Der Wahnsinn rechnet ab! - Tobias Kühnlein - E-Book

Der Wahnsinn rechnet ab! E-Book

Tobias Kühnlein

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Beschreibung

Zum letzten Mal nach über 15 Jahren im Verkauf erzählt der "Kabbo"… äh, der gelernte Kaufmann Tobias Kühnlein in "Der Wahnsinn rechnet ab!" von den kuriosesten Begebenheiten seines Berufsalltags mitten im fränkischen Niemandsland. In einer Zeit, in der es für den stationären Handel immer schwieriger wird, schlagen sich Tobias und seine Kollegen mit abstrusen Problemfällen, aufdringlichen Omis, dem Unterschied zwischen Garantie und Gewährleistung, Jugendsprache und preisbewussten Wrestlern herum. Doch über all dem schwebt die Sinnfrage, wohin es mit dem Einzelhandel im Zeitalter des eCommerce gehen wird…. und wie man den furchtbaren Armin Mayher-Ahrends endgültig los wird! Neben spannenden Fakten, die Ihnen so vielleicht noch nicht bewusst waren, punktet der große Abschluss der "Wahnsinn"-Trilogie ein letztes Mal mit wahren Geschichten, bissigen Dialogen, urfränkischem Witz, hochgestochenen Übersetzungen, scharfzüngiger Satire, mindestens einer Explosion und einem überraschenden Finale, auf das M. Night Shyamalan stolz wäre.

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Sie haben mich genervt, gefragt, gelöchert. Bitte, hier ist er, der lange ersehnte, dritte Teil. Sagen Sie aber nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Dieses Buch ist definitiv das Ende, das große Finale. Ich hoffe, Sie haben Spaß! ☺

Tobias Kühnlein

Über den Autor

Tobias Kühnlein wurde 1983 geboren und ist im südlichsten Zipfel Oberfrankens aufgewachsen. Nach seiner Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel erreichte er im Jahr 2008 die Fachhochschulreife und begann parallel dazu mit der Arbeit in einem Elektrofachmarkt. Nebenbei schreibt er als freier Mitarbeiter für lokale Tageszeitungen und Online-Magazine. Er ist darüber hinaus als hobbymäßiger Grafiker aktiv.

Seit 2017 ist er als Station Voice und Kommentator von New European Championship Wrestling auf Rocket Beans TV zu hören.

Tobias Kühnlein

Der Wahnsinn rechnet ab!

Das Allerletzte vomanderen Ende der Servicewüste

© 2018 Tobias KühnleinTitelmotiv: Tobias KühnleinKonvertierung: Berthold GakschVerlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN:

978-3-7469-7075-2         (Paperback)

978-3-7469-7077-6         (e-Book)

Printed in Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die dargestellten Charaktere in diesem Buch sind mit Ausnahme des Protagonisten frei erfunden und bestenfalls von realen Personen inspiriert.

Die Geschichten in diesem Buch basieren auf wahren Begebenheiten. Alles, was Sie lesen, ist so oder ähnlich tatsächlich vorgefallen. Kein Scheiß!

Ein Wort der Vorbereitung

Man sollte meinen, ich hätte schon alles erlebt. Nach all der Zeit im Verkauf, nach all den Kunden, all den Kuriositäten. Aber es war immer dasselbe, wenn ich diesen Gedanken in meinem Kopf formte: Es kam jemand, der all dem noch einen oben draufsetzte.

„Sie haben nicht zufällig ein Maßband da? Oder ein Lineal? Oder sowas?“

Der ältere Herr an meinem Infotresen schien recht genau zu wissen, was er vorhatte. Ich riss eines unserer EinwegMaßbänder ab und reichte es ihm.

„Hier bitte. Ein ganzer Meter. Und den dürfen Sie sogar behalten, geht aufs Haus“, lächelte ich.

„Danke, Sie Spaßvogel“, sagte der Mann mit Hut mürrisch und ging ein Regal weiter.

Was hatte es nicht schon alles gegeben in der langen Zeit, die ich nun im Verkauf tätig war? Dass uns Kunden mit dem Rechtsanwalt drohten, wenn ihnen mal ein Furz quer saß: Geschenkt! Früher hätte ich mich über so etwas aufgeregt, ja. Aber heute nicht mehr. Alles schon zigmal dagewesen und zumeist waren es eh nur leere Drohungen. Den meisten angedrohten juristischen Konsequenzen fehlte jegliche rechtliche Grundlage, so dass sich der Anwalt spätestens bei der ersten Konsultation durch seinen Mandanten totgelacht hätte. Oder aber die Dreistigkeit, eine Tintenpatrone nach neun Monaten zu reklamieren, weil sie aufgrund unsachgemäßer Lagerung oder mangelnder Benutzung eingetrocknet war. Nein, auch das entlockte mir bestenfalls ein müdes Lächeln. Solche Absurditäten gehörten mittlerweile zum Tagesgeschäft.

Fast 15 Jahre war ich nun schon im Einzelhandel tätig. 15 Jahre lang erlebte ich tagein und tagaus eine Katastrophe nach der anderen. Die Kunden wurden immer verrückter, die Probleme immer seltsamer. Man war mittlerweile so einiges gewohnt. Nein, schlimmer: Man war abgestumpft. Wie sagte mein Ausbilder Joe einst so trocken? „Jeden Tag steht irgendwo a Depp auf!“

„Ich muss das mal kurz ablegen“, sagte der Mann mit Hut, der plötzlich wieder vor mir stand. Er legte eine ViererPackung Mignon-Batterien auf meinen Infotresen und zog das zusammengefaltete Papiermaßband aus der Jackentasche. Irritiert sah ich ihm dabei zu und meine rechte Augenbraue rutschte schon ein Fingerbreit nach oben. Der Mann legte das Maßband an die verpackten Batterien an, gab sich sichtlich Mühe, den Nullpunkt der Skala bündig mit dem unteren Ende der Batterien zu halten, und blickte mit zusammen gekniffenen Augen ans obere Ende der Packung.

Scheinbar hatte ich noch nicht alles erlebt.

Ich räusperte mich kurz. „Ich bin neugierig… darf ich so frech sein und erfahren, was genau Sie da tun?“, fragte ich verlegen. Der Mann hielt seinen verkniffenen Blick auf der Batteriepackung und dem mühsam angelegten Maßband.

„Messen!“, antwortete er.

„Das hatte ich tatsächlich vermutet. Aber… was messen Sie?!“

„Mein Enkel hat gesagt, dass ich ihm Batterien mitbringen soll. Genau 49,2 Millimeter, hat er gesagt.“

„Ist das ihr Ernst?“, fragte ich.

„Haben Sie eine bessere Idee?“, bekam ich in einem fast belehrenden Ton an den Kopf geworfen.

„Naja, man könnte ja Ihren Enkel mal anrufen und fragen, ob er AA meint“, schlug ich diplomatisch vor.

„Ah-Ah? Hören Sie, so klein ist mein Enkel nun auch wieder nicht. Er weiß, was ein großes Geschäft ist“, echauffierte sich der Herr.

Hatte er das jetzt wirklich gesagt? Ich konnte nur noch den Kopf schütteln. Es kam immer jemand, der all dem noch einen obendrauf setzte. Immer. Man sollte meinen, dass ich irgendwann aufgehört hätte, mich über all die schrägen Vögel und komischen Gestalten zu wundern. Ich hatte Frühschicht, ich war also bis zur Mittagszeit alleine in der Abteilung. Das konnte schon mal vorkommen, wenn einer der Kollegen frei hatte oder im Urlaub war. Ich bekam also drei Stunden lang alles ab, was zu uns in die Abteilung kam. Wie zum Beispiel diesen AA-Opa, der mittlerweile zufrieden an die Kasse stiefelte.

Etwas später in dieser einsamen Frühschicht kam eine junge Dame an meinen Infotresen, lächelte mich freundlich an und versuchte, ihr Anliegen so höflich wie möglich zu formulieren.

„Hallo, guten Tag. Entschuldigung… ich brauchte bitte ganz dringend zehn Meter WLan-Kabel.“

In einer schlechten US-Sitcom hätte ich jetzt vermutlich mit einem verzweifelten Blick direkt in die Kamera geschaut, während im Hintergrund ein Lacher aus der Konserve eingespielt worden wäre.

„Ich glaube nicht, dass Sie das brauchen“, antworte ich mit einem spitzbübischen Grinsen, das mein irritiertes Gesicht verscheuchte.

„Doch, doch, ich soll zehn Meter WLan-Kabel besorgen“, bekräftigte die junge Dame irritiert.

„Ich bin überzeugt davon, dass Sie das nicht sollen“, sagte ich und amüsierte mich köstlich. Die junge Frau grinste ebenfalls, wenngleich Sie offensichtlich keine Ahnung hatte, warum.

Ich kam mir ein bisschen vor, wie Obi Wan Kenobi aus Star Wars. Sie wissen schon, der grantige Kerl mit dem Biernamen aus „Der kleine Lord“, der in Episode 4 am Raumhafen von Mos Eisley die imperialen Wachen mit einer unaufgeregten Handbewegung belehrt: „Das sind nicht die Droiden, nach denen ihr sucht.“ Herrlich. Ich stellte mir gerade vor, wie sich der alte Ben Kenobi wohl bei „Was bin ich?“ angestellt hätte, dieser alten Fernsehsendung, in der vier Personen erraten mussten, was ein Gast beruflich macht. Hat Robert Lembke moderiert, die Älteren unter Ihnen werden sich vielleicht erinnern. Bei der Bitte um eine für seine Tätigkeit übliche Handbewegung hätte der gute Obi Wan vermutlich einmal kurz mit seiner Hand unaufgeregt in der Luft umher gewirbelt und gemurmelt „Ihr werdet meinen Beruf nicht erraten“. Das Panel – so würde man das Rateteam heute wohl nennen – hätte daraufhin im Chor bestätigt: „Wir werden Ihren Beruf nicht erraten“. Wäre wohl keine sehr spannende Folge gewesen. Das bringt mich zu der Frage, was letztlich die korrekte Tätigkeitsbezeichnung für Obi-Wan Kenobi gewesen wäre. Spiritueller Führer? Zerzauster Sektenguru? Nun, faktisch war er ein alter, wirrer Mann mit einem stinkigen Kapuzenumhang, der einem jungen Knaben sinngemäß so etwas sagte wie „Komm mal mit zu mir, Junge, ich zeig‘ dir mein Laserschwert.“ Brrr, das verstört mich jetzt auf so viele verschiedene Weisen.

Die Fähigkeiten von Obi-Wan könnte man sich allerdings auch andernorts sehr gut zu Nutze machen. Ich denke da an ein Schlafzimmer, das dritte Date und aufkommende Intimität. Vielen Männern würde da die gedankenmanipulierende Kraft eines alten Jedi-Meisters gute Dienste leisten. „Doch, das sind 20 Zentimeter.“

K.O.-Tropfen wären ein Scheiß dagegen. Mhh, dieser Satz war wohl jetzt nicht ganz einwandfrei, was die „political correctness“ angeht. Verzeihen Sie mir.

Ich schweife mal wieder ab. Wo war ich? Ach ja, richtig, die junge Dame mit ihrem WLan-Kabel. Um sie aus ihrer quälenden Unwissenheit zu erlösen, setzte ich meine beste „Sendung mit der Maus“-Stimme auf.

„WLan ist die Abkürzung für Wireless LAN“, erklärte ich ihr, wobei ich mir sehr wohl der Tatsache bewusst war, dass LAN selbst ja auch nochmal eine Abkürzung war… aber ich wollte das junge Ding nicht unnötig verwirren und Sie, liebe Leser, nicht langweilen. „Wireless heißt also so viel wie ‚kabellos‘, das mit dem WLan-Kabel macht also keinen Sinn“, lächelte ich. Ich überlegte, ob ich zum besseren Verständnis noch einen schwarzen Schimmel erwähnen müsste – als halbwegs vergleichbares Paradoxon - allerdings befürchtete ich, sie würde nicht verstehen, dass ich von einem Pferd redete.

„Oh… ach so. Ja, das klingt logisch“, sagte die Kundin, auch ohne die Reittier-Analogie.

„Ich schätze mal, Sie brauchen ein LAN-Kabel“, ergänzte ich. Sie schaute mich erleichtert an. „Kommen Sie mal mit, die haben wir da vorne liegen.“

Ich weiß, was Sie denken, und Sie haben Recht. Wäre das eine mathematische Textaufgabe gewesen, hätte ich zwar einen Punkt für das richtige Ergebnis bekommen, der Rechenweg wäre mir aber als „unnötig kompliziert“ unterkringelt worden. Aber wo bliebe denn sonst der Spaß? Der Alltag eines Kaufmanns im Einzelhandel war grausam, öde und trist genug. Da ist es doch nur recht und billig, dass wir uns hier und da mal selbst ein bisschen wohldosierten Humor gönnen. Vor Allem, wenn im Angesicht des boomenden Online-Handels ohnehin permanent das Damokles-Schwert über unseren Köpfen baumelt. Die Kunst ist es übrigens, nicht nach oben zu schauen, wenn dieses Schwert über Ihnen hängt. Das könnte sonst ins Auge gehen.

Klugscheißer-Wissen:Obi-Wan Kenobi sollte den ersten Star Wars-Film ursprünglich überleben, um dann in der Fortsetzung Luke Skywalkers Ausbildung zum Jedi-Ritter zu übernehmen. George Lucas‘ Frau riet ihrem Gatten allerdings, ObiWan aus dramaturgischen Gründen von Darth Vader töten zu lassen. Für Lukes Ausbildung zum Jedi wurde daher in der Fortsetzung die Figur des Yoda eingeführt.

Und täglich grüßt das Faultier

Es war der 27. Dezember, der erste Tag nach den Feiertagen. Spätschicht. Vergessen Sie alles, was Sie über den Black Friday gehört haben, der wirklich schwarze Tag im Kalender eines jeden Mitarbeiters im Einzelhandel ist der 27. Dezember. Die Feiertage sind vorüber, die Läden haben wieder geöffnet und die Zivilisation hat eine weitere Aneinanderreihung mehrerer Feiertage irgendwie mit Ach und Krach überlebt. Besonders darüber bin ich jedes Mal aufs Neue erstaunt, wenn ich ehrlich bin.

Jeder hatte sich über Weihnachten ein kleines Wohlstandsbäuchlein angefressen und – Wortspiel! - angefressen waren naturgemäß auch überdurchschnittlich viele Kunden an diesem besonderen Tag. Denn, Sie wissen es, der 27. Dezember ist seit jeher der große Umtausch- und Reklamationstag. Geschenke, die doppelt geschenkt wurden, die unpassend waren, schlicht und einfach falsch gekauft wurden oder nicht funktionierten, wurden traditionsgemäß an diesem Tag umgetauscht oder reklamiert. Dieses würzige Grundrezept garnieren wir jetzt noch mit all den Nerv tötenden Menschen, die jeden Mitarbeiter penetrant nach den großen Nach-Weihnachts-schnäppchen fragen – wenn wir Christi Geburt mal als Grundlage nehmen, wären das dann die NachgeburtsAngebote - und beträufeln das Gesamtwerk dann noch mit einem Schuss der kleinen, verwöhnten Gören, die ihren 200 Euro-Geschenkgutschein für unseren Elektro-fachmarkt am liebsten jetzt sofort und keine Sekunde später einlösen wollen. Schließlich will der kleine, 5-jährige Lennox endlich sein neues iPad haben. Jenes iPad, das übrigens am Vormittag des 24. Dezembers restlos ausverkauft war und über die Feiertage wie durch ein sakrales Wunder auf einer Europalette in horrender Stückzahl in unserem Lager aufgetaucht ist… nicht! Et voila, damit serviere ich Ihnen den Diarrhö förderndsten Menschen-Auflauf, den die Welt je gesehen hat. Gott sei Dank gilt Kannibalismus mittlerweile als recht verpönt, allein rein zwischenmenschlich betrachtet. Wobei ich mich immer wieder frage, woraus eigentlich Kinderschnitzel gemacht sind. Aber lassen Sie uns darüber zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal reden.

Verschlimmert wird die ohnehin schon angespannte und nervöse Stimmung dann, wenn die völlig überforderten Eltern unsereins Fachgesindel dafür verantwortlich machen, dass Weihnachten nicht die erhoffte schöne Bescherung war. Und das passierte an diesem 27. Dezember leider überdurchschnittlich oft, im Schnitt so alle 90 Sekunden. Moment… drei, zwei, eins…

„Ey, Massder…!“, grölte es mir entgegen. Zu Deutsch also etwa „Guten Tag, Herr Fachberater…!“

„Ja bitte, wie kann ich Ihnen denn helfen?“

„Horch amol! Des bleede Bulldog-Schbill do, des läffd fei ned auf dem neiia Grübbl-Combjuder, den wo I do vor zwaa Wochn kaafd hob. Do hossd mei’m Glann ganz schee Weihnachten versaud!“

Haben Sie das alle verstanden? Nein? Zugegeben, das war für die erste Lektion Hardcore-Fränkisch etwas heftig. Da ich Ihnen nicht zumuten möchte, das lautmalerisch aufzudröseln, und ich obendrein die Absicht verspüre, dieses Buch auch jenseits der Grenzen des fränkischen Hoheitsgebiets zu verkaufen, werde ich Ihnen komplexere fränkische O-Töne immer eindeutschen. Langjährige Fans dieser Buchreihe – ja, es gibt solche Menschen! - kennen das Prozedere ja bereits. Der Algorithmus müsste mit dem Übersetzen auch gleich fertig sein. Sekunde… ja, bitte sehr:

„Lauschen Sie meinen Worten, Fachberater! Die aktuellste Auflage des Landwirtschafts-Simulators scheint die technischen Möglichkeiten meines vor zwei Wochen hier neu erworbenen Niedrigpreis-PCs um eine Kleinigkeit zu übersteigen. Mein Sprössling guckte an Heiligabend daher etwas bedröppelt aus der Thermo-Unterwäsche!“

So, jetzt sind auch alle Leser aus Hannover, Cuxhaven und Celle im Bilde. Ihr dialektfreien Menschen, ihr!

Ich guckte wie üblich gequält verständnisvoll und bat den charmanten Mitt-Vierziger mit dem unter Spannung in den Hosenbund gestopften Hemd, mir den Kaufbeleg zu zeigen.

„Mhm, gekauft am Vierzehnten …“, murmelte ich analytisch wie ein Gerichtsmediziner bei der Obduktion einer Wasserleiche. Oder aber eines abgestochenen Mannes am Aurachufer. Nur so eine Idee.

„… 15 Zoll… Intel Quad-Core…“

„Geeenau, a Gwadd-Kohr war des, deswegen hobbi ner’n ja kaaft. Des sollerd ja eichendlich wos Gscheiids sei“, fiel mir mein Kunde ins Wort. Ich analysierte weiter.

„Kaufpreis 209 Euro…!“ Ich wurde bei dieser Aussage hörbar lauter.

„Ja wo is etz doo des Broblem?“, fragte Paul-Rüdiger irritiert.

Oh, wundern Sie sich bitte nicht. In den seltensten Fällen kenne ich die Person, die mir im Laden gegenübersteht, namentlich. Daher gebe ich meinen Kunden manchmal noch im Gespräch lustige Namen. Rein in Gedanken, versteht sich.

„Der Kollege, der Sie beraten hat, sollte Ihnen eigentlich gesagt haben, dass das ein absolutes Einstiegsgerät ist! Office, EMails, ein bisschen surfen. Mehr können Sie mit dem Teil nicht machen.“, erklärte ich, um einen ruhigen Tonfall bemüht. „Wer hat Sie denn da beraten?“

Da überlegte Jason-Pascal… nein, das war kein JasonPascal. Dafür war er zu alt. Warten Sie kurz… ja, Hans-Schorsch. Genau, ich lege mich fest. Hans-Schorsch druckste ein wenig herum und sagte dann recht kleinlaut „Beradnn… ja beradnn hodd mi etz in dem Sinn goar kanna. Ich hob mer halt die dechnischn Dadn aweng og’schaud und dann hobbi nern einfoch meegnumma!“

(dt.: „Auf die beratende Dienstleistung Ihres Personals habe ich freiwillig verzichtet. Stattdessen habe ich die technischen Daten des von mir präferierten Geräts ausgiebig studiert und mich dann dazu entschlossen, das Produkt käuflich zu erwerben. Ällabätsch!“)

„Und dann wundern Sie sich?“, fragte ich, nicht ohne ein klein wenig vorwurfsvoll zu klingen.

„Obber der hat doch ann Gwadd-Kohr. Des Ding is doch schnell, odder net?“

Ich musste an John Ruskin denken und überlegte, dass viel zu wenige Menschen heutzutage mit seinem „Gesetz der Wirtschaft“ vertraut waren.1

„Wenn Sie wenig bezahlen, dürfen Sie nicht viel erwarten“, versuchte ich, das Grundproblem grob zusammenzufassen.

„Obber der Gwadd-Kohr…?“, fragte er, nun hörbar verunsichert.

„Der Quad-Core hat doch heute gar keinen besonderen Stellenwert mehr. Das ist wie mit Olli Pocher. Vor ein paar Jahren war das ein Hochkaräter im Privatfernsehen, heutzutage aber ist er in jeder peinlichen Promi-Gameshow dabei. Verstehen Sie, selbst einfachste Prozessoren haben heutzutage vier Kerne, deswegen müssen sie aber leider nicht hochwertig oder schnell sein. Jedes Smartphone hat mittlerweile Quad-Core-CPUs verbaut. Das ist Augenwischerei seitens der Industrie.“

„Des is ka Aungwischerei, des is‘ Beschiss“, entgegnete er mir.

„Egal, wie man es nennt, wir hätten Sie darauf aufmerksam gemacht, wenn Sie uns gefragt hätten.“

Ällabätsch!

Aber ich wollte mal nicht so sein. Eingeschaltete PCs mit aktivierter Lizenz nahmen wir eigentlich nie zurück, hier wollte ich jedoch mal eine Ausnahme machen. Ich bat ihm den Kaufbetrag als Gutschrift an und gemeinsam suchten wir für ihn und den Landwirtschafts-Simulator seines Sprösslings – kapiert? Landwirtschaft? Sprössling? - eine passende Maschine aus, auf die er die 209 Euro dann auch angerechnet bekam. Man will ja nicht gleich jeden Kunden vergraulen, härtester Tag des Jahres hin oder her.

Tom, einer meiner liebreizenden, immer gut gelaunten Kollegen der PC-Abteilung (Sarkasmus!), stand am Infotresen. Auch er sah schon recht abgekämpft aus. „Alles gut bei dir?“, fragte ich.

„Ey, aaner bleeder wie der Nächste heud‘, des is echt nimmer feierlich“, klagte er.

„Auch dieser Tag wird rumgehen“, sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich geh‘ mal schnell vor zur Hauptinfo und schau, ob wir Retouren haben.“

Simple Rückgaben originalverpackter Ware wurden an der Hauptinformation abgewickelt, da mussten die Kunden nicht extra in die Fachabteilung geschickt werden. Dennoch war es ab und zu von Nöten, gerade an einem Tag wie heute, mal die Hauptinfo aufzusuchen und die retournierten Artikel zu quittieren und wieder in den Verkauf zu stellen. Ansonsten würden die kleinen Plastikkörbe der einzelnen Abteilungen sehr schnell so voll werden, dass Jenny, unsere hübsche wie schlagfertige Kassenaufsicht, uns anrufen müsste. Den Aufwand wollte ich ihr ersparen, sie hatte da vorne auch so schon genug zu tun.

So machte ich mich also auf den Weg nach vorne, Richtung Eingangsbereich. Ich legte dabei einen zügigen Schritt an den Tag, denn nichts konnte mir den kurzen Ausflug nach vorne mehr verhageln, als ein mir entgegenkommender Kunde, der mich mit dieser in Franken urtypischen Frage aus meinem Trott riss: „Entschuldich‘ns, sinna Sie vom Haus?“. Ich glaube, noch nie wollte ein Kunde von mir wissen, ob ich hier arbeitete. Alle wollten immer nur wissen, ob ich „vom Haus“ sei. Aber eine solche Verkehrsbehinderung blieb mir diesmal erspart.

„Hi Jenny“, sagte ich, als ich mich hinter den mehrere Meter langen, großen Tresen unserer Hauptinfo bewegte. Jenny blickte auf das große Touch-Display ihrer Kasse und winkte, ohne mich anzusehen, kurz nach hinten. Wie jeder von uns war auch sie heute mehr als gut ausgelastet. Bei dem enormen Kundenaufkommen am Tag nach den Feiertagen waren immer alle Kassen geöffnet, so auch die an der Hauptinformation. Ich bückte mich und zog den großen Plastikkorb aus dem untersten Fach des Tresens. Dort erwartete mich der übliche Kleinkram: falsch gekaufte Druckerpatronen, diverse Anwenderprogramme, ein günstiges Tablet… alles originalverpackt, ungeöffnet und mit Kopie des Kassenbons, so wie es sein sollte. Nur wenn die Ware bereits geöffnet war oder der Kassenbon fehlte, wurden die Kunden von der Hauptinformation zu uns geschickt, damit wir den Fall klären konnten. Aber das hier, das war alles unproblematisch.

Während ich am Boden kniete, den Plastikkorb leerte und die Kopien der Kassenbons kurz abzeichnete, kassierte Jenny oben weiter. „53,99 macht das bitte“, sagte sie und lächelte den Kunden an, so wie sie es immer tat. Jenny war eine von denen, die verstanden hatte, dass ihr Job im Einzelhandel auch von ihrer Freundlichkeit abhing. Das verstand leider nicht jeder. Aber das war ein anderes Thema. Der etwas über 50 Jahre alte Herr, dessen Bargeld Jenny in dieser Sekunde entgegennahm, fühlte sich durch ihr freundliches Auftreten aber scheinbar zu Smalltalk hingerissen.

„Mensch, bei Ihna is‘ ja heut‘ die Hölle los. Bewundernswert, dass Sie da so freundlich bleib‘n könna. Des is‘ doch Stress pur, odder?“

Jenny lächelte gequält und blickte scheinbar verlegen auf ihr Display. Weniger aus echter Verlegenheit, sondern weil sie den Geldbetrag, den ihr der Herr gerade gegeben hatte, eingeben musste.

„Ja, ist schon stressig heute. In meiner Haut möchten Sie heute nicht stecken“, antwortete Jenny, während sie das Wechselgeld aus der Kassenschublade abzählte.

„Net in Ihrer Haut stecken? Och naja…. So fuchzenn bis zwanzich Zentimeter steckert ich scho‘ gern in ihrer Haut!“

Reflexartig schoss ich nach oben und hämmerte meinen Kopf mit voller Wucht gegen die Massivholz-Ablage über mir. Jenny und der Kunde zuckten durch das laute, dumpfe Geräusch, das den hölzernen Tresen kurz zum Zittern brachte, zusammen. Jedes einzelne Wort hatte ich da unten mitgehört. Ich sprang schnell auf, hielt mir benommen den Hinterkopf und sagte zu dem bierbäuchigen Kunden nur betont freundlich „Vielen Dank für den Einkauf und auch Ihnen einen guten Rutsch…!“

„… ins neue Jahr!“ ergänzte Jenny energisch. Die Schamesröte stand ihr deutlich erkennbar im Gesicht, obwohl sie ansonsten eigentlich nicht so leicht aus dem Konzept zu bringen war. Die ältere Dame, die als Nächstes an der Reihe war, schüttelte angewidert den Kopf, während Sie ihre Ware aus dem Wagen hob. „So einen hab’ ich ja auch noch nicht erlebt“, sagte sie entrüstet. Ich schaute Jenny an und musste ein wenig grinsen.

„Wirklich nicht? Wir schon. Ständig.“

Klugscheißer-Wissen:Mehrkern-Prozessoren, wie sie ab 2006 verstärkt in Computer eingesetzt wurden, sollten ursprünglich keine höhere Leistung bieten, sondern das Problem umgehen, dass Einzelkern-Prozessoren ab einer Frequenz von rund 4 Gigahertz schlicht zu warm wurden. Hat die Klimaerwärmung bislang trotzdem nicht aufgehalten.

 

1 Vgl. „Der Wahnsinn macht Kassensturz“, S. 148

Emotional, rational, scheißegal!

Eine Dame mittleren Alters stand vor mir am Infopunkt und schaute mich hilfesuchend an.

"Entschuldigung, darf ich Sie was fragen?“

"Aber ja, natürlich. Dafür sind wir doch da", antwortete ich, freundlich lächelnd und zu einhundert Prozent Einzelhandels-Lehrbuch-konform. Die Kundin hielt eine kleine, bunt bedruckte Pappschachtel in der Hand. Obwohl es sich nicht um ein Produkt aus meinem Warenbereich handelte, erkannte ich recht schnell, dass sie mir einen Fünferpack Polarisationsbrillen entgegenhielt. Sie wissen schon, diese billigen Plastikbrillen, die Sie im Kino kaufen müssen, wenn Sie sich einen 3D-Film ansehen.

"Diese 3D-Brillen hier", begann die Kundin, "kann ich die für jeden Fernseher benutzen?"

Ich schaute ein wenig unsicher, da ich nicht zweifelsfrei wusste, worauf die Dame jetzt hinauswollte.

" Oder brauche ich dafür wirklich so einen 3D-Fernseher?"

Jetzt wusste ich, worauf sie hinauswollte und meine Stirn begann sich zu runzeln.

"Sie können diese 3D-Brillen auch aufsetzen, um die Zeitung mit räumlicher Tiefe zu lesen. Aber passen Sie dann bitte auf die Schlagzeilen auf, da kann man sich leicht wehtun.“

Oh Gott, wie gerne hätte ich das gesagt! Aber nein, so war ich nicht. Immer schön nach Lehrbuch.

"Ich fürchte, nein. Da benötigen Sie schon einen 3D-Fernseher mit Polarisationstechnik, sonst bringen Ihnen die Brillen leider gar nichts", sagte ich stattdessen betont freundlich.

"Ach so. Naja dann", antwortete die Kundin hörbar resigniert.

Wenn jeder von uns in der komfortablen Lage wäre, nur mit Hilfe einer Polarisationsbrille für drei Euro sein Fernsehbild dreidimensional zu sehen, würden Qualitätsformate wie „Das Supertalent“ oder "Germany's Next Top Model" sicher längst in 3D gesendet werden. Nicht, dass das der Sendung in irgendeiner Hinsicht mehr Tiefe verleihen würde. Also weder optisch, noch inhaltlich.

Verstehen konnte ich die Dame sehr gut. Sie sah diese 3D-Brillen liegen, wunderte sich über den niedrigen Preis und wollte einfach mal wissen, ob man wirklich so günstig an ein plastisches 3D-Erlebnis auf dem heimischen Fernseher kommt. Sie war mit Sicherheit nicht mit dieser Absicht in den Laden gekommen, aber sie wurde neugierig. Da vergaß sie kurz, dass sie eigentlich nur einen Entkalker für Ihre Kaffeemaschine brauchte.

Haben Sie sich mal Gedanken drüber gemacht, warum wir bestimmte Dinge einkaufen? Warum wir losziehen, um Produkt X oder Lebensmittel Y käuflich zu erwerben? Nein? Na, dafür haben Sie ja mich. Ich mache mir ohnehin den ganzen Tag zu viele Gedanken. Ist wohl so eine erbliche Sache.

Ich erinnere mich da gerne an einen Vorfall im Urlaub, vor vielen Jahren, auf der wunderschönen Nordsee-Insel Amrum. Wirklich ein schönes und ruhiges Fleckchen Erde, umgeben von Unmengen rauer, salziger See. Mein Vater hatte an jenem Tag einige Probleme mit dem rechten Ohr. Er hörte dort nur noch sehr dumpf und wenn Sie das schon mal hatten, wissen Sie, wie unglaublich nervig und störend das sein kann, Er unterbrach also unsere kleine Fahrrad-Tour, um einer nahegelegenen Apotheke einen Besuch abzustatten und sich Linderung zu verschaffen. Es dauerte einige Minuten, bis er wieder rauskam. Stolz präsentierte er meiner Mutter, was er sich nach einer kurzen aber eingehenden Beratung für relativ viel Geld gekauft hatte: eine kleine Ampulle Meerwasser-Spray. Als meine Mutter die Aufschrift auf dem kleinen Fläschchen entzifferte, brach sie unmittelbar in schallendes Gelächter aus. Alles, was wir drei irritierten Männer zwischen den hysterischen Lachern und dem Anflug von Schnappatmung noch verstehen konnten, waren die Worte „Lässt sich der a Meerwasser-Spray verkaufen… auf Amrum!“.

Ja, vermutlich hätte man denselben Effekt in dieser geographischen Umgebung etwas günstiger erreichen können, das gebe ich zu. Das war beinahe wie das Sprichwort mit den Kühlschränken und der Arktis. Oder war es die Antarktis?

Egal. Jedenfalls dachte mein Vater nicht großartig nach, was er da tat. Es ging ihm nicht gut und er wollte diesen unangenehmen Zustand schnell beenden. Also, rein und kaufen. Ein klassisches, rationales Kaufmotiv.

Wir Kaufleute – wie wichtig das klingt…- unterscheiden also zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Motiven: dem rationalen und dem emotionalen Kaufmotiv. Oder, um es einfacher zu formulieren, Kopf und Bauch. Ja, genau, diese Mark Forster-Sache da. Es geht also bei allem, wirklich allem, was Sie tagtäglich kaufen, um die simple Grundsatzfrage „Brauch‘ ich das oder will ich das?“.

Noch viel einfacher zu kategorisieren ist das übrigens nur und ausschließlich bei weiblichen Lebewesen… und vielleicht noch bei Guido Maria Kretschmer. Denn diese Personengruppe unterscheidet schon in der grundsätzlichen Bezeichnung der Tätigkeit zwischen rationalen und emotionalen Einkäufen. Wenn Sie sich also fragen, ob das, was Ihre Lebensabschnittsgefährtin heute käuflich erworben hat, rationaler oder emotionaler Natur war, müssen Sie einfach nur sehr genau hinhören. Rationale Dinge werden bei Frauen grundsätzlich eingekauft, emotionale Dinge werden – genau – geshoppt! Im schlimmsten Fall rennt ihnen dabei auch noch ein VOX-Kamerateam hinterher.

Was aber sind nun rationale Käufe und was sind emotionale Käufe? Nun, rationale Käufe sind Käufe die, ganz simpel ausgedrückt, unser Überleben sichern. Brot, Getränke, Meerwasser-Spray. Grundsätzlich sind rationale Käufe also die Käufe, die dafür sorgen, dass unser Leben in seinen einfachsten Grundsätzen funktioniert. Emotionale Käufe hingegen sind bei Männern Videospiele, DVDs, ein schnittiger Sportwagen oder bei Frauen sexy Klamotten, teure Schuhe oder eine Brustvergrößerung.

Um Ihnen deutlich zu machen, wie dicht emotionale und rationale Kaufmotive beieinander liegen können, serviere ich Ihnen mal ein praxisnahes Beispiel: Wenn ich früh morgens zum Bäcker gehe und mir drei Brötchen oder einen halben Laib Brot kaufe, dann ist das in der Regel ein eher rational begründeter Kauf. Schließlich brauche ich ja was zu Essen. Gehe ich aber frühmorgens zum Bäcker und kaufe mir zusätzlich zu meinen Brötchen einen Cappuccino „to go“, obwohl ich zuhause einen Mittelklasse-Kaffeevollautomaten stehen habe, dann ist das ein eher emotionaler Kauf. Nicht, weil ich unbedingt den Kaffee vom Bäcker haben möchte, aber weil ich es unterbewusst als bequemer empfinde. Ja, auch Bequemlichkeit ist eher ein emotionales Kaufmotiv. Gehe ich nun aber frühmorgens in der rationalen Absicht zum Bäcker, mir drei Brötchen zu kaufen, komme stattdessen aber mit zwei Quarktaschen und einem Latte Macchiato „to go“ raus…? Richtig, dann ist das ein Paradebeispiel dafür, dass die Emotionen die Rationalität in den – pardon! - Arsch gefickt haben und ich mich wundere, warum ich gerade sechs Euro ausgegeben habe, obwohl ich doch eigentlich nur drei Brötchen wollte!

Sie sehen, Emotionen sind Miststücke, die unsere ganze rational geplante Kaufabsicht regelmäßig durcheinanderwerfen. Und wissen Sie was? Diese perfiden Ratten in den Werbeagenturen wissen genau über diese menschlichen Schwachstelle Bescheid und nutzen Sie schamlos aus. Welchen Impuls wollen die denn mit ihrer Werbung ansprechen? Rationalität oder Emotionalität? Das Wissen, etwas zu benötigen oder den Wunsch, etwas haben zu wollen? Natürlich Letzteres, alles andere wäre ja reichlich dämlich. Wie albern würde denn ein rationaler Werbespot klingen?

"Kaufen Sie Brot! Sie müssen was essen!"

Wow, Hammer. Das spricht mich total an und sagt mir nichts, was ich nicht schon gewusst hätte. Super, danke auch.

Viel besser funktioniert da der emotionale Werbespot, der Ihnen sofort einen Kaufimpuls in den Frontalcortex tackert:

"Kaufen Sie Brot! Auf frischem, knusprigem Brot schmeckt Nutella am besten!"

Sehen Sie, jetzt wollen Sie ein großes Glas Nutella und einen riesigen Suppenlöffel. Als ob man dafür Brot bräuchte, so ein Blödsinn. Spätestens jetzt sind Sie in der Kaufimpuls-Falle und sie schnappt zu! Zack, schon wetzen Sie los und kaufen sich für fast sechs Euro ein 1000 Milliliter XXL-Glas Nutella. Herzlichen Glückwunsch, Sie Konsum-Zombie, Ferrero hat Ihnen gerade den Kopf gevögelt.

Dabei kann ein emotional begründeter Kauf durchaus etwas sehr, sehr Positives für uns sein. Wenn wir uns etwas kaufen, das wir eigentlich nicht brauchen aber für unser Wohlbefinden gerne hätten, dann schütten wir Glückshormone aus. Herrje, ich klinge wie Eckart von Hirschhausen, so tun Sie doch irgendwas!

Es ist einfach ab und an nötig und wichtig, dass wir uns selbst belohnen. Eine Belohnung für den ganzen Mist, den wir jeden Tag erleiden müssen. Sei es auf der Arbeit oder im Privaten, jeder von uns hat sein Päckchen zu tragen, hat Kummer, Sorgen oder Probleme. Auch ich selbst muss mich immer mal wieder in losen Abständen dazu geißeln, mir etwas zu gönnen. Mir fällt das schwer, denn ich bin ein durchaus sparsamer Mensch, der bei unnötigen Käufen schnell mal ein schlechtes Gewissen bekommt. Völlig grundlos, zumeist, denn es ist Quatsch. Gönnen Sie sich mal was! Egal, ob was Kleines, oder was Großes. Egal, ob es das gute Buch ist, für das Sie sich jetzt endlich mal die Zeit nehmen wollen – also dieses hier natürlich! - oder ob Sie sich schon lange einen neuen Fernseher kaufen wollten. Tun Sie es doch einfach. Was wollen Sie mit Ihrem Geld auf der Bank? Da kriegen Sie eh nichts dafür. Haben Sie das mitgekriegt? Es gibt jetzt Negativzinsen! Wie krank ist das? Gönnen Sie sich eine Belohnung für sich selbst. Sie brauchen das ab und zu und Sie haben es verdient, das garantiere ich Ihnen. Ich nehme mich da selbst gar nicht aus. So, und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich stehe grad an der Kasse und muss meine Zwölfer-Steige Nutella bezahlen.

Klugscheißer-Wissen:Nutella wird im deutschen Sprachgebrauch in der Regel mit dem Artikel „das“ oder „die“ verwendet. Nur im westlichsten Randgebiet Deutschlands hat sich vermehrt „der“ Nutella durchgesetzt. In Südtirol hingegen nutzt man einheitlich den Artikel „die“.

Er ist wieder da!

Das konnte einfach nicht wahr sein, dachte ich. Das konnte nicht sein. Hektisch blätterte ich die Reiter in unserem Warenwirtschaftsprogramm durch und schaute, ob die Ware, die ich vermisste, vielleicht noch im Wareneingang feststeckte oder noch nicht eingebucht wurde.

„Alles okay, Cheffe?“, fragte Pavel, der bereits eine Weile beobachtete, wie ich verwirrt auf die Tastatur hämmerte und die Maus entnervt vergewaltigte. Mein junger, stets motivierter und immer freundlicher Kollege mit der minimal hörbaren, osteuropäischen Sprachfärbung, schien sich Sorgen um das Wohlbefinden seines Vorgesetzten und der PC-Peripherie zu machen.

„Nix is‘ okay“, grunzte ich knapp zurück. „Wir haben doch nächste Woche dieses Compaq-Notebook für 229 Euro in der Werbung…“

„Ah, richtig, der Preishammer, den uns die Zentrale schon vor ein paar Wochen angekündigt hat“, erinnerte sich Pavel in einem für ihn erstaunlich ruhigen Ton.

„Genau der. Zweihundert Stück hab‘ ich beim Einkauf angefordert. Die schieben wir für den Preis locker durch. Weißt, wieviele wir bekommen haben, Pavel?“, fragte ich hörbar genervt.

„Mein Feingefühl und meine ausgeprägte Fähigkeit des Zeilenzwischenlesens sagen mir: keine Zweihundert?“, fragte Pavel schnippisch.

„45! Pavel… fünfundvierzig! Nicht mal ein Viertel meiner Bestellmenge! Angeblich alles, was noch da war.“

„Pavel gut in Kopfrechnen, El Maestro. Aber dann müssen wir halt damit arbeiten, Angebote solange der Vorrat reicht – steht doch extra drunter.“

Pavel hatte freilich recht, dennoch musste, so war es im Handelsgesetzbuch an irgendeiner Stelle festgeschrieben, ein Werbeangebot in „ausreichender Stückzahl“ verfügbar sein. Diese rechtliche Klausel war natürlich, wie so oft im Juristendeutsch, sehr großzügig auslegbar. Würde ein Discounter großspurig mit einem tollen Computer werben und dann aber pro Filiale nur drei Exemplare vorrätig haben, wäre das durchaus grenzwertig und diskutabel. Es erschien mir jedoch unwahrscheinlich, dass wir mit unseren gut vier Dutzend Notebooks nun ebenfalls in diesen grenzwertigen Bereich rutschen würden. Dennoch befürchtete ich eine deutlich höhere Nachfrage.

„Oh Pavel, da werden wir uns trotzdem Einiges anhören dürfen“, gab ich zu bedenken.

Pavel winkte gelangweilt ab. „Lass se‘ kommen, El Capitan, Pavel ist teflonisiert, rutscht alles an Pavel ab, wie überreifes Spiegelei.“

Schon wieder hatte er Recht, zu sehr zu Herzen nehmen durfte man sich die Befindlichkeiten erzürnter Kunden nicht. Aber darin war ich leider noch nie wirklich gut, ich nahm die Beschwerden wütender Kunden viel zu oft persönlich, war da viel zu emphatisch.

„Ich hol‘ Notebook und bau‘s auf!“, rief Pavel plötzlich, löste sich neben mir in eine große Staubwolke auf, rannte wie von der Tarantel gestochen ins Lager und ließ die große Feuerschutztür mit einem dicken Rumms ins Schloss fallen. Was war denn jetzt plötzlich mit…?

„Gott zum Gruße, junger Mann, ich hoffe, Sie haben Ihre Feiertage schön verlebt? Hören Sie, ich hätte da ein Problem…“

Um Himmels willen, nein. Bitte nicht. Nicht er! Nicht jetzt!

„Kennen Sie mich denn nicht mehr, Herr Kübelbein?“, fragte der ältere Herr mit der albernen Fischermütze, als ich im Schock kein Wort mehr rausbekam.

„Nein nein, wie könnte ich Sie denn vergessen, Sie sind doch einer meiner… Lieblingskunden.“