Der Trompeter von Säckingen - Joseph Viktor von Scheffel - E-Book

Der Trompeter von Säckingen E-Book

Joseph Viktor von Scheffel

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Beschreibung

Die stets zum Nachteil der letzteren ausfallende Gegenüberstellung des deutschen Nationalcharakters mit den Repräsentanten klassischer europäischer Geisteskultur ist am stärksten im Trompeter von Säckingen ausgeprägt. Dieses Versepos erfreute sich zu Scheffels Lebzeiten so großer Beliebtheit, dass Bronzefiguren des Trompeters zahlreiche bürgerliche Speisezimmer zierten.

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Der Trompeter von Säckingen

Joseph Viktor von Scheffel

Inhalt:

Joseph Viktor von Scheffel – Biografie und Bibliografie

Als Zueignung.

Zur fünfzigsten Auflage.

Zur einhundertsten Auflage.

Der Trompeter von Säkkingen.

Erstes Stück. Wie jung Werner in den Schwarzwald einreitet.

Zweites Stück. Jung Werner beim Schwarzwälder Pfarrherrn.

Drittes Stück. Der Fridolinustag.

Viertes Stück. Jung Werners Rheinfahrt.

Fünftes Stück. Der Freiherr und seine Tochter.

Sechstes Stück. Wie jung Werner beim Freiherrn Trompeter ward.

Siebentes Stück. Der Ausritt zum Bergsee.

Achtes Stück. Das Konzert im Gartenpavillon.

Neuntes Stück. Lehren und Lernen.

Zehntes Stück. Jung Werner in der Erdmannshöhle.

Elftes Stück. Der Hauensteiner Rummel.

Zwölftes Stück. Jung Werner und Margareta.

Dreizehntes Stück. Die Werbung.

Vierzehntes Stück. Das Büchlein der Lieder.

Fünfzehntes Stück. Ein Wiedersehen in Rom.

Sechzehntes Stück. Lösung und Ende.

Der Trompeter von Säckingen, J. von Scheffel

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849639112

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Joseph Viktor von Scheffel – Biografie und Bibliografie

Namhafter Dichter, geb. 16. Febr. 1826 in Karlsruhe, gest. daselbst 9. April 1886. Sein Vater war Major im badischen Geniekorps und Oberbaurat; seine Mutter Josephine, geborene Krederer (geb. 22. Okt. 1803 in Oberndorf, gest. 5. Febr. 1865 in Karlsruhe), war eine begabte Gelegenheitsdichterin, die sich auch dramatisch versuchte, vielfach philanthropisch betätigte und sehr schön Märchen erzählte (mit A. v. Freydorf gab sie heraus: »In der Geißblattlaube, ein Märchenstrauß«, Dresd. 1886). 1843–47 studierte S. in München, Heidelberg und Berlin Rechtswissenschaft, aber auch Philosophie und Kunstgeschichte (germanistische Studien betrieb er erst viel später, während und nach seiner juristischen Praxis), promovierte zum Doktor der Rechte und begleitete im Sommer 1848 den Reichskommissar Welcker als Sekretär auf seiner Reise nach Lauenburg in Sachen Schleswig-Holsteins. 1850–1851 arbeitete S. als Rechtspraktikant in Säckingen, 1852 im Sekretariat des Hofgerichts zu Bruchsal, doch entsagte er der juristischen Laufbahn, auch nachdem er 1854 zum Referendar ernannt worden war. Er wollte Maler werden und zog deshalb im Mai 1852 nach Rom. Hier aber gelangte er zur Erkenntnis, dass er nicht zur Malerei, sondern zur Dichtkunst veranlagt sei, und im Winter 1853 schrieb er einsam auf Capri sein dichterisches Erstlingswerk: »Der Trompeter von Säckingen«, ein Sang vom Oberrhein (Stuttgart 1854, 272. Aufl. 1905), das mit dem kurze Zeit später in Heidelberg und in einer Meierei am Fuße des Hohentwiel gereiften und geschriebenen historischen Roman »Ekkehard« (Frankf. a. M. 1857; 214. Aufl., Stuttg. 1906; Illustrationen von H. Jenny, Hamb. 1898, und von Stumpf, Düsseld. 1903) seinen Ruhm begründete. Beide Werke ließen in S. einen durch Originalität, die prächtigste Frische und einen seltenen Humor ausgezeichneten Dichter erkennen, dem noch dazu aus der Fülle innerer Anschauung und lebendig gewordener Studien die reichsten Farben für Schilderung verschiedener Zeiten und Zustände zu Gebote standen. Durch sein »Gaudeamus. Lieder aus dem Engeren und Weiteren« (Stuttg. 1867, 66. Aufl. 1904) wurde S. der Liebling der deutschen Studenten. Die Mehrzahl der darin gedruckten Gedichte, die um ihrer geistreichen Frische und ihres keck studentischen Tones willen so außerordentlichen Beifall fanden, entstand in Heidelberg, wo sich S. 1854 und dann noch häufig aufhielt. 1856–57 lebte er in München, mit einem Roman beschäftigt, an dessen Ausführung ihn der schmerzliche Tod seiner Schwester störte, und der niemals vollendet wurde; 1858–59 in Donaueschingen, wo er Bibliothek und Archiv des Fürsten Egon von Fürstenberg ordnete und katalogisierte. Nach verschiedenen Reisen in Italien und Frankreich (Rhone) ließ er sich 1864 dauernd in Karlsruhe nieder, wo er noch in demselben Jahre Karoline v. Malzen, die Tochter des bayrischen Gesandten, heiratete. Gelegentlich seines 50. Geburtstages (1876), der für den inzwischen berühmt Gewordenen von ganz Deutschland gefeiert wurde, ward S. vom Großherzog von Baden in den erblichen Adelstand erhoben. Seine späteren Dichtungen konnten aber die Beliebtheit der ersten nicht erreichen. In »Frau Aventiure. Lieder aus Heinrich von Ofterdingens Zeit« (Stuttg. 1863, 19. Aufl. 1902) sowie in der Erzählung: »Juniperus. Geschichte eines Kreuzfahrers« (das. 1868, 5. Aufl. 1895) überwogen die zum Erweis gründlicher Studien dienenden Einzelzüge zwar nicht die warme Darstellungskraft, aber sie nahmen diesen Dichtungen doch die volle Unmittelbarkeit. Beide waren gleichsam Splitter eines geplanten großen historischen Romans, der die Entstehung des Nibelungenliedes und den Sängerkrieg auf der Wartburg schildern sollte, aber unausgeführt blieb. Ferner veröffentlichte S.: »Bergpsalmen« (Stuttg. 1870, 7. Aufl. 1907); das lyrische Festspiel: »Der Brautwillkomm auf Wartburg« (Weim. 1873); »Waldeinsamkeit«, Dichtungen zu zwölf landschaftlichen Stimmungsbildern von Jul. Mařak (Stuttg. 1880, 6. Aufl. 1903); »Der Heini von Steier«, Dichtung (Münch. 1883) und »Hugideo. Eine alte Geschichte« (Stuttg. 1884, 9. Aufl. 1900). Zu einer Anzahl seiner Werke hat Anton v. Werner treffliche Illustrationen geliefert. Die letzten Jahre seines Lebens brachte S. weltflüchtig auf seiner Besitzung zu Radolfzell am untern Bodensee zu. Peinliche Lebenserfahrungen hatten die Reizbarkeit des ursprünglich so heiter veranlagten Dichters gesteigert, und er suchte die Einsamkeit. In Heidelberg wurde 1891 sein Standbild aus Erz errichtet, 1892 in Karlsruhe seine Büste, von Volz, weitere Denkmäler in Mürzzuschlag (1895), im Eichenhain Serpentara bei Olevano Romano (1897), in Säckingen (1901), auf dem Aggstein (1903; vgl. »S., Blätter zur Erinnerung etc.«, Wien 1903) u.a.; ein großes Nationaldenkmal am Bodensee wird geplant. Nach seinem Tod erschienen noch: »Fünf Dichtungen« (Stuttg. 1887, 2. Aufl. 1898); »Reisebilder« (hrsg. von J. Proelß, das. 1887; 3. Aufl. 1904), »Gedichte aus dem Nachlaß« (das. 1888, 4. Aufl. 1889), »Aus Heimat und Fremde«, Lieder und Gedichte (das. 1892, 2. Aufl. 1902), »Episteln« (das. 1892, 2. Aufl. 1901), »Das Gabelbachlied« (Ilmenau 1900) und »Scheffels Briefe an Karl Schwanitz, nebst Briefen der Mutter Scheffels« (Stuttg. 1906). Scheffels »Briefe an Schweizer Freunde« gab A. Frey (Zür. 1898) heraus. Seine »Gesammelten Werke« erschienen in 6 Bänden (Stuttg. 1907, mit biographischer Einleitung von J. Proelß). Vgl. Zernin, Erinnerungen an Joseph Viktor v. S. (2. Aufl., Darmst. 1887); Ruhemann, Joseph Viktor v. S., sein »Leben und Dichten« (Stuttg. 1887); Pilz, Viktor v. S. (Leipz. 1887); J. Proelß, Scheffels Leben und Dichten (Berl. 1887; Volksausgabe: »S., ein Dichterleben«, Stuttg. 1902); Ad. Hausrath, S. und Anselm Feuerbach (in der »Deutschen Rundschau«, 1887); »Literaturbilder fin de siècle; I.: S.« (Leipz. 1896); Weiß, Hohentwiel und Ekkehard in Geschichte, Sage und Dichtung (St. Gallen 1900); Ford, S. als Romandichter (Dissertation, Münch. 1900); Luise v. Kobell, J. V. v. S. und seine Familie (Wien 1901); Boerschel, J. V. v. S. und Emma Heim, eine Dichterliebe (Berl. 1906). – Der 1890 in Wien gegründete Scheffelbund veröffentlichte: »Scheffel-Gedenkbuch« (Wien 1890, Dresd. 1895) und ein Jahrbuch u. d. T. »Nicht rasten und nicht rosten« (Leipz. 1897, Berl. 1898, Wien 1900 ff.).

Als Zueignung.

»Wer ist dort der blonde Fremde, Der auf Don Paganos Dache Wie ein Kater auf und ab geht?« Frug wohl manch ehrsamer Bürger In dem Inselstädtlein Capri, Wenn er von dem Markte rückwärts Nach der Palme und dem maurisch Flachgewölbten Kuppeldach sah.

Und der brave Don Pagano Sprach: »Das ist ein sonderbarer Kauz und sonderbar von Handwerk; Kam mit wenigem Gepäck an, Lebt jetzt stillvergnügt und einsam, Klettert auf den schroffen Bergen, Wandelt zwischen Klipp' und Brandung, Ein Strandschleicher, an dem Meere, Hat auch neulich in den Trümmern Der Tiberiusvilla mit dem Eremiten scharf gezecht. Was er sonst treibt? – 's ist ein Deutscher, Und wer weiß, was diese treiben? Doch ich sah in seiner Stube Viel Papier – unökonomisch War's nur in der Mitt' beschrieben, Und ich glaub', es fehlt im Kopf ihm, Und ich glaub', er schmiedet Verse.«

Also sprach er. – Dieser Fremde Was ich selber; einsam hab' ich Auf des Südens Felseneiland Dieses Schwarzwaldlied gesungen. Als ein fahrend Schüler zog ich In die Fremde; zog nach Welschland, Lernte manch ein Kunstwerk kennen, Manchen schlechten Vetturino Und manch südlich heißen Flohstich. Doch des Lotos süße Kernfrucht, Die der Heimat Angedenken Und der Rückkehr Sehnsucht austilgt, Fand ich nicht auf welchen Pfaden.

's war in Rom. Schwer lag der Winter Auf der Stadt der sieben Hügel, Schwer – selbst Marcus Brutus hätt' sich Einen Schnupfen zugezogen, Und des Regens war kein Ende; Da stieg wie ein Traum der Schwarzwald Vor mir auf, und die Geschichte Von dem jungen Spielmann Werner Und der schönen Margareta. An der beiden Grab am Rheine Stand ich oft in jungen Tagen; Vieles doch vergißt man wieder, Was am Rhein begraben liegt. Jetzo wie dem Mann, dem plötzlich Laut das Ohr klingt, als ein Zeichen, Daß die Heimat sein gedenket, Klang mir die Trompete Werners Durch den röm'schen Winter, durch den Blumenscherz des Karnevals. Klang erst fern, dann nah ich näher, Und gleich dem Kristalle, der aus Dunstig feinen Luftgebilden Niederschlägt und strahlen anschießt, Wuchsen mir des Lieds Gestalten. Sie verfolgten mich nach Napel, Im bourbonischen Museum Traf ich meinen alten Freiherrn, Lächelnd droht er mit dem Krückstock, Und am Tore von Pompeji Saß der Kater Hiddigeigei. Knurrend sprach er: »Laß die Studien, Was ist all antiker Plunder, Was der Mosaikhund selbst im Haus des tragischen Poeten Gegen mich, die selbstbewußte Epische Charakterkatze?«

Dies war mir zu bunt – ich sann jetzt Ernstlich, diesen Spuk zu bannen. Bei der schönen Luisella Bruder, bei dem pfiffig krummen Apotheker von Sorrento Ließ ich blaue Tinte mischen Und fuhr übers Meer nach Capri. Hier begann ich die Beschwörung. Manchen goldgrüngelben Seefisch, Manchen Hummer und Polypen Zehrt' ich auf, und unbarmherzig Trank' ich, wie Tiber, den Rotwein. Unbarmherzig dichtend schritt ich Auf dem Dach, – es widerhallte Metrisch, und der Bann gelang mir, In vierfüßigen Trochäen Angefesselt liegen jetzo, Die den Traum der Nacht mir störten.

's war auch Zeit. Schon winkt der Meister Lenz herüber nach der Insel, Knospen treibt der kahle Feigbaum, Draußen knallt's. Mit Flint' und Netzen Fah'n sie auf die arme Wachtel, Die heimfliegend übers Meer streift, Und dem Sänger droht es, daß er Den geflügelten Kollegen Auf dem Tisch gebraten sehn muß. Drängend mahnt's, die Feder samt dem Tintfaß an die Wand zu werfen; Frischgesohlet sind die Stiefel, Die mir des Vesuvius krit'scher Schwefel mitleidlos verbrannt hat, Weiter will ich auf die Wand'rung. Auf, mein alter Marinaro! Stoß vom Land! gern trägt die Meerflut Leichten Sinn und leichte Ware. –

Doch den Sang, der mir in froher Frühlingsahnung aus dem Herz sprang, Send' ich grüßend an die Heimat, Send' ich Euch, dem Elternpaar. Manch Gebrechen trägt er, leider Fehlt ihm tragisch hoher Stelzgang, Fehlt ihm der Tendenz Verpfeff'rung, Fehlt ihm auch der amarant'ne Weichrauchduft der frommen Seele Und die anspruchsvolle Blässe. Nehmt ihn, wie er ist, rotwangig Ungeschliff'ner Sohn der Berge, Tannzweig auf dem schlichten Strohhut. Was ihm wahrhaft mangelt, deckt es Mit dem Schleier güt'ger Nachsicht. Nehmt ihn, nicht als Dank, – ich stehe Schwer im Schuldbuch Eurer Liebe, Doch als Gruß und als ein Zeichen, Daß auch einer, den die Welt nicht Auf den grünen Zweig gesetzt hat, Lerchenfröhlich und gesund doch Von dem dürren Ast sein Lied singt.

Capri, den 1. Mai 1853.

Zur fünfzigsten Auflage.

Heut bläst der Trompeter mit neufrischem Mut Die Jubiläumsfanfare, Das sechsundsiebziger Jahr war uns gut, Wir wurden allbeid' Jubilare: Ich hab' mich zum fünfzigsten Lebensjahr Durch Freude und Leid durchgepfleget – Er wird – ein Fall, der in Wahrheit rar – Zum fünfzigstenmal neu verleget.

Vielleicht, daß ich selber von Jugend und Glück Ein Stück ihm zurückgelassen: Es zieht auch den Fünfziger gern noch zurück Zu vertrauten Trompeterstraßen. Zum Eggberg stieg ich. Dort ragen zu Tal Die Dörfer der Hauensteiner, Die Dächer moosgrün und strohbraunfahl, Doch Landestracht trägt nicht mehr einer.

Froh wandert der Mann, wenn die Seele klar Und die Welt von Sonne erhellt ist; Bald grüßte der Edeltannen Schar Und was dem Schwarztannwald gesellt ist: Stechpalmen, glanzgrün und frischbetaut, Und Pfriemen, die blütenschweren, Und ein Pelz von Moosen und Heidekraut Und Farren und Heidelbeeren.

Von jenseit durchblinkten den stammstolzen Wald Schneeleuchtend des Schweizerlands Firne, Des Finsteraarhorns Prachtgestalt, Der Jungfrau demantblaue Stirne; Und wo der Blick sich gen Westen kehrt, Wo Rücken um Rücken erblauen, Da waren vom Golde des Abends verklärt Wasgauische Belchen zu schauen.

Zum Rhein und zur Waldstadt hinab ging mein Lauf, Da sah ich aus grünschwarzem Dunkeln Wie ein fragwinkend Auge der Erde herauf Grausilbrig den Bergsee erfunkeln. Gneisfelsen stehn ob der Wiesentrift Und da, wo die Hochtannen lichter, In mächtigen Lettern die Felswandschrift: »Saekkingen die Stadt ihrem Dichter!«

Und als ich vor Ballys Schlößlein stand, Da stand auch Er, mein Trompeter, In Erz gegossen von Meisterhand, Und Mann wie Buch kennt ein jeder; Und als mir die freundliche Wirtin im Bad Nicht erlaubte, die Zeche zu zahlen, War's klar, daß ob uns und Sankt Fridolins Stadt Heilwaltende Sterne erstrahlten.

Fürwahr, die Trompete blies kräftig sich Bahn Durch Unkunst und epische Wildnis; Der Verleger schließt unserm Jubel sich an Und verlangt vom Verfasser sein Bildnis. Wie das Werk er geschmückt, nehmt gütig es hin, Uns fürder Gewogenheit schenkend Und, wenn ich nicht mehr hienieden bin, Des Schwarzwaldwandrers gedenkend.

Karlsruhe, im Oktober 1876.

Zur einhundertsten Auflage.

Habent sua fata libelli

Terentianus Maurus

Auch Bücher haben ihr Schicksal! so sag' Wie der Rümer ich freudig verwundert; Die Neuauflage vom heutigen Tag Ziert sich mit der Nummer Einhundert; Als Glückwunschboten erscheinen vor mir Drei schmucke fremde Trompeter, In fremder Sprache und Zunge grüßt Und plaudert und lacht ein jeder.

Der eine hat sich von Rotterdam Dem »Bovenrijn« zugewendet; Ihm hat ein würdiger geistlicher Herr Ein »Nederlansch Gewaad« gespendet. Und er heimelt mich an, als wär' mir ein Sohn Mit Flößern nach Holland geschwommen Und kräftiglichst plattdeutsch angehaucht »Van der Nordzee« zurückgekommen.De Trompetter van Saekkingen. Een Lied van den Bovenrijn, nar het Hoogduitsch von J. V. Scheffel door W. P. R. Boumann, Rotterdam, H. A. Kraemers & Zoon. 1877.

Eine kunstverständige Dame wies Ihm Albions Haltung und Sitten, Und sie wünscht mir gütig, ich möge gesund Ausharren und unverstorben, Bis mein Schwarzwaldgesang sich ein Heimatrecht In jeglichem Klima erworben.

O Scheffel, may thy years be long!     And may'st thou live to see the time, When this thy genial Schwarzwald song     Will find aber home in every clime.

The Trompeter of Saekkingen. A song from the Upper Rhine by Joseph Victor Scheffel. Translated from the German by Mrs. Francis Brünnow. London, Chapman and Hall 193 Piccadilly. New-York, Scribner, Armstrong & Co. 1877.

Der dritte über den Brenner sich schwang Als italischer Trombettiere, Ein rechtsgelehrter feinfühliger Sohn Veronas erwies mir die Ehre. Der Herzen humane Bildung hält Die Völker in Freundschaft verbunden; – Auf Capri hat als Kaffeehausschild Hiddigeigei Achtung gefunden.Il Trombettiere di Saekkingen, canto dall' Alto Reno. Prima traduzione italiana dalla LX. edizione tedesca di G. B. Fasanotto. Verona, H. F. Münster (C. Kayser succ.). 1879.

Nun dank' ich den Frauen und Jungfrauen all Und all den guten Gesellen, Die in der Heimat jahraus jahrein Sich neu den Trompeter bestellen; Und vor allem dank' ich dem lieben Gott, Der seine Güte ließ walten Und Buch wie Verfasser in Gnaden hat Zu solcher Freude erhalten!

Radolfszell, am 56. Geburtstag, 16. Februar 1882.

Der Trompeter von Säkkingen.

Erstes Stück.Wie jung Werner in den Schwarzwald einreitet.

          Auf zum Schwarzwald schwingt mein Lied sich, Auf zum Feldberg, wo das letzte Häuflein seiner Berggetreuen Trotzig fest nach Süden schauet Und bewehrt im Tannenharnisch Grenzwacht hält am jungen Rhein.

Sei gegrüßt mir, Waldesfriede! Seid gegrüßt mir, alte Tannen, Die ihr oft in euren Schatten Mich, den Müden, aufgenommen. Rätselhaft verschlungen senkt ihr In der Erde Schoß die Wurzeln, Kraft aus jenen Tiefen schöpfend, Deren Zugang uns verschlossen. Und ihr neidet nicht des flücht'gen Menschenkindes flüchtig Treiben, Lächelnd nur – zur Weihnachtszierde Schenkt ihr ihm die jungen Sprossen. Auch in euren Stämmen lebt ein Stolzes selbstbewußtes Leben, Harzig Blut zieht durch die Adern, Und es wogen die Gedanken Schwer und langsam auf und nieder. Oft sah ich die zähe, klare Träne eurer Rind' entquellen, Wenn im Forst ein rauher Axthieb Frevelnd die Genossin fällte! Oft auch hört' ich eurer Wipfel Geisterhaft Zusammenflüstern, Und es zog mir durch die Seel' ein Süß geheimnisvolles Ahnen. Zürnt drum nicht, wenn hell mein Sang jetzt Einzieht in das Waldrevier. –

's war im März. Noch trieb der Winter Mummenschanz; die Äste hingen Mit phantast'schen Eiskristallen Schwer geziert, zur Erde nieder. Da und dort nur aus dem Grunde Hob das junge Köpflein schüchtern Anemon' und Schlüsselblume. Wie der alte Patriarch einst In der Sündflut Wassernöten Ausgesandt die weiße Taube: So von Winters Eis umlastet Schickt die Erde ungeduldig Fragend aus die ersten Blumen, Fragend, ob nicht der Bedränger In den letzten Zügen liege. – Sausend von des Feldbergs Höhen Kam der Meister Sturm gefahren, Der erfreut' sich, als zum dunkeln Tannwald er sich niedersenkte; Sprach: »Ich grüß' euch, feste Freunde, Denn ihr wißt, warum ich komme. – Glauben da die Menschenkinder, Wenn ich einem just vom Haupte Seinen alten Hut entführe, Ich sei da, um sie zu schrecken. Traun, das wär' ein sauber Handwerk, Schornstein knicken, Fenster brechen, Strohdach in die Lüfte zetteln, Altem Weib den Rock zerzausen, Daß sie betend sich bekreuzet! Doch ihr Tannen kennt mich besser, Mich, des Frühlings Straßenkehrer, Der, was morsch, zusammenwettert, Der, was faul, in Stücke schmettert, Der sie Erde sauber feget, Daß sein strahlender Gebieter Würdig seinen Einzug halte. Und euch, stolzen Waldgenossen, Die ihr mir mit ehr'ner Stirn oft Tapfern Widerpart gehalten, Deren Stämmen ich so manches Blaue Mal am Schädel danke, Anvertrau' ich mein Geheimnis: Balde kommt er selbst, der Frühling; Und wenn dann der junge Sproß grünt, Lerch' und Amsel jubilieren Und der Lenz mit warmer Sonn' euch Lustig auf die Häupter scheinet: Dann gedenkt auch meiner, der ich Als Kurier in seinem Dienste Heut an euch vorbeigesaust.«

Sprach's und schüttelte die Wipfel Derb und kräftig, – Äste knarren – Zweige fallen – und ein feiner Nadelregen prasselt nieder. Doch die Tannen nahmen seine Huld'gung sehr ungnädig an, Aus den Wipfeln tönt die Antwort, Ein Geschimpf schier war's zu nennen: »Unmanierlicher Geselle! Wollen heut nichts von Euch wissen Und bedauern, daß die feinsten Herrn die gröbsten Diener haben. Packt Euch weiter in die Alpen, Dort sucht Nüsse Euch zu knacken, Dort stehn kahle Felsenwände, Unterhaltet Euch mit denen!«

Während also Sturm und Tannen Sonderbaren Zwiespruch hielten, Tönet Hufschlag – mühsam suchet Durch den schneeverdeckten Waldpfad Sich ein Reitersmann den Ausweg. Lustig flatterte im Winde Ihm der lange graue Mantel, Flatterten die blonden Locken, Und vom aufgekrempten Hute Nickte keck die Reiherfeder. Um die Lippen zog der erste Flaum des Barts sich, den die Damen Schätzen, denn er gibt die Kunde, Daß sein Träger zwar ein Mann, doch Seine Küsse nicht verwunden. Der jedoch schien zarte Mündlein Noch nicht viel berührt zu haben, Und als wie zum Spotte macht' ihn Schnee und Reif schier weiß erglänzen. Aus den blauen Augen flammte Glut und Milde, sinn'ger Ernst ihm, Und es brauchte nicht des langen Korbbewehrten Rauferdegens, Der vom schwarzen Wehrgehänge Schier hinab zum Boden streift', um Anzudeuten, daß die Faust ihn Ritterlich zu führen wisse. Um das zugeknöpfte Reitwams Schlang ein Band sich, dran hing glänzend Die vergüldete Trompete. Vor Schneeflocken sie zu schützen, Schlug er oft um sie den Mantel; Aber wenn der Wind sich drein fing, Daß sie schrill anhub zu tönen, Dann umspielte seinen Mund ein Sonderbar wehmütig Lächeln. –

Schweigsam durch des Waldes Dickicht Ritt er fürbaß, oftmals schweiften Seine Blicke, so wie eines, Der zum erstenmal, ein fremder Wandersmann, den Weg erspähte. Rauh der Pfad – das Rößlein wollte Oft im Schnee versinken oder Im Geäst der wildverschlungnen Tannenwurzeln strauchelnd stürzen. Und der Reiter dachte brummend: »'s ist mitunter doch langweilig, Einsam durch die Welt zu ziehen: Fälle gibt's und Tannenwälder, Wo der Mensch sich sehnt zum Menschen. Seit ich Abschied heut genommen Von den Mönchen zu St. Blasien, Wurde leer und öd die Straße. Da und dort noch ein versprengter Landmann, der im Schneegestöber Kaum den Gruß zu bieten wußte; Dann noch ein paar schwarze Raben, Die mit heiserem Gekrächze Zankten um 'nen toten Maulwurf; Aber seit zwei Stunden hatt' ich Nicht die Ehre, nur ein einzig Lebend Wesen anzuschaun. Und in diesem Waldesbanne, Wo die schneeverhüllten Tannen Wie in Leichentüchern dastehn, Ritt es besser sich selbander. Wären's Schelmen und Zigeuner, Wären's selber jene beiden Sehr verdächtigen Kumpane, Die den alten Rittersmann einst Durch die Waldesnacht begleitet Und ihm bald als Tod und Teufel Schnöd ins Angesicht gegrinst: Lieber wollt' mit ihnen reiten Oder raufen oder ihnen Eins aufspielen, als alleine Weiter durch die Tannen traben!«

Alles nimmt ein End' hienieden,