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Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Psychologie, Note: 1,7, Justus-Liebig-Universität Gießen, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Übergang von der Schule zu einer Universität oder Fachhochschule stellt für jeden Studenten eine Herausforderung dar. Das Leben an einer Hochschule unterscheidet sich in vielen Bereichen von bisherigen Erfahrungen. Nicht selten befinden sich die Hochschulen außerhalb des Heimatorts und die Studenten müssen in diesem Fall entweder von Zuhause ausziehen oder pendeln. Eine universitäre Ausbildung verlangt von Studierenden viel Selbstdisziplin, Eigenverantwortung und Selbständigkeit. Dies führt dazu, dass viele Studienanfänger sich gerade in der Anfangszeit an das Leben an der Universität anpassen müssen. Die Umstellung gelingt den Studierenden unterschiedlich leicht und schnell. Es gibt diverse Anforderungen, die bewältigt werden müssen. Nicht nur das Lernen und Studieren an sich muss erst erlernt werden, auch die sozialen Kontakte, finanzielle Aspekte, persönliche Erwartungen und Ziele werden teilweise neu strukturiert. Während der Anpassung an die neue Studiensituation können Schwierigkeiten auftreten. Um die zu unterscheidenden Problembereiche gezielt und separat aufgreifen zu können, ist eine Erfassung der Stärken und Schwächen des Studenten erforderlich. Auf diese Weise kann im Anschluss eine passende Intervention angewendet werden. Baker und Siryk haben 1984 die erste Version eines Fragebogens zur Erfassung der multifaktoriellen Struktur der Anpassung an ein Studium entwickelt. Der Student Adaptation to College Questionnaire (SACQ) ist inzwischen erweitert worden und beinhaltet in seiner Endfassung 67 Items. Der große Vorteil dieses Messinstrumentes (1999) liegt daran, dass es mehrere Aspekte der Anpassung an die Anforderungen eines Studiums berücksichtigt und voneinander trennt. Es handelt sich um ein Selbstbeurteilungsverfahren. Der SACQ ist ein englischsprachiger Test und liegt bis jetzt nur in englischer und holländischer Sprache vor. In Europa fand bis jetzt nur eine Übersetzung im holländischsprechenden Teil von Belgien statt. Das Ziel dieser Diplomarbeit besteht darin, eine deutschsprachige Fassung des Student Adaptation to College Questionnaire zu entwickeln, diese psychometrisch zu überprüfen und zu validieren. Der Fragebogen soll reliabel, stabil und valide sein. Damit wäre die Anwendung dieses Untersuchungsinstrumentes auch bei deutschsprachigen Studenten möglich und somit in Forschung und Praxis einsetzbar.
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Danksagung
An erster Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Brunstein für die hervorragende Betreuung dieser Arbeit sowie die immer freundliche Unterstützung in fachlichen Fragen bedanken.
Prof. Dr. Stiensmeier-Pelster gilt mein Dank, weil ich in seiner Vorlesung meine Fragebögen zur Datenerhebung austeilen durfte.
Bei meinem Ehemann möchte ich mich für das nicht immer leicht durchzuhaltende Korrekturlesen bedanken.
Inhalt
I Theoretischer Teil
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Adaptation an das Studium als ein mehrfaktorielles Konstrukt
2.2 Adaptation beeinflussende Faktoren
2.3 Korrelationen der Anpassung mit beobachtbarem Verhalten
2.4 Implikationen für die Messung der Adaptation
2.5 Zielsetzungen und Hypothesen
II. Empirischer Teil
3 Übersetzung
3.1 Entwicklung einer deutschen Fassung des „Student Adaptation to College Questionnaire“
4 Vorstudie
4.1 Methode
4.2 Ergebnisse
4.3 Diskussion: Befunde, Probleme und Verbesserungen
5. Hauptuntersuchung
5.1 Methode
5.2 Ergebnisse
5.3 Diskussion: Befunde, Probleme und Verbesserungen
5.4 Resümee
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
A1. Deutsche Version des Student Adaptation to College Questionnaire (Vorstudie)
A2. Fragen zur Person (Hauptuntersuchung)
A3. Umformulierte Items der deutschen Version des Student Adaptation to College Questionnaire (Hauptuntersuchung)
A4. Skalen zur Erfassung von studienbezogenen Einschätzungen, Lernstrategien, Persönlichkeitsmerkmalen, Selbst- Regulation und Wirksamkeit (Hauptuntersuchung)
A5. Faktorenanalyse auf Itemniveau, Rotierte Komponentenmatrix
A6. Ergebnisse der Regressionsanalyse (Vorstudie)
A7 Original-Items (SACQ)
Der Übergang von der Schule zu einer Universität oder Fachhochschule stellt für jeden Studenten eine Herausforderung dar. Das Leben an einer Hochschule unterscheidet sich in vielen Bereichen von bisherigen Erfahrungen. Nicht selten befinden sich die Hochschulen außerhalb des Heimatorts und die Studenten müssen in diesem Fall entweder von Zuhause ausziehen oder pendeln. Eine universitäre Ausbildung verlangt von Studierenden viel Selbstdisziplin, Eigenverantwortung und Selbständigkeit. Dies führt dazu, dass viele Studienanfänger sich gerade in der Anfangszeit an das Leben an der Universität anpassen müssen. Die Umstellung gelingt den Studierenden unterschiedlich leicht und schnell. Es gibt diverse Anforderungen, die bewältigt werden müssen. Nicht nur das Lernen und Studieren an sich muss erst erlernt werden, auch die sozialen Kontakte, finanzielle Aspekte, persönliche Erwartungen und Ziele werden teilweise neu strukturiert. Während der Anpassung an die neue Studiensituation können Schwierigkeiten auftreten. Um die zu unterscheidenden Problembereiche gezielt und separat aufgreifen zu können, ist eine Erfassung der Stärken und Schwächen des Studenten erforderlich. Auf diese Weise kann im Anschluss eine passende Intervention angewendet werden.
Baker und Siryk haben 1984 die erste Version eines Fragebogens zur Erfassung der multifaktoriellen Struktur der Anpassung an ein Studium entwickelt. Der Student Adaptation to College Questionnaire (SACQ) ist inzwischen erweitert worden und beinhaltet in seiner Endfassung 67 Items. Der große Vorteil dieses Messinstrumentes (1999) liegt daran, dass es mehrere Aspekte der Anpassung an die Anforderungen eines Studiums berücksichtigt und voneinander trennt. Es handelt sich um ein Selbstbeurteilungsverfahren. Der SACQ ist ein englischsprachiger Test und liegt bis jetzt nur in englischer und holländischer Sprache vor. In Europa fand bis jetzt nur eine Übersetzung im holländischsprechenden Teil von Belgien statt. Das Ziel dieser Diplomarbeit besteht darin, eine deutschsprachige Fassung des Student Adaptation to College Questionnaire zu entwickeln, diese psychometrisch zu überprüfen und zu validieren. Der Fragebogen soll reliabel, stabil und valide sein. Damit wäre die Anwendung dieses Untersuchungsinstrumentes auch bei deutschsprachigen Studenten möglich und somit in Forschung und Praxis einsetzbar.
Für viele Studenten ist der Besuch einer Universität die erste wichtige Veränderung im Leben. Sie leben getrennt von Eltern und Freunden und sollen sich an die neue akademische Ordnung anpassen, Verantwortung übernehmen, die alltäglichen Aufgaben erledigen und einen neuen sozialen Bereich entdecken, der sie mit Beziehungen zu Kommilitonen, Mitgliedern des Lehrkörpers und dem Fachbereich als Institution konfrontiert. Der Universitätsneuling soll die verschiedenen Herausforderungen meistern. Baker und Siryk (1999, S.1) verstehen unter Studienanpassung ein facettenreiches Konstrukt: „adjustment to college is multifaceted - it involves demands varying in kind and degree and requires a variety of coping responses (or adjustments), which vary in effectiveness.” Um die verschiedenen Aspekte der Adaptation an das Studium zu berücksichtigen, erfassen sie mit ihrem Messinstrument Student Adaptation to College Questionnaire (SACQ) vier Komponenten.
2.1.1 Akademische Anpassung
Die akademische Anpassung bezieht sich auf verschiedene ausbildungsbezogene Anforderungen, die zu einem typischen Erfahrungsrepertoire eines Studenten gehören. Zur erfolgreichen akademischen Anpassung gehört die Bewältigung der charakteristischen Studiumsanforderungen. Dieser Aspekt der Anpassung lässt sich laut Baker und Siryk (1999) in vier weitere Komponenten untergliedern: Die Motivation, die sowohl Einstellung als auch Motivation zu akademischer Arbeit und zu akademischen Zielen beinhaltet (z.B. Erreichen eines akademischen Abschlusses). Die Applikation geht auf die Anwendbarkeit der Motivation in aktuellen Anforderungen ein, also wie gut ein Student die aktuellen Aufgaben bewältigt (z.B. Besuch von Lehrveranstaltungen, die Arbeitsintensität). Unter der Leistung wird die Wirksamkeit bzw. der Erfolg der angewendeten Mühe verstanden, also die Effektivität des akademischen Arbeitens (z.B. Absolvieren von Prüfungen). Bei der vierten Komponente der akademischen Anpassung handelt es sich um die akademische Umwelt, die Zufriedenheit mit ihr und den Universitätsangeboten (z.B. Zufriedenheit mit den Dozenten). Nach Baker und Siryk (1999) spiegelt sich eine niedrige Ausprägung der akademischen Anpassung im schlechteren Notendurchschnitt während des ersten Studiumssemesters wider. Außerdem empfinden diese Studenten keine Kontrolle über das Ergebnis ihrer Mühe, haben altersunangemessene und instabile Ziele und verfügen über unrealistische Selbstbewertung. Studenten mit guter Anpassung im akademischen Bereich erzielen im Schnitt signifikant bessere Durchschnittnoten im ersten Semester (Wick & Shilkret, 1986; Ogden & Trice, 1986; Hogan, 1987; McGowan, 1987; Gerdes, 1987; Carlson, 1986) und gehören öfter einer Studentenverbindung (z.B. Phi Beta Kappa) an (Baker & Siryk, 1984).
2.1.2 Soziale Anpassung
Bei der sozialen Anpassung geht es um Erfolge bei der Bewältigung von zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Anforderungen, welche ein Studierender zu meistern hat. Dieser Aspekt setzt sich nach Baker und Siryk (1999) aus vier Komponenten zusammen. Die allgemeinesoziale Anpassung bezieht sich auf die Häufigkeit sozialer Kontakte und die Zufriedenheit mit der Teilnahme an sozialen Aktivitäten (z.B. Eingewöhnung an das Studium, Teilnahme an universitären Aktivitäten). Die Komponente Andere Personen beschreibt die Beziehungen zu anderen Personen an der Universität (z.B. persönliche Kontakte und Umgang mit Kommilitonen und Professoren). Mit Nostalgie wird das Ausmaß erfasst, in dem ein Studierender den Ortswechsel, den Auszug von Zuhause und die Trennung von wichtigen Bezugspersonen meistert (z.B. Heimweh, Einsamkeit). Der Faktor soziale Umwelt bezieht sich auf die Zufriedenheit mit sozialen Aspekten der universitären Umwelt (z.B. Genießen des Lebens an der Universität).
Studenten mit niedriger sozialen Anpassung nehmen an weniger sozialen Aktivitäten an der Universität teil, sind weniger erfolgreich in der Ablösung von Zuhause, empfinden mehr Einsamkeit, verfügen über weniger soziales Selbstvertrauen, bewältigen weniger gut die Lebensveränderungen, nehmen soziale Unterstützung schwächer wahr und sehen wenig Möglichkeiten, an sozialen Aktivitäten teilzunehmen (Baker & Siryk, 1999). Personen mit hoher sozialer Anpassung nehmen häufiger an universitären und außeruniversitären Aktivitäten teil (Wick & Shilkret, 1986) und werden öfter als Assistenten in Studentenwohnheimen angestellt (Baker & Siryk, 1984).
2.1.3 Emotionale Anpassung
Mit der emotionalen Anpassung wird das Ausmaß bezeichnet, in dem ein Studierender psychische (z.B. Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Stress) oder körperliche (z.B. häufige Kopfschmerzen) Beschwerden aufweist. Diese Anpassung beschreibt den intrapsychischen Zustand des Studenten. Es handelt sich um die subjektiv wahrgenommenen psychischen und körperlichen Leiden. Aus diesem Grund wird die emotionale Anpassung in zwei Komponenten aufgeteilt, eine psychische und eine körperliche. Das Psychische Wohlbefinden umfasst den emotionalen Zustand (z.B. Gefühle der Traurigkeit, Aufsuchen einer Beratungsstelle), das Körperliche Wohlbefinden den subjektiv erlebten Gesundheitszustand (z.B. Gewicht-, Schlafprobleme) eines Studenten.
Studenten mit niedriger emotionaler Anpassung besuchen öfter Beratungsstellen an der Universität, verlassen sich emotional verstärkt auf andere Personen, verfügen über weniger psychische Bewältigungsstrategien, haben mehr Konflikte mit ihren Eltern, leiden öfter an Angst und Depression und haben mehr negative Lebenserfahrungen (Baker & Siryk, 1999). Bei Studenten mit hoher emotionaler Anpassung treten solche Beschwerden seltener auf.
2.1.4 Institutionelle Bindung
Die institutionelle Bindung umfast die Qualität der Beziehungen zwischen einem Studierenden und der jeweiligen Ausbildungsstätte. Baker und Siryk (1999) teilen diesen Bereich in zwei weitere Komponenten auf. Eine allgemeine Bindung geht auf die Gefühle und den Ausmaß der Zufriedenheit mit dem Dasein auf einer Universität allgemein ein (z.B. Gedanken über Studienabbruch). Der zweite Faktor, genannt dieses College, bezieht sich auf die konkrete Ausbildungsstätte, die vom Studierenden besucht wird. Dabei handelt es sich um die Gefühle und die Zufriedenheit gegenüber der besuchten Universität (z.B. Gedanken über einen Universitätswechsel). Eine niedrige institutionelle Bindung geht mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einher, dass das Studium unter– oder abgebrochen wird. Die Zufriedenheit mit der universitären Umwelt ist entsprechend gering ausgeprägt (Baker & Siryk, 1999).
2.2.1 Das longitudinale Modell von Tinto
Vincent Tinto entwickelte 1975 ein Modell, in dem Gründe für den Abbruch oder, im positiven Fall, für die Weiterführung eines Studiums spezifiziert werden. In diesem longitudinalen und dynamischen Modell wendete Tinto Durkheim´s Theorie des Suizids (Durkheim, 1961) auf die Studiumssituation an. Er zog diese Parallele, weil Suizid am meisten dann verübt wird, wenn Individuen nicht ausreichend in die Gesellschaft integriert sind. Die fehlende moralische und kollektive Integration erhöhte die Wahrscheinlichkeit für einen Selbstmord. Die Anwendung einer Suizidtheorie auf das Phänomen des Studienabbruchs erfolgte schon 1970 durch Spady (1970). Spady sah einerseits die unzureichende Interaktion mit Kommilitonen und andererseits die mangelnde Kongruenz mit der vorherrschenden Wertestruktur einer Universität als wichtige Faktoren für den Abbruch einer universitären Ausbildung. Schwache Integration in das soziale System einer Universität führt zu schwacher Bindung an dieses System und erhöht dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Student dafür entscheidet, die Universität zu verlassen. Dabei wird zwischen zwei Hauptbereichen unterschieden, dem akademischen und dem sozialen. Jede Person kann in beiden Bereichen voneinander unabhängige Integration erreichen, d.h. die Anforderungen beider Bereiche können unterschiedlich gut gemeistert werden. Im Extremfall können sie sich sogar gegenseitig behindern, zum Beispiel wenn ein Studierender sehr viel Zeit mit anderen Studenten auf Kosten der Lernzeit verbringt.
Das Phänomen eines Studienabbruchs kann laut Tinto nicht allein mit der Theorie Durkheims ausreichend erklärt werden. Tinto (1975) postulierte zusätzliche Faktoren wie individuelle Charakteristika und psychologische Eigenschaften. Die zentralen Rollen in seinem Modell spielen die Zielbindung (Goal Commitment) und die institutionelle Bindung (Institutional Commitment). Diese beiden Bindungen besitzen die Studenten bereits mit Studienbeginn. Abbildung 1 zeigt Tintos Modell im Überblick.
Abbildung 1. Modell des Studienabbruchs nach Tinto (1975).
Voruniversitäre Attribute wie der familiäre Hintergrund (z.B. sozialer Status, Werte und Erwartungen), individuelle Eigenschaften (z.B. Geschlecht, Fähigkeiten) und schulische Erfahrungen (z.B. Schulleistungen, soziale Eingebundenheit in der Schule) beeinflussen die Entwicklung von Verpflichtungen und Erwartungen schon im Vorfeld des Studiums. Die während des Studiums entstehende Integration mit dem akademischen und dem sozialen System bewirkt eine Modulation der Bindungen. Das Zusammenspiel der jeweiligen institutionellen und zielbezogenen Bindung beeinflusst wiederum, welche Studienleistungen der betreffende Student erbringt, wie er sich intellektuell entfaltet und welche Kontakte er zu anderen Studenten sowie zu den Lehrkräften aufbaut. Das akademische System wirkt durch positive Studienleistungen und intellektuelle Entwicklung verstärkend auf die akademische Integration und diese wiederum festigt das Ziel, das Studium abzuschließen. Das soziale System seinerseits führt mit Hilfe von Interaktionen mit Kommilitonen und dem Lehrpersonal zu sozialer Integration, die ihrerseits die Bindung an die Institution stärkt. Die Stärke beider Bindungen wirkt sich direkt auf die Entscheidung aus, ob die Universität verlassen werden soll oder nicht. Dieses Schema erklärt freiwillige Abbrüche eines Studiums.
Je stärker sich ein Studierender aus akademischer und aus sozialer Sicht als integriert wahrnimmt und bereits vor der Immatrikulation mit der Universität und dem Ziel, das Studium abzuschließen, verbunden fühlt, desto intensiver wird er sich im weiteren Verlauf des Studiums seiner Universität und seinen Studienziel verpflichtet fühlen. Bei geringer bzw. fehlender Verpflichtung gegenüber dem Studienziel und der Hochschule, ist der Entschluss für einen Abbruch wahrscheinlicher. Eine starke Bindung an die Institution kann Studenten zum Bleiben bewegen, auch wenn das Ziel des Abschlusses nur schwach ausgeprägt ist. Dieses Phänomen des „Durchkommens“ diskutierte als erster Burton Clark (1960).
Eine Entscheidung über den Verbleib oder Abbruch kann man auch unter dem Gesichtspunkt einer Kosten-Nutzen-Analyse betrachten. Die Individuen versuchen ihre Energie in die Richtung zu lenken, in der sie eine Maximierung des Nutzen-Kosten-Quotienten für wahrscheinlich halten. Aus diesem Grund werden alternative Wege mit der universitären Ausbildung verglichen. Verspricht die Alternative zur akademischen Ausbildung einen größeren Gewinn, wird das Studium oft freiwillig abgebrochen. Entscheidend ist dabei die subjektive Wahrnehmung von Kosten und Gewinnen, aus deren Bilanzierung die persönliche Bindung an die Universität resultiert. Dieser Vergleich kann dazu führen, dass positive Erfahrungen an der Universität verhältnismäßig schlecht ausfallen und einen Studienabbruch bewirken können. So geben insgesamt 17 Prozent der Studienabbrecher an, dass sie ihr Studium wegen einer beruflichen Neuorientierung aufgegeben haben. Eine solche Umorientierung ist oft bei Studierenden gegeben, die aus finanziellen Problemen sich vorzeitig exmatrikulieren. Sie stellen ebenfalls 17 Prozent aller Studienabbrecher (Heublein, 2003).
Wie oben erwähnt, beeinflusst eine Reihe von individuellen Eigenschaften die Stärke der Bindungen und Erwartungen. Zu solchen Faktoren gehört zum Bespiel der familiäre Hindergrund. Dieser wird oft mit Hilfe des soziökonomischen Status ausgedrückt. Kinder aus Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status verlassen die Universität öfter ohne Abschluss als Kinder aus Familien mit höherem Status und das auch, wenn die Intelligenz der Kinder berücksichtigt (Sewell & Shah, 1967). Das Abbruchsrisiko wird erhöht, wenn die Kinder aus bildungsfernen und einkommensschwachen Bevölkerungsschichten kommen, starke schulische Defizite zeigen, eine fehlende Leistungsbereitschaft aufweisen oder über unerfüllte Studienerwartungen verfügen (Heublein, 2003). Zum familiären Hintergrund gehört auch die Beziehung zwischen dem Studierenden und seinen Eltern. Die Qualität dieser Beziehung spiegelt sich in den Interessen und Erwartungen der Eltern bezüglich der Ausbildung ihrer Kinder wider. Die Studenten aus demokratischen, unterstützenden, wenig konfliktbehafteten und für Neues offenen Elterhäusern bleiben öfter an der Universität bis zu ihrem akademischen Abschluss (Trent & Ruyle, 1965). 10 Prozent der Studienabbrecher verweisen auf familiäre Konflikte als Gründe für ein examenloses Verlassen der Hochschule. Dabei sind es hauptsächlich Frauen, die ihre vorzeitige Exmatrikulation in erster Linie familiären Gründen zuschreiben (Heublein, 2003). Viel stärkeren Einfluss auf die Entscheidung eines Abbruchs bzw. Verbleibs haben die kognitiven Fähigkeiten, die individuelle Erwartungen bezüglich der eigenen beruflichen Zukunft und die Persönlichkeit des Studierenden (Spaeth, 1970). 11 Prozent der Studienabbrecher geben an, dass sie nicht in der Lage waren, die Studienanforderungen zu bewältigen, weitere 8 Prozent sind in Prüfungen gescheitert. Dabei kann für diese Personen eine relativ hohe Studienverbundenheit verzeichnet werden. Studenten, die ihre Erwartungen hinsichtlich des Fachs und Studiums nicht als erfüllt sehen, verlassen ihr Studium wegen fehlender Studienmotivation. Dies geschieht wenn die Studienentscheidung mehr aus Gründen des beruflichen Erfolgs als aus innerer Neigung und fachlicher Fähigkeit getroffen wurde. (Heublein, 2003). Studienabbrecher sind im Vergleich zu ihren Kommilitonen, die an der Universität bleiben, impulsiver. Außerdem messen sie ihrer Bildung weniger Wert bei und profitieren geringer von ihrer Erfahrung (Vaughan, 1968). Zusätzliche Faktoren, die bei Studienabbrechern öfter als bei Studenten mit Vordiplom vorkommen, sind: Neurotizismus, übermäßige Belastungen (im Job, in der Familie) und fehlendes Wissen über das Studium (Schmidt-Atzert, 2005). Diese Faktoren können die soziale Integration erschweren. Wichtig für die Wahrnehmung persönlicher Fähigkeiten und die Bildung von Erwartungen für die zukünftige Universitätsausbildung sind die Erfahrungen an der vorangegangen Schule. Dort konnten die individuellen Fähigkeiten und die eigene Stellung innerhalb einer sozialen Struktur beobachtet werden.