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In Edgar Allan Poes meisterhaftem Werk 'Der Untergang des Hauses Usher' entfaltet sich eine düstere Atmosphäre, in der Angst und Wahnsinn untrennbar miteinander verwoben sind. Die Erzählung beschreibt die schleichende Dekadenz des Hauses Usher und seiner letzten Bewohner, Roderick und Madeline Usher. Poe, ein Pionier der Gothic-Literatur, nutzt eine symbiotische Verbindung von Psyche und Umgebung, um die innere Zerrissenheit des Protagonisten widerzuspiegeln. Der eindringliche, beinahe hypnotische Stil und die präzise Bildsprache laden den Leser ein, in eine Welt voller Melancholie und schicksalhafter Vorzeichen einzutauchen, während Themen wie Verfall und die Unausweichlichkeit des Schicksals erkundet werden. Edgar Allan Poe, geboren 1809 in Boston, gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts und Mitbegründer des modernen Kriminalromans. Seine persönlichen Erfahrungen mit Verlust und Trauer, besonders der frühe Tod seiner Frau Virginia, spiegeln sich stark in seinen Werken wider. Diese Erfahrungen könnten ihn dazu inspiriert haben, die Themen der Einsamkeit und des psychologischen Verfalls in 'Der Untergang des Hauses Usher' so eindringlich zu gestalten. Für Leser, die die dunklen Abgründe der menschlichen Psyche erforschen wollen, ist 'Der Untergang des Hauses Usher' eine unverzichtbare Lektüre. Poes einzigartiger Zugang zur Angst und sein Gespür für das Unheimliche machen dieses Werk nicht nur zu einem Klassiker der Literatur, sondern laden auch zu einem tiefgründigen Nachdenken über menschliche Emotionen und existenzielle Fragen ein.
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Es war ein trüber, stiller und dunkler Herbsttag. Schwer und tief hingen die Wolken vom Himmel herab, und ich war den ganzen Tag durch eine ungewöhnlich öde Landschaft geritten, bis gegen Abend der melancholische Anblick des Hauses Usher vor mir auftauchte. Ich weiß nicht, wie es kam, aber bei dem ersten Schimmer des Gebäudes befiel mich schon eine unerträglich trübe Stimmung. Ich sage unerträglich, denn meine Stimmung wurde nicht durch das halb angenehme, weil poetische Gefühl gemildert, das auch die ernstesten Bilder natürlicher Verlassenheit oder Schauerlichkeit noch ausstrahlen. Die vor mir liegende Szene – das öde Haus mit dem einfachen, schmucklosen Hintergrund – die bleichen Mauern – die leeren, augenähnlichen Fenster – das spärliche hohe Ried – alles das erfüllte mich mit einer Niedergeschlagenheit, die ich nur mit der Nachwirkung eines Opiumrausches vergleichen kann, mit dem bitteren Hinabsinken in den grauen Alltag, wenn die grauenhafte Entschleierung der Dinge beginnt. Eine wehe, eisige Schwäche ergriff mein Herz, eine hoffnungslose innere Öde, in die ich durch kein Anstacheln meiner Phantasie etwas Erhabenes hineinzwingen konnte. Was war es doch, dachte ich, indem ich mein Pferd anhielt, was mich bei der Betrachtung des Hauses Usher so maßlos bedrückte? Ich konnte das Rätsel nicht lösen, und noch weniger konnte ich die düsteren Schatten zerstreuen, die sich beim Nachsinnen über mich legten. Ich mußte mich mit der nichtssagenden Erklärung zufrieden geben, daß manchmal ganz kleine Ursachen uns aufs stärkste beeinflussen, ohne daß wir den Grund zu dieser Beeinflussung finden können. Ich überlegte, daß vielleicht eine kleine Veränderung in dem ganzen Szenenbild den traurigen Eindruck aufheben oder doch wenigstens lindern würde, und lenkte mein Pferd an den abschüssigen Rand eines geisterhaft stillen Teichs, um auf seinen von keinem Windhauch aufgerührten Spiegel hinabzublicken. Aber mit noch größerem Schauder als zuvor blickte ich jetzt auf die umgekehrten Bilder des grauen Rieds, der gespenstigen Baumstümpfe, der leeren, wie Augen aussehenden Fenster.
Und doch wollte ich in diesem unheimlichen Hause für einige Wochen Aufenthalt nehmen. Sein Besitzer, Roderich Usher, war auf der Schule einer meiner besten Kameraden gewesen, doch hatten wir uns schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Nun war kürzlich ein Brief von ihm gekommen, dessen äußerst dringlicher Ton nur eine persönliche Beantwortung zuließ. Die Handschrift zeugte von einer starken nervösen Erregung, und er teilte mir mit, daß ihn körperliches Kranksein und geistige Bedrücktheit quäle. Er habe ein dringendes Verlangen, mich zu sehen, ich sei sein bester und vielleicht sein einziger Freund und würde sicherlich durch den Frohsinn meines Wesens seine Krankheit mildern. Die Art, in der er das und noch mehr sagte, zeigte, daß seine Bitte aus tiefstem Herzen kam, so daß ich nicht lange zauderte, sondern ohne weiteres seinem etwas seltsamen Verlangen folgte.