Der Wächter - Martin Welsch - E-Book

Der Wächter E-Book

Martin Welsch

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Beschreibung

Die erneute drohende Vernichtung der Menschheit konnte gerade noch verhindert werden. Doch die Erde wie wir sie kennen gibt es nicht mehr. Wesen aus alter Zeit tauchen auf. Der Rest der Menschheit kämpft ums Überleben. Doch auch das alte Volk welches seit Beginn der Zeit die Menschheit im Verborgenen geführt hat ist nun bedroht. Auf den Schultern eines der letzten Wächters liegt eine große Verantwortung.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Erläuterungen

Vergangenheit

14 Jahre in der Vergangenheit

Biosphäre

ISS

Uluru

Passau

ISS

Nyainqêntanglha

Chaco Canyon

ISS

Papua-Neuguinea

Ol Doinyo Lengai

ISS

Hoffnung

ISS

4 Jahre später - 10 Jahre in der Vergangenheit -

Biosphäre

ISS

Gegenwart

SspassParr

Pflichten

Vorbereitungen

Aufbruch

Die Nacht

Ben und der Uunhkkuukahrrmhss

OChch chuullthuuss

Paochrr

Chahrrmhnh ss Dahmhknh

In der Falle

Die Rettung!

Anna

Überlegungen - Der Paochrr

In der Zuflucht der Marr

KroohMarr

Rache!

Ben – Anna

Exodus

Blutige Flucht

Der Paochrr

KroohMarr

Der Hilferuf

Barku

Schüsse

Endlich

Das Massaker

Barku

Hilfe

Flipper

Nachricht per Infraschall

Anna Kahlhuber

Chuurr?

Der Triumph

Die Fluchtmöglichkeit

14 Jahren vor den aktuellen Geschehnissen

Der Tunnel

Überlegungen

Barku

Beobachtungen

Anmerkungen zu Bigfoot

Schüsse

Anna Kahlhuber

Parrck

Dochrrthuunhah

Parroch ssmhparr Jozef

Drr pahthuuss

Es sind nicht alle so

Barku

Anmerkungen zum Yeti

Hans Klein

Das Zusammentreffen

Der Schuss

Zwischenspiel – NUNO

Das Opfer

T Mhahkknhoch chahrrmhnh ss Rrtthuuss

Der Triumph

Barku

Die Flucht

Der Überfall

Die Flucht

Die Verfolgung

Barku

Paochrr

Schämst du dich nicht?

Anna Kahlhuber und Josef Krain

Duuthuurruumh

Tod

Das Zeitalter der Wiederkehr

Uunhkkuukahrrmhss

Barku

Rchochch

Zu Hause

3 Jahre später

Ssuukkrrchahparrah Trrahchochvffrrmhss Ssrrpanhssrrk

Bericht KroohParr

Der Plan

Barku

Biosphäre - Eden

Der Aufbruch

Fortsetzung geplant

Zu guter Letzt

Samuel Dreher – Kriminalromane

Martin Welsch

Vorwort

Auch dieses Buch widme ich erneut meinem lieben und treuen Freund Samuel1, der mich seit meiner Kindheit durch dieses - für mich nicht immer einfache - Leben begleitet hat.

Einem Freund, auf dem ich mich in jeder Lebenssituation stets verlassen konnte und der auch in sehr schlimmen Tagen immer bedingungslos zu mir gehalten hat.

Danke Sam!

Martin Welsch

1 Anmerkung

vgl. dazu die Kriminalromane von Samuel Dreher.

(Entsprechende Hinweise befinden sich am Ende dieses Buches)

In diesen spielt die Beziehung zwischen Samuel Dreher und Martin Welsch eine sehr wichtige Rolle. Die beiden Autoren verbindet eine sehr lange und enge Freundschaft.

Erläuterungen

Dieses Buch enthält 58.890 Wörter. Trotz mehrmaligen Lesens, wiederholt durchgeführten Berichtigungen und Korrekturen wird es leider nicht ganz frei von Fehlern sein.

Insbesondere die Schreibweise der Sprache des alten Volkes gestaltete sich dabei extrem schwierig, da es bis zum heutigen Tag leider keine schriftlichen Aufzeichnungen dieser Sprache gibt.

Aufgrund des sehr komplexen Aufbaus vieler Begriffe liegt bisher auch noch keine vollständige Wortsammlung vor. Die Grammatik dieser Sprache ist für andere Lebewesen äußerst kompliziert. Substantiv, Adjektiv, Pronomen, Singular, Plural usw. werden u.a. auch mitbestimmt durch die Bedeutung eines Wortes im Satz, der Aussprache und der jeweiligen Betonung. Die Großoder Kleinschreibung variiert nicht nur am Beginn eines Wortes, und ist abhängig von verschiedenen, noch nicht vollständig abgeklärten Faktoren.

Soweit möglich wurden entsprechende Fußnoten eingefügt, welche die Bedeutung der jeweiligen Wörter – soweit bekannt – erläutern.

Vergangenheit

Wer in der Zukunft lesen will,

muss in der Vergangenheit blättern.

André Malraux2

Denn das Wesen dieser Welt vergeht.3

Das sollst du aber wissen, dass in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden.4

10.12.19925

Leider waren an diesem Tag viel zu wenig Menschen anwesend, als Thomas Banyacya6 als erster Vertreter der Hopi7 die Möglichkeit bekam, vor den Vereinten Nationen8 über die Mythen seines Volkes zu sprechen. Das war sehr bedauerlich, denn er hatte der Weltbevölkerung viel Wichtiges über ihre gemeinsame Zukunft mitzuteilen.

Wenn das Auditorium voll gewesen wäre und wenn man auf ihn gehört hätte, wer weiß, vielleicht wäre die zukünftige Entwicklung auf der Erde ganz anders verlaufen.

Eindringlich wies Thomas Banyacya daraufhin, was geschehen würde, wenn die Menschheit ihren bisherigen Weg nicht überdenken und verändern würde.

Auszug aus der Rede von Thomas Banyacya:

„…, dass der Schöpfer die erste Welt in perfektem Gleichgewicht erschaffen hat. Die Menschen sprachen eine einheitliche Sprache, aber sie wendeten sich vom Glauben ab. Sie missbrauchten ihre geistigen Kräfte für selbstsüchtige Zwecke. Sie gehorchten nicht den Regeln der Natur.

Wahrscheinlich wurde die Welt durch ein gewaltiges, welterschütterndes Erdbeben, wie ihr das nennt, zerstört. Kontinente brachen auseinander und Länder versanken im Meer. Viele Menschen starben und nur einige wenige überlebten die Katastrophe. Diese wenigen friedfertigen Menschen kamen auf die zweite Welt. Sie wiederholten die Fehler und die Welt wurde durch Frost und Eis zerstört. Ihr nennt es die große Eiszeit.

Ein paar wenige Überlebende kamen in die dritte Welt. Diese Welt überdauerte eine lange Zeit und wie in den vorangegangenen Welten sprachen die Menschen eine gemeinsame Sprache. Die Menschen erfanden viele Maschinen und Geräte von hohem technischen Niveau, welche das Leben bequemer machten, auch viele Erfindungen, die man in der heutigen Welt nicht kennt. Sie hatten auch geistige Kräfte, welche sie zum allgemeinen Wohl benutzten.

Nach und nach wendeten sie sich von den Naturgesetzen ab und befassten sich mit materiellen Dingen. Am Ende frönten sie nur noch dem Spiel und spotteten über den Glauben. Niemand hielt sie von diesem Weg ab und so wurde die Welt durch die Sintflut9zerstört, welche in den Geschichten und den Religionen vieler Nationen erwähnt wird.

Die Alten erzählten, dass wieder nur wenige Menschen überlebten und auf diese vierte Welt kamen, auf der wir heute alle leben. Die Welt ist wieder in einem erschreckenden Zustand, trotzdem uns der große Geist verschiedene Sprachen gab, uns zu den vier Enden der Welt schickte und uns aufgetragen hat, zur Erde, mit allem was sich darin befindet, Sorge zu tragen.

Es gibt eine Kachinarassel10 der Hopi, welche die Erde symbolisiert. Der äußere Kreis bezeichnet die Zeitlinie und weist uns darauf hin, dass wir uns in den letzten Tagen der Prophezeiung befinden.“

2 Französischer Schriftsteller (La Condition humaine / So lebt der Mensch) und Politiker (Kultusminister) (1901 – 1976)

3 1.Korinther 7/31

4 2.Timotheus 3/1

5 Eingabe in Internetsuchmaschine: 10.12.1992 Vereinte Nationen

6 Hopi-Sprecher Thomas Banyacya (1909-1999) (Souveräne Hopi Nation)

7 Pueblo-Indianer (Arizona) / sehr religiös

8 UNO (UN) Zusammenschluss von derzeit 193 Staaten

9 Beispielhafte Aufzählung über die Beschreibung einer Sintflut:

- Bibel / 1. Buch Mose

- Sumerische Königsliste (Weld-Blundell Prisma)

- Gilgamesch-Epos

- Atrahasis-Epos

- Atramchasis-Epos

- Deukalion-Mythos

- Prosa-Edda

- Der Fisch Matsya

- Mythos des Großen Kängurus

- Flut des Ogyges

- Mihnirokahasha

- Mythen Zyklus der O'odham

- Wiraqucha / Qun Tiksi Wiraqucha und viele, viele mehr.

10 Ein Kachina ist ein maskierter Naturgeist, oder stellt einen Ahnen der Hopis dar. Ihre Aufgabe ist es als Vermittler zwischen den Göttern und den Menschen zu wirken und vor allem in den trockenen Siedlungsgebieten der Hopis den lebensnotwendigen Regen zur Erde bringen.

Bekannt sind Kachinas vor allem in Form von kunstvoll geschnitzten Figuren der Hopirasseln, die in Kachina-Tänzen verwendet werden. Die Rasseln stellen Kachinas dar.

Sie werden aus Kalebassen und Pappelholz gefertigt.

14 Jahre in der Vergangenheit11

Biosphäre

Diesmal sollte alles anders sein. Die Wissenschaftler hatten aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Die bisherigen Experimente aus dem Jahren 1991 – 2006 waren zwar mehr oder weniger erfolgreich gewesen, hatten aber gleichzeitig auch sehr viele Fragen aufgeworfen.

Die Idee, ein von der Außenwelt völlig unabhängiges Ökosystem zu schaffen, war bisher jedes Mal gescheitert12. Es waren oft Kleinigkeiten, wie nicht geplante und vor allem nicht auszurottende Ameisen- und Termitenpopulationen gewesen, welche zu unvorhergesehenen Problemen geführt hatten.

Trotzdem war der Grundgedanke natürlich richtig: Wenn man an die geplante Besiedelung von Mond, Mars oder auch die von unwirtlichen Gegenden auf der Erde dachte, war eine der wichtigsten Voraussetzung dafür, ein möglichst naturnahes Refugium für die betroffenen Menschen zu schaffen.

Ein kleiner in sich geschlossener Bereich – ausreichend groß, um eine autarke Biosphäre zu bilden, die der Atmosphäre der Erde so nahe wie möglich kam und damit eine Schutzhülle vor der umgebenden unwirtlichen Umwelt darstellte. Eine Sphäre, die völlig autonom war und die betroffenen Menschen auf Jahre hinaus mit Nahrungsmitteln, Wasser und atembarer Luft versorgte. Und zwar ohne, dass diese von außerhalb der Sphäre aufgefüllt werden mussten.

Bei der neuen Biosphäre wurde deshalb alles noch gigantischer und großzügiger ausgestattet als bei der Biosphäre 2. Ein ganz wichtiger Aspekt für den Erfolg des Experiments war nämlich die Größe des geplanten künstlichen Ökosystems.

In einer Wüstengegend in den USA wurde auf einer Fläche von 5 Hektar ein riesiger stählerner Kuppelbau mit fast 50.000 Glasscheiben erstellt. Das Volumen betrug über 1 Million Kubikmeter. Das von Menschen künstlich gestaltete Ökosystem beinhaltete Wüsten, Seen, Wälder, einen kleinen Ozean, Regenwälder, landwirtschaftliche Äcker, Trockengebiete und Wohnräume für die 10 Wissenschaftler. Insgesamt wurden über 4.000 Arten aus Fauna und Flora angesiedelt.

Bei den verwendeten Glasscheiben handelte es sich um sogenanntes intelligentes Glas. Die Glasscheiben waren mit einem Spezialdampf behandelt worden. Die Lichtdurchlässigkeit wurde mittels elektrischer Spannung derart verändert, dass von innen nach außen keine Sicht möglich war. Das Glas wurde zum Teil undurchlässig,13 ließ aber in diesem speziellen Fall ins Innere der Sphäre das komplette Strahlungsspektrum der Sonne ungefiltert hindurch.

Die an der Vorbereitung beteiligten Psychologen und Verhaltenswissenschaftler hatten sich vehement für diese Lösung ausgesprochen. Die in der Biosphäre wohnenden Personen sollten auf keinen Fall laufend daran erinnert werden, dass sie sich in einer künstlich geschaffenen Welt aufhielten. Wenn man aber dauernd die Außenwelt durch die Glaswände gesehen hätte, wäre das natürlich unweigerlich der Fall gewesen. Wenn man nur Wände sah, welche untertags Licht abstrahlten und nachts abdunkelten war dies nicht der Fall. Der Aufenthalt gestaltete sich dadurch für die Beteiligten wesentlich angenehmer.

Eine der Bedingungen mit denen sich die beteiligten Wissenschaftler vertragsmäßig einverstanden erklären mussten, war, dass das Experiment von keiner Seite vor der vereinbarten Zeit abgebrochen werden konnte. Selbst wenn es um Leben oder Tod gehen sollte. Schließlich war das, wenn sich die Biosphäre eines Tages im Echteinsatz befinden sollte, auch nicht möglich.

Mit viel Enthusiasmus betraten schließlich 10 freiwillige Wissenschaftler die Biosphäre, welche für die nächsten 4 Jahre ihre Heimat sein würde.

Das war vor 5 Tage gewesen – 5 Tage bevor der große Regen die Menschheit heimsuchte.

ISS14

… traurig betrachtete Glenn Bordman vom Panoramafenster des Skylab aus den unter ihm vorbeiziehenden Planeten. Eigentlich hätte er und Luisa Dean heute von einer neuen Besatzung abgelöst werden sollen.

Momentan befanden sich nämlich nur sie zwei an Bord der ISS. Die Weltraumstation war also im Grunde unterbesetzt. Ein Teil der alten Besatzung war bereits vor kurzem zur Erde zurückgeflogen. Die neue Crew war entgegen den Planungen aber noch nicht an Bord, weil die Laborausrüstung, die sie mitbringen sollten, auf der Erde noch nicht vollständig zusammengestellt worden war. Mit dem letzten Versorgungsschiff waren deshalb lediglich im großen Umfang Nahrungsmittel, Wasser und Hygienemittel hochgeflogen worden.

Glenn Bordman und Luisa Dean betreuten ein noch nicht abgeschlossenes Schwerkraftexperiment15 und sollten deshalb erst mit Eintreffen der neuen Besatzung abgelöst werden.

Luisa Dean hatte sich sehr auf die geplante Ablösung gefreut, denn dann wäre sie rechtzeitig zum 12. Geburtstag ihres Sohnes wieder in New York gewesen. Doch dann hatte vor einigen Stunden die Bodenkontrolle gemeldet, dass aufgrund einer heraufziehenden Schlechtwetterfront auf absehbare Zeit kein Flug zwischen der Erde und der ISS mehr möglich war.

Seit diesem Funkspruch hatten sich die Bedingungen auf der Erde stetig weiter verschlechtert. Die raschen Wetterveränderungen waren jetzt sogar von der Raumstation aus zu beobachten. Das Klima musste auf der Erde momentan total verrücktspielen.

Glenn Bordman war zufällig auch an Bord gewesen als vor Jahren der Taifun Haiyan16 große Teile der Philippinen zerstört hatte. Der damalige Taifun hatte einen Durchmesser von 600 Kilometer17 gehabt und war von der ISS aus gut zu sehen gewesen. Windstärken bis zu 380 km/h hatten ein beeindruckendes Bild dargestellt. Es war von hier oben großartig und wirklich sehr imposant anzusehen gewesen. Doch Faszination für solche Bilder konnte man natürlich nur empfinden, wenn man davon nicht selbst betroffen war.

Diesmal war es eine Unzahl von Taifunen, die sich über dem Meer zusammengebraut hatten und sich gerade auf das Festland zubewegten. Ein Großteil der Wirbelstürme übertraf Haiyan an Stärke bei weitem und diese riesigen Orkane stießen aufeinander, vereinigten sich und wurden deshalb immer noch größer und mächtiger.

Haiyan hatte bei seinem Durchzug im Jahr 2013 eine Schneise der Verwüstung und des Todes hinter sich zurückgelassen. Bordman wollte sich gar nicht vorstellen, was diese riesigen Taifune und Tornados die gerade auf der Erde tobten für eine Zerstörungskraft hatten.

Weite Teile des Planeten Erde waren in der Zwischenzeit von dichten Wolken verdunkelt. Es handelte sich um die wohl umfangreichste und massivste Unwetterfront seit Menschengedenken. Dazu kamen nach und nach Erdbeben, Vulkanausbrüche und Sturmfluten. Es schien als würde die Apokalypse18 vor der Tür stehen.

Es sah von hier oben in einer Entfernung von 400 Kilometer zur Erde aus, als wäre in der Zwischenzeit der ganze Planet in totaler Aufruhr. Die wenigen wolkenfreien Zonen konnte man an den Fingern einer Hand abzählen.

Im Grunde gab es diesen so herrlich weiß blau schimmernden Planeten seit Kurzem nicht mehr.

Uluru19

Endlich näherten sie sich dem heiligen Berg. Der alte Ben hatte die kläglichen Reste seiner Familie, welche noch auf ihn gehört hatte hierher geführt. In seinen Träumen hatte er immer wieder die Bilder der kommenden schrecklichen Regentage vor sich gesehen. Und er wusste, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war in dem sich die Prophezeiung erfüllen würde, die seit Jahrtausenden von einer Generation zur anderen weitergegeben wurde. Und die einzige Rettung bot wie schon in den Zeiten vor dieser Welt der Uluru.

Drei Kilometer lang, bis zu zwei Kilometer breit und mit einem Umfang von rund neun Kilometer lag er frei in der Dünenlandschaft Zentralaustraliens. Es war ein imposanter, aber auch vertrauter Anblick für den alten Ben: Der Uluru, der heilige Berg der Anangu.20

Viele Erlebnisse und Geschehnisse seines Lebens hatte der alte Ben in den vergangenen Jahrzehnten bereits vergessen. Das Meiste war auch gar nicht so wichtig gewesen, um es in die Gegenwart zu retten. Sogar seinen richtigen Namen hatte er hinter sich gelassen. Irgendwann hatte ihn jemand (wahrscheinlich wie so oft, ein respektloser Weißer) Ben genannt und dabei war es dann auch geblieben. Aber Namen waren nicht wichtig. Sie waren letztendlich wie Rauch und würden deshalb mit der Zeit genauso verwehen, wie der heiße Atem eines Lagerfeuers.

Der alte Aborigine verbrachte seit Jahren seine meiste Zeit nur noch mit den Traumzeitschilderungen21 seiner Vorfahren und dem Bemalen von touristischen Kitsch, damit er etwas zu essen und vor allem natürlich ausreichend zu trinken hatte.

Vielleicht erkannte er deshalb als einer der wenigen die drohenden Zeichen. Ben erhob seine Stimme und forderte seines Stammesmitglieder auf ihm zu folgen. Leider waren es viel zu wenig, die ihm glaubten und mit ihm den Marsch zum Uluru antraten.

Ben wusste, dass sich auf halber Höhe des heiligen Berges ein Spalt befand, durch den man sich zwängen musste um in eine große Höhle zu kommen. Der Spalt reinigte beim Durchschreiten der Felsenenge jeden Aborigine rituell von dieser Welt.

Und in der Höhle die hinter dem Spalt lag konnten ihnen die herannahenden Wassermassen des großen Regens nichts mehr anhaben. Der heilige Berg würde ihnen Schutz gewähren.

Die Erde würde das Böse und Unreine vernichten und die Anangu würden irgendwann zurückkehren in eine neu geborene und unberührte Welt … die nur ihnen und ihren Träumen gehören würde und die Geschichte würde neu beginnen.

Passau22

Mein Gott - diesmal würde es richtig schlimm werden!

Wenn die Wettervorhersagen auch nur zu einem Bruchteil zutrafen, würden die Niederschläge alles übertreffen was seit Menschengedenken da gewesen war. Wobei die Niederschläge sicherlich das kleinste Übel waren. Die Folge des heftigen Regens würde wieder einmal ein gigantisches Hochwasser sein. Die drei Flüsse23, welche die Stadt schon so oft in Angst und Schrecken versetzt hatten, würden wieder einmal anschwellen und eine riesige Wasserfront vor sich herschieben.

Die Stadt hatte in ihrer langen Geschichte schon einige schreckliche Heimsuchen überstanden, aber diesmal stand ihre Existenz wohl endgültig vor dem Aus.

Mehrere gigantische Hochwässer hatte die Stadt und Umgebung im letzten Jahrtausend überdauert: 1060 – 1501 – 1595 – 1787 – 1862 – 1895 – 1899 – 1920 – 1954 – 2002 und zuletzt im Juni 2013 mit einem Pegelstand der Donau von 12,89 Metern.

Im Jahr 1662 wurde die Stadt, als würden die Überschwemmungen nicht genügen, auch noch von einer fürchterlichen Feuersbrunst heimgesucht. Die gesamte Stadt wurde damals in Schutt und Asche gelegt.

Und jedes Mal hatten die Einwohner mit ungeheurem Willen ihre Stadt wieder aufgebaut. Doch diesmal…

„Wir müssen jetzt gehen.“

Der Mann der nachdenklich aus dem Fenster gesehen hatte, drehte sich langsam um. Sein Berater blickte ihn ernst an. „Exzellenz, es ist damit zu rechnen, dass in Kürze ein riesiges Verkehrschaos entstehen wird. Viele Menschen werden aus unserer Stadt fliehen wollen. Spätestens dann wird der Verkehr komplett zusammenbrechen. Mit der Folge, dass in dem entstehenden Durcheinander niemand mehr herauskommen wird.“

„Ja … ich verstehe“, der schwarzgekleidete Mann blickte noch einmal zum Fenster hinaus. Ein letzter Blick auf den Stephansdom. Das herrliche Bauwerk, sein Dom, war der größte Barockdom nördlich der Alpen. Die Orgel mit über 17.000 Pfeifen und 233 Registern eine der größten ihrer Art auf der Welt.

„Ich frage mich, ob es nicht meine Pflicht wäre“, er stockte und schluckte, „… oder anders formuliert: ob es von mir nicht erwartet wird, dass ich hier in der Stadt bleibe?“

„Nein“, der Berater schüttelte energisch seinen Kopf. „Ein toter Bischof nützt den Gläubigen überhaupt nicht. Wenn die vorhergesagte Katastrophe auch nur zu einem Bruchteil eintrifft, wird es wichtig sein, dass die überlebenden Menschen danach einen geistigen Führer haben werden der ihnen wieder neuen Mut zusprechen wird.“

„Wird es nicht so aussehen, als wären wir geflüchtet und hätten die Stadt im Stich gelassen?“

„Nein“, der bischöfliche Berater widersprach heftig, „wir haben entsprechende Bulletins bereits vorbereitet. Sie haben sich zu Beginn des großen Regens leider außerhalb der Stadt aufgehalten und es trotz mehrmaliger Versuche nicht geschafft in ihr geliebtes Passau zurückzukehren. Im Gebet werden sie selbstverständlich stets bei den Menschen hier vor Ort sein.“

„Selbstverständlich“, murmelte der ältere Mann. Er sah seinen Berater an und nickte, „das machen wir doch schließlich immer so. Also gut“, fügte er nach einer Weile resignierend hinzu, „Ego sum, qui sum24 - gehen wir.“

ISS

Von der Bodenkontrolle war vor zwei Stunden ein verstümmelter Funkspruch eingegangen den Glenn Bordman so interpretierte, dass momentan im Umkreis des Kontrollzentrums umfangreiche Evakuierungsmaßnahmen anliefen, weil das gesamte Gelände inzwischen aufgrund ausgedehnter Überschwemmungen vorübergehend aufgegeben werden musste.

Die beiden Astronauten wurden sehr nachdenklich.

„Evakuierung wegen einer Überschwemmung?“ Luisa Dean schüttelte verständnislos ihren hübschen Kopf. Die beiden Zöpfe, zu denen sie ihr langes festes Haar üblicherweise band, flogen heftig hin und her. „Man hat das ganze Gelände doch extra auf ein höher gelegenes Gebiet gebaut, damit es selbst von einem Jahrtausendhochwasser25 nicht gefährdet werden kann. Man könnte fast meinen, da unten wäre die Sintflut ausgebrochen.“

„Na ja“, Glenn Bordman deutete auf das Bild des Planeten auf dem Panoramaschirm, das sich innerhalb weniger Stunden total gewandelt hatte, „du musst zugeben, es sieht schon sehr furchteinflößend aus.“

Es krachte aus dem Lautsprecher. Der Empfang war aufgrund der atmosphärischen Störungen äußerst schlecht. Die Meldung war kaum noch zu verstehen: „Wir …haben … starken … Wasser … müssen … aufgeben … leid … melden uns … Gott sei … euch …“

Nyainqêntanglha26

Es war absolut still in dem runden Raum. Die Mönche saßen im Kreise und befanden sich in selbstgewählter tiefer geistiger Versenkung. Nur ab und zu wurde mechanisch eine der uralten abgegriffenen Gebetsmühle gedreht.

Die nächsten Tage würden sie hier alle abwechselnd mit Gebeten und in tiefer geistiger Einkehr verbringen. Nur ab und zu würden sie den Raum verlassen, um etwas klares Quellwasser zu trinken.

Die Mönche hofften aufgrund ihres Verhaltens den Zorn der Götter zu besänftigen. Keiner von Ihnen war sich allerdings sicher, ob ihnen das tatsächlich auch gelingen würde. Zu groß war anscheinend diesmal die Schuld der Menschheit. Nur wenige würden die umfassende Reinigung der Natur überleben. Vielleicht gehörten sie hier oben, an diesem heiligen Ort, an diesem Platz der Stille und des Vertrauens, zu den wenigen Auserwählten?

Ein Gong wurde geschlagen. Die Anwesenden sahen auf. Ein jüngerer Mönch betrat den Raum, verschloß die Tür hinter sich und flüsterte dem ältesten Lama27 etwas zu.

Dieser nickte und gab den Mönch mit einer Geste zu verstehen, dass er sich in den Kreis setzen sollte. Dann wandte er sich mit traurigem Gesicht an die Anwesenden: „Es hat begonnen!“

Chaco Canyon28

„Hier bleiben wir“, der Anführer der kleinen Anasazi29 Sekte stellte den schweren Rucksack auf den Boden. Er musterte seine Anhänger. Leider war ihm nur ein trauriger Rest gefolgt. Am Ende waren es nur knapp zwanzig Personen gewesen.

Er hatte wie schon einige Male vorher, angeregt durch die alten geheimen Kräuterzeremonien, Kontakt mit den Göttern aufgenommen. Dann war völlig überraschend das eingetreten, was er so lange schon herbeigesehnt hatte und vor dem er gleichzeitig große Angst hatte: Seit Jahrhunderte hatte sich die Sekte verborgen und auf den Neubeginn gewartet. Und dann hatten sich ihm die Götter offenbart. Die Zeit war jetzt gekommen.

Sie mussten sich um zu überleben in einen der letzten geheimen Kivas30 zurückziehen. Nicht alle waren von skrupellosen Archäologen bisher entdeckt und verunreinigt worden. Einige der alten Kivas lagen immer noch im Verborgenen. Dieser hier vereinigte sich mit anderen Kivas sogar zu einem kleinen Pueblo.31

Vielleicht war er bisher unentdeckt geblieben, weil die Häuser nicht wie üblich in den Boden gebaut, sondern in versteckt liegende Berghöhlen gehauen worden waren.

Nach der Vorhersage der Alten, konnten sie dort überleben und nach der Läuterung von Mutter Erde das Land wieder in ihren Besitz übernehmen. – Wieder in den alleinigen Besitz der Anasazi.

ISS

Luisa Dean hatte nach der letzten verstümmelten Meldung der Bodenstation eine Weile regungslos auf den Planeten gestarrt. Dieser verdüsterte sich zurzeit immer mehr. Dort wo früher ein blauer Diamant gestrahlt hatte, war nur noch eine tiefgraue schmutzig wabernde Kugel zu erkennen. Die darunterliegenden Strukturen der Landschaft waren in der Zwischenzeit nur noch zu erahnen.

Wortlos war Luisa Dean nach einer Weile aufgestanden und hatte die Kabine verlassen. Nach über zwei Stunden war sie zurückgekommen. Sie hielt eine Flasche Single-Malt-Whisky in der Hand. Anscheinend hatte sie geweint, da ihre Augen gerötet waren. Und sie hatte fast die halbe Flasche Whisky getrunken, denn das gute Stück war vorher noch ungeöffnet gewesen!

Luisa Dean ließ sich schwer in einen Kontrollsitz fallen. Wortlos reichte sie die Flasche Whisky an Glenn Bordman weiter. „Da unten ist die Hölle los. Du weißt was das bedeutet?“

Glenn Bordman nickte ruhig und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche.

„Wir werden niemals mehr zurückkommen Glenn!“

„Warten wir es ab, vielleicht geschieht ja noch ein Wunder.“

Luisa Dean sah ihren Kollegen an, als wäre er von allen guten Geistern verlassen. „Wahrscheinlich glaubst du auch noch an den lieben Gott?“

„Du nicht?“, Glenn Bordman gab die Frage sanft lächelnd zurück.

„Nein - das tu ich nicht“, Luisa Dean zeigte auf das All hinaus. „Als ich das erste Mal hier oben war und diese Milliarden an Sternen gesehen habe, war mir klar, dass es kein göttliches Wesen geben kann. Es wäre völliger Unsinn davon auszugehen, dass ausgerechnet in diesem abgelegenen Seitenarm unserer Milchstraße eine göttliches Wesenheit sich diesen Planeten ausgesucht hat, um sich darauf mit so dummen und einfältigen Lebewesen wie wir es sind abzugeben.“ Luisa Dean lachte bitter auf und fügte hinzu, „außer, es ist so eine Art göttliches Langzeitprojekt und unsere Erde ist nichts anderes als eine Art Testwelt. Die Versuchsreihe ist in der Zwischenzeit auf jeden Fall ganz schön aus dem Ruder gelaufen. Vielleicht wurde von diesem Gott deshalb gerade die Reset-Taste32 gedrückt?“

Glenn Bordman schmunzelte trotz ihrer prekären Lage. Solche Gespräche hatten an Bord der ISS schon öfter stattgefunden. Vielleicht lag es an der räumlichen Entfernung zur Erde und der Nähe zum Weltall.

„Dann können wir nur hoffen, dass das was da unten gerade abläuft, nicht bedeutet, dass dein Langzeitprojekt gerade sein Ende gefunden hat.“

Eine Weile herrschte Ruhe, dann beugte sich Luisa Dean zu Glenn Bordman hinüber und nahm ihm die Whiskyflasche aus der Hand und erneut einen tiefen Schluck. „Und du bist also gläubig?“

„Ich war es bisher eigentlich nicht Luisa. Ich bin auch schon während meines Studiums aus der Kirche ausgetreten. Aber als ich das erste Mal von hier oben einen Blick auf unseren Planeten werfen konnte, als ich dieses bläuliche Leuchten sah, da Luisa habe ich mich tatsächlich gefragt, ob es nicht vielleicht doch die Möglichkeit eines Gottes gibt.“

„Sentimentaler Trottel – entschuldige Glenn – ich bin wohl etwas angesoffen.“ Luisa Dean stand auf und wollte erneut nach der Whiskyflasche greifen, überlegte es sich dann aber anders. Sie nickte lediglich einige Male, murmelte einige unverständliche Worte vor sich hin und verließ dann leicht schwankend die Kabine.

Papua-Neuguinea33

Seit drei Tagen folgten sie im stoischen Gleichmut ihrem Medizinmann. Sie hatten von ihm erfahren, dass es der Wille der Götter war, dass er sie auf den schützenden Berg brachte. Jetzt lag dieser vor ihnen: Endlich hatten sie den Bosavi34 erreicht.

Nur kurz drehte sich der Medizinmann um und musterte den strahlendblauen Himmel. Er wusste, dass dieser Anblick täuschte. Die alten Überlieferungen, die man ihm anvertraut hatte, ließen keine Zweifel zu. Er hatte in den letzten Tagen das Verhalten der Paradiesvögel35 sehr genau beobachtet. Und er war überzeugt: Die Zeichen waren eindeutig! Außerdem hatten vor zwei Nächten die Würmer begonnen in Scharen die Erde zu verlassen.

Es war soweit: Der große reinigende Regen würde kommen! Das Unterland würde überschwemmt werden. Sicherheit gab es nur in der verborgenen Zuflucht des Stammes, dessen genauer Ort nur wenigen Eingeweihten bekannt war. Genau dorthin brachte er jetzt diejenigen Stammesangehörigen, welche auf ihn gehört hatten. Die anderen, welche ihn verlacht und verspottet hatten, würde er niemals wiedersehen.

Viel Zeit blieb ihnen aber nicht mehr. Am Horizont war die erste schwarze Wolke zu sehen gewesen. Noch winzig, aber das täuschte. Das war nur ein unbedeutender Vorläufer.

„Schneller“, er deutete auf den Berg, „wir müssen uns beeilen. Die schützende Höhle ist noch weit entfernt.“

Ol Doinyo Lengai36

„Schneller“, der führende Läufer deutete hektisch auf die aufziehenden grau-schwarzen Wolken. „Ngai!“37 Der Hinweis auf den Regen- und Wolkengott trieb die kleine Truppe weiter an. Bereits vor einigen Stunden hatten sie ihre Herden ungeschützt zurücklassen müssen. Etwas, was für die Massai bisher undenkbar gewesen war.

Doch die Zeichen, welche sie in der Natur gelesen hatten, waren eindeutig gewesen. Ein furchtbares, noch nie dagewesenes Unwetter war im Anmarsch. Der kommende Regen würde schrecklich sein. Es würde verheerende Überschwemmungen geben. Viele ihrer Rinder würden den Tod finden. Sie konnten ihnen nicht mehr helfen. Was hätten sie machen sollen? Sie konnten jetzt nur noch sich selbst retten.

Schutz konnte ihnen in dieser extremen Situation nur der nahe Ol Doinyo Lengai bieten. Je weiter sie ihn hinaufstiegen, desto größer war ihre Chance dem herabstürzenden und sich sammelnden Wasser zu entkommen.

Nach einer uralten Überlieferung würde Ngai, wenn sich die Menschen von ihm endgültig abgewandt hatten, solange zürnen, bis alle Weiden überschwemmt waren. Die Herden welche er den Massai zu Beginn der Zeit geschenkt hatte, würde er ihnen dann wieder nehmen.

ISS

Glenn Bordman hatte so lange auf die graue Kugel gestarrt, bis ihm schließlich die Augen tränten. Funkkontakt zur Erde war in der Zwischenzeit auf keiner der bekannten Frequenzen mehr möglich. Mehr als ein Hintergrundrauschen war nicht mehr zu empfangen.

Wenn man den Planeten betrachtete musste man in der Zwischenzeit daran zweifeln, dass sich darauf jemals eine höher entwickelte Zivilisation befunden hatte. Man konnte nur noch ein riesiges graues Wabern sehen.

Irgendwann war Glenn Bordman ermüdet und erschöpft eingeschlafen. Als er wieder aufwachte fühlte er sich allerdings noch schlechter als vorher. Und natürlich hatte er wieder einmal von Lilly geträumt. Er hatte die attraktive brünette Lehrerin vor zwei Monaten kennengelernt und eigentlich hatten sie vereinbart, dass sie sich nach seiner Rückkehr treffen wollten, weil Lilly Glenn endlich ihren Eltern vorstellen wollte.

Lilly … das konnte er wie so vieles andere jetzt wohl vergessen. Ob sie überhaupt noch am Leben war? Wie eine gemeinsame Zukunft mit ihr wohl ausgesehen hätte? Wie … wenn … vor allem warum?

Glenn Bordman starrte wieder auf den grauen Planeten und zuckte zusammen. War da gerade nicht ein winziger blauer Schimmer gewesen? Zerriss diese riesige grauschwarze Wolkenwand dort drüben? Da müsste eigentlich Europa sein. Ohne den Blick von der Erde zu nehmen, drückte er aufgeregt einen Schalter der Rufanlage, „Luisa, komm schnell her. Ich glaube, es tut sich was auf der Erde.“

Als die Astronautin kurz darauf in die Zentrale stürzte, zeigte Glenn Bordman wortlos auf die Panoramawand. Es war tatsächlich so, dass sich die riesigen Wolkenzentren im Augenblick unglaublich schnell zurückbildeten. Man konnte fast schon wieder einem normalen Blick auf die Erde werfen. Der Spuk der letzten Stunden bildete sich im Zeitraffertempo zurück. Es war so, als hätte irgendjemand einen Schalter umgelegt.

„Die Oberfläche hat sich total verändert“, murmelte Luisa Dean. Sie trat näher an das Panoramafenster heran. Die ausgebildete Meteorologin wusste sehr gut wie der bisherige Globus vom All aus ausgesehen hatte. „Die Malediven gibt es nicht mehr. Von Indien fehlt ein großes Teil. Bangladesch38 hat sich halbiert, Japan39 besteht nur noch aus Hokkaidō, Shikoku und Kyūshū. Die größte Insel Honshū und ein Großteil der früheren über 6.000 kleineren Inseln sind … weg. Die Großstädte und viele Küstenregionen in Asien sind … ebenfalls verschwunden.“

Während die ISS ruhig und gelassen über die unter ihr vorbeiziehende Erde flog, geradeso als hätte sich dort unten zu keiner Zeit eine Katastrophe ereignet, kommentierte Luisa Dean weiter die Veränderungen, welche auf dem Planeten vor kurzem stattgefunden hatten: „Europa ist eine einzige riesige Seenlandschaft, von Holland40 fehlt ein großes Stück. Amerika besteht nur noch aus zwei Hälften … dort wo unsere Bodenkontrolle stationiert war befindet sich jetzt nur noch ein riesiger See, … nein: Ein kleines Meer.“

„Was ist das?“, Glenn Bordman zeigte auf einen Punkt der kurz ein paarmal aufgeblinkt hatte.

„Das müsste dieses riesige Biosphärenmodul sein. Die großen Glasflächen haben früher ab und zu, je nach dem Winkel der Sonneneinstrahlung, wie ein Spiegel die Sonne reflektiert.“

„Ja - das stimmt Luisa, dass weiß ich schon. Aber“, Glenn Bordman betrachtete kopfschüttelnd das Bild, „die Umgebung ist doch völlig falsch.“

„Das ist richtig“, Luisa Dean ging noch näher an das Panoramafenster heran. Als würde sie so die Umgestaltung die auf der Erde stattgefunden hatte besser verstehen können. „Anscheinend hat es dort ein Erdbeben oder …“, sie zögerte, „keine Ahnung … gegeben. Das Biosphärenmodul befindet sich jetzt auf einer riesigen Insel, umgeben von einem neu entstandenen Meer. Die Wüste ist nur noch zum Teil vorhanden. Dort drüben müssten sich eigentlich …“, sie seufzte, „ … verschwunden … einfach nicht mehr da … auch das Gebirge …“

Sie brach ab und biss sich fest auf die Lippen. „Unser Planet hat sich total verändert Glenn. Es gibt dort unten sicherlich keine Bodenstation mehr. Ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob es überhaupt noch Menschen dort unten gibt. Und - wir werden die Erde niemals wieder betreten. Was für ein…“

Luisa Dean schluckte die letzten Worte die sie sagen wollte hinunter und verließ mit hängenden Schultern fluchtartig die Kabine. Sie wollte jetzt allein sein.

Hoffnung

Kein Mensch wusste zu diesem Augenblick, welche Ursache diese riesige globale Katastrophe gehabt hatte. Warum fielen diese unglaublichen Regenmassen auf der ganzen Erde zu Boden. Woher kamen überhaupt diese riesigen Wolken? Wo und wie hatten sich diese Niederschlagsmasse angesammelt? Warum kam es fast zeitglich auch noch zu schweren Erdbeben und Vulkanausbrüchen? Und warum gerade Jetzt?

Mit dem Klimawandel konnte man zwar vieles erklären, aber dieses globale Fiasko, dieser Zusammenbruch aller gängigen Klimaregeln stand außerhalb aller Erklärungsversuche. Wenn es nicht so unvernünftig gewesen wäre, wurde man jetzt unwillkürlich an die zahlreichen Weltuntergangszenarien der irdischen Religionen erinnert.

Und vor allem beschäftigte die Menschen, welche zu den Überlebenden gehörten, anschließend die Frage: Warum hatte der ganze Aufruhr so schlagartig wieder ein Ende gefunden?

Erst in einer fernen, weit in der Zukunft liegenden Zeit, würde man begreifen, dass die geplante Vernichtung der Menschheit durch einen unglaublichen Zufall in letzter Sekunde gerade noch abgewendet wurde. Weil nämlich gerade in diesem Augenblick in einer Höhle in den Alpen zwei Wesen unwissentlich etwas getan hatten, was die Erde in ihrem unbändigen Zorn auf die Menschheit innehalten ließ.41

Ein Hoffnungsschimmer … nur ein kleiner Keim … aber trotz allem ein Anfang, der eine Chance verdient hatte.

ISS

Die Lage auf der Erde hatte sich, soweit es sich von hier oben feststellen ließ, in der Zwischenzeit weiter normalisiert. Bis auf die Tatsache, dass große Teile der Infrastruktur, der Übertragungstechnik und ihrer weltweiten Vernetzung total zusammengebrochen waren. Von der Bodenkontrolle kam immer noch nicht die geringste Reaktion. Glenn Bordman ging davon aus, dass es sie nicht mehr gab. Alles andere wäre ein großes Wunder gewesen.

Lediglich einen Amateurfunker konnte er kurz sprechen, als er zum tausendsten Mal das Frequenzband ablaufen ließ. Die Auskunft war mehr als ernüchternd. Man konnte es auf den kurzen Nenner bringen, dass auf absehbare Zeit Flüge ins All nicht mehr vorstellbar waren. Die überlebende stark reduzierte Menschheit, hatte augenblicklich ganz andere Probleme. Zunächst musste erst wieder eine halbwegs funktionierende Infrastruktur hergestellt werden.

Für die verbliebenen zwei Astronauten auf der ISS interessierte sich auf der Erde momentan niemand.

„Was machen wir jetzt bis …?“

Glenn Bordman konnte die Frage nicht zu Ende stellen, da Luisa Dean, ohne ihn anzusehen, wieder einmal wortlos aufgesprungen war und den Raum verlassen hatte. Das war vor zwei Tagen gewesen. Glenn Bordman ließ seine Kollegin seitdem in Ruhe. Es war sicherlich nicht einfach für sie zu wissen, dass sie die Menschen die sie geliebt hatte, niemals mehr wiedersehen würde. Sie beide wussten ja nicht einmal ob ihre Angehörigen überhaupt noch lebten.

Glenn Bordman hatte mit Hilfe des Computers eine Bestandsaufnahme gemacht. Sie konnten es hier oben noch eine lange Zeit aushalten. Zum Glück waren die lebensnotwendigen Vorräte vor kurzem aufgefüllt worden. Aber - sollte man das wirklich Glück nennen? Für zwei Personen reichten die Vorräte lange … wahrscheinlich zu lange. Irgendwann würden sie vorher aus Einsamkeit und der Enge in der ISS verrückt geworden sein.

Als erstes würde leider der sehr sparsam dosierte Alkohol ausgehen. In ihrer augenblicklichen Situation war der hochprozentige Seelentröster ein Mittel, um zumindest für ein paar Stunden wegdämmern zu können. Zwar war das ihrer Gesundheit sicherlich nicht gerade förderlich, aber diese war in ihrer derzeitigen Situation auch das geringste Problem.

Als Glenn Bordman wieder einmal aus dem großen Panoramafenster sah, blickte er erstaunt in das Gesicht von Luisa Dean. Seine Kollegin sah ihn aus dem Sichtfeld des Helmes ihres Weltraumanzugs traurig lächelnd an. Grüßend hob sie ihre rechte Hand etwas hoch, dann drehte sie sich um und schwebte langsam in Richtung Weltall davon.

Es sah trotz ihrer Tragik so verdammt schön aus …

Glenn Bordman wusste, dass dies seine ganz persönliche Einschätzung war. Aber irgendwie erinnerte ihn der davon schwebende Körper von Luisa Dean an einen alten Science-Fiction-Film42 den er vor Jahren einmal gesehen hatte. Dort hatten sich Raumschiffe, Weltraumstationen und Astronauten im ¾ Takt eines Walzers43 bewegt, geradeso, als würden sie miteinander gemeinsam durch den Weltraum tanzen.

Luisa hatte also ihren Weg gewählt. Sie würde den Sternen entgegenfliegen. Irgendwann würde sie aufgrund der knapper werdenden Atemluft einfach einschlafen und schließlich sterben.

Wie sah sein eigener künftiger Weg aus? Welche Optionen blieben ihm?

Glenn Bordman stand auf. Er beschloss abermals eine Bestandsaufnahme zu machen. Es musste noch eine Flasche Single-Malt-Whisky da sein, wenn sie nicht Luisa in ihrem Schmerz getrunken hatte. Aber das war nicht anzunehmen, dafür war sie viel zu korrekt gewesen. Luisa hätte ihm zumindest die Hälfte davon übriggelassen.

Der Proviant auf der ISS reichte jetzt noch länger. Wenn er wollte konnte er es viele Jahre hier oben aushalten. Allein … eine Art Robinson Crusoe44 im All … aber diesmal ganz allein, ohne einen Freitag.45

Nein, dass war kein Leben das er führen wollte. Ein Mensch konnte nicht allein leben, ohne langsam, aber sicher verrückt zu werden.

Er beschloss noch eine Kleinigkeit zu essen und sich dann mit der Flasche Whisky hier zurückziehen. Die letzten Stunden seines Lebens würde er auf die unter ihm hinwegziehende Erde blicken. Ihm war mit dieser Aussicht sicher mehr vergönnt als den meisten Menschen. Wahrscheinlich würde es viele Jahre dauern, bis wieder einmal ein Mensch diesen herrlichen Anblick bestaunen konnte. Falls überhaupt! Immerhin war es möglich, dass die Menschheit durch diese unglaublichen Wetterkapriolen und ihrer Folgen fast komplett ausgestorben war.

Ja und dann, wenn der Whisky sich zu Ende neigte, würde er diese ominöse Pille einnehmen. Die Kapsel für lebensbedrohende Notfälle. Diese kleine Chance, von der die Öffentlichkeit nichts wusste und die für Unglücksfälle wie diesen gedacht war. Nein, berichtigte sich Glenn Bordman, an einen solchen Fall hatte man dabei sicherlich nicht gedacht … konnte man gar nicht, dass wäre viel zu utopisch gewesen.

Aber man hatte durchaus Szenarien durchgespielt, bei denen eine Rückkehr der Besatzung zur Erde, oder eine Rettung innerhalb der erforderlichen Zeit nicht mehr möglich war. In fast allen Fällen hatte man dabei an ein technisches Versagen gedacht.

Letztendlich war es aber egal. Hauptsache war, dass es diese Pille auf der ISS überhaupt gab.

Die Pille, die für einen schnellen und schmerzfreien Tod sorgen würde. Angeblich trat dieser ein, bevor man bis drei zählen konnte – toll.

11 Also der Zeitraum und die Geschehnisse die in dem Buch Der junge Wächter - ISBN 9783732286508 -

als Auswirkung der zunehmenden Entfernung zwischen Natur und Mensch beschrieben wurden.

12 vgl. Internetsuche: Biosphäre 2

Auch Bildersuche im Internet: Biosphäre 2

13 Begriff: Das Glas wird opak. (lichtundurchlässig, trüb)

Opazität: Trübung, Beschattung

Bezeichnet das Gegenteil von Transparenz.

14 International Space Station (Internationale bemannte Raumstation)

vgl. Bildersuche im Internet

15 Schwerkraft: Gravitation, auch Massenanziehung.

Die Schwerkraft ist eine der vier Grundkräfte der Physik.

(Gravitation, Elektromagnetismus, schwache Wechselwirkung, starke Wechselwirkung)

16 vgl. im Internet Taifun Haiyan (auch Bildersuche)

17 Um das Ausmaß des Taifuns zu verdeutlichen:

Strecke: München – Hamburg: 610 Kilometer

München – Rom: 700 Kilometer

Amsterdam – Bern: 630 Kilometer

Mailand – Neapel: 660 Kilometer

18 Offenbarung des Johannes / Weltuntergang

19 Der Uluru (Ayers Rock) stellt für die dort ansässigen Aborigines einen heiligen Berg dar. (vgl. auch Bildersuche im Internet)

20 Die örtlichen Aborigines nennen sich Anangu (Mensch).

21 Wichtiger Begriff in der Mythologie der australischen Aborigines.

Beschrieben wird eine raum- und zeitlose Welt, die in Verbindung zur realen Gegenwart steht. Die Traumzeit erklärt die Entstehung der Welt und manifestiert sich u.a. in Felsen, Bäumen und Quellen.

22 Passau: Kreisfreie Universitätsstadt im Regierungsbezirk Niederbayern in Ostbayern. 50.000 Einwohner. Die Stadt liegt an der Grenze zu Österreich.

23 In Passau fließen die Flüsse Donau, Inn und Ilz zusammen.

24 Lateinisches Sprichwort: Ich bin der, der ich bin

25 Jahrtausendhochwasser

Ein Hochwasser, das höchstens alle 1.000 Jahre kommen wird.

Die nötigen Kosten für hohe Deiche, vernünftige Flussregulierungen, Staudämme, natürliche Rückhaltebecken … werden oft mit der Begründung abgelehnt, dass die Wahrscheinlichkeit für ein solches Jahrtausendhochwasser „statistisch gesehen“ äußerst gering und wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.

26 Nyainqêntanglha höchster Bergs des Transhimalaya

27 Leiter / hoher Priester

28 Chaco Canyon (vgl. Bilder im Internet) Nationalmonument (Naturschutz)

29 Die Anasazi-Kultur entstand nach heutigem Wissenstand wahrscheinlich aus zwei Kulturen. Der Mogollon-Kultur (Ackerbau) und der Oshara-Kultur (Häuserbauer, Pueblos)

30 Kiva: Grubenhaus, Arbeitsstelle, Zeremonien- und Versammlungsort (Mehrzahl: Kivas)

31 Pueblo: Mehrere Kivas (vgl. Bilder im Internet: Mesa Verde, Chaco Canyon)

32 Neustart (Herstellung des Anfangszustand)

33 Papua-Neuguinea ist der drittgrößte Inselstaat der Welt und liegt im Pazifik.

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