Der Sonne entgegen - Hans J. Gibiser - E-Book

Der Sonne entgegen E-Book

Hans J. Gibiser

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Beschreibung

Mexiko im Jahre 1867. Kaiser Maximilian von Österreich wurde gestürzt. In einem kleinen gottlosen mexikanischen Städtchen, nicht weit von der amerikanischen Grenze entfernt, treibt eine Bande von ehemaligen Soldaten ihr Unwesen. Zwei Jungs beobachten einen schwarz gekleideten Mann, wie dieser eine alte Kiste vergräbt. Bei dem Mann handelt es sich um den neuen Priester, der nun in das Leben der Dorfbewohner treten soll um das Wort Gottes zu verkünden. Die Bewohner des Dorfes haben jedoch jeglichen Glauben verloren.Der charismatische Priester schafft es aber, mit seiner merkwürdigen Ansicht des Glaubens die Aufmerksamkeit der Mexikaner zu gewinnen. Kann es der Mann Gottes jedoch auch ohne Gewalt schaffen, die Dorfbewohner von den Banditen zu befreien? Und niemand weiß, welch schlimmes Geheimnis sich unter dem schwarzen Gewand und dem weißen Kragen verbirgt. Außer den beiden Jungs. Von einem ganz normalen Gottesdienst zu einem Epos, bei dem kein Auge trocken bleibt. Der Sonne entgegen ist der erste Teil der Serie Sonnenbände. Alle Teile der Serie sind trotz ihrer indirekten Verbundenheit eigenständige Geschichten. Die Sonnenbände sind ein ganzes Universum voller Geschichten.

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Inhaltsverzeichnis

Der neue Priester

Neugier

Ein böses Erwachen

Die Versammlung

Das Schaf unter den Wölfen

Zwei mysteriöse Fremde

Die vermissten Personen

Maria und John

Die drei Kreuze

Die Wahrheit wird dich befreien

Die Stille

1. Der neue Priester

Es begann in einem kleinen Städtchen in Mexiko, nicht weit von der Amerikanischen Grenze entfernt. An einem schon sehr späten Abend hüpften zwei Jungs noch draußen herum. Ihre Mütter waren schon sehr in Sorge da ein Gewitter aufzog. Man konnte bereits einige Donnerschläge hören. Als die beiden Buben ihre Mütter hörten, wie sie nach ihnen riefen, machten sie sich wieder auf zurück ins Dorf. Doch dann bemerkten sie jemanden den sie noch nie gesehen hatten. Einen Mann in schwarzem Outfit der eine Holzkiste und eine Schaufel mit sich trug. Sofort versteckten sich die zwei Jungs hinter einem Felsen. Sie beobachteten den Fremden, während die ersten Regentropfen zu vom Himmel fielen. Neben einem Baum machte der schwarz gekleidete fremde Mann halt. Er stocherte mit seiner Schaufel im Boden herum, bis er endlich anfing zu schaufeln. Gespannt beobachteten ihn die zwei Kinder weiter. Nachdem er ein ziemlich großes Loch gegraben hatte, stellte er die Holzkiste in dieses und begrub sie. Die beiden fragten sich, was da wohl drinnen sein könnte. Der Regen wurde immer heftiger, deshalb liefen sie ihren Müttern entgegen.

Am nächsten Morgen schien die Sonne über das Dorf und trocknete die Straßen vom nächtlichen Gewitter. Der schwarz gekleidete Mann hatte die Nacht auf einer Bank in der kleinen Kapelle verbracht. Als er noch friedlich träumte, wurde er von einer hübschen Mexikanerin namens Maria aufgeweckt.

Maria: „Guten Morgen Pater. Ich bin Maria Gonzales. Ich kümmere mich hier immer um unseren Reverend.“

Mit einem halb zugekniffenem Auge betrachtete der neue Priester von diesem Ort die junge Frau, die einen Essenskorb hielt.

John: „Guten Morgen. Ich bin John Gabriel.“

Maria: „Wir haben sie gestern Nachmittag erwartet.“

John: „Tut mir leid. Ich hatte Probleme den Ort hier zu finden. Deshalb wurde es etwas später.“

Maria: „Und deshalb haben sie hier in der Kirche geschlafen.“

John: „Ja das ist richtig.“

Maria: „Das ist aber nicht gerade bequem.“

John: „Ich bin Schlimmeres gewohnt.“

Maria schmunzelte und zeigte den Priester seine neue Unterkunft. Diese befand sich hinter der Kirche und war ein kleiner, zirka fünfzehn Quadratmeter großer Raum. Die spärliche Einrichtung bestand aus einem Einzelbett, einem klapprigen Kleiderschrank, einem Tisch und einem kleinen Ofen. Maria stellte ihm das Frühstück auf den Tisch.

John: „Vielen Dank Miss Gonzales. Das ist sehr nett von ihnen.“

Maria: „Wissen sie, wir haben hier so gut wie kein Geld. Ich kann ihnen daher nur ein bisschen Verpflegung anbieten.“

John: „Miss Gonzales, ich bin hier um ihnen Gott näher zu bringen, nicht um Geld zu verdienen. Und es ist nicht selbstverständlich, dass sie mich verpflegen. Also vielen Dank nochmal, dass sie mit mir teilen.“

Maria lächelte etwas. Sie war beruhigt, denn der vorherige Priester setzte es voraus, wie ein Kaiser behandelt zu werden.

Maria: „Sie sind sehr nett. Und bitte nennen sie mich Maria Pater Gabriel.“

John: „Nur wenn sie mich John nennen.“

Maria: „Aber sie sind doch ein Priester. Ich kann sie nicht einfach nur mit ihrem Vornamen ansprechen.“

Maria sah kurz auf den Boden. So eine Ansichtsweise war ihr neu. Dann fuhr der Pater fort.

John: „Wovon lebst du, Maria?“

Maria: „Von der Ernte.“

John: „Also, wir sind alle Kinder Gottes und jeder sollte dem Anderen den gleichen Respekt zollen. Ich spreche dich doch auch nicht mit Farmerin Maria an. Oder willst du das?“

Maria machte darauf einen sehr nachdenklichen Gesichtsausdruck. Der neue Priester brachte sie dazu, Dinge auf eine ganz andere Art zu sehen. Ungewöhnlich, doch auch irgendwie logisch. Außerdem war ihr der neue Pater mehr als nur sympathisch. Schon vom ersten Moment an, als sie ihn auf der Bank in der Kapelle sah und er zu ihr aufschaute, empfand sie eine eigene Art der Sympathie für ihn. John Gabriel ging es nicht anders. Schon alleine die Stimme, die ihn aufweckte, klang wie Musik in seinen Ohren. Und als er dann noch diese hübsche Mexikanerin sah, stieg in ihm ein Gefühl auf, dieses er schon lange Zeit nicht mehr fühlte.

John: „Wann ist es bei euch üblich, am Morgen die Messe zu machen?“

Maria: „Messe? Heute ist doch Donnerstag?“

John: „Werden bei euch Donnerstags keine Messen abgehalten?“

Maria: „Also eigentlich nur schon lange nicht mehr. Und zuletzt gab es nur Sonntags Messen.“

John: „Sonntag in die Kirche zu gehen ist Pflicht, allerdings sollte man den Leuten auch unter der Woche die Chance geben, das Haus Gottes betreten zu können.“

Maria: „Da wirst du aber nicht viel Glück haben bei uns.“

John: „Gibt es dafür auch einen Grund?“

Maria: „Natürlich. Dein Vorgänger war nicht gerade beliebt bei uns. Und bis auf eine kleine Gruppe haben hier alle den Glauben an Gott verloren.“

John: „Und du gehörst zu dieser Gruppe?“

Maria: „Das sollte ich eigentlich nicht. Aber ja. Ich blieb Gott treu.“

John: „Was meinst du mit „sollte eigentlich nicht“?“

Maria zögerte etwas. Pater John konnte eine gewisse Nervosität an ihr bemerken. Also versuchte John darauf einzugehen.

John: „Ich bin Priester, Maria. Du kannst mir alles erzählen. Es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest. Gott sieht außerdem alles.“

Maria wollte dem Priester aber trotzdem nicht gerne sagen, was in ihrer Vergangenheit passiert ist und John hakte nicht mehr nach.

Nachdem er das Frühstück beendete, versuchte er erst einmal herauszufinden, wie viele Dorfbewohner Gottes Ruf folgen würden. Also stieg er auf den Turm und betätigte die sich darin befindende Glocke. Als er fertig war und den Altar betrat, saßen da elf Leute. Es handelte sich dabei ausschließlich um Frauen. Davon hatten sieben Frauen ihre Kinder dabei. Unter ihnen auch Maria, die ihren Sohn mitgenommen hatte, den sie alleine großzog. Der kleine zehnjährige Jose wirkte allerdings etwas erschrocken, als er den neuen Priester hereinkommen sah. Denn er erkannte ihn sofort wieder. Er hatte ihn ja vor nicht all zu langer Zeit gesehen. Nämlich am Vorabend. Jose war einer der beiden Buben, die Pater Gabriel beim Vergraben einer Kiste beobachtet hatten. Und jetzt fragte sich der Kleine natürlich umso mehr, was sich da wohl in dieser Kiste befinden würde. Aber er sagte seiner Mutter nichts davon. Er schwieg und schaute, als er den Priester erkannte, nach links zu seinen Freund Luis. Dieser blickte im selben Moment zu Jose, weil auch er den Pfarrer wieder erkannte. Aber beide schwiegen.

Pater Gabriel war etwas enttäuscht. Er hatte mehr Besucher erwartet. Er hoffte, dass sich die Kapelle am darauffolgenden Sonntag mit mehr Menschen füllen würde. Nachdem er kurz in die Runde sah, begann er mit seiner Predigt. Am Anfang stellte er sich vor. John Gabriel, geboren in Arkansas und in Texas aufgewachsen. Seit zwei Jahren Priester. Allerdings verriet er nicht mehr von sich. Aber das musste er auch nicht. Also begann er gleich darauf mit ein paar Bibelzitaten. Er bemerkte, dass die wenigen Kirchenbesucher etwas regungslos da saßen. Er war sich nun nicht gerade sicher, ob die Dorfbewohner überhaupt seine Sprache sprechen würden. Das Dorf befand sich nicht weit von der texanischen Grenze entfernt. Laut seinen Informationen war es aber üblich, dass die Leute in dieser Region auch sehr gut Englisch sprechen konnten. Er selbst sprach nur sehr gebrochen Spanisch. Also fragte er einmal in die Runde, ob man ihn verstehen würde. Zuerst sahen sich die Damen untereinander an, bis Maria mit: „Ja natürlich, wir sprechen hier alle Englisch“ antwortete. Das fand John sehr beruhigend. Er hatte zwar schon vor, die Sprache von dem Land, dass er nun zu seiner Heimat machen wollte, zu lernen. Allerdings wäre der Anfang viel mühsamer geworden. Es folgte eine Stille. John überlegte, wie es nun weitergehen sollte. Wie könnte er die Menschen hier erreichen und sie dazu bringen, sich Gott zu öffnen. Er atmete einmal durch und stellte sich dann vor dem Altar. Er ging auf eine ihm noch nicht bekannte Frau zu und fragte sie nach ihrem Namen. Sie antwortete: „Mein Name ist Ines“. Er sah sie tief an und fuhr fort: „Ines, warum sind sie heute gekommen?“. Ines schaute sich fragend um. Die anderen Frauen waren auch etwas verwundert. Es war eine eigenartige Messe.

Ines: „Ich wollte zu der Messe gehen.“

John: „Das freut mich Ines. Ich bin sehr dankbar für ihre Initiative. Aber verraten Sie mir bitte noch, wieso sie zu der Messe gehen wollten.“

Ines: „Wie meinen sie das Pater?“

John: „Ich würde gerne wissen, warum sie heute in die Messe gekommen sind.“

Ines: „Das sagt mir meine Religion.“

John: „Wirklich? Und weil das in einem Buch steht kommen sie zu mir in die Messe?“ Ines: „Ich möchte doch Gott nicht verärgern.“

John: „Meine Liebe, Gott wird nie böse auf sie sein.“

Ines: „Auch wenn ich nicht in die Kirche gehe?“

John: „Auch dann nicht.“

Die elf Damen schauten wieder fragend um sich herum. Keine wusste genau, was hier passierte. Dieser neue Priester war sehr seltsam. Allerdings auch sehr charismatisch. Pater John fuhr fort.

John: „Also wenn keiner auf dich böse sein kann, kommen sie nächstes Mal auch wieder zu mir in die Messe?“

Ines: „Ja ich glaube schon.“

John: „Und warum?“

Ines: „Weil ich sie nicht verärgern möchte.“

John schmunzelte und antwortete darauf: „Ach, mich können sie nicht dazu bringen, dass ich böse auf sie wäre.“

Nun wusste Ines nicht mehr was sie sagen sollte. Und vor allem auch nicht mehr, was sie überhaupt denken sollte. Pater John berührte sie sanft an der Schulter und sprach weiter.

John: „Es würde mich nur etwas traurig machen, wenn sie nicht mehr oder weniger freiwillig zur Messe kommen wollen, sondern nur aus einem Pflichtgefühl gegenüber der Kirche die heilige Messe besuchen.“

Ines überlegte. Alle anderen dachten auch intensiv über Pater Johns Worte nach. Der Priester ging einen Schritt zurück, sodass er alle Frauen im Blickwinkel hatte, und beobachtete ihre Reaktion. Keine der Damen sagte etwas, aber alle dachten das Selbe. Sie wussten nicht, warum sie in die Kirche gingen. Sie wollten es in Wirklichkeit auch nicht aus freiem Willen. Es schrieb ihnen ihre Religion vor. Nach einer kurzen Beobachtungspause begann John wieder mit seiner etwas eigenartigen Predigt fortzufahren.

John: „Warum seid ihr alle da? Weil es euch vorgegeben wird? Ich fordere nun von euch, dass heute, hier und jetzt nur diejenigen von euch hier sitzen bleiben sollen, die aus freiem Willen heute gekommen sind. Alle anderen bitte ich höflich aufzustehen und den Aktivitäten nachzugehen, die sie jetzt lieber machen wollen. Und ich verspreche euch: Niemand wird böse auf euch sein. Keiner kommt deswegen in die Hölle. Ich selbst werde auch über keine, die hier dann nicht mehr sitzt, verärgert sein!“

Danach drehte sich John um und ging langsam wieder in Richtung Altar. Während er einen Schritt nach dem anderen machte konzentrierte er sich auf alle Geräusche, die nun gleich durch die Kapelle schwingen würden. Es war sehr still. Doch dann hörte er die Geräusche jener, die sich von den Bänken erhoben, um die Kirche zu verlassen. Er ging weiter auf den Altar zu und als er direkt davor stand, stützte er seine Arme auf ihn. Er traute sich nicht umzudrehen, weil er Mut sammeln wollte um zu realisieren, ob von den elf Frauen noch welche sitzen würden, wenn sich überhaupt noch jemand außer ihm in der Kapelle befinden würde. Vor dieser Situation fürchtete er sich am meisten. Sein Ziel war es, zu missionieren, dem Dorf den Glauben näher zu bringen. Welche für eine schwierige Aufgabe da wohl auf ihn warten würde, wenn am ersten Tag nur elf Frauen mit ihren Kindern in der Kirche waren. Und nach seiner Predigt wahrscheinlich sogar gar Keine mehr. Als er den Entschluss fasste, sich um zudrehen, atmete er noch einmal tief durch, doch bevor er sich umdrehen konnte berührte jemand seine Schulter. Es war Maria.

Maria: „Pater John, wir sind noch alle da.“

John sah sie an, dann drehte er sich um und bemerkte, dass alle Frauen nur aufgestanden sind. Ines ging dann auf ihn zu und sagte: „Vielleicht gingen wir bis jetzt aus dem falschen Grund in die Kirche. Doch vielleicht lehren sie uns, aus dem richtigen Grund hier her zu kommen. Wir sind doch noch immer alle gläubig.“

John: „Genau das wollte ich hören. Man ist kein Gläubiger, nur wenn man in die Kirche geht, sondern weil man tief und fest glaubt. Und verkörpert wird der Glaube in der Art, wie man sein Leben führt und an seinen Taten.“

Maria: „Aber wie meinen sie das?“

John: „Es reicht eben zum Beispiel nicht, wenn man betet: „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“, und selbst nie jemanden vergeben, der uns weh getan hat. Und möglicherweise auch noch nachtragend ist.“