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Im Hotel ›Zur alten hässlichen Katze‹ wird ein Müllschlittenhund gesucht – genau der richtige Job für Stinkehund! Sein bester Freund Platti darf ihn begleiten, denn heruntergekommene Katzen sind im Hotel ausdrücklich erwünscht. Kaum haben sie die tief verschneiten Berge erreicht, saust Stinkehund auch schon mit seinem Schlitten los. Doch als sich plötzlich eine Schneelawine löst und ein Kind in große Gefahr gerät, beweist Stinkehund, dass er noch so viel mehr kann als nur Müll sammeln …
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Seitenzahl: 24
Veröffentlichungsjahr: 2020
Colas Gutman
Der Stinkehund fährt Ski
Aus dem Französischen von Julia Süßbrich
Mit Illustrationen von Marc Boutavant
Für meine Freundin Agnès Desarthe und ihren Schneemenschen:
Abo, der erbärmliche Schneemensch.
C.G.
Es ist Winter. Stinkehund und Kater Platti bibbern in ihrer Mülltonne, die Sardinendosen sind eingefroren, und selbst das tiefgekühlte Essen ist gefroren.
»Oh, guck mal, Platti, es zuckert!«, ruft Stinkehund.
»Das ist Schnee, Stinkehund. Und wenn davon noch mehr fällt, dann ist unsere Mülltonne gleich auch noch von innen bepudert«, antwortet Platti.
»Sag ich doch, Puderzucker!«
Armer Stinkehund, er hat wirklich von nichts eine Ahnung. Um sich aufzuwärmen, stimmen die beiden Freunde ein altes Winterlied an:
ABC, der Platti lief im Schnee.
Und als er dann zur Tonne kam,
da hatt’ er graue Stiefel an!
ABC, der Platti lief im Schnee.
»Platti, ich würde so gerne einmal die Pisten hinunterfegen«, seufzt Stinkehund.
Der frisierte Pudel lacht laut auf: »Du solltest lieber mal flott den Müll wegbringen!«
Und der Dackel im Mäntelchen protzt: »Wir werden unser erstes Skiabzeichen machen, unser Schnee-Leckerli.«
»Meine Mama hat mir einen Skikurs geschenkt, einen richtig feinen«, ergänzt der frisierte Pudel. »Tschüss, ihr Schmutzfinken!«
Armer Stinkehund und armer Platti, sie werden ihre Nachmittagsnascherei nur mit dem Ausblick vom Deckel ihrer Mülltonne genießen können. Doch plötzlich schöpfen sie neue Hoffnung, denn Stinkehund stößt direkt mit der Schnauze auf eine Anzeige im Pariser Hund[1]:
»Platti, es geht bergauf in unserer Mülltonne! Ich werde Schlittenhund und schleppe den Müll zur Halde!«, freut sich Stinkehund.
»Mein Freund, eigentlich schaffst du es doch nur so gerade eben, dich selbst irgendwohin zu schleppen.«
»Sei kein Spielverderber, Platti! Hinternsport, wir kommen!«
»Wintersport, du Banane!«
Am Frostbahnhof herrscht riesiger Trubel, denn alle starten in die Ferien. Der Pudel ohne Pudelmütze und der Dackel im zweiteiligen Skianzug kaufen Chips, Zeitschriften und Schoko-Leckerlis. Aber sie sind nicht die Einzigen, die in den Skiurlaub fahren. Ein Kind im Anorak stampft ungeduldig mit seinen Skistiefeln.
»Papa, sag mal, wann kriege ich mein Goldenes Kamel?«
»Wenn die Hühner Goldzähne haben«, antwortet der Papa lachend.[2]
Schrecklich gekränkt, nimmt der kleine Anorak seine Skier in die Hand. Er legt eine Schussfahrt durch die Menge hin und flitzt im Slalom zwischen den Leuten hindurch, um seinem Papa zu entwischen.
Stinkehund entdeckt ihn am oberen Ende einer Rolltreppe, die er sich gerade hinunterstürzen will.
»Ist das eine schwarze Piste?«, fragt Stinkehund.
»Kusch, oller Köter!«, schreit Anorak. »Ich rede nur mit Schlittenhunden, mit richtigen Huskys!«
»Aber ich bin doch jetzt auch ein Schlittenhund!«, sagt Stinkehund.
»Dann treffen wir uns unten an der Rolltreppe, Wauwau!«
Unter den erschrockenen Blicken der Leute springt Anorak auf den Handlauf der Rolltreppe und segelt durch die Luft.
Er fliegt, also wird er wohl seine Goldene Taube bekommen, denkt Stinkehund.
Anorak ist irre beweglich: Er macht einen Salto vorwärts und landet auf seinen Skistiefeln.
»Mein Papa ist der Mann, der die Sterne vergibt. Mir gibt er bestimmt auch einen!«, brüstet sich Anorak.
»Dein Papa gibt dir vor allem gleich ein paar Backpfeifen, wenn du hier weiter herumkasperst!«, sagt sein Papa, der ihn am Ende der Rolltreppe erwartet.
»So ist es richtig!«, unterstützt ihn eine böse Dame. »Die jungen Leute von heute meinen, sie könnten sich alles erlauben.«
»Und Sie, Sie riechen nach einem stinkenden Hund«, erwidert Anorak.
»Na, hör mal …!«
Aber Anorak hat recht. Stinkehund beschnüffelt nämlich gerade die Tasche der Dame. Er hofft, darin Zuckerwürfel zu finden.
»Die Hunde von heute meinen auch, dass sie sich alles erlauben können«, fügt die Dame hinzu.
»Ich mag dich, Stinkehund, du bist ein ganz Feiner. Mein Papa wird dir einen Stern geben«, sagt Anorak.
»Ich bin doch kein Sterne-Automat«, schimpft sein Papa.
Anoraks Papa trägt einen Trenchcoat[3] und eine Sonnenbrille, um unerkannt zu bleiben. Er gehört zu den Inspektoren der Hotelsterne-Zentrale und läuft immer mit einer Tasche voller Sterne zum Verteilen herum.
Die Leute stehlen nachts die Sterne, deshalb sind tagsüber keine mehr da, denkt Stinkehund.
Während sein Vater die Nase in seine Zeitung steckt, schielt Anorak nach den Süßigkeiten in einem Laden am Bahnhof.
»Anorak, bei Fuß!«, kommandiert sein Papa.
»Ich bin doch nicht dein Hund!«, sträubt sich Anorak.
»Aber ich bin dein Papa, ja?!«
Sind Papayas nicht Obst?, wundert sich Stinkehund.
Stinkehund stempelt seine Pfote ab, denn der Zug fährt bald los.
Anoraks Papa tut es ein bisschen leid, dass er so hart zu seinem Sohn war. Also drückt er ihm einen Zuckerwürfel in die Hand, damit Anorak ihm verzeiht.
Im Zug setzen sich Stinkehund und Platti zum frisierten Pudel und dem Dackel.
»Wir haben einen VIP-Vierer bekommen, für Very Important[4] Pudel«, protzt der Pudel.
»Und das ist meine PBKK, meine Plüsch-Bahn-Karte für Kinder«, sagt der Dackel.
»Sind das Freunde von euch?«, fragt Anorak.
»Ja, sehr gute sogar. Ich kenne sie schon seit meiner ersten Mülltonne«, bestätigt Stinkehund.
Am Ende des Wagens hört Stinkehund einen Schlachtruf, der ihm sehr vertraut vorkommt:
»Auf die Ferienfreizeit für Benachteiligte! Hipp, hipp, hurra!«
»Hipp, hipp, puuh-uuuh!«, jault Stinkehund freudig mit.
»Ruhe! Wer hat das gesagt?«, fragt der Gruppenleiter.
»Ich war das«, sagt Stinkehund.
»Machst du ein Praktikum als Eisbahnwischer?«, lacht der Gruppenleiter.
»Nein, als Müllschlittenhund«, erzählt Stinkehund stolz.
Aber auf einmal wird der stinkende Stinkehund stocksteif wie ein Stock im Eis.
»Platti, ich hab Angst.«
»Wovor, Stinkehund?«
»Vor dem Yeti, dem abscheulichen Schneemenschen!«
»Mach dir keine Sorgen, den gibt es nicht. Das sind nur Gruselgeschichten für Kinder.«
Da hat Platti recht. Aber Stinkehund hat noch eine Welpenseele!
»Der soll doch Kinder fressen und Pudel scheren«, bibbert er.
»Schlaf, Stinkehund. Der Weg nach Chameaunix ist noch weit.«
Stinkehund fällt in einen tiefen Schlaf und schnarcht ganz laut. Er träumt von der leckeren Mont-Blanc-Creme[5], die er oben auf dem Gletscher essen wird. Aber er schläft unruhig und schreckt plötzlich auf.
»Platti! Und wenn da oben gar kein Schnee liegt?«
»Dann können wir immer noch unten am Fuß der Pisten einen ›esquimau‹[6] essen. Schlaf weiter, mein Freund.«
Stinkehund kommt aber überhaupt nicht zur Ruhe, weil er denkt, dass er einen echten Menschen in einem Iglu essen soll.
Sie kommen in Chameaunix an. Die Ferienfreizeitgruppe für Benachteiligte steigt zuerst aus. Dann folgt Anorak, der seine Mütze vergessen hat. Stinkehund und Platti trödeln hinterher, denn Stinkehund hat Angst vor den Eskimos und will gar nicht aussteigen. Dabei wartet am Bahnsteig ein fröhliches Empfangskomitee auf ihn. Eine kleine Schneefrau und ihr Mann halten ein Schild hoch.
»Die meinen uns!«, freut sich Platti.
Aber Stinkehund versteckt sich hinter einem Pfosten, als er die beiden sieht.
Der ist noch hässlicher als ich. Das muss der abscheuliche Schneemensch sein, ganz sicher! Der frisst mich garantiert auf wie ein Kind und schert mich wie einen Pudel, denkt Stinkehund.
»Guck mal, der Schneemann hat eine Kartoffelnase, und die kleine Schneefrau hat eine Möhre als Nase«, kichert Platti.
Dann kochen sie wahrscheinlich tolle Suppen, denkt Stinkehund, den aber auch das nicht beruhigen kann.
Der liebe Ehemann stellt sich vor:
»Ich bin der erbärmliche Schneemensch«, sagt er.
»Warum sagen Sie das?«, fragt Platti.
»Ich kann noch nicht mal einen Engel in den Schnee machen, dazu bin ich zu erbärmlich.«
»So ist er, seit er sein Bärchen[7] nicht geschafft hat«, erklärt die kleine Schneefrau.
»Wir haben euch in unserem alten Berghäuschen ein Zimmer reserviert, das allerdings zu den Mülltonnen rausgeht«, warnt der erbärmliche Schneemensch sie vor.
»Daran sind wir gewöhnt«, beruhigt ihn Platti.
Für die Ferienfreizeit für Benachteiligte gibt es nicht einmal Hotelzimmer. Und natürlich ist in der Hauptsaison nirgendwo mehr etwas frei.
Die kleine Schneefrau macht ein Angebot: »Wir können Ihnen aushelfen, in unser Hotel kommt nämlich nie jemand.«
»Ich will auch dahin, ich will bei der stinkedoofen Ferienfreizeit bleiben«, quengelt Anorak.
»Nie im Leben werde ich in so einem Loch schlafen«, sagt sein Papa.
Anorak warnt ihn: »Entweder, wir gehen da rein, oder ich krieg einen Anfall!«
Sein Papa erschrickt. »Beruhige dich, mein Schatz, möchtest du ein Zuckerwürfelchen?«
Der hätte besser einen Hund bekommen sollen als ein Kind, denkt Stinkehund.
Der Hotelsterne-Zentrale-Inspektor knickt vor dem Starrsinn seines Jungen ein und sagt Ja.
Der zieht uns bestimmt noch einen Stern ab. Dabei haben wir ja nicht mal einen!, denkt der erbärmliche Schneemensch und seufzt.
Stinkehund nimmt die Sache in die Pfote und lässt alle in eine alte Kiste steigen. Anorak, sein Papa und die gesamte stinkedoofe Ferienfreizeitgruppe stapeln sich darin.
»Soll ich ihn mit meinem Pony peitschen, damit er schneller läuft?«, fragt der frisierte Pudel.
»Ich könnte ihn auch beißen!«, schlägt der Pitbull vor.
»Ich sag meiner Mama, dass der meine Skijacke durch den Rinnstein zieht«, sagt der Dackel.
Doch nichts kann Stinkehund von seinem Weg abbringen. Am verschneiten Berg lässt er seiner Freude freien Lauf: »Auf in die Hinternsportferien, ihr Schlittenhunde!«
Am Ende eines Tals, weitab von den Pisten, umgeben von Tannen, Gletscherspalten und spiegelglatten Eisflächen, steht eine kleine Holzhütte ohne Heizung, ohne Strom und ohne Reiz. Das ist das alte Berghäuschen, das Hotel zur alten hässlichen Katze.
»Na, sag mal, das ist ja wirklich nicht besonders toll«, bellt der frisierte Pudel.
»Das ist das erbärmlichste Hotel, das ich je gesehen habe!«, sagt Anoraks Papa.
»Es ist rustikal«, räumt der erbärmliche Schneemensch ein.
Neben ihm zittert Stinkehund.
»Platti, ich hab Angst.«
»Wovor, Stinkehund?«
»Vor dem erbärmlichen Schneemenschen.«
»Mach dir keine Sorgen, du merkst doch, dass er nicht böse ist.«
»Das meine ich nicht. Ich habe Angst, genauso erbärmlich zu sein wie er.«
Und das ist noch nicht alles, wovor Stinkehund sich fürchtet.
Der erbärmliche Schneemensch erklärt: »Die Müllautos wollen nicht mehr hierherkommen, weil es ihnen bei uns zu hässlich ist.«
Und seine Frau ergänzt: »Deshalb haben wir die Stelle für einen Müllschlittenhund ausgeschrieben.« Sie schlägt Platti etwas vor: »Und du, alte hässliche Katze, du kannst als Aushängeschild für unser Berghäuschen dienen, während dein Freund zur Müllkippe läuft.«
»Wenn Sie Platti an Ihren Zaun nageln, dann sag ich meinem Papa, dass er Ihnen einen Stern abziehen soll«, sagt Anorak.
»Wir haben ja eh keinen«, gibt der erbärmliche Schneemensch zu.
»Beruhige dich, Anorak, sonst wird es dir noch zu warm in deinem Anorak«, sagt Anoraks Papa.
Aber nichts beruhigt ein Kind, das sich über etwas Ungerechtes aufregt.
»Der erbärmliche Schneemensch ist abscheulich!«, schreit Anorak.
»Ich weiß, er ist fürchterlich. Trotzdem schmelze ich dahin, wenn ich ihn nur sehe«, gibt die kleine Schneefrau zu.
Stinkehund muss sich mit dem Müllschleppen beeilen, wenn er es noch schaffen will, sich selbst vor der Dunkelheit auf Skiern über die Pisten zu schleppen.
Leider tun ihm dann aber die Pfoten in den Skischuhen zu sehr weh. Und bis er begriffen hat, dass Skistöcke nicht zum Werfen da sind, ist es auch schon dunkel.
Es kommt sogar noch schlimmer: Im alten Berghäuschen gilt das Sprichwort »Wer schläft, ist satt«.
Also gehen Stinkehund und Platti mit knurrendem Magen ins Bett und wachen am frühen Morgen mit leerem Bauch wieder auf.
Am Fuß der Pisten herrscht großer Andrang auf Sessellifte, Schlepplifte, Treppenlifte und die Kabinenseilbahn. Stinkehund und Platti stellen sich an, um den Gipfel zu erklimmen.
»Alle Anfänger, hinter mir aufstellen!«, brüllt der Gruppenleiter der Ferienfreizeit für Benachteiligte.
»Macht der Mann mich jetzt zu einem richtigen Schlittenhund?«, fragt Stinkehund. »Kriege ich gleich blaue Husky-Augen?«
Den Hunden aus der Ferienfreizeit für Benachteiligte mangelt es nicht an Frechheit. Sie erinnern Stinkehund daran, woher er kommt: »Hey, Stinkehund, hast du Mülltüten dabei, auf denen du rodeln kannst?«
»Oder nimmst du Platti als Schlitten?«