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Diplomarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Gesundheit - Pflegewissenschaft - Sonstiges, Note: 1,3, Universität Bremen, Sprache: Deutsch, Abstract: In der Arbeit sollen Aspekte der speziellen Pflege sogenannter dementer Menschen aufgegriffen und diskutiert werden. Der sogenannte demente Mensch soll in dieser Arbeit nicht allein dadurch charakterisiert sein, dass er laut medizinischer Diagnose die Alzheimer Krankheit hat. Er soll hier nicht als Person mit DEMENZ sondern als PERSON mit Demenz aufgefasst werden. Um sich den Motiven des Handelns der dementen Menschen annähern zu können, müssen Pflegende wissen, wie die Zusammenhänge des Denkens, Fühlens und Handelns der dementen Menschen sind und welche eventuell problematischen Konsequenzen dies für die Handlungsprozesse in der Pflege haben kann. Als ein möglicher Problemlösungsversuch wird das Verstehen vorgeschlagen. Ein verstehender, subjektorientierter Pflegeansatz soll am konkreten Beispiel der speziellen Pflege sogenannter dementer Menschen unter der spezifischen Betrachtung von Affektlogik (Ciompi, 1998 u. 1999), Isolation (Jantzen, 1992) und Krise (Caplan, 1964) besprochen werden. In der Arbeit sollen diese verschiedenen Ansätze miteinander verknüpft und für die Pflege reflektiert werden. Insbesondere die erklärende und verstehende Diagnostik nach Jantzen (1994 u. 1996) soll als Rahmen für die Thematik dienen.
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Inhalt
Verzeichnis der Abbildungen
Einleitung
1.1 Bedingungen der Alzheimer Krankheit auf der Basis aktueller Literatur
1.1.1 Epidemiologie
1.1.2 Allgemeine Grundlagen
1.1.3 Pathophysiologische Grundlagen
1.1.4 Psychosoziale Grundlagen
1.1.5 Phasen des Demenzprozesses
1.1.6 Fazit
1.2 Ausgewählte Pflegeprobleme
1.2.1 Das Problem der Alltags- und Lebenswelt sogenannter dementer Menschen
1.2.2 Das Problem des therapeutischen Nihilismus`
1.2.3 Das Problem der Professionalität pflegerischer Handlungsprozesse
1.2.4 Fazit
1.3 Verstehen als Problemlösungsversuch
2. Ansätze des Verstehens in der Pflege
2.1 Wissenschaftstheoretische Ansätze des Verstehens
2.1.1 Der hermeneutische Ansatz
2.1.2 Der phänomenologische Ansatz
2.1.3 Reflexion für die Pflege
2.2 Verstehende Diagnostik in der Pflege
2.2.1 Erklärende und Verstehende Diagnostik nach Jantzen
2.2.2 Reflexion der Erklärenden und Verstehenden Diagnostik für die Pflege
2.3 Fazit
3. Inhaltliche Annäherung an die Pflege sogenannter dementer Menschen unter dem Ansatz des Verstehens oder das Aufsteigen im Abstrakten
3.1 Ausgewählte Aspekte des Menschenbildes
3.1.2 Das sinnvolle Handeln des Menschen
3.1.3 Der Mensch als tätige Persönlichkeit
3.1.4 Die menschliche Psychodynamik in der Tätigkeit
3.1.5 Die Bedürfnisse des Menschen
3.1.6 Störungen in der Dynamik des menschlichen Handelns
3.1.7 Gesundheit und Krankheit
3.1.8 Das Menschenbild in der Psychiatrie
3.1.9 Das Menschenbild in der Begegnung mit sogenannten psychisch gestörten Menschen
3.1.10 Soziale Isolation und menschliche Entwicklung
3.1.11 Das Menschenbild und menschliche Behinderung
3.1.12 Menschliche Kommunikation
3.1.13 Reflexion
3.2 Konsequenzen für die Pflege
3.2.1 Ausgewählte Aspekte der Pflege
3.2.2 Ausgewählte Aspekte psychiatrischer Pflege
3.2.3 Ausgewählte Aspekte gerontopsychiatrischer Pflege
3.2.4 Ausgewählte Aspekte spezieller Pflege sogenannter dementer Menschen
3.2.5 Reflexion
3.3 Das Denken, Fühlen und Handeln sogenannter dementer Menschen oder die Syndromanalyse
3.3.1 Das System Denken-Fühlen-Handeln
3.3.2 Das System Denken-Fühlen-Handeln unter den Bedingungen der Alzheimer Krankheit
3.3.3 Konsequenzen für die Handlungsprozesse im Pflegealltag
3.4 Fazit
4. Affektlogik, Isolation und Krise sogenannter dementer Menschen oder das Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten
4.1 Die Konzeptebene
4.1.1 Das Konzept der Affektlogik
4.1.2 Das Konzept der Isolation
4.1.3 Das Konzept des Krisenprozesses
4.1.4 Synthese und Reflexion der Konzepte der Affektlogik, der Isolation und des Krisenprozesses
4.1.5 Affektlogik, Isolation und Krise sogenannter dementer Menschen
4.2 Schlussfolgerungen für die Pflege
4.2.1 Zusammenfassung und Definition der Pflege von Menschen, die unter den Bedingungen der Alzheimer Krankheit leben
4.2.2 Konsequenzen für die pflegetheoretische Ebene
4.2.3 Konsequenzen für pflegepraktische Handlungsprozesse
4.2.4 Ziele der pflegerischen Handlungsprozesse oder das Aufsteigen im Konkreten
4.3 Ansätze zur Problemvermeidung und -lösung
4.4 Fazit
5. Praktische und theoretische Lehr- und Lernziele zur verstehenden Begegnung mit sogenannten dementen Menschen in der Pflege
5.1 Philosophie
5.1.1 Pflegephilosophie
5.1.2 Bildungsphilosophie
5.1.3 Kompetenzentwicklung
5.2 Lehr- und Lernziele
5.2.1 Lehr- und Lernziele für den theoretischen Unterricht zur Pflege dementer Menschen
5.3 Anregungen für die theoretische und praktische Lernbegleitung
5.4 Fazit
Literatur
Abb. 1: Aspekte wechselseitiger Einflussnahme auf das Subjekt im Rahmen pflegerischer Be-gegnung
Abb. 2: Die Interdependenz von Philosophie und Handlungsprozessen in der Pflege als pro-fessionelles Pflegewissen
Abb. 3: Konstitutive Kompetenzen des professionellen Pflegehandelns (aus: Weidner, 1995, S. 125)
Abb. 4: Die Dynamik der Vulnerabilität als innerpsychische Entwicklungsprozesse
Abb 5: Die Interdependenz von Kränkung, Vulnerabilität und Krisenprozess
Abb. 6 Bezug therapeutischer Pflege auf die komplexe Dynamik menschlicher Dimensionen
Abb. 7: Die Dynamik des Systems Denken-Fühlen-Handeln
Abb. 8: Der Krisenprozess (nach Caplan, aus: Meueler, 1999, S. 38)
Abb. 9: Die Dynamik des Systems Affektlogik-Isolation-Krise unter isolierenden Bedingun- gen
In dieser Arbeit sollen Aspekte der speziellen Pflege sogenannter dementer Menschen aufgegriffen und diskutiert werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung sollen dabei solche Menschen stehen, die unter den Bedingungen der Alzheimer Krankheit leben. Die Alzheimer Krankheit wird auch als Demenz vom Alzheimertyp bezeichnet und ist aus medizinischer, pathologischer Sicht eine neurologische Erkrankung des Gehirns mit mehrdimensionalen Ursachen, die komplexe Störungen bewirkt, welche insbesondere auf der Ebene der instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens deutlich werden können (vgl. Wettstein/Chappuis/Fisch, 1997).
In dieser Arbeit wird sich vorwiegend auf Menschen bezogen, die in körperlicher Hinsicht nicht oder wenig beeinträchtigt sind. Dies ist auch vergleichbar mit Bedingungen der ersten und zweiten Phase einer Demenz vom Alzheimertyp nach der deutschen Alzheimer Gesellschaft. Diese Phasen werden in der Arbeit vorgestellt.
Die Bezeichnung Alzheimer Krankheit ist weit verbreitet und wird in der Literatur und den Medien vielfach verwendet. Ein genauerer Begriff ist Demenz vom Alzheimertyp. Er ist aber selbst innerhalb des Gesundheitswesens nicht allzu bekannt. Hier sollen diese beiden Begriffe synonym verwendet werden. Dies gilt insbesondere, da der letztere innerhalb seiner Anwendung gebräuchlicher Weise mit DAT abgekürzt wird und dies für den Textfluss in dieser Arbeit genutzt werden soll.
Der sogenannte demente Mensch soll in dieser Arbeit nicht allein dadurch charakterisiert sein, dass er laut medizinischer Diagnose die Alzheimer Krankheit hat. Er soll hier nicht als Person mit DEMENZ sondern als PERSON mit Demenz aufgefasst werden (Kitwood, 2000).
Für diese Arbeit werden folgende Thesen zugrunde gelegt:
- Unter den Bedingungen der Alzheimer Krankheit sind das Fühlen und Denken und damit
das Handeln der betroffenen Menschen auf verschiedenen Ebenen gestört (WHO, 1991).
Dies bereitet viele Probleme in der Pflege (Becker, 2000a).
- Um z.B. Gewalt und Gegengewalt bzw. Aggression und Frustration auf den Seiten
der sogenannten dementen Menschen wie auch der Pflegenden zu verhindern oder zu
verringern, müssen Pflegende sich dem Erleben der dementen Menschen annähern und
versuchen, die hinter dem Handeln stehenden Antriebe zu deuten (Richard, 2000;. Grond,
2000).
Aufgrund dieser Thesen soll sich die Arbeit im Schwerpunkt mit den Zusammenhängen von Denken und Fühlen, den sich daraus ergebenden Handlungszusammenhängen, sowie entsprechenden Folgen für das Wohlbefinden, im Sinne von physischer und psychischer Ausgeglichenheit bzw. Zufriedenheit, der sogenannten dementen Menschen auseinandersetzen.
Deswegen orientiert sich die Arbeit an den folgenden drei Fragen:
1) Wie können das Denken, Fühlen und Handeln sogenannter dementer Menschen in
Verstehensprozesse bzw. einer verstehenden Begegnung in der Pflege gedeutet werden?
2) Welche Konsequenzen haben diese Darstellungen für die pflegetheoretische Ebene und die pflegepraktischen Handlungsprozesse?
3) Wie können diese Darstellungen in Form von Lehr- und Lernzielen für die Pflegeausbildung umgesetzt werden?
Die Arbeit soll anhand dieser Fragestellungen folgendermaßen strukturiert werden:
- Problembeschreibungen und Vorschlag eines Lösungsansatzes als Ausgangspunkt der Arbeit;
- Vorstellung verstehender Ansätze als Rahmen der Arbeit;
- Darstellung des zugrundegelegten Menschenbildes und entsprechende Konsequenzen für die Handlungsprozesse der Pflege als Grundlage der Arbeit;
- Herausstellung des spezifischen Aspekts des Zusammenhangs von Denken, Fühlen und Handeln sogenannter dementer Menschen zur Beantwortung der ersten Frage;
- Verknüpfung angemessener wissenschaftlicher Konzepte im Kontext der Ergebnisse zur ersten Frage, um daraus sich ergebende Konsequenzen für die Pflege erarbeiten und somit die zweite Frage beantworten zu können;
- Erarbeitung von Lehr- und Lernzielen basierend auf den Ergebnissen der ersten drei Fragestellungen für die theoretische und praktische Lernbegleitung in der Pflegeausbildung zur Beantwortung der dritten Frage.
Um sich den Motiven des Handelns der dementen Menschen annähern zu können, müssen Pflegende (in Anlehnung an obige Thesen) wissen, wie die Zusammenhänge des Denkens, Fühlens und Handelns der dementen Menschen sind und welche eventuell problematischen Konsequenzen dies für die Handlungsprozesse in der Pflege haben kann.
Als ein möglicher Problemlösungsversuch wird das Verstehen vorgeschlagen. Deswegen sollen die Fragen unter den Aspekten des Verstehens bzw. des Fallverstehens und der Subjektivität diskutiert werden. Oder anders formuliert: Ein verstehender, subjektorientierter Pflegeansatz soll am konkreten Beispiel der speziellen Pflege sogenannter dementer Menschen unter der spezifischen Betrachtung von Affektlogik (Ciompi, 1998 u. 1999), Isolation (Jantzen, 1992) und Krise (Caplan, 1964) besprochen werden. In der Arbeit sollen diese verschiedenen Ansätze miteinander verknüpft und für die Pflege reflektiert werden.
Insbesondere die erklärende und verstehende Diagnostik nach Jantzen (1994 u. 1996) soll als Rahmen für die Thematik dienen. Die erklärende und verstehende Diagnostik bedarf aber der Reflexion für die Pflege, da sie nicht vollends deckungsgleich zum Aufgaben-, Verantwortungs- und Kompetenzbereich der Pflege steht. Dies soll in der Reflexion aufgezeigt werden, ist in dieser Arbeit aber leider nicht abschließend zu diskutieren. Ein vollständiges Vorgehen entsprechend des diagnostischen Prozesses nach Jantzen kann in dieser Arbeit nicht geleistet werden. Die Arbeit setzt ihre Schwerpunkte darin, Grundlagen nach diesem Prinzip aufzuzeigen und für die Pflege zu reflektieren. Dies soll Pflegepraktikern die Möglichkeit geben, in komplexen Pflegesituationen professionelle Entscheidungen als Handlungsbasis treffen und fundiert begründen zu können.
Als Ziel der Arbeit sollen auf abstrakter Ebene in Reflexion des pflegerischen Handelns konzeptuelle Überlegungen dargestellt und verknüpft werden, um im zweiten Schritt dann dem Konkreten näher zu kommen. Dieser soll als Grundlage der praktischen Beziehungsgestaltung und pflegerischen Intervention im konkreten Fall Möglichkeiten anbieten, professionell und effektiv zu handeln.
Die Arbeit soll Inhalte pflegerischer Handlungsprozesse aufzeigen und begründen, um Pflegepraktikern eine Problembewältigung einerseits und eine professionelle Qualitätssicherung andererseits zu ermöglichen.
In der Arbeit soll ein relativ praxisnaher Blickwinkel erhalten bleiben, aber dennoch ein hochwertiges berufliches Pflegeniveau mit Hinblick auf die mindestens dreijährige Ausbildungsebene angestrebt werden. Somit sind die Zielgruppe dieser Arbeit Pflegende mit einem mindestens dreijährigen Ausbildungsabschluss bzw. Pflegende, die gerade eine solche Ausbildung oder eine Weiterbildung absolvieren sowie Lehrende an Pflegeschulen und Studenten der Pflege.
Dieses Niveau steht insbesondere im Zusammenhang damit, dass die professionellen Anforderungen an Pflege zukünftig steigen werden. Diese bestehen einerseits in der vorgeschriebenen Sicherung, Erhaltung, Entwicklung und Förderung von Pflegequalität, sowie andererseits in der zunehmend geforderten Transparenz, Effizienz und Effektivität der Pflegepraxis aufgrund ökonomischer und managmentbezogener Entwicklungen in der Pflege. Diese Entwicklungen werden sich zukünftig auch in der pflegebezogenen Gesetzgebung widerspiegeln, z.B. in den neuen Altenpflege- und Krankenpflegegesetzen, die bewusst das pflegerische Handeln anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse vorschreiben. Diesen gegebenen Praxisanforderungen soll diese Arbeit genügen, indem sie wissenschaftliche Grundlagen darstellt, erläutert und für die Praxis reflektiert. Den Lernenden und Praktikern sollen somit wissenschaftliche Begründungen als Handlungsgrundlage angeboten werden. So wird z.B. Pflegepraktikern die Möglichkeit offen gelegt, auch zukünftigen Praxisanforderungen professionell begegnen zu können.
Auf wissenschaftstheoretischer Ebene gilt zusätzlich ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse. Dies betrifft sowohl die sogenannten dementen Menschen, wie auch die Pflegenden und die Pflege selbst. Die wissenschaftstheoretische Reflexion dient als eine Grundlage dieser Arbeit und richtet sich zur besseren konzeptionellen Verortung insbesondere an Lehrende und Studenten.
Zum besseren Verständnis der Ausführungen sollen noch kurze Angaben gemacht werden, die hoffentlich den Lesefluss erleichtern.
Der Begriff "dement" soll nicht als wertend oder gar abwertend benutzt werden. Wird hier von dementen Menschen gesprochen, ist grundsätzlich das subjektive Erleben des betroffenen Menschen inbegriffen. Gemeint ist nicht ausschließlich die Ansicht, dass diese Menschen aus der Außensicht als "anders" gesehen werden. Durch die Betrachtung über den subjektiven Blickwinkel der sogenannten dementen Menschen, ist eher davon auszugehen, dass sie sich selbst eher selten als anders oder gar krank empfinden würden. Innerhalb ihres Verständnisses sind ihre Handlungen völlig normal und angemessen. Die Abweichungen entstehen erst durch den Blickwinkel des Außenstehenden. Diese gleichen Annahmen gelten auch für psychisch krank geltende Menschen und entsprechende Begriffe wie z.B. "gestört" und "Störung" bzw. "krank" und "Krankheit". Deswegen werden in dieser Arbeit solche Beschreibungen als aus dem Außenblickwinkel heraus entstanden aufgefasst und daher verstanden als Beschreibungen, die von außenstehenden Menschen genutzt werden, um "andersartige" Menschen zu beschreiben oder zu bezeichnen. Deswegen wird hier i.A. von sogenannten dementen Menschen gesprochen bzw. ist stets die Binnenperspektive der betroffenen Personen in der Bezeichnung implizit, wenn solche Bezeichnungen zur Vereinfachung des Leseflusses dennoch verwandt werden. Diese Formulierungen werden nur in spezifischen Beschreibungen zu bestimmten Personengruppen als Eingrenzung genutzt und sind entsprechend zu verstehen.
Es gibt verschiedene Probleme, die sich in der Pflege mit sogenannten dementen Menschen ergeben. Zur Einführung soll die Alzheimer Krankheit und ihre Auswirkungen beschrieben und einige beispielhafte Probleme dargestellt werden, die in Pflegepraxis und -theorie diskutiert werden. Abschließend soll sich ein möglicher Ansatzpunkt zur Problemlösung heraus kristallisieren.
In dieser Arbeit wird sich im wesentlichen auf die Pflege der Menschen bezogen, die laut medizinischer Diagnose von der Alzheimer Krankheit (Demenz vom Alzheimertyp) betroffen sind. Deswegen wird hier von sogenannten dementen Menschen gesprochen, was aus diversen anderen Gründen weitere sogenannte verwirrte Menschen nicht kategorisch ausschließt, jedoch den Blickwinkel für die Arbeit eingrenzen soll.
Es wird aufgrund des aktuellen Forschungsstandes eine Beschreibung dessen vorgenommen, wie die Erkrankung und ihre Entwicklung aus verschiedenen bezugswissenschaftlichen Perspektiven, wie z.B. der der Medizin und der Psychologie, betrachtet wird, wie sie sich äußert und welche Lebensbedingungen dies für die betroffenen Menschen mit sich bringt.
Rund drei Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung lebt unter den Bedingungen der Demenz vom Alzheimertyp (Deutsche Alzheimer Gesellschaft, o.J.). Dies entspricht ungefähr dreiviertel aller Menschen, die unter den Bedingungen einer Demenz leben. Damit ist die Demenz vom Alzheimertyp die häufigste Form von Demenz. Derzeit sind etwa 770 000 bis 1,1 Mio. Menschen im Alter über 65 Jahren in der BRD von einer Demenz betroffen (Bickel, 2000).
Allgemein kann man feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit, den Bedingungen einer Demenz ausgesetzt zu sein, im höheren Alter zunimmt. Es zeigen etwa 10% der über 65jährigen Symptome der Demenz vom Alzheimertyp (DAT). Im Alter von ca. 65 Jahren beträgt die Prävalenzrate etwa 1%, mit 85 Jahren ca. 15% und mit über 90 Jahren bis zu etwa 25% (Schröder, 2000a). Dies ist also eine altersnormale (aber nicht gleich alterslogische) Entwicklung, da eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegt, im höheren Lebensalter an einer DAT zu erkranken, aber grundsätzlich auch junge Menschen an einer DAT erkranken können.
Die jährliche Inzidenzrate wird bei über 60jährigen auf ca. 130 pro 100 000 Einwohner geschätzt (Schröder, 2000a). In Absolutzahlen wird die Anzahl der Neuerkrankungen auf 100 000 bis 145 000 vermutet (Bickel, 2000). Insgesamt liegt die Häufigkeit von Menschen mit einer Demenz derzeit bei ca. 5% im Alter über 65 Jahre und bei ca. 50% im Alter über 90 Jahre (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2001). In den kommenden drei Jahrzehnten wird sich der gesellschaftliche Anteil älterer Menschen verdoppeln (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1993). Insbesondere der Anteil der hochbetagten Menschen wird stetig steigen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2001).
Unter den Gegebenheiten der demographischen Wandlungen unserer Gesellschaft mit der höheren Lebenserwartung und dem damit verbundenen Anstieg der Anzahl älterer Gesellschaftsmitglieder bedeutet dies eine hohe Wahrscheinlichkeit einer starken Zunahme der prozentualen Anzahl der sogenannten dementen Menschen in der bundesdeutschen Gesellschaft.
Da die Alzheimer Krankheit bisher als nicht heilbar gilt oder ihr aus medizinischer Sicht nicht prophylaktisch begegnet werden kann, erfordert dies in Zukunft eine steigende Verantwortung und Verpflichtung gerade für die Pflege (Payk, 1994; Schröder, 2000a). Kompetenzanforderungen an die Pflegenden in Hinblick auf die Pflege sogenannter dementer Menschen werden also zunehmend höher.
Diese Ausführungen werden im vierten sogenannten Altenbericht der Bundesregierung bestätigt und es werden aufgrunddessen Forderungen, wie z.B. ein höheres Pflegeniveau bzw. eine höhere Pflegekompetenz, gestellt (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2002).
Aufgrund ihrer prozentual häufigen Erscheinung im höheren Lebensalter eines Menschen wird eine DAT leicht mit diesem in Zusammenhang gebracht (Alternsassoziation). Dies ist wissenschaftlich aber nicht belegbar. Daher ist es wahrscheinlicher, dass ein altgewordener Mensch unter den Bedingungen einer Demenz vom Alzheimertyp lebt, aber nicht zwangsläufig der Fall (Kitwood, 2000). Deshalb kann aufgrund der heutigen Forschungsergebnisse nicht eindeutig bestimmt werden, ob die DAT eine alternsassoziierte Veränderung mit Beteiligung der Alternsprozesse an den Demenzprozessen oder um eine alternsassoziierte Erkrankung mit langwierigen jahrzehntelangen Krankheitsprozessen, die erst im Alter deutlich werden, ist (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, und Jugend, 2001).
Die Demenz vom Alzheimertyp ist ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen, das durch biologische Faktoren, Umgebungskriterien, Persönlichkeitsmerkmale und biographische Faktoren, sowie dem allgemeinen gesundheitlichen Status bestimmt wird. Dabei können Persönlichkeitsmerkmale aber bisher nicht als demenzfördernde Faktoren benannt werden, sondern eher persönlichkeitsbeeinflussende Aspekte, wie ein höheres Bildungsniveau, als demenzhemmend angesehen werden (Retz-Junginger, Retz, Rösler, 2000).
Nach Kitwood (2000) wird eine Demenz vom Alzheimertyp von verschiedenen interagierenden, nicht linearen und nicht allein neuropathologischen Bedingungen verursacht bzw. gefördert, die als Set die Gesamtheit des Prozesses ergeben, einzeln zwar notwendig aber nicht hinreichend sind. Dies erfordert eine Sichtweise, die umfassend genug ist, sämtliche Aspekte einzubeziehen und vor allem den betroffenen Menschen nicht aus dem Blickwinkel zu verlieren. Dafür wird ein Bezugsrahmen benötigt, der persönliches Erleben, Sozialpsychologie und auch die Hirnfunktionen vereint.
Kitwood (2000) stellt eine Formel zur Sichtweise von Demenz auf. Sie beinhaltet die Annahmen, dass sich psychische Erfahrungen und Hirnaktivität nicht von einander trennen lassen und sich wechselseitig beeinflussen. Über die weitere Annahme, dass das menschliche Gehirn sich grundsätzlich in einer Weiterentwicklung befindet, die durch einen degenerativen Prozess, wie die Demenz vom Alzheimertyp, beeinflusst aber nicht aufgehoben wird, gelangt Kitwood (2000) zu dem Ergebnis, dass sich innerhalb des Demenzprozesses auch die Aspekte der Gehirnentwicklung und der Gehirnpathologie eines Menschen wechselseitig aufeinander wirken und sich daraus unterschiedliche Entwicklungen des Demenzprozesses und seiner Auswirkungen für den Menschen ergeben.
"Jedes psychosoziale Ereignis ist gleichermaßen auch ein Ereignis oder Zustand des Gehirns, das bzw. der von einem Gehirn 'getragen' wird, dessen Struktur von Faktoren der Entwicklung und der Pathologie bestimmt worden ist." (Kitwood, 2000, S. 40)
Durch unterschiedliche Entwicklungen der Menschen wird jeder Demenzprozess unterschiedliche Entwicklungen annehmen und verschiedene Auswirkungen zeigen. Die Demenz betrifft damit gleichzeitig das Gehirn, den Körper und die psychosoziale Person. Eine Analyse der DAT lässt sich daher kaum von diesen Aspekten trennen und muss berücksichtigen, dass jederzeit individuelle Einflussfaktoren verschiedenartige Entwicklungen hervorbringen können und somit jede Person, die von einer DAT betroffen ist, komplexen, personenbezogenen und variierenden Bedingungen ausgesetzt ist.
Wie aufgezeigt, betrifft die Demenz nicht nur die neuropathologischen Prozesse, sondern die gesamte Person. Personsein beinhaltet nach Kitwood (2000) Selbstachtung, Aktivitäten und Rollen innerhalb sozialer Gruppen, sowie Kontinuität, Integrität und Stabilität des Selbstwertgefühls. Weiterhin impliziert es die Notwendigkeit nach Anerkennung, Respekt und Vertrauen. Eine Person zu werden beinhaltet Beziehungsgestaltung zur sozialen Umwelt, sich mit anderen Menschen auszutauschen sowie sich und andere reflektieren und erfahren zu können. Aufgrund der eigenen Erfahrungen ist jede Entwicklung einer Person unterschiedlich und gibt jeder Person eine andere Persönlichkeit.
Unter den Bedingungen einer Demenz vom Alzheimertyp treten gehäuft verschiedene Formen der Persönlichkeitsveränderungen auf, die nicht nur von wissenschaftlichem Interesse sind, sondern gerade die Beziehungsgestaltung zu betroffenen Menschen im Alltag ausmachen (Retz-Junginger, Retz, Rösler, 2000).
Nach Kitwood (2000) ist aus heutiger Sicht keine altersabhängige Differenzierung (senil bzw. präsenil) bzgl. der DAT mehr möglich, aber trotzdem gibt es viele unterschiedliche Entwicklungen zu verzeichnen, die allesamt unter diesem Begriff zusammengefasst werden. Eine Möglichkeit der Heterogenität der DAT ist die, dass ein einziger Krankheitsprozess bei verschiedenen Individuen zu verschiedenen Ergebnissen bzw. Bedingungen führt. Man kann aber ebenso vermuten, dass unter dem Begriff der Alzheimer Krankheit in Wirklichkeit mehrere, eigentlich zu differenzierende pathologische Prozesse vereint werden.
Aus einer zunächst einmal außenstehenden, defizit- und krankheitsorientierten Perspektive betrachtet, stellt sich die Demenz mit der verbundenen Verwirrtheit als chronischer Prozess dar, der vielfach wegen der verschiedenen Formen von Verlusten subjektiv als Abbau empfunden wird. Es können parallel weitere körperliche und psychische Entwicklungen einhergehen, die den Demenzprozess fördern und/oder vom Demenzprozess gefördert werden.
Nach DSM-IV der amerikanischen Psychiatrievereinigung ist eine Demenz als komplexe neuropsychologische Störung definiert. Dabei ist stets eine Störung des Gedächtnisses und mindestens eine weitere Beeinträchtigung der sogenannten höheren kortikalen Funktionen beteiligt. Diese Störungen der kortikalen Funktionen sind z.B. Aphasie, Apraxie, Agnosie oder eine Störung der Handlungs- und Planungskompetenz (Exekutivfunktionen). Die kognitive Beeinträchtigung, bedingt durch eine Demenz, muss in ihrer gesamten Dynamik zu Entwicklungen führen, die die alltagspraktischen Kompetenzen und alltäglichen Aktivitäten negativ beeinflussen (Schröder, 2000a).
Nach ICD-10 ist ein dementielles Syndrom eine chronisch fortschreitende Erkrankung des Gehirns, dessen Störungen über mindestens sechs Monate erkennbar sein sollen. Es beeinträchtigt demnach viele höhere kortikale Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nach ICD-10 nicht quantitativ gestört. Kognitive Begleiterscheinungen sind dementsprechend meist von Störungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation geprägt. Unter den Bedingungen einer Demenz kommt es nach ICD-10 zu entscheidenden gestörten Entwicklungen in der intellektuellen Leistungsfähigkeit. Gerade das sogenannte Kurzzeitgedächtnis ist demnach zunehmend beeinträchtigt und im Vergleich zu prädementiellen Entwicklungen nicht mehr so leistungsstark. Die Kompetenzen im Bereich der sozialen Leistungsfähigkeit werden demnach ebenso vergleichsweise geringer auslebbar, als im früheren Lebensalltag. Besonders auffällig ist aus medizinischer Perspektive die Entwicklung im Bereich der alltagspraktischen Fähigkeiten. Im Vergleich zu früheren Kompetenzen ist die Veränderung dahingehend, dass die Aktivitäten des täglichen Lebens oft nicht mehr selbständig vollzogen werden können, da es aufgrund der zunehmenden Unfähigkeit der kognitiven Verknüpfung und der Zusammenhänge zwischen Denken, Fühlen, und Handeln insbesondere auch auf motorischer Ebene zu Problemen kommt. Nicht-kognitive Störungen der Demenz stehen in medizinischer Hinsicht nicht in direkter Weise in Zusammenhang zu den kognitiven Entwicklungen, werden aber durch sie beeinflusst. Solche möglichen Erscheinungen sind z.B. wahnhaftes Denken, illusionäre Verkennung, aggressives und regressives Verhalten im zwischenmenschlichen Handeln, psychomotorische Unruhe, Störungen des Tages-/Nachtrhythmus` und Biorhythmus`, Stimmungslabilität und Ängste. Damit scheinen bei einem Menschen, der unter den Bedingungen einer DAT lebt, im wesentlichen die Ebenen des Denkens und des Fühlens gestört. Diese Entwicklungen vollziehen sich schleichend. Es vergehen schon Jahre bis die ersten Anzeichen für die Außenstehenden ersichtlich und eingeordnet werden können. Durchschnittlich vollziehen sich die Prozesse von den ersten deutlichen Anzeichen der DAT bis zum Finalstadium innerhalb von 6-8 Jahren (WHO, 1991; Wettstein, Chappuis, Fisch, 1997; Popp, 1999; Schröder, 2000a).
Die Demenz vom Alzheimertyp ist in medizinischer und pathophysiologischer Hinsicht eine degenerative zerebrale Erkrankung. Sie ist in dieser Perspektive stetig progredient über einen Zeitrahmen von bis zu etwa zehn Jahren. Die Prozesse im Hirn selbst sind aus dieser Sicht grob davon gezeichnet, dass eine Verminderung der Neuronen- und Synapsen-Population auftritt, und insbesondere sich fortschreitend neuritische Plaques (Amyolid-Plaques) ausbreiten, neurofibrilläre Verklumpungen (Tangles) erscheinen, sowie granulovaskuoläre Körper vorkommen und dadurch u.a. Neurotransmitter und Neuromodulatoren vermindert werden bzw. nicht weitergeleitet werden. Die Entwicklungen können hirnorganisch an unterschiedlichen Segmenten voranschreiten und daher unterschiedliche Symptome und Symptomkombinationen hervorbringen (Weis, 1997; WHO, 1991).
Mikroskopisch-morphologische Veränderungen zeigen sich hirnorganisch speziell in massiven intra- und extrazellulären Ablagerungen von Beta-Amyloid bzw. A4-Protein in Hippokampus, Basalkernen und Assoziationsfeldern des Großhirnes (intrazellulär in Form von Neurofibrillen, extrazellulär als neuritische Plaques mit begleitendem Dendritenschwund). Als Folge der Amyloidablagerungen erscheinen Beeinträchtigungen der Cholinazetyltransferase-Aktivität um bis zur Hälfte. Ebenso wird die Aktivität von z.B. Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, etc. gestört (Payk, 1994).
Ein anderes wesentliches Element des voranschreitenden Entwicklungsprozesses der DAT ist in physiologischer Hinsicht der hirnoganisch-innerzelluläre Energieverlust durch einen gestörten Glukosemetabolismus. Dies führt im weiteren Prozessverlauf zu Mangeldurchblutung mit niedrigem Sauerstoffverbrauch des Hirnes (Hoyer, 1994). Als Folge des gesamten Prozesses ist demnach u.a. eine ausgeprägte Hirnrindenatrophie im fronto-temporalen und parieto-okzipitalen Bereich zu erkennen sowie eine Verlangsamung des Grundrhythmusses der Hirnströme (Payk, 1994).
Es werden noch verschiedenste weitere Möglichkeiten der Entstehungsursachen und Merkmale der DAT diskutiert, wie z.B. die genetische Disposition (Wächtler, 1997).
Letztendlich führen die Entwicklungen der hirnorganischen Prozesse der DAT und deren Dynamik zum Tode, weil es mit dem Leben nicht vereinbar ist, wenn wichtige lebensnotwendige Funktionen des Körpers, wie z.B. Atmen und Schlucken, aber auch damit verbundene Fähigkeiten im Austausch zur Umwelt nicht oder stark eingeschränkt ausgeführt werden können. So kommt es leicht zu Sekundärerscheinungen, wie z.B. Pneumonie, die den Tod des betroffenen Menschen herbeiführen können. Bisher sind Demenzprozesse pharmakologisch und medizinisch nicht langfristig aufhaltbar, veränderbar oder zu verhindern (Wettstein, Chappuis, Fisch, 1997).
In der Literatur werden verschiedene psychosoziale Zuschreibungen bzw. Symptome zur DAT beschrieben. Bei sogenannter Verwirrtheit ist demnach die Orientierung entweder zur Situation, Person, Zeit oder zum Ort gestört. Dies kann sich auf alle vier Kriterien oder auch nur auf eines beziehen. Laut diesen Zuschreibungen ist das Gedächtnis, insbesondere das Kurzzeitgedächtnis, eingeschränkt. Menschen, die als chronisch verwirrt beschrieben werden, sind demnach konzentrationsgestört und deswegen oftmals unsicher und ängstlich. Nach diesen Beschreibungen ist ihr Denken unzusammenhängend, bruchstückhaft, meist wenig abstrakt und leicht an einmal aufgetauchten Gedankengängen haftend. Die sogenannten verwirrten Menschen sind danach leicht beeinfluss- und ablenkbar wie auch wenig kritikfähig und zugänglich (Klein, 1991; Junkers, 1995).
In der Literatur werden Wahrnehmungsstörungen als häufiges Symptom der DAT benannt. Dies bezieht sich auf die einzelnen Sinne und kann z.B. auch Halluzinationen und Illusionen bewirken. Demnach kann ebenso u.a. aufgrund der hirnorganischen Zusammenhänge das affektive Erleben bei dementen Menschen in den Demenzprozess involviert sein und vermag beispielsweise Unruhe und Angst krankhaft verstärken. Nach der Literatur entstehen daraus Ratlosigkeit und Unsicherheit für die dementen Menschen. Der Antrieb der betroffenen Menschen kann nach diesen Beschreibungen innerhalb der dementiellen Entwicklungen stark gesteigert, wie auch stark gemindert sein. Dies kann danach einerseits zur ausgeprägten motorischen Unruhe und Erregung, sowie andererseits zur Teilnahmslosigkeit und Apathie führen. Aus den genannten Entwicklungen heraus kann das Handeln bzw. die Handlungsfähigkeit gestört sein (Klein, 1991; Junkers, 1995).
Durch Unruhe und Unsicherheit entstehen große Ängste, die grundsätzlich Fundament für aggressives und regressives Handeln sind. Aggressionen, als drohendes oder gefährdendes Handeln gegenüber sich selbst, anderen Personen oder Gegenständen, werden aber auch durch die Demenzprozesse selber gefördert, z.B. wenn Stirnhirn und Hypothalamus von den Prozessen betroffen sind. Diese kontrollieren und beeinflussen die Aggressionsgefühle (Grond, 1997).
Demente Menschen sind Entwicklungsbedingungen unterworfen, die sich zwar nicht konkret vereinheitlichen lassen, aber in dynamischen Phasen strukturiert darstellbar sind. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft differenziert drei Phasen der Entwicklungen eines Demenzprozesses und seiner Folgen für die betroffenen Menschen:
1) Hiernach können folgende Parameter als allgemein mögliche Anzeichen der beginnenden
DAT angesehen werden:
-das Vergessen von kurz zurückliegenden Ereignissen;
-die Schwierigkeit, sich in unvertrauter Umgebung zurechtzufinden;
-Probleme bei der Ausführung gewohnter Tätigkeiten;
-Nachlassendes Interesse an Arbeit und Hobbys;
-Schwierigkeiten beim Treffen von Entscheidungen.
2) Das erste Stadium der DAT zeichnet sich danach gewöhnlich durch leicht gradige
Symptome und Beeinträchtigungen bei komplexen Tätigkeiten im Alltag aus. Dabei
betrifft die Störung, der Einteilung zufolge, überwiegend die Bereiche:
-des Gedächtnisses, vor allem das Speichern neuer Informationen;
-der Sprache, vor allem Wortfindung und Ausdruckspräzision;
-des Denkvermögens, besonders Schlussfolgern und Urteilen;
-der örtlichen Orientierung in unvertrauter Umgebung; des Antriebsverhaltens; z.B.
Passivität oder Untätigkeit;
-der zeitlichen Orientierung.
3) Im zweiten Stadium der DAT sind nach der Deutschen Alzheimer Gesellschaft die Symptome so stark ausgeprägt, dass eine selbständige Lebensführung nur noch mit erheblichen Einschränkungen und Unterstützung durch andere Menschen möglich ist. Betroffen sind demnach Bereiche, wie die:
-des Gedächtnisses, z.B. Vergessen von Namen vertrauter Personen;
-der Alltagsfunktionen, z.B. Ankleiden, Körperpflege, Ausscheiden sowie Essen und
Trinken;
-der örtlichen Orientierung in vertrauter Umgebung;
-der Wahrnehmung, z.B. in Form von Halluzinationen und Illusionen;
-des Antriebes, in Form von ausgeprägter Unruhe und ziellosem Umherwandern;
-der zeitlichen Orientierung bezüglich Gegenwart und Vergangenheit.
4) Im dritten Stadium der DAT ist, nach der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, die
selbständige Lebensfähigkeit der Menschen derart aufgehoben, dass sie nur durch
pflegerische Interventionen aufrecht erhalten werden kann und somit besteht eine absolute
Pflegeabhängigkeit. Denken, Sprechen, Orientierung und Antrieb sind weitestgehend
gestört. Körperliche Sekundärerscheinungen sind Folge der Entwicklungen unter den
Bedingungen der DAT. Es werden folgende Problembereiche zugeordnet:
-das Essen und Trinken, auch mit Hilfe;
-die Unfähigkeit Familienmitglieder zu erkennen;
-ein vornübergebeugter, schleppender, klein schrittiger Gang und die Gefahr von Stürzen;
-der Verlust über die Kontrolle von Blase und Darm;
-ein verändertes sexuelles Verhalten;
-die Möglichkeit von zerebralen Krämpfen und Schluckstörungen.
5) Im dann fließend folgenden Endstadium kommt es zu einem körperlichen Kräfteverlust.
Die dementen Menschen werden bettlägerig, völlig hilflos und körperlich verkrampft. Sie
sterben zumeist an Sekundärerscheinungen, wie Pneumonie (Deutsche Alzheimer
Gesellschaft, o.J.).
In dieser Arbeit wird sich vorwiegend auf Menschen bezogen, die unter den Bedingungen der hier genannten ersten und zweiten Phase einer DAT leben. Die Begegnung in der Pflege mit diesen Menschen wird stark durch diese Bedingungen geprägt.
Eine weitere, aber kompliziertere, Stadieneinteilung der Prozesse der DAT erfolgt nach Reisberg (vgl. Popp, 1999). Danach vollziehen sich die Entwicklungen in sechs Stadien. Im ersten sind die sehr geringen Störungen nur vom betroffenen Menschen zu registrieren. Die folgenden Störungen im zweiten Stadium können noch überspielt oder vertuscht werden, z.B in Arbeitsabläufen. Im dritten Stadium werden mäßige Störungen deutlich, wie schlechte Informationen über aktuelles Geschehen oder Organisationsprobleme, z.B. beim Einkaufen. Der offensichtliche Beginn der DAT erfolgt mit den mittelschweren Störungen im vierten Stadium. Dies geht einher mit deutlichen Verlusten des Gedächtnisses und alltagspraktischer Kompetenzen, z.B. beim Kochen und der Körperpflege. Damit wird die erste Ebene der Hilfsabhängigkeit erlangt. Im folgenden fünften Stadium der schweren Störungen werden Verluste der Umweltwahrnehmung, der körperlichen Funktionen, z.B bei der Ausscheidung sowie der Erinnerung an persönliche Bekannte deutlich. Eine vollständige Abhängigkeit von Hilfe ist damit erreicht. Im sechsten Stadium werden dann u.a Verluste der Kontrolle über Wortschatz und Sprachvermögen, Körperbalance und Mimik erkennbar (Popp, 1999).
Die Demenz vom Alzheimertyp (DAT) bringt Gegebenheiten mit sich, mit denen die betroffenen Menschen leben müssen. Dies stellt Bedingungen auf, die das gesamte Leben des betroffenen Menschen beeinflussen. Die DAT stellt eine (Lebens-) Bedingung dar, die aufgrund verschiedener Prozesse, innerhalb unterschiedlicher Phasen und durch komplexe Auswirkungen den Lebensprozess der betroffenen Personen aktiv mitgestaltet.
Aus diesem gesamten Kontext kann man folgern, dass die Bedingungen, die durch die Demenzprozesse hervorgebracht werden, den Alltag und die sozialen Beziehungen prägen, gleichzeitig diese aber auch Bedingungen für die Entwicklungen der Demenzprozesse darstellen (Kitwood, 2000).
Aus diesen Aussagen kann annähernd erschlossen werden, welche Folgen für die betroffenen Menschen demenzbedingt erwartbar sind. Die Lebensbedingungen für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen werden unter den Bedingungen einer DAT zunehmend verändert. Die Bedingungen nehmen Einfluss auf die Beziehungen, das Selbstwertgefühl, die Selbstidentität, die Selbständigkeit, den Körper, das Erleben und das Denken, Fühlen und Handeln der betroffenen Menschen. Die Veränderungen unter den Bedingungen einer DAT beziehen sich also auf grundlegende Beziehungen zu sich selbst, zu anderen Menschen und zur Umwelt allgemein. Damit ändert sich der gesamte Lebensalltag eines betroffenen Menschen und seiner Angehörigen. Demenz kann in diesem Rahmen nach Becker (2000a/2000b) als das Scheitern in der Alltagsbewältigung bezeichnet werden.
Diese Faktoren stellen die Lebensbedingungen und die Lebensqualität der betroffenen Menschen dar, mit denen Pflegende in der spezifischen Pflegesituation bzw. im Pflegealltag konfrontiert werden. Diese Faktoren bestimmen also die Bedingungen unter denen Pflege geschieht.
Sogenannte Alzheimer erkrankte Menschen zeichnen sich aber nicht nur durch ihre Defizite aus. Sie haben je nach Phase des Demenzprozesses und den damit verbundenen Bedingungen, verschiedene Stärken bzw. Fähigkeiten, Kompetenzen und Ressourcen. Grundsätzlich sind demente Menschen in der Lage Gefühle und Antriebe wahrzunehmen (Richard, 2000). Der demente Mensch ist trotz seiner hirnorganischen Entwicklungen grundsätzlich physisch und psychisch in der Lage dazu, einzelne Handgriffe und deren Abfolgen selbständig zu koordinieren. Der demente Mensch ist fähig zu Tätigkeiten, wie Ankleiden und Mahlzeiten richten, er hat die Stärke, Anleitung und Animation, als das begleitende Angebot von Stimuli, anzunehmen, und er besitzt die Ressource, diese Tätigkeiten zu kennen. Daraus folgt z.B., dass auch sogenannte demente, also „chronisch kranke“, Menschen, zu Wohlbefinden, gesundheitsfördernden Aktivitäten und Lernen unter de gegebenen Bedingungen der Krankheit fähig sind. Gegebenenfalls benötigen sie dazu Begleitung und Unterstützung bzw. Anleitung und Anreize.
Trotz der Feststellung, dass die Demenz vom Alzheimertyp eine Krankheit besonders des höheren Alters ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein therapeutischer und diagnostischer Aufwand nicht lohne. Nach dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2001/2002) muss ein diagnostischer und therapeutischer Nihilismus dringend abgebaut werden. Eine aktivierende Pflege stellt deswegen eine sehr große Bedeutung für die Betroffenen, deren Angehörigen und die Pflegenden dar (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2001/2002).
Nach diesen Ausführungen sind folgende Ziele des Deutschen Bundestages (1996) zur Behandlung Demenzkranker verständlich und können für die Pflege als wegweisend angesehen werden:
- "den Beginn der manifesten Erkrankung möglichst aufzuschieben,
- Verschlimmerung oder Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern,
- Selbstbestimmung und Selbständigkeit der Lebensführung der Erkrankten mit allen Mitteln zu fördern,
- Würde und Lebensqualität Betroffener auch im Spätstadium der Erkrankung durch Anpassung der Lebensbereiche an verbliebene Fähigkeiten zu gewährleisten"
(Deutscher Bundestag, 1996, S. 12).