenkeule sprechen können? 

»Bitte, Iroka. Nur diesen einen Gefallen! Es ist zum Wohl des Stammes«, sage ich, nicht sicher, ob das eine Lüge oder die Wahrheit ist.

Wenn die Keule gesprochen hat, dann blieb sie jetzt stumm.

Als mir bewusst wird, dass ich am Ziel bin, schrecke ich auf. Wo verstecken sich die Hilfesuchenden? Ob sie mich hereinlegen wollen? Aber würde Zulia das tun? Bei diesem Angeber Abbrakar hege ich daran keinen Zweifel. Wieso sie sich überhaupt mit ihm abgibt, ist mir ebenso schleierhaft, wie ob ich jemals ein Schamane werde. Solange mich der Schmetterlings-Tooru …

»Sharshuk! Sei leise. Du trampelst lauter als ein Maulhorn«, zischt Abbrakar. Der blasse Mond spiegelt sich in seinen gelben Augen. Zulia klammert sich an den jungen Krieger, als würde sie ohne ihn hinfallen. Wie verlockend sie riecht, nach gebratener Ratte. Doch ich wittere auch einen Hauch Fäulnis. Sind sie etwa aufgeregt? 

»Schon gut. Bin hier wie versprochen.«

»Hast du die Keule dabei?«, flüstert Abbrakar.

Ich drehe Iroka in der Klaue und kratze mit meinem verhornten Nagel das trocknende Blut ab. Der Mond spielt mit den glänzenden Edelsteinen. 

Hätte ich doch endlich meine eigene Keule. Niemand würde mich mehr auslachen! Ich würde sie ebenso verzieren, Toorus und Hilfsgeister würden darin einziehen und ihre Macht steigern.

»Das hätte ich nicht gedacht.« Abbrakar zeigt zwischen meine Beine. »Hast du tatsächlich Klöten da unter deiner Schürze?«

Zulia gackert. Reicht es nicht, dass sie mich vorhin trommelnd mit Oreo gesehen hat?

Gelähmt von ihrer Häme glotze ich die beiden stumm an. 

›Lacht mich nicht aus!‹, will ich brüllen. Doch Sho trägt die Widerworte nicht aus mir heraus, der Tooru der Lüfte lässt mich nicht sprechen. Ich brumme nur. 

Jetzt reiß dich zusammen! »Abbrakar, was willst du?«

»Du hast doch heute Morgen mit deinem Vater die Jagd verfolgt«, sagt er, als würde das alles erklären.

»Morrgass meinte, dass dein erster Einsatz als Jäger vielversprechend war«, sage ich ihm ehrlich. »Und, na ja, dass Rimrugg dich vor dem heranstürmenden Steppenrind retten musste.«

»Retten?« Abbrakar faucht, sodass Zulia zurückspringt und in einer Matschpfütze landet, die ihr bis zu den haarigen Knöcheln reicht. 

Sie flucht leise, schaut auf und lächelt verschämt. Wenn ich sie nur anschaue, kribbelt mein Leib. Ich will meine Schnauze in ihr weiches Fell eintauchen – rostrot schimmernd lockt es mich.

»Ich war nie in Gefahr. Rimrugg, dieser Sohn eines Elfen, hat mich absichtlich zur Seite getreten. Ich stand fest wie eine Steineiche, bereit, das Vieh abzustechen.«

Obwohl die Bilder in meinem Kopf etwas anderes sagen, nicke ich. 

»Schon gut. Aber ich verstehe nicht, wie ich dir helfen könnte.« Ich blicke Zulia an, die Matsch von ihrer Klaue schüttelt und am Lendenschurz trocken wischt. Darunter liegt, wonach ich mich sehne. Nein! Denk an etwas anderes.

»Na, wie kannst du mir wohl helfen, Sohn des Orkschamanen? Bist genauso dämlich wie euer hässlicher Oger.«

Reflexartig drehe ich mich um und suche in der Dunkelheit nach Oreos Zwinger. Nur vage erkenne ich den bleichen Leib im Bretterverschlag, der von einem orkhohen Lattenzaun umgeben ist. Nicht, dass dieser den Oger daran hindern würde, die Orks des Stammes zu frühstücken. Dafür ist die Kette um seinen Hals zuständig. Der Zaun ist lediglich eine Warnung. 

Es ist ein Wunder, dass Oreo noch nicht gebrüllt hat. Normalerweise reizt ihn mein Gestank. Sho bläst wohl gütig in die andere Richtung.

»Mag sein, dafür rieche ich besser.« Die Lefzen hochziehend, schnüffle ich am Fell meiner Schulter. Das stinkt wie ein Flieder! Kein Ork sonst verströmt den Duft eines blühenden Strauchs. Der Aasgeruch Abbrakars verheißt, dass er alt genug ist, Jäger zu werden.  

»Mir egal, solange du uns heute hilfst«, sagt er.

»Du hast mich noch nie gebraucht, Abbrakar.«

»Wenn du es schaffst, erkenne ich dich vielleicht als Ork an.«

Ich drehe mich um, sehe zurück zu meinem abseits gelegenen Tipi. Dann schaue ich Abbrakar direkt in die Augen. »Was willst du?«

Er wirft sein Kinn in Richtung Zulia. Ihre Hauer glitzern im Mondschein wie die feinen Strudel im Bach. »Ich werde sie heute Nacht besteigen. Mach, dass sie kein Balg davon bekommt.«

Abbrakar will Zulia begatten! Sho blockiert mir die Kehle. Wasser presst sich in meine Augen. Eine glühende Kohle verbrennt meine Brust und nimmt allem anderen den Platz. Wie von allein schüttelt sich mein Schädel, als spielt ein dem Toorubeutel entschlüpfter Hilfsgeist mit ihm. »Diese Macht besitze ich nicht.« Abweisend hebe ich die Klauen vor meine Brust.

Heftig stampft Abbrakar auf. Matsch spritzt in alle Richtungen, landet auf meiner Schürze und kleistert sich an die Wand des kleinen Tipis, in dem das Zeug für den Oger lagert. Dann zeigt er auf Zulia.

»Du darfst dafür ihre Ritze anfassen.« Abbrakar sagt das so beiläufig, dass ich es erst gar nicht verstehe und Zulia regungslos anstarre.

Sie glotzt zurück und ich warte darauf, dass sie ihre Lefzen hebt, ihre Zähne zeigt. Doch sie regt sich nicht. Nur eine süße Wolke ihres Dufts erreicht meine Schnauze.

Bloß gut, dass meine Schürze aus schwerem Leder ist. Ich schlucke. In Gedanken schnüffle ich schon an ihrem Busen, der sich erhebt wie das Vorgebirge der Heulenden Himmel in der südlichen Ferne.

Zulia wird dem Stamm stattliche Junge gebären und ich träume davon, selbst der Erzeuger dieser Brut zu sein. Ich! Abbrakar darf sie nicht anfassen. 

Jetzt wäre meine Gelegenheit, sie zu berühren. Nein, er lockt mich in eine Falle.

»Entscheide dich, endlich! Wegen dir verliert das Weib noch die Lust.«

Ich starre auf die Knochenkeule in meinen Klauen. Die Toorus in ihr schicken mir Frost in die Arme, der sich bis in den Schädel ausbreitet. Weil ich friere und gegen diese Begattung bin, schüttle ich den Schädel.

Abbrakar leckt mit der Zunge seinen eindrucksvollen Hauer ab. »Willst du dir das entgehen lassen?« Er streckt den Arm nach Zulias Schurz aus und hebt ihn langsam an. 

In meinem Wanst brodelt es wie der Sud in Vaters Schalen. Zulia schaut mich ängstlich und verlegen an. Ihre Augen ruhen auf meiner Schnauze. Ich schaue nicht nach unten. Wie ein Kristallsplitter in Irokas knöchriger Haut glänzt eine Träne in Zulias Augenwinkel. So sehr ich mich danach sehne, sie zu berühren, umso mehr schmerzt mich ihre Scham.

Hebt Abbrakar den Schurz noch ein kleines Stück, dann …

»Hör auf, ich mache es. Zulia muss nichts für mich tun.« Bin ich dämlich? Das ist die Gelegenheit meines Lebens.

Abbrakar brummt zufrieden und lässt den Lendenschurz wieder sinken. 

Ich schaue auf ihre Hüften und dann in ihre Fresse. Ihr Schädel ist zur Seite gedreht und ihre weißen Hauer stoßen in den Nachthimmel. Was für ein Weib!

»Na los, mach sie unfruchtbar. Ich will nicht die ganze Nacht warten, Sharshuk.«

Langsam dämmert mir, was er vorhaben könnte. »Du willst dich an Rimmrugg rächen, weil Zulia ihm versprochen ist.«

»Dieses Weib ist eine ordentliche Trophäe. Rimrugg wird den heutigen Tag bereuen«, sagt Abbrakar und mustert Zulia mit zitternden Lefzen.

»Tu das nicht, Zulia!« Ich schaue ihr in die großen Augen.

»Ich gehöre Abbrakar! Er soll mich reiten.« Das Weib zittert. Meint sie, was sie von sich gibt? Wieso lässt sie sich mit dem letzten Dreck des Stammes ein? 

»Jetzt mach endlich, Duftling. Was muss sie tun?«

Als schlüge Vater auf Udonja ein, dröhnt es in meinen Ohren. Habe ich eine Wahl? Ich habe doch schon zugesagt. Ziehe ich jetzt zurück, verhöhnt mich Abbrakar ein Leben lang. Und wenn ich Schamane des Stammes werden will, brauche ich den Respekt eines jeden Kriegers.

Meine Stimme ertönt schon, als meine Gedanken noch nach einer Ausrede suchen.

»Leg dich hin, Zulia. Am besten dort.« Ich deute auf den Haufen blutiger Felle: der leidige Rest der Ogerfütterung.

Sie grunzt und steigt vorsichtig drauf. Als sie den Lendenschurz zurechtrückt, merke ich, dass ich darauf gestarrt habe. Schließlich liegt sie vor mir.

Ihr Moschus-Duft mischt sich mit dem fauligen Geruch der Felle. Auf meinen Stoßzähnen bildet sich Geifer und tropft hinab. Mit einem Schlurfen versuche ich ihn wieder einzusaugen.

Ich muss einen Tooru in ihren Leib schicken, der Abbrakars Samen bekämpft, diesem die Kraft aussaugt. Dazu fische ich aus meinem Säckchen eine Muschel, der mächtigste Hilfsgeist, den ich habe. Vater gab ihn mir, damit ich daraus die Paste der Mannwerdung für die jungen Jäger herstelle – auch für Abbrakar.

Ich mustere die Spirale, die von der Mitte der Muschel an die Ränder strömt. Das Artefakt ist selten. Sehr selten. Es wäre mächtig genug, den Wunsch der beiden zu erfüllen. 

Doch wie stelle ich dann die Paste für Abbrakars Mannwerdung her, denn dafür ist sie ja gedacht? Ach, unwichtig jetzt. Hauptsache, Zulia bekommt kein Kind von ihm. Soll sie sich von ihm reiten lassen. Sobald ich Schamane des Dorfes bin, wird sie erkennen, wer sie am besten behandelt. Nämlich ich.

Zwischen meinen Klauen eingeklemmt wandert die Muschel auf Zulias flachen Bauch. Das feine, rostrote Fell um ihren Nabel zieht mich in einen Bann, wie es selbst Vaters Geistertrommel nicht schafft. Morrgass behauptet, Ibukraggi kennen keine Liebe und Schamanen kennen nur Leid.

»Hör mir zu«, sage ich zu Zulia. Auf ihrem Bauch zittert die Muschel. »Ich befehle dem Tooru der Muschel, sich in deinem Wanst einzunisten.«

Abbrakar grunzt und scharrt mit den Pranken im Matsch. »Schneller. Ich bin schon so weit!«

Mit einem Zischen gebiete ich ihm, still zu sein. »Dafür werde ich mich gleich in die Geisterwelt begeben. Bewege dich nicht, bis ich es dir erlaube.«

Zulia nickt schnell wie ein Specht an einer Fichte.

Ich nehme mir die Muschel und lege sie mir auf die Zunge tief im Rachen. Langsam schließe ich meine Lefzen und unterdrücke das Gefühl, zu würgen. 

Ich vermisse Morrgass’ Geistertrommel. Stattdessen lausche ich den Geräuschen der Natur, um mich auf das Ritual einzustimmen. Sho pfeift sein Nachtlied und verstrubbelt mein Fell. Da brüllen Steppenrinder, Hyänen gackern. Im nahen Eibenwald ertönt das Klackern von Ästen. Aus den Lauten formen sich Bilder. Ich jage ihnen nach. 

Plötzlich sah ich die Wurzel der alten Pappel. Unter ihr grub sich der Dachs eine Höhle. Da sprang ich hinein und folgte den Lichtern in die Geisterwelt – der Heimat der Toorus. 

Erst explodierte ein Mond aus Sand, aus dem sich eine Schlange wand. Diese stieß lustvoll gegen den Hinterleib einer roten Kuh und verschwand darin.

Ich stand auf der Steppe und das Feuerauge brannte heiß auf mich hinab. Ein kleines Wiesel huschte an mir vorüber. Ohne zu zögern sprang ich auf das Tier und hielt es fest. Über mir kreiste ein Geier. Das musste das Krafttier Irokas sein, von dem Morrgass mir erzählt hatte. Komm doch herunter.

Vorsichtig öffnete ich einen Spalt zwischen meinen Klauen, um hineinzulinsen. Das weiße Wiesel zeichnete eine schwarze Spirale auf dem Rücken. 

Da bist du ja, kleiner Helfergeist. Ich werde dich jetzt fressen, dann spucke ich dich in Zulias Wanst.

Kräftig biss ich zu. 

Knirschen.

Ein Blitz schleuderte mich über die Ebene. Bunte Flügel, gerade so groß wie das Blatt der Traumbeerpflanze, flatterten an mir vorbei. 

Das war er! Was wollte der Schmetterling hier? Ich hatte nicht erwartet, dass mein Albtraum auftauchen könnte. Durch meine Kehle strömte Feuer. Die Muschelsplitter zerfetzten meinen Rachen. Der geflügelte Tooru wirbelte kreischend auf mich zu. 

Gleich würde er mich greifen und in einen hässlichen Elfen verwandeln! Nein, verschwinde!

Ich schlage die Augen auf. Vom Himmel starrt mich das milchige Nachtauge an.

Vor Schreck habe ich einige der scharfen Splitter verschluckt. Schnell beuge ich mich über Zulias Bauch und spucke aus. Blut vermischt sich mit Speichel und den Muschelsplittern. 

Ich verreibe den Sud mit meiner Kralle. Dann puste ich über Zulias Bauch und befehle dem Tooru murmelnd, in ihren Körper einzudringen. »Töte Abbrakars Samen!« 

Sofort trocknet die Mischung und hinterlässt einen struppigen Pelz. 

Aber ich rieche das weiße Wiesel nicht. Der Schmetterlings-Tooru hat es getötet. Mein Ritual gestört.

Was willst du von mir? Wann lässt du mich in Ruhe?

Abbrakar schlürft seinen Sabber. »Ist sie so weit? Ja? Ist sie?«

Ich rege mich nicht. 

Dem angehenden Jäger scheint das zu reichen, denn er reißt seinen Lendenschurz ab und stürzt sich auf die quietschende Zulia.

Mein Herz schmerzt. Nicht nur von den Splittern der Muscheln.

Ich ertrage es nicht, den beiden zuzuschauen. 

Niedergeschlagen schleppe ich mich zurück zu Morrgass’ Tipi.

Ich soll der Sohn eines Schamanen sein?

Der Ork verehrt die Ratte.

Jedoch drückt sich bei dieser Spezies Verehrung auf andere Weise aus als bei Mensch, Elf oder sogar Zwerg.

Sie werfen den Nager in einen Kessel, zusammen mit Steppenbeifuß und Himmelsstürmer. Dazu rühren sie Ogermaden und mir unbekannte Knollen, die sie Rokurüben nennen.

Das Gebräu kochen sie einen ganzen Tag lang.

Dann dürfen das älteste Orkweib und der Schamane probieren. Ekelhaft treiben die toten Ratten oben im Topf, nur umrundet von gelblich schimmernden Fettaugen. Den Gestank werde ich nie vergessen.

Wird das Ratten-Roku als gut befunden, decken sie es ab und lassen es noch eine Woche lang reifen. 

Nicht auf zehn Schritt möchte ich mich dem Kessel nähern, doch vor allem die jungen Orks strömen täglich heran, um zu schnuppern. Ein Jüngling hat sich mit Resten vom Rand des Topfes eingerieben, um wie ein Krieger zu stinken.

Die restliche Brut verneigte sich vor ihm.

Schließlich gibt es ein großes Fest, wenn das Ratten-Roku reif ist. Die gekochten, verwesenden Ratten hängen an einem Ast zum Trocknen. Während die Orks dann fressen, reiben sie sich mit dem toten Nager das Fell ein.

Mir ist übler als auf meiner einzigen Seefahrt.

»BEKENNTNISSE EINES SKLAVEN« VON FUBIR STALLER

Kapitel3

Drachenstängel

»Hast du es endlich?«, ruft Morrgass mir von unten zu.

Mit einer Klaue klammere ich mich am Felsen fest, die andere stecke ich tief in eine Spalte. Beim Versuch, hier oben Halt zu finden, rutschen meine Läufe immer wieder ab. Sollten meine Kräfte nachlassen, würde ich neben Vater aufschlagen und als lebloser Fellbatzen enden. Hör auf, schau nach vorn!

Mit zusammengekniffenem Auge schiele ich in die Spalte. »Ich habe sie, Meister Vater!« 

»Bist du sicher? Wie sieht sie aus?«

»Wie eine schwarze Nuss, aus der eine … Zunge wächst.«

Noch niemals zuvor hat Vaters Stimme so hoffnungsvoll geklungen. »Das ist es! Deine Rettung.« 

Zulias Begattung erscheint plötzlich in klaren Bildern vor meinen Augen. Vor Schreck gleiten mir beide Läufe von der schmalen Felskante und ich sacke ab. Mein rechter Arm knackt im Gelenk. An der linken Klaue quietschen die Nägel über den glatten Stein. Endlich finden meine Krallen einen Grat. 

Jetzt nur noch die Läufe sichern. Nicht bewegen! Ich blinzle nach unten.

»Wenn du dich zu Tode stürzt, jage ich dich höchstselbst durchs Geisterreich!«

»Danke, das hilft mir sehr!«, rufe ich zurück, während ich versuche, meine Zehen an einen kleinen Vorsprung zu krallen. Mit letzter Kraft taste ich nach dem Drachenstängel. Die Pflanze löst sich zum Glück leicht vom Felsen.

Ich spanne jeden Muskel an und stelle mir vor, wie sich Läufe und Arme zueinander ziehen und ich fest an der Felswand klebe. Als ich den Arm aus der Spalte ziehe, baumelt er sofort leblos neben mir und die Klaue gibt den Drachenstängel frei.

»Pass doch auf, du Rattenschwanz! Diese Pflanze wächst nur einmal im Leben eines Ibukraggi.«

Angstwasser läuft mir ins Fell. Ohne meinen rechten Arm kann ich nicht mehr absteigen. Eine Klaue ist zu wenig und die Felswand viel zu steil.

»Meister Vater, Hilfe!«

»Bettel nicht mich an, sondern Sra!«

Ich schließe die Augen und presse mein Maul gegen den Fels. Während ich spreche, schmecke ich den salzigen Stein. Es riecht wie nach einem Sandsturm. »Sra! Tooru des Felsens, Tooru des Erzes, hilf mir hinab. Gewähre mir eine Leiter aus Stein!« Nichts geschieht. »Ich kann mich nicht mehr lange halten, Meister Vater.«

Morrgass antwortet nicht. Ein Blick zur Seite ist riskant, könnte meinen Absturz bedeuten. Doch ich tue es. Ich sehe Vater gehen. Er schlendert den Pfad aus dem Gebirge hinab zur Steppe. 

Sra hilft mir nicht. Sra hasst mich.

»Umu! Mächtigster Tooru unter den Naturgeistern. Guter Geist des Lebens. Schenke mir eine Leiter aus kräftigen Wurzeln.«

Ich lausche. 

Nichts.

Ich schnüffle. Der dunkle Geruch, wenn der Felsen vom Feuerauge aufgeheizt wird wie ein Kessel. Schließlich knirscht meine Kralle, die sich noch an den Fels klammert. Ich befehle meinem rechten Arm, ebenfalls nach oben zu schnellen, doch nur die Schulter zuckt, gefolgt von einem Blitz hinter meinen Augen.

Ich greife nach. Meine Kralle ist feucht.

Die Kiesel auf der Kante bieten mir keinen Halt mehr. Mit letzter Kraft ziehe ich mich noch einmal hoch. Diesmal gleite ich sofort ab. 

Ich falle. 

In meinem Wanst erwachen Ameisen, deren Gift bis in meine Klöten kribbelt. Gleich ist es vorüber. Ich schaue zur Wand.

Da! Eine Wurzel!

Meine Klaue fischt danach. Das feuchte Holz ist glitschig und entgleitet mir. Plötzlich durchfährt mich ein Ruck. Ich baumle noch zwei Orklängen über dem Boden. 

Dann kracht es und ich knalle auf den Boden, rolle mich ab und bleibe schnaufend liegen. Die Augen geschlossen, durchwandere ich im Geist meinen Leib. 

Meine Läufe zittern und brennen. Den Rücken hat es beim Sturz schwer erwischt, ein Stein drückt sich in mein Fell. 

Langsam richte ich mich auf und schaue mich um. Vater läuft unbeirrt weiter.

Ich stehe auf und verneige mich vor der Felswand. »Danke, Umu! Danke, Sra!« Für nichts.

Dann humple ich Morrgass hinterher. »Meister Vater, warte!«

* * *

Nachdem das Sonnenauge zwei Klauenbreit gewandert ist, renkt Morrgass mir die Schulter wieder ein. Dann durchqueren wir die Steppe zurück zum Dorf. Für eine Ewigkeit schreiten wir schweigend nebeneinander her. Normalerweise möchte ich das auch so. Nur heute nicht.

»Ob der Drachenstängel wirklich hilft?«

Morrgass knurrt. Offensichtlich ist er nicht in Redelaune.

»Wonach rieche ich wohl wirklich? Wenn der Flieder weg ist, meine ich.«

Zwar senkt sich das Feuerauge bereits wieder ab, aber unter Morrgass’ schwarzem Fell scheint es sehr heiß zu sein. Er nimmt sogar seine Schürze ab.

»Egal, Hauptsache nicht mehr so wie jetzt.«

Ich schlucke.

Plötzlich bleibt Morrgass stehen und dreht sich zu mir um. »Dein Geruch hüllt dich in einen Nebel. Selbst ich kann ihn nicht durchdringen. Der Stamm muss dich riechen können, um zu wissen, wer du bist.«

»Ich wollte das nicht. Es ist … dieser Tooru.«

»Fang nicht wieder davon an. Es gibt keine Geister, die uns Orks auf diese Weise verfluchen.«

»Aber Elfen vielleicht?«, frage ich.

»Keiner dieser kurzzahnigen Spitzohren war während deines Wurfs in der Nähe. Seit du dabei deine Mutter getötet hast, stinkst du.«

Mir läuft Wasser aus den Augen. 

»Ist dein Schädel schon wieder undicht? Deine Löcher sind ein Zeichen von Schwäche, denn Leid ist das Wesen eines Schamanen. Ertrage es mit Stolz!«

Ich nicke und wische mit dem Arm über meine Fresse. »Iroka hat zu mir gesprochen. Sie erwähnte sogar einen Blitzgeist. Ist das ein gutes Zeichen, Meister Vater?«

»Fass die Keule nicht mehr an, sie akzeptiert nur den Schamanen aller Schamanen. Und das bin immer noch ich.«

»Ja, Meister Vater. Und was ist dieser Blitz?«

»Er steckte im Boden. Genau dort, wo er zuvor eine Steineiche gespalten hat. Um zu überleben, benötigte der Tooru aber ein Gefäß und so habe ich ihm Iroka angeboten.«

»Stimmt es, dass sie mit Raizach verbunden ist?«

»Iroka ist älter als unser Stamm. Einst war sie ein Geier, der um Raizachs Hörner kreiste.«

»Dann könnten wir mit ihrer Hilfe zu Raizach sprechen!«

Grimmig schaut Morrgass mich an. »Genug jetzt. Du bist noch zu unerfahren. Alles weitere erfährst du an meinem Totenbett.«

Ich nicke und wir trotten eine Weile nebeneinander her. Dann entwischt mir Sho wieder. »Meister Vater, gibt es bei anderen Völkern auch Schamanen?«

»Ja, die Ta-Anut. Hast du Sabbakut und seine Kannibalen schon vergessen?«

»Nein. Aber ich meinte Menschen oder Elfen.«

Nun bleibt Morrgass stehen und starrt in die Ferne. Nur langsam öffnen sich seine Lefzen. »Ich traf einst einen Menschen auf einer Geistreise.« Morrgass schluckt. »Er trieb Rinder über eine Weide und rief mir ein merkwürdiges Wort zu: Kotamu.«

»Ist dieser Schamane gefährlich?«, frage ich.

»Ich befürchte, er ist mächtig. Aber seit Generationen überquerte kein Mensch mehr die Heulenden Himmel. Tamburs Pforte scheint den Zugang immer noch zu bewachen.«

Meine Neugier ist geweckt. »Meister Vater, wie leben Menschen eigentlich?«

»Sie versklaven Sra, damit er ihnen steinerne Tipis baut.«

»Und wie finde ich einen von den Kurzzähnen?«

»Du trittst an ihre Behausung heran und rufst nach ihnen. Wie sonst?« 

Ganz von allein runzelt sich meine Stirn. »Flüchten sie denn nicht aus Furcht vor uns?«

»Sie sind mutiger, als ihrem schwachen Leib gut tut. Würdest du vor einem Elfen weglaufen, wenn er in unser Dorf kommt? Und jetzt genug mit deinen Fragen, Sharshuk.« 

»Eine noch?«

»Was denn?«

»Darf ich den Drachenstängel tragen?«

»Aber pass ja gut darauf auf. Er ist meine einzige Möglichkeit, deinen Fluch zu brechen und damit einen Sohn zu bekommen.«

Morrgass reicht mir die schwarze Nuss. Sie ist so dunkel, als wäre sie verbrannt. Ich halte die Wurzel in meiner Klaue und vor meiner Brust schwingt der Halm, der aussieht wie die pelzige Zunge eines Ameisenbären.

Dich werde ich fressen, dann sind all meine Probleme gelöst und Zulia wird mich wählen. Wir waren erfolgreich. Ich blecke meine Zähne und starre auf den schwarzen Rücken von Morrgass. Nur seine Prophezeiung letzte Nacht hat uns gezeigt, wo der Drachenstängel wächst. 

»Morgen erkennst du ihn«, ich schabe meine trockene Zunge über die Lefzen, »deinen Sohn.«

* * *

Das Feuerchen in der Mitte des Tipis flackert kümmerlich. Hat Morrgass nicht Holzkohle nachgelegt, als wir uns hingelegt haben? Noch im Halbschlaf greife ich mir einen weiteren Pelz, um mich zuzudecken. So kalt war es lange nicht mehr in einer Sommernacht. Zum Glück sind Vater und ich wieder im Dorf.

Meine Läufe schmerzen von der anstrengenden Reise. Brennend meldet sich auch die verrenkte Schulter. 

Die Kälte kriecht sogar unter den Pelz. Hier stimmt doch etwas nicht.

»Du bleibst hier«, sagt Morrgass. »Verstanden?«

Ich reiße die Augen auf und glotze ihm in die Fresse. 

»Die Ta-Anut greifen an. Bring uns nicht in Gefahr!«

Mit diesen Worten streift sich Morrgass seine Schürze über den Schädel, hängt sich Udonja um die Hüfte und schnappt sich Iroka. Dann tritt er ins Freie. Sofort dringt Kälte in unser Tipi.

Na toll, und was bleibt mir, um mich zu verteidigen? Ich springe von der Pritsche und suche mein Ritualmesser. Nachdem ich es gefunden habe, lausche ich.

Es knirscht außerhalb des Tipis. Ich höre ein Knurren und rieche Jäger meines Stammes, die vor unserem Eingang vorbeischleichen. 

Die Ta-Anut fressen die Orks der Steppe. Also mich. Dies ist Teil des Rituals, das ihr Schamane vollführt, um den Eisbären Adriel zu besänftigen. Dabei ist Raizach der wahre Urvater. Er hat die Große Mutter bestiegen und diese gebar uns. Adriel jedoch schändete sie, woraus die Ta-Anut entstanden sind. Es sind dumme Barbaren aus den Heulenden Himmeln mit unnatürlich weißem Fell.

Schließlich höre ich Schreie. Sho trägt Jagdpfeile auf seinen luftigen Pfaden. Wiehernd laufen unsere Ponys durch die Nacht.

Wo bleibt Oreo? Er ist unsere stärkste Waffe. Kälte macht ihm eigentlich nichts aus. Ogerdreck, es ist eine Qual, hier im Tipi sitzen zu müssen.

Mein Blick fällt auf den Drachenstängel, den Vater unter die Spitze gehängt hat. So trocknet er im Qualm des Feuers. 

Um die Feuerstelle herum überzieht Frost die Steine mit weißen Linien. Ich kratze mit einer Kralle darüber und verliere mich nahezu in dem undurchdringlichen Muster. Die Kälte bedeutet, die Ta-Anut werden von ihrem Schamanen begleitet. Sabbakut! Der unterwirft den Tooru des Eises, um aus unserer Steppe eine Eiswüste zu machen.

Was ist das? Ein Geräusch vor meinem Tipi. Dazu dieser Geruch. Das sind Ta-Anut. Dann rieche ich den lieblichen Duft … Zulia!

»Hilfe!«, ruft sie.

Verflucht, die fremden Krieger haben meine Zulia. Ich blicke mich hektisch um und schneide mit dem Ritualmesser den Drachenstängel über mir ab. Vater sagte, ich solle darauf aufpassen, denn wir brauchen ihn für die Mannwerdung.

Ich atme ein und stürme nach draußen. Schnee knirscht unter meinen Läufen. Vor mir rennen fünf Krieger der Ta-Anut, sie sind bewaffnet mit langen, platten Klingen. Einer von ihnen schleppt Zulia über seiner Schulter hängend davon.

---ENDE DER LESEPROBE---