Der Wal - Cheon Myeong-kwan - E-Book

Der Wal E-Book

Cheon Myeong-kwan

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Beschreibung

»Der Wal« erzählt die abenteuerliche Geschichte zweier Frauen: die von Kūmbok, einem ehrgeizigen Mädchen vom Land, das zur erfolgreichen Unternehmerin, Fabrikbesitzerin und Kinobetreiberin avanciert und mit seinem mysteriösen Duft die Männer um den Verstand (und manche von ihnen um ihr Leben) bringt; und die von Kūmboks stummer, trotz ihrer furchteinflößenden Gestalt sanftmütigen Tochter Ch'unhūi, die ungewollt schuld wird an einem verheerenden Brand, der den Untergang einer ganzen Stadt nach sich zieht, dafür jahrelang im Gefängnis sitzt und schließlich an den Ort ihrer Kindheit, eine inzwischen verfallene Ziegelfabrik, zurückkehrt.

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Cheon Myeong-kwan

DER WAL

Aus dem Koreanischen vonMatthias Augustin und Kyunghee Park

Roman

Die Übersetzung und Veröffentlichung wurde vom Korea Literature Translation Institute (LTI) gefördert.

Originaltitel: »« (Whale)

Originalverlag: Munhakdongne, Paju, 2004

2. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten

© 2004 by Cheon Myeong-kwan

© 2022 der deutschsprachigen Ausgabe by Weissbooks Verlagsgesellschaft mbH, Berlin

Umschlagmotiv: © Harald Hohberger Grafikdesign, Berlin, unter Verwendung der Illustration »Sibbald’s Rorqual or Blue Whale« von Archibald Thorburn, L.P. London: Longmans & Co., 1920

Gestaltung und Satz: Harald Hohberger Grafikdesign, Berlin

eISBN 978-3-86337-209-5

www.weissbooks.de

[email protected]

Inhalt

Erster Teil: Am Hafen

Die Fabrik

Das Kuriosum

Die Einäugige

Das Mädchen

Am Hafen

Der Schauermann

Laura

Der Mann mit der Narbe

John Wayne

Das Ungeheuer

Regensturm

Abfahrt

Wanderschaft

Die Zwillinge

Zweiter Teil: P’yŏngdae

Feinstrahl

Kaffee

Blitzschlag

Nambaran

Der Elefant

Dreirad

Sumpf

Ziegelsteine

Doppelknochen

Skandal

Die Bienen

Die Schamanin

Katarakt

Leichtes Mädchen

Der Wal

Er oder sie

Das Gespenst

Vorabend

Die Feuersäule

Dritter Teil: Die Fabrik

Die Brandstifterin

Das Gefängnis

Berkshire

Der Maskenmann

Von königlichem Adel

Haftentlassung

Heimkehr

Das Tal

Der Lastwagen

Schneesturm

Das Nationaltheater

Ch’unhŭi oder Die Königin

Epilog eins

Epilog zwei

Erster Teil: Am Hafen

Die Fabrik | Das Kuriosum | Die Einäugige | Das Mädchen | Am Hafen | Der Schauermann | Laura | Der Mann mit der Narbe | John Wayne | Das Ungeheuer | Regensturm | Abfahrt | Wanderschaft | Die Zwillinge

Die Fabrik

Ch’unhŭi – so hieß die Fabrikarbeiterin, der Nachwelt allgemein als »Die Ziegelkönigin« bekannt, mit ihrem richtigen Namen. Von ihrer Existenz hatte als Erster der Architekt berichtet, der mit dem Bau des Nationaltheaters beauftragt worden war. Im Winter des letzten Kriegsjahres von einer Bettlerin in einem Viehstall zur Welt gebracht, wog sie schon bei ihrer Geburt sieben Kilogramm, und noch vor ihrem dreizehnten Geburtstag brachte sie mehr als zwei Zentner auf die Waage. Das Mädchen war stumm und verbrachte einsame Kindheitsjahre, verschlossen in seiner eigenen Welt. Ch’unhŭis Stiefvater, ein Mann namens Mun, lehrte sie sämtliche Methoden der Ziegelherstellung. Jahre später, nach einem Großbrand, der mehr als achthundert Menschen das Leben kostete, nahm man Ch’unhŭi als Brandstifterin fest und sperrte sie ins Gefängnis. Die Haft war lang und grausam, und als man sie entließ, kehrte Ch’unhŭi zur alten Fabrik zurück. Sechsundzwanzig Jahre alt war sie damals.

An jenem Tag im Sommer, an dem die Sonne dem Erdball so nahe kam, dass man glaubte, sie könnte Gusseisen zum Schmelzen bringen, stand Ch’unhŭi in ihrer blauen Sträflingskluft mitten im Hof der Ziegelfabrik. Die Wasserpumpe auf dem Hof war schon lange außer Betrieb, nur eine vertrocknete Pfütze rostiger Brühe hatte eine deutliche Spur auf dem Boden hinterlassen. Portulak, Disteln, mannshoher Beifuß und anderes Unkraut hatte den von den Tritten der Arbeiter festgestampften Boden um die Brennöfen durchbrochen und bildete ein wirres Gestrüpp. Besonders der Feinstrahl, der das Werk schon seit jeher dicht umstand wie ein Belagerungsheer, hatte in aller Stille, kaum, dass der Burgherr fortgezogen war, das gesamte Areal besetzt. Das Werk an sich bestand im Grunde genommen nur aus einer Reihe von Ziegelöfen und einem aus Holz und Wellblech zusammengezimmerten Wohnhaus; während Ch’unhŭis Zeit im Gefängnis war die Anlage allerdings stark verfallen und jetzt keines der Gebäude mehr intakt. Ob zwischen den Rissen in den Mauern der Brennöfen oder auf den Holzdielen des Hauses, ob auf den dunkel vermoosten Wellblechdächern, überall blühte der Feinstrahl. Das war das Gesetz der Natur.

Ch’unhŭi überblickte den großen Hof, in dem sie vor langer Zeit als kleines Mädchen herumgetollt war. Von der einst dichtbelaubten Pappel neben der Pumpe war nur noch ein fauliger Stumpf übrig, an dem statt Blättern fleischige Baumpilze wuchsen. Der Schweißgeruch und der Lärm der Arbeiter, der die Fabrik erfüllt hatte, nichts von dem war mehr da, Ch’unhŭi war völlig allein. Ihre Augen haschten ringsumher nach den Bildern der Erinnerung, die ihr auf dem ganzen Weg zurück hierher vor Sehnsucht die Brust zugeschnürt hatten, angestrengt versuchte sie, Spuren von Menschen zu entdecken, doch alles war fortgeweht vom Wind, fortgewaschen vom Regen der langen Jahre, in welchem Winkel der Fabrik man auch suchte.

Leben heißt doch nur, wieder und wieder den Staub wegzuwischen, der sich pausenlos ansammelt.

So die Worte einer von Ch’unhŭis Mitinsassinnen. Die Frau mit dem über und über von Sommersprossen bedeckten Gesicht hatte ihrem Mann und ihren zwei Töchtern Gift ins Essen gemischt und war für die Morde zum Tod verurteilt worden. Zyankali, so nannte man sie daher auch, fegte und wischte bis zur Vollstreckung ihrer Strafe pausenlos Staub. Wenn die anderen Frauen in ihrer Zelle sich darüber lustig machten, dass eine Todeskandidatin sich in den wenigen verbliebenen Tagen mit Putzen abgab, hatte Zyankali mit ebendiesen Worten geantwortet, den Boden weiter mit ihrem Putzlappen bearbeitend. Und hinzugefügt: »Sterben ist nichts Besonderes, nur so etwas wie angesammelter Staub.« Ch’unhŭi hatte den Sinn dieser Worte nicht verstanden, doch als sie sich an diesem Tag der Ruine des Hauses näherte, kam ihr plötzlich Zyankalis rätselhafter Ausspruch in den Sinn.

Die sengenden Strahlen der Hochsommersonne brannten auf ihrem Kopf. Ihr wurde schwindlig, für einen Moment blieb sie stehen. Die schmale Zufahrt, die von der Unterführung der in einiger Entfernung liegenden Bahnstrecke zur Fabrik führte, war schon seit Langem von Unkraut überwuchert und nicht mehr zu erkennen. Mühsam hatte Ch’unhŭi sich den Weg durch das Dickicht gebahnt, ihre Hosen waren voller Staub und Grasflecken. Bei jedem Schritt quoll Blut aus der Stelle am großen Zeh, wo der Nagel abgerissen war, und netzte die verdorrte Erde. Überall lagen die Scherben der Ziegel herum, die von den Dorfbengeln vor Jahren schon zerschmissen worden waren, und in den kleinen Pfützen vom Regen vor ein paar Tagen zappelten Mückenlarven in der Sonnenhitze.

Ch’unhŭi betrat den von gelbbraunem Staub bedeckten Eingangsraum des Hauses. Zwischen den Ritzen des zerbrochenen Dielenbodens reckte Borstengras seine Köpfe nach oben. Als sie die schief in den Angeln hängende Tür beiseiteschob, strömte ihr aus dem dämmerigen Raum Schimmelgeruch entgegen, vermischt mit einem widerlichen Gestank wie von tierischen Ausscheidungen und faulen Eiern. Rasch gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und das Innere des Raums wurde erkennbar. Vor einem zerbrochenen Kleiderschrank lag ein staubiges Bündel Kleider, daneben ein vertrockneter Mäusekadaver.

An den Wänden wuchs schwarzer Moder, und mitten von der Decke des Zimmers hing die Tapete gespenstisch in Streifen herab. Nachdem sie sich einen Moment umgesehen hatte, ging Ch’unhŭi durch eine zersplitterte Seitentür in die Küche des Hauses, die sie in einem noch erbärmlicheren Zustand fand. Wände und Decke waren vollkommen schwarz vor Ruß, Regal und Herd lagen umgestürzt in einer Pfütze fauligen Wassers auf dem Fußboden. Von dem großen gusseisernen Kessel, der zum Herd gehört hatte, war weit und breit nichts zu sehen. Auf der Erhebung, wo früher einmal die Feuerstelle gewesen war, lag ein verbeulter Topf aus Neusilber zwischen halbverbranntem Feuerholz. Kurz glaubte Ch’unhŭi, würzigen Feuerrauch und den köstlichen Duft nach gedämpftem Reis zu riechen, aber ihre Sinne hatten ihr einen Streich gespielt. Was ihr in die Nase stieg, war nur der kalte Schimmelgeruch, von der Wärme eines Feuers war nirgends in der Küche etwas zu spüren.

Sie öffnete die Küchentür zum Hof und trat nach draußen. In der Ferne fuhr ein Zug vorbei und ließ sein Signal ertönen. Ch’unhŭi ging weiter zu den Brennöfen. In der ersten Zeit, nachdem sie von der Polizei verhaftet und von der Fabrik weggebracht worden war, hatten Leute sich mit Handkarren zu der nun herrenlosen Fabrik aufgemacht und von den Ziegelsteinen geholt, um damit ihre Fußböden oder eine alte Herdstelle auszubessern, und mit den dann noch übrigen Steinen hatten die Jungen aus dem Dorf ihren Schabernack getrieben. Danach war es still im Werk geworden. Nur Füchse und Dachse und andere Wildtiere kamen anfangs noch jede Nacht und stöberten nach Essensresten, während das Unkraut alles zuwucherte und der vom Westwind herangewehte Erdstaub allmählich alle menschlichen Spuren tilgte.

Als Ch’unhŭi in den Ofenraum eintrat, wehte ihr ein kalter Hauch entgegen. Anders als draußen hatte sich im Inneren des Gebäudes nicht viel verändert. Zwar fielen ein paar Sonnenstrahlen durch die Spalten des beschädigten Mauerwerks, doch aus dem höhlenhaft düsteren Ofeninneren zog ein stetiger Strom kalter Luft. Sie setzte sich auf den Boden, lehnte sich mit dem schweißnassen Rücken an die kühle Ofenwand, und sofort fielen ihr die Augen zu. Ringsum war alles still, sogar die Insekten schienen in der mörderischen Hitze den Atem anzuhalten.

Halb wie im Traum, halb wie in der Wirklichkeit erschien der mit Ziegeln vollgepackte Fabrikhof vor ihren Augen. Sie sah sich selbst als Kind, wie sie zwischen den Ziegelstapeln im Zickzack hin und her rannte. Auch ihren Stiefvater glaubte sie zu hören, sein Gebrüll, mit dem er die Arbeiter angetrieben hatte, und das stark geschminkte Gesicht ihrer Mutter mit den lachenden Augen tauchte vor ihr auf, dann die Szene eines Films, den sie zusammen im Kino gesehen hatten; Gewehrschüsse, der Klang von Pferdehufen und kreischende Blondinen vermischten sich in ihren Ohren zu einem wilden Wirbel. Dann wieder ein Geräusch, das sich anhörte wie das Wort »Berkshire«, geflüstert von einem der Gefängniswärter, der sie beharrlich verfolgt und gequält hatte. Das Wort bezeichnete sowohl eine Gegend in England als auch die von dort stammende Schweinesorte, was Ch’unhŭi aber niemals erfuhr. Später hatte dieser Wärter bis zu seinem Lebensende eine Maske aus Aluminium tragen müssen, nachdem ihm Ch’unhŭi mit den Zähnen ein großes Stück seiner Wange aus dem Gesicht gerissen hatte. Die Qualen, die sie als Frau dafür zu erleiden hatte, sind zu schrecklich, als dass man sie in Worte fassen könnte, aber all das war nun Vergangenheit. Der Schmerz war verblasst, man hatte sie aus dem Gefängnis entlassen, und jetzt war sie in das verfallene Ziegelwerk zurückgekehrt.

Wieder klang das Geräusch eines vorbeifahrenden Zuges in ihren Ohren, kaum wahrnehmbar, fast wie eine Sinnestäuschung. Ch’unhŭi lief mitten durch den Feinstrahl einem weißen Schmetterling hinterher. Die Stängel reizten die Haut ihrer blanken Waden, doch auch von diesem Brennen ließ sich nicht sagen, ob es Traum war oder Wirklichkeit. Unversehens stieg der Schmetterling in den Himmel empor und entfernte sich mit einem schwachen Blinken.

Lodernd stiegen die hellroten Flammen auf. Von den dicken, sehnigen Unterarmen der Männer, die Kohlen in die züngelnde Glut des Ofens schaufelten, perlte der Schweiß, ihre nassglänzenden Gesichter glühten rot von der Hitze und dem Feuerschein, der aus der Öffnung schlug. Mit jeder Schaufel Kohle stoben aus dem Inneren des Ofens Funken wie Blütenblätter empor. Ch’unhŭi saß vor dem Ofen und betrachtete das Feuer. Hinter den roten und blauen Flammen härtete eine Ladung Ziegel aus. Ihr Kopf war heiß, sie schnappte nach Atem, aber sie konnte sich nicht bewegen. Das Feuer wurde immer stärker, es leckte mit seinen hellroten Zungen aus dem Ofen, als wollte es das Mädchen im nächsten Augenblick verschlucken. Wenn Ch’unhŭi weiter so sitzen bliebe, würde sie in die Ofenöffnung gesaugt und augenblicklich zu Asche zerfallen. Ich muss aufstehen und schnell weg hier, dachte sie, aber seltsamerweise konnte sie sich kein Stückchen rühren, es war, als stecke sie unter einem schweren Felsen fest. Keiner der Männer an den Öfen nahm von Ch’unhŭi Notiz. Sie wollte rufen, aber aus ihrem trockenen Hals kam nur ein leises, sonderbares Stöhnen. Das Feuer flackerte schon vor ihrer Nase. Dann schlug eine besonders große Flamme in ihr Gesicht. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und sprang auf die Beine.

Als Ch’unhŭi aufwachte, war ihr blauer Sträflingsanzug völlig von Schweiß durchnässt und dampfte wie ein Trog mit frischgekochtem Viehfutter. Die Sonne stand nun höher, ihre Strahlen fielen durch die Lücken der Mauer direkt auf die Stelle, an der sie vorhin eingeschlafen war. Ihre Kehle war ausgetrocknet, und ihr dunkel verbranntes Gesicht glühte, als stünde es in Flammen. Sie wollte aufstehen, doch dazu fehlte ihr die Kraft. Mit den Armen zog sie sich mühsam über den Boden bis zu einer Stelle, wo die Sonnenstrahlen sie nicht erreichten. Sie trug keine Schuhe, nur die Sträflingskluft hatte sie am Leib. Ihre eigenen Kleider waren während der langen Haftzeit verschwunden, so dass ihr nichts anderes übriggeblieben war, als das Gefängnis in Häftlingskleidung zu verlassen. Sie schloss die Augen, schwer atmend lehnte sie sich für einen Moment an die Ofenmauer.

Nachdem Ch’unhŭi vor neun Tagen das Gefängnistor passiert hatte, war sie zunächst ziellos, ihrem Instinkt folgend, in Richtung Süden losgelaufen. Erst als sie die Stadt, in der das Gefängnis stand, hinter sich gelassen hatte und auf eine Bahnstrecke stieß, wurde ihr klar, dass ihre Füße sie zu der Ziegelfabrik trugen. Ab jetzt folgte sie immer weiter den Gleisen. Wenn es Nacht wurde, schlief sie kurz, an einen der Grabhügel in der Nähe der Bahnstrecke gekauert, und wenn sie Hunger hatte, suchte sie weiter unten im Tal nach Quellwasser und trank, bis ihr Bauch gefüllt war. Manchmal fand sie im kalten Wasser ein paar Schnüre Molchlaich, die aß sie dann, oder sie pflückte Maulbeeren von den Feldern. Ihre Füße waren bald voller Blasen, die aufplatzten und unter denen das rohe Fleisch zum Vorschein kam. Sie schleuderte die Schuhe weg und ging barfuß weiter. Zwar war es nicht leicht, unter der Hochsommersonne auf den Gleisen entlangzulaufen, aber da sie vermeiden wollte, auf andere Menschen zu treffen, blieb sie nach Möglichkeit in Sicht der Bahnstrecke. Wenn ein größerer Bahnhof näher kam, verließ sie die Gleise und machte einen weiten Bogen um den Ort.

Am dritten Tag stieß sie mit dem Fuß an eine Bahnschwelle und brach sich den Nagel der großen Zehe ab. Seither quoll unaufhörlich schwärzlich rotes Blut aus der Wunde. Sie presste den Zeh an das aufgeheizte Metall der Schiene. Der stechende Schmerz, der von der Fußspitze aus ihren ganzen Körper durchströmte, wirkte seltsam erfrischend. Dann und wann fielen Regenschauer und brachten ein wenig Abkühlung, doch in der vollgesogenen Sträflingskleidung fiel das Laufen dann umso schwerer.

Ihr gewaltiger Leib bewegte sich langsam, aber stetig und ohne Pause in Richtung Süden. Am Morgen des neunten Tages entdeckte Ch’unhŭi schließlich vom Bahngleis aus die in einiger Entfernung wie Streichholzschachteln in einer Reihe stehenden Öfen des Ziegelwerks. Aus ihrem hohlen Magen drängte etwas nach oben und schnürte ihr den Hals zu. Sie setzte sich neben die Gleise und sah leeren Blickes auf die Fabrik hinab. Die ganze Zeit lang war sie einfach nur ihrer inneren Stimme gefolgt, die ihr sagte, sie müsse zurückkehren, doch was sie hier nun anfangen sollte, darüber hatte sie nicht nachgedacht.

Als Ch’unhŭi ihren Kopf von der Bahnlinie in die entgegengesetzte Richtung wandte, erblickte sie in weiter Ferne am Rand der Berge die Stadt P’yŏngdae. Vom Morgennebel eingeschlossen, offenbarte der Ort seine undeutliche Gestalt, wie eine einst florierende, aber längst verfallene altertümliche Metropole. Was selbst aus der Distanz außergewöhnlich deutlich ins Auge fiel, war die Ruine des zwischen den anderen Gebäuden emporragenden Filmtheaters. Sie glich in ihrer Form einem gigantischen, zum Luftholen aus dem Meer auftauchenden Wal, nach einem Entwurf, der auf Ch’unhŭis Mutter Kŭmbok zurückging. In Ch’unhŭis Kopf tauchten Bilder auf von grellen Reklameschildern, vor dem Kino auf Einlass wartenden Menschenmassen und fahrenden Händlern, die Knabbereien feilboten. Doch all jenes Treiben war schon vor langer Zeit verstummt, seit dem Brand, bei dem das ganze Gebäude in Flammen gestanden und eine Feuersbrunst von fürchterlicher Gewalt sich zum Himmel erhoben hatte. Alle Feuerwehrwagen der Stadt waren mobilisiert worden, doch man hatte den wütenden Brand nicht unter Kontrolle bringen können. Aus der Ferne hatten die Menschen zuschauen müssen, wie das grandiose Bauwerk vollkommen ausbrannte. Dann hatte das Feuer auf den nebenan gelegenen Markt übergegriffen, und am Ende jenes Tages war der Untergang der Stadt P’yŏngdae besiegelt. Während Ch’unhŭi im Gefängnis ihre Strafe absaß, verließen die Bewohner einer nach dem anderen den verfluchten, hoffnungslosen Ort, und keiner von ihnen kehrte je zurück. Der Bahnhof wurde geschlossen und das menschenleere P’yŏngdae, dem Kreislauf der Natur überlassen, verfiel allmählich.

Ch’unhŭi trat aus dem Ofenraum und ging hinüber zu der Stelle, an der die Pumpe stand. Vor allen Dingen brauchte sie erst einmal Wasser. Doch die rostüberzogene Pumpe mit ihrer rissigen Gummidichtung sah nicht so aus, als würde sie jemals wieder funktionieren. Ch’unhŭi holte den schwarz verrußten Topf aus der Küche und begann, die Umgebung nach Wasser abzusuchen. Bald fand sie einen schmalen Graben neben der Zufahrt zu der Bahnstrecke, in dem unter wild wucherndem Knöterich lauwarmes Wasser stand. Behutsam schöpfte sie mit den Händen von dem Wasser in den Topf. Das Gelände, auf dem die Fabrik sich befand, war ursprünglich Sumpfgebiet gewesen. Ch’unhŭis Mutter hatte Unmengen von Kies und Erde herbeibringen lassen müssen, um den Untergrund zu befestigen. Ein wahnwitziges Unterfangen, das sich durch die späteren Erträge des Ziegelwerks dennoch um ein Vielfaches ausgezahlt hatte.

Mit dem randvollen Topf ging Ch’unhŭi zurück, goss das Wasser in die obere Öffnung der Pumpe und begann hastig, den Schwengel zu betätigen. Aber das Wasser verschwand sofort, aus der Pumpe entwich nur pfeifend Luft. Ein größerer Wasserbehälter war nötig. Ch’unhŭi machte sich im Umkreis der Fabrik auf die Suche, und wider Erwarten entdeckte sie in einer nahen Wiese einen gusseisernen Kessel, den aus der Küche verschwundenen großen Herdtopf. Zwar hatte er Rost angesetzt und an einer Seite fehlte der Henkel, aber Löcher hatte er keine, und wenn man nur den Rost entfernte, würde er sich durchaus wieder verwenden lassen.

Vor langer Zeit hatte Ch’unhŭis Mutter in diesem Kessel für die Fabrikarbeiter Nudeln gekocht, oder im Sommer Suppe aus dem Fleisch eines Hundes, den sie an der Pappel festgeleint aufgezogen hatte. An Hundesuppentagen geriet die ganze Fabrik in Aufruhr. Schon wenn morgens auf einer Seite des Hofes Ziegel zu einer Herdstelle aufgestapelt, der Kessel daraufgesetzt und Wasser erhitzt wurde, schielten die Männer immer wieder mit wässernden Mündern von ihrer Arbeit zu der Stelle hinüber. Wenn dann endlich mit Einbruch der Dämmerung der Geruch der Hundesuppe durch das Werksgelände zog, strömten die Männer mit einem verlegenen Grinsen im Gesicht herbei und scharten sich um den Kessel. Ch’unhŭis Mutter machte derbe Witze und füllte jedem eine Schüssel voll mit dem kochend heißen Gebräu, das von den Männern schwitzend und laut schlürfend mit Hochgenuss vertilgt wurde. Eine gute Zeit war es gewesen, in der es stets in Hülle und Fülle zu essen gab.

Ch’unhŭi brachte den Kessel zum Graben. Mit dem Topf schöpfte sie von dem Wasser in den Kessel, ungezählte Male, bis dieser ganz gefüllt war. Noch währenddessen beschlich sie das ungute Gefühl, dass etwas im Dickicht lauerte. So war es auch, denn als sie das dichte Gras zur Seite zog, schlängelte eine dicke Natter hervor und bewegte sich zum Grabenrand. Ch’unhŭi ergriff rasch das Schwanzende und schleuderte die Schlange mehrmals heftig auf den Boden, bis sie leise zitternd ausgestreckt liegenblieb. Ohne sich weiter um das Tier zu kümmern, hievte Ch’unhŭi den Kessel mit aller Kraft hoch. Ihre Beine schwankten unter der Last. Es war nicht allzu weit vom Graben bis zur Pumpe, aber nach neun Tagen ohne Essen und bis zum Äußersten erschöpft, war es kein leichtes Unterfangen, den Kessel hinüberzutragen. Selbst zwei starke junge Männer hätten mit dem randvoll sechzig Kilogramm schweren Gefäß ihre Mühe gehabt. Viermal musste Ch’unhŭi absetzen und verschnaufen.

Nachdem sie die Pumpe aufgefüllt hatte, betätigte sie erneut den Schwengel. Doch auch jetzt war das Wasser gleich wieder verschwunden und aus der Öffnung pfiff nur Luft heraus. Als fast alles Wasser aus dem Kessel verbraucht und Ch’unhŭi schon kurz davor war, vor Erschöpfung aufzugeben, kam endlich ein Zeichen. Sie spürte, wie ein schwerer Widerstand den Pumpschwengel bremste, und nach einem Schwall hellroter Rostbrühe begann kaltes Grundwasser zu fließen. Ch’unhŭi hielt den Mund an das Pumpenrohr und trank lange. Das kalte Wasser lief durch die Speiseröhre in den Magen und verursachte ein betäubendes, gleichzeitig elektrisierendes Gefühl im ganzen Körper. Eine ganze Weile saß sie nach Luft schnappend da, dann stand sie auf und fing an, den Sträflingsanzug auszuziehen.

Unter der Hochsommersonne kam ihr bloßer Leib zum Vorschein, gewaltig wie der eines Wasserbüffels. Obwohl sie so viele Tage ohne Nahrung gewesen war, hatte Ch’unhŭi kein einziges ihrer einhundertzwanzig Kilogramm eingebüßt. Dabei war sie nicht dick, wie andere Frauen es bei diesem Gewicht wohl gewesen wären, mit ausladenden Bäuchen und fetten Hintern. Ihre von der vielen körperlichen Arbeit abgehärteten, kräftigen Unterarme und breiten Schultern ließen an eine Athletin denken, und die dunkel verbrannte Haut verlieh ihr ein noch robusteres Aussehen. Darüber hinaus wurde ihr annähernd ein Meter achtzig großer Leib von zwei Beinen getragen, die so rund und stark waren wie Eichenstämme. Ein wahrhaft grandioser Anblick. Sie ging auf die dreißig zu, aber ihre Brüste waren, da sie nie ein Kind zur Welt gebracht hatte, immer noch fest, mit Brustwarzen, die spitz aus handtellergroßen Höfen standen.

Ch’unhŭi füllte den Kessel an der Pumpe auf, nahm den kleinen Topf zum Wasserschöpfen und goss einen Schwall über sich. Bei der Berührung mit dem kalten Grundwasser zuckte ihr von der Hitze erschöpfter Körper zusammen, unwillkürlich stöhnte sie auf. Neben der Pumpe fing sie an sich zu waschen.

Diese Hülle aus Haut und Fleisch, die ungeliebt gebliebene Hauptfigur eines dramatischen Schicksals, die Ch’unhŭi wie eine unabstreifbare, vom Himmel als Strafe verordnete Uniform lebenslang in sich einsperrte und schließlich nach langer Wanderung wieder hierher zur Ziegelfabrik geführt hatte, jeden Winkel dieser sonnenverbrannten und von Narben übersäten, aber immer noch straffen Hülle wusch und schrubbte Ch’unhŭi, wie in einem Akt der Selbstbefriedigung, sanft und heimlich und ausdauernd.

Sie musste an die Worte ihres Stiefvaters und Lehrers Mun denken, der sie als Mädchen, das damals schon an die hundert Kilogramm wog, immer an der Pumpe gewaschen hatte:

Ch’unhŭi, lass es dir gesagt sein, es ist ein besonderes Glück, dass du mit deinen dicken Beinen mehr Lehm stampfen und mit deinen starken Armen mehr Ziegelsteine tragen kannst als jeder Mann hier.

Ch’unhŭi wusste, dass Mun später erblindet und allein und einsam einen traurigen Tod gestorben war. Mit einem Mal wurde ihr schwer ums Herz und sie hielt einen Moment lang mit ihrer Wäsche inne, aber sie weinte nicht. Als sie endlich fertig war, wusch sie noch den Sträflingsanzug, so gründlich, als wolle sie ihn zerreiben, und legte ihn zum Trocknen aufs Gras.

Ein Windzug trug die Kühle des fernen Tals heran. Ch’unhŭi schloss die Augen und genoss die Brise, die ihren gewaltigen nackten Leib umspielte. Zum ersten Mal seit Langem fühlte sie sich erfrischt. Ihre feinen Sinne waren nach dem Bad neu zum Leben erwacht, und sie konnte die dunkle Feuchte des Baches spüren und den strengen Geruch des Dachses riechen, der in einer Spalte zwischen den Felsen weiter unten im Tal schlief, und die Düfte der mannigfaltigen Gräser, die der Wind herantrug. Mit dem beruhigenden Gefühl, endlich an den Ort zurückgekehrt zu sein, an den sie gehörte, begann die Anspannung der vergangenen Jahre allmählich von ihr abzufallen.

Kurz darauf überfiel Ch’unhŭi, die immer noch schwer atmend neben der Pumpe saß, der vergessene Hunger. Sie ging zurück zu der Stelle, wo sie das Wasser geschöpft hatte, um die vorhin erlegte Natter zu holen. Die Schlange, ein dickes, mit einer Länge von knapp einem Meter ziemlich großes Tier, war noch nicht tot und zappelte und ringelte sich um ihren Arm. Ch’unhŭi riss mit den Zähnen die Haut unterhalb des Kopfes auf und zog sie der Länge nach ab, worauf das feste weiße Fleisch zum Vorschein kam. Im Magen der Schlange steckten ein noch nicht verdauter Frosch und ein Insekt mit Flügeln. Ch’unhŭi spülte das Blut mit Wasser ab, dann wickelte sie die Schlange zu einer Rolle und machte sich daran, das rohe Fleisch vom Kopfende beginnend zu verspeisen. Sie kaute jeden Bissen lange, ihr ganzer Mund war von dem süßlich öligen Geschmack erfüllt. Die Knochen, an denen kein Fleisch mehr haftete, spuckte sie aus. So saß sie da und verzehrte bedächtig das komplette Tier. Zum Schluss nahm sie noch den Frosch, der im Schlangenmagen gesteckt hatte, wusch ihn ab und schob ihn sich in den Mund.

Kaum war das Fleisch im Magen angekommen, begann es in ihr zu rumoren, und Brechreiz überkam sie. Das war nicht verwunderlich, nach neun Tagen ohne richtige Nahrung, seit dem Stück Tofu, das ihr eine alte Frau am Gefängnistor gegeben hatte. Mit Gewalt schluckte sie die Brocken, die ihr hochkamen, wieder hinunter. Als sich ihr Magen einigermaßen beruhigt hatte, spülte sie sich den Mund mit kaltem Wasser aus, stand auf und zog den noch feuchten Häftlingsanzug an. Den Saum, der zerfranst und nur noch lose an den Hosenbeinen hing, riss sie vollends ab. Eine Weile lang ließ Ch’unhŭi mit abwesendem Gesichtsausdruck ihren Blick über das Ziegelwerk schweifen. Dann endlich begann sie langsamen Schrittes auf das Wohnhaus zuzugehen. Ein Wiesel, das sich in der Nähe des Brennofens tummelte, erschrak beim Anblick ihrer Gestalt und floh ins Gebüsch. Und auch die Libellen, die über dem Feinstrahl tanzten, ließen schnell ihre Flügel schwirren und räumten das Feld.

Die Herrin der Fabrik war zurück.

Das Kuriosum

Unsere lange Geschichte nimmt ihren Anfang bei einer alten Frau, die einst in der Stadt P’yŏngdae ein einfaches Suppenlokal betrieben hatte. Sie starb lange vor Ch’unhŭis Geburt, an einem weit entfernten Ort, und eigentlich konnten die beiden nichts voneinander ahnen. Aber wer weiß, vielleicht ist all dies ja auch eine Rachetragödie. Kann es sein, dass die Alte mit ihrem Wunsch nach Rache Erfolg gehabt hatte? Es gibt niemanden, der in der Lage wäre, diese Frage zu beantworten. Denn die Menschen, die sich an ihren Rachefluch erinnern könnten, sind schon längst nicht mehr unter den Lebenden, so weit liegt das alles zurück.

Es war die Zeit, in der die Eisenbahn nach P’yŏngdae kam. Das Lokal, mit dem die unsagbar hässliche Frau ganz auf sich allein gestellt ihr kärgliches Auskommen bestritt, lag in einem finsteren Winkel in der Umgebung des neugebauten Bahnhofs. Die Hauptkundschaft bestand aus Wanderarbeitern und Tagelöhnern, die dort Eintopf und billigen Reiswein vorgesetzt bekamen. Wenn auch das Aussehen der Wirtin alles andere als einnehmend war, ihre Gerichte schmeckten – nicht von ungefähr hatte sie zuvor ihr halbes Leben lang in anderer Leute Häuser die Küchenarbeit verrichtet –, und es herrschte immer lebhafter Andrang bei ihr.

An einem Wintertag wollte die alte Frau zum Markt gehen und trat vor die Tür, wo sie auf einer gefrorenen Pfütze ausrutschte und unsanft auf den Hintern fiel. Die Eisfläche stammte von dem Spülwasser, das sie selbst dorthin geschüttet hatte. Vor sich hin fluchend: »Das Mistweib, das hier vor fremden Türen seinen Dreck hinschüttet, elendig erfrieren soll es«, rappelte sie sich wieder auf.

So also beginnt die Geschichte, leicht wie der Wind, der durch das Tal streicht, in dem die Stadt einst lag.

In der Nacht litt die alte Frau unerträgliche Schmerzen, dachte aber, die Beschwerden bis zum nächsten Tag wegschwitzen zu können, warf ein paar Scheite mehr von dem sonst so sparsam verwendeten Brennholz in den Kamin und kroch unter ihre schmuddelige Decke. Doch am nächsten Morgen waren die Schmerzen nicht geringer, sondern eher schlimmer geworden, und sie konnte sich kaum noch rühren. Vor ein paar Jahren hatten Räuber aus der Nachbarstadt, die es auf das Geld der alten Frau abgesehen hatten, bei ihr eingebrochen und sie die ganze Nacht hindurch geschlagen und misshandelt, und selbst da war sie nach zwei Tagen wieder an ihre Arbeit gegangen, aber jetzt beschlich sie eine ungute Vorahnung.

Nachdem sie den ganzen Tag hindurch dagelegen hatte, ohne sich etwas zu essen machen zu können, stand sie gegen Sonnenuntergang mühsam auf. In ihrem ganzen Leben hatte sie auch bei der schlimmsten Grippe niemals Medizin genommen, doch jetzt suchte sie, mehr kriechend als gehend, den kleinen Arzneiladen neben dem Bahnhof auf, kaufte ein Mittel, das sie zu Hause einnahm, und legte sich wieder auf ihr Lager. Das war ihr Ende. Die alte Frau sollte sich nie wieder von ihrem Bett erheben. In Wahrheit waren ihre Hüftgelenke nämlich schon seit Langem porös und brüchig wie Glas, und bei dem Sturz auf dem Eis in Dutzende kleine Stücke zersplittert, doch das konnten weder der Arzneihändler, der vom Verkauf von Mittelchen gegen Hämorrhoiden und ähnlichen Beschwerden lebte, noch die ungebildete alte Frau ahnen.

Sieben Tage vergingen, ehe ein paar Tagelöhner, die nach einem Tag harter Holzfällerarbeit in den Wäldern ihre eingefrorenen Glieder im Lokal der alten Frau wärmen wollten, sie endlich entdeckten. Andere Gäste hatten nur von außen durchs Fenster einen kurzen Blick in die nahezu völlig dunkle Gaststube geworfen und waren murrend davongezogen, die Männer aber, wohl, weil es sie gar so sehr nach der heißen Suppe gelüstete, hatten nach der alten Frau gerufen, dann, als sie keine Antwort bekamen, das Lokal betreten und schließlich auch die Tür zu ihrer Kammer geöffnet. Zuerst dachten sie, die regungslos daliegende Gestalt sei tot. Die Frau aber hatte in der dunklen Stube an einem Klumpen gekochtem und zu Eis gefrorenem Reis genagt und sich so die letzten Tage über zäh am Leben gehalten, auch wenn sie sich zwei der wenigen ihr verbliebenen Zähne dabei ausgebrochen hatte.

Fortan schaute ab und zu eine Witwe aus dem Nachbarhaus vorbei, brachte übriggebliebenen Reis oder leerte den Nachttopf aus, aber bald hatte die alte Frau, die sich nicht mehr bewegen, geschweige denn das Bett verlassen konnte, sich den Rücken wundgelegen, und das Zimmer stank nach Fäkalien und faulendem Fleisch. Von Natur aus herzlos und mit weniger Mitleid gesegnet, als Sand in den Augen eines Mäusekindes Platz hat, streckte die Witwe nun nur noch höchstens alle paar Tage einmal ihren Kopf hinein und machte boshafte Bemerkungen wie »Große Güte, dass ein alter Mensch so viel kacken kann« oder »Wo kommt bloß die ganze Scheiße her, wo sie doch so gut wie gar nichts mehr frisst«, wobei auch solche Besuche immer seltener wurden und es häufig so weit kam, dass der Nachttopf der alten Frau überlief und sie mehrere Tage überhaupt nichts zu essen bekam. Nach und nach ging der ausgemergelte Leib der Alten in Verwesung über. Das war das Gesetz der Welt.

Um diese Zeit trug es sich zu, dass ein Schwarm Bienen geflogen kam, völlig ungewöhnlich mitten im Winter, von so gewaltiger Größe, dass er den Himmel über P’yŏngdae verdunkelte. Die Leute sprachen von einem großen Unheil und zitterten vor Angst, dann tauchte eine Frau am Eingang der Stadt auf. Auf einen Wanderstock gestützt, bot sie einen unheimlichen Anblick: Sie hatte nur ein Auge in ihrem faltenlosen, jadegleichen Gesicht, doch merkwürdigerweise waren ihre Haare völlig weiß, was daher rührte, dass sie als junges Mädchen übermäßige Mengen an Honig zu sich genommen hatte; ihr wahres Alter vermochte niemand einzuschätzen.

Die Fremde lenkte, den Bienenschwarm vor sich hertreibend, langsam ihre Schritte zu dem Lokal der alten Frau. Den Leuten des Ortes, die ihr bis dorthin gefolgt waren, erklärte sie, dass sie die Tochter der Alten sei. Diese fürchteten sich einerseits vor dem grausigen Äußeren der Einäugigen, aber noch mehr Angst hatten sie, von den umherschwirrenden Bienen gestochen zu werden, und gaben ihr kleinlaut mit eingezogenen Köpfen kurze Empfehlungen – dass sie die alte Frau schnell zum Arzt bringen müsse oder dass bei Wundliegen getrocknete Färberdistelblüten eine lindernde Wirkung hätten. Aber die Einäugige sagte nur: »Um meine Mutter kümmere ich mich schon selbst«, und schickte die Leute fort. Einmal, zu einer späteren Gelegenheit erzählte sie ihnen noch, dass es die Alte gewesen sei, die sie zur Einäugigen gemacht hatte, und auf gewisse Weise entsprach das auch der Wahrheit. Zu jenem Zeitpunkt waren bereits mehr als zwanzig Jahre vergangen, seit Mutter und Tochter sich das letzte Mal gesehen hatten.

Wir aber gehen in der Geschichte noch weiter zurück. Viele Jahre zuvor war die Alte, damals noch ein junges Mädchen, einem Mann zur Frau gegeben worden, doch der hatte sie, da sie von so unglaublicher Hässlichkeit war, nach nur einem Tag wieder fortgeschickt, ohne dass sie auch nur einmal in seinem Arm gelegen hätte und damit die Redensart Lügen strafte, dass man auch schöne Frauen bisweilen zum Teufel jagt, hässliche aber stets in Ruhe lässt. Auch später fand sich kein Mann für sie, und so musste sie noch mit mehr als dreißig Jahren ein rastloses Leben als Dienstmädchen führen, sich mal hier, mal dort verdingen, bis sie endlich in einem reichen Haus eine Anstellung als Magd fand. Auch dort schenkten ihr nicht einmal die alten Hausknechte einen Blick, denn ihrem verkniffenen, unfreundlichen Gesicht ließ sich einfach nichts an Reiz abgewinnen, mit den annähernd unsichtbaren, an den dafür vorgesehenen Stellen mehr oder weniger nur zu ahnenden tiefliegenden Mäuseaugen, der Knollennase, den schwarz verfaulten Zähnen, die bei jedem Lächeln sichtbar wurden. Obendrein kurzbeinig und klein von Statur, verwunderte es nicht, dass sich nie ein Kerl über ihre Schwelle verirrte, selbst wenn sie im Hochsommer die Türen offenließ und mit aufgeknöpfter Unterwäsche auf ihrer Bettstatt lag. Somit dürfte man also auch den Spruch, dass jedes Töpfchen irgendwann einmal sein Deckelchen findet, als widerlegt betrachten.

In dem Haus, in welchem die Frau ihren Dienst verrichtete, lebte auch der einzige Sohn des Hausherrn, ein Junge von schwachem Verstand. Manche sagten, er sei kurz nach seiner Geburt mit dem Kopf auf den Trittstein vor dem Hauseingang gefallen, andere behaupteten, man habe ihm zu viel Stärkungsmittel aus gemahlenem Hirschgeweih gegeben, wieder andere wussten, dass das alles nur Geschichten waren und der Junge schon als geistig Minderbemittelter zur Welt gekommen sei, und auch über seine wahre Herkunft rankten sich, wie es bei Schwachsinnigen so ist, vielerlei Geschichten. Doch Geburt hin, Herkunft her, der Knabe wusste auch mit zehn Jahren noch nicht auseinanderzuhalten, wie man sich an welchen Orten und vor Leuten zu benehmen hatte, überall dort, wo es ihm gerade einfiel, legte er sich hin oder verrichtete sein Geschäft, es konnte also kaum Zweifel daran bestehen, dass er wirklich nicht bei vollem Verstand war. Folglich brauchte es jemanden, der dem Jungen beim Essen, An- und Auskleiden, beim Waschen und der Notdurft zu Diensten war, und dieser Jemand war niemand anderes als die bedauernswerte, von allen verschmähte alte Jungfer. Bis noch in jene Zeit hinein waren die Beziehungen zwischen Mann und Frau, die Verhältnisse zwischen Oberschicht und gemeinem Volk strengsten Regeln unterworfen, aber ein Schwachsinniger galt nicht viel, und niemand dachte sich etwas dabei, dass eine hässliche alte Jungfer sich um den Jungen kümmerte.

Als der Sohn des Hauses sich seinem fünfzehnten Lebensjahr näherte, begann ein Problem zutage zu treten, und dieses Problem bestand in dem enormen Geschlechtsteil des Jungen. Wie als Ausgleich dafür, dass sein geistiges Niveau auf dem Stand eines drei- oder vierjährigen Kindes stehengeblieben war, wuchs sein Genital innerhalb von sieben, acht Wochen unaufhaltsam heran, und zu seinem fünfzehnten Geburtstag hatte es eine Länge von einem Cha erreicht, eine Länge, welche die geneigte Leserschaft, wenn vielleicht in der Nähe ein Lineal zur Hand wäre, sich bitte gern einmal selbst vor Augen führen möge. Zur Referenznahme: Ein Cha entspricht dreißig und einem Drittel Zentimeter.

Natürlich war das für sich gesehen kein Nachteil, mancher Frau würde wohl beim Anblick eines solchen Prachtstücks das Herz höherschlagen vor Freude, wollte man es also als Segen betrachten, so durfte man dies getrost tun, für den schwachsinnigen Jungen aber, dem ganz anders als seinen gewöhnlichen Geschlechtsgenossen weder das Konzept von Mann und Frau, geschweige denn die Freude der körperlichen Liebe ein Begriff war, ließ sich dieses wertvolle Besitztum bei allem Wohlwollen mit nichts anderem erklären als mit einem boshaften Schabernack, den der allmächtige Schöpfer ihm spielte.

Was mag die arme, unschuldige alte Jungfer wohl empfunden haben in dem Augenblick, da sie der Pracht ansichtig wurde? Es wird uns, die wir so einen Dreißigzentimeterapparat nie in der Realität zu Gesicht bekommen haben dürften, nicht leichtfallen, das Ausmaß der Erschütterung zu beziffern. Nur, dass der Frau beim Anblick jenes grandiosen Spektakulums regelrecht die Gesichtszüge entgleist sein müssen, lässt sich in etwa erahnen.

Tatsächlich klappte der alten Jungfer die Kinnlade herunter, als sich der Junge aus dem Waschzuber erhob, in dem er gerade seinen Schmutz eingeweicht hatte. Auch davor schon hatte sie sein Ding für außergewöhnlich groß gehalten, aber von dem rasanten Wachstum in der Zwischenzeit nichts mitbekommen, da sie ihn den ganzen Winter lang kein einziges Mal gebadet hatte, obendrein war der Junge gerade an diesem Tag aus welchem Grund auch immer erregt, und sein Auswuchs prangte mit schwellenden Adern genau vor ihrer Nase, zweifellos ein schockierendes Erlebnis für die ledige Frau, es wurde ihr plötzlich dunkel vor Augen, und ohne dass sie ihren offenstehenden Mund wieder zu schließen imstande war, blieb sie auf ihrem Platz sitzen und machte sich geradewegs in die Hosen. Das war das Gesetz des unbedingten Reflexes.

Nun besteht ja der Sinn eines jeden lebenden Dinges im Wachstum und in der Fortpflanzung. Ganz gleich, wie unsäglich hässlich die Frau sein mochte, so war sie doch unbestreitbar ein mit zwei X-Chromosomen zur Welt gekommenes Weibchen, wie konnte sie da anders, als beim Anblick dieser außerordentlichen Mannespracht zu erschauern. Man darf wohl auch Verständnis dafür haben, dass sie am ganzen Körper bebte, ihr Unterleib in Wallung geriet vor wilden Gedanken, ihr Atem einige Züge lang stillstand, bis er mit einem lauten Seufzer wiedereinsetzte, und auch eine Portion Mitleid verdiente sie dafür. Das Verhalten jedoch, welches sie gleich darauf an den Tag legte, war obszön und gemein, auf nicht nachvollziehbare Weise dreist und dumm, sie ergriff nämlich das vor ihrer Nase baumelnde Ding des dummen Jungen mit beiden Händen und schob es flink in ihren immer noch offenstehenden Mund. Freilich war ihr selbst nicht ganz bewusst, was da plötzlich über sie gekommen war. Der Junge aber schien aus irgendeinem Grund großen Spaß an der Sache zu haben, fröhlich spritzte er mit dem Badewasser, dann blickte er kichernd zu der Magd herab und sagte: »Hihi, bist du aber blöd, das kann man doch nicht essen.«

Jahre später bekam Kŭmbok, die Mutter Ch’unhŭis, die Geschichte des dummen Jungen zu hören und gab dazu eine Bemerkung zum Besten, die alle bisherigen Definitionen des Begriffs der Größe auf den Punkt bringt und daher wie folgt festgehalten werden soll:

»Nun ja, groß heißt nicht unbedingt gut, aber wenn man die Wahl hat …« An dieser Stelle zögerte sie einen Moment lang, um dann verschmitzt lächelnd fortzufahren: »… dann sollte man doch das Größere nehmen.«

Das, was sich im Folgenden zwischen der Frau und dem zurückgebliebenen Jungen entspann, ist die Geschichte von Männchen und Weibchen, in keinem Punkt anders als die zahlreichen anderen sinnlosen, trotz ihrer Simplizität immer wieder rastlos reproduzierten, von Mund zu Mund weitergegebenen, die ganze Welt bevölkernden Geschichten über den Koitus. Wenn es etwas Außergewöhnliches daran gab, dann vielleicht das Tuch am Kopfende des Bettes, mit dem sich die arme Frau den Mund zustopfte, damit das Stöhnen, das sich ihr unwillkürlich entrang, wenn das Kuriosum des Jungen in sie eindrang, nicht durch die Tür bis nach draußen klang. Es war die junge Küchenmagd, mit der sich die Frau das Zimmer teilte, der es als Erste auffiel, dass die andere, die sonst mit Einbruch der Dunkelheit sofort einschlief und bis zum ersten Hahnenschrei so tief schlummerte, dass man sie unbemerkt hätte wegtragen können, plötzlich bis spät in die Nacht hinein unter Vorwänden wie einem auszuspülenden Nachttopf oder zu wechselnder Bettwäsche immer wieder das Zimmer des Jungen aufsuchte. An diesem Tag hatte sich das Mädchen beim Sojabohnenpastemachen heimlich, wenn die Köchin gerade nicht hersah, den Mund mit gekochten Bohnen vollgestopft, was sich in einem Durchfall rächte, der sie bis in die frühen Morgenstunden immer wieder zum Lokus trieb, und als sie dabei einmal auf dem Rückweg am Zimmer des geistesschwachen Jungen vorbeikam, hörte sie von irgendwoher das klagende Miauen einer Katze. Und sogleich ging ihr auf, weshalb ihre Zimmergenossin neuerdings so geschäftig war.

Ein paar Tage später traf das Mädchen eine Gefährtin aus ihrem Heimatdorf, in einem Haushalt in der Nähe ebenfalls als Magd angestellt, und tuschelte ihr die Neuigkeiten ins Ohr, und als das Getuschel solchermaßen erst einmal auf das Fließband geraten war, wuchs es in einem vollautomatischen Prozess der Weiterverarbeitung rasch zu einer sehr überzeugenden, pikanten Story heran, die im gesamten Ort und bald auch im Nachbardorf die Runde machte und zu guter Letzt auch die Ohren der Hausherrin erreichte, vier Monate nachdem die alte Jungfer und der schwachsinnige Junge zum ersten Mal ihre Bäuche aneinandergedrückt hatten. Das war das Gesetz der Gerüchte.

Auch in dieser Nacht hatte die Frau wieder heimlich das Zimmer des Jungen aufgesucht. Inzwischen an das riesige Werkzeug gewöhnt, überließ sie sich ganz dem Rhythmus der Freude, hob ihren Hintern an und ließ so fleißig ihr Becken spielen, dass sie die Schatten nicht bemerkte, die von draußen über die mit Reispapier bespannte, halbdurchsichtige Tür huschten. Erst als im nächsten Augenblick die Tür aufflog, eine Horde junger Knechte hereinstürmte, die Frau am Zopf gepackt nach draußen zerrte und auf den Hof warf, erkannte sie, dass nun alles vorbei war. Kurz darauf wurde eine Fackel entzündet, und mit vor Zorn kalkweißem Gesicht erschien die Herrin des Hauses. Ohne ein Stück Wäsche am Leib kauerte die arme Magd zusammengesunken mitten auf dem Hof und wartete auf ihre Bestrafung. Von dem plötzlichen Tumult alarmiert, waren die anderen Bediensteten aus dem Haus gelaufen gekommen und standen in einem Kreis um sie herum. Wutbebend starrte die Hausherrin auf die hässliche Bedienstete herab, die in sich zusammengeschrumpft vor ihr lag wie ein trockener Schwamm. Auch wenn ihr Sohn ein Schwachsinniger war, so stellte ein solches Verhalten in dieser Welt der strengen Ständeregeln eine unerhörte Beleidigung dar. Einem der Knechte nahm sie ein Wäscheholz aus der Hand und holte aus, um dem liederlichen Weib mit einem Hieb den Schädel zu zerschmettern, was ihr trotz ihrer fast fünfzig Jahre gewiss auch gelungen wäre, so sehr kochte die Wut in ihr.

Doch dann geschah etwas Unvorhergesehenes. Aus seinem Zimmer stürzte weinend der schwachsinnige Junge nach draußen. Er begriff nicht, weshalb man die Magd fortgezerrt hatte, und laut ihren Namen rufend, kam er auf den Hof gerannt, genau wie sie splitternackt, ohne einen Faden am Leib. Angefangen bei seiner Mutter, der Hausherrin, wurde nun das gesamte Haus des gewaltigen Apparates gewahr, der im Schritt des Jungen hin und her baumelte. Wie auch die alte Jungfer beim ersten Anblick, so standen auch die Augenzeugen jetzt allesamt mit offenen Mündern da. Für einen Moment vergaß die Hausherrin ihren Zorn, und die Mägde vergaßen ihre Schüchternheit, und die Knechte vergaßen, was man ihnen aufgetragen hatte. Erst als kurz darauf die Hausherrin, die als Erste wieder ihre Sinne beisammenhatte, laut befahl, Schluss mit dem abscheulichen Schauspiel zu machen, fiel ihnen wieder ein, was zu tun war, und einige der älteren Knechte packten den Jungen und schleiften ihn wieder zurück in sein Zimmer, während die Dienstmädchen unter Geheul, die Hände vor die Augen geschlagen, in die Küche sprangen. Dann erfolgte der strikte Befehl der Hausherrin: »Verpasst der verfluchten Dirne eine Tracht Prügel und jagt sie aus dem Haus!«

Vor Wut und Verlegenheit mit dem Kopf schüttelnd, verschwand sie in den Herrschaftsflügel des Hauses, und gleich darauf fuhren die groben Knüppel der Knechte auf den nackten Leib der Magd nieder. Sie schrie auf vor Schmerz, als ihre Haut aufplatzte und das Blut hervorschoss. Den Männern, von klein auf einzig und allein darum besorgt, irgendwie den eigenen Magen vollzukriegen, waren Gefühlsregungen wie Nächstenliebe oder Mitleid fremd. Wimmernd wand die Magd sich auf dem Boden, und trotz ihrer Hässlichkeit überkam die Männer beim Anblick der vor ihnen entblößten intimsten Teile eine unwillkürliche Erregung, die ihre Augen mit einem seltsam wahnsinnigen Glanz erfüllte und ihren Händen, mit denen sie die Knüppel umfasst hielten, noch mehr Kraft verlieh. Weil sie außerdem nicht wussten, wie weit die von der Hausherrin geforderte »Tracht Prügel« gehen sollte, dachte niemand daran, mit den Schlägen aufzuhören, bevor nicht der Befehl dazu gegeben wurde. Das war das Gesetz der Trägheit.

Wenn nicht die Dienstmädchen, die durch den Spalt der Küchentür das Geschehen verfolgten und bei jedem Schlag zusammenfuhren, als seien sie selbst die Geschlagenen, schließlich herausgelaufen wären und den Knechten Einhalt geboten hätten, so wären die Schläge die ganze Nacht weitergegangen. Während die Männer mit hochroten Köpfen voreinander standen, sich verlegen räusperten und vorgaben, mit irgendetwas beschäftigt zu sein, hatte jemand rasch ein paar Kleidungsstücke gebracht und sie dem formlosen blutigen Klumpen Fleisch übergezogen. Die Männer packten das Bündel und warfen es vor das äußere Tor des Anwesens, dann schüttelten sie ihre Köpfe, als wollten sie die Bilder dieses schrecklichen nächtlichen Wahns abwerfen, und gingen in ihre Zimmer zurück. Wie eine Garbe nasses Stroh lehnte die alte Jungfer, den Kopf vornübergesenkt, am Tor, es sah aus, als sei alles Leben bereits aus ihr gewichen. Sie schien nicht einmal mehr zu atmen, aus ihrer Nase und ihrem Mund rann unaufhörlich Blut und tränkte die Erde.

Als der Hauptdiener am nächsten Tag das Tor öffnete, war die arme alte Jungfer nirgends mehr zu sehen. Alle dachten, dass sie glücklicherweise am Leben geblieben und ihrer Wege gegangen sein musste, irgendwohin, wo sie wieder genesen würde, und jeder machte sich wieder an seine Arbeit. Das war das Gesetz der niederen Leute.

Man ging also davon aus, die Geschichte habe solchermaßen ein Ende gefunden. Aber einige Tage später, zu einer Stunde weit nach Mitternacht, schlich sich jemand heimlich in das Zimmer des schwachsinnigen Jungen. Dieser Jemand war niemand anderes als die vor Kurzem zu einem blutigen Etwas geprügelte Dienstmagd. Sachte rüttelte sie den tief schlafenden Jungen, um ihn zu wecken. Kaum öffnete er die Augen, flüsterte sie ihm ins Ohr: »Kindchen, wollen wir zusammen baden gehen?«

»Mag nicht baden«, murmelte der Junge und wollte seine müden Augen schon wieder schließen, da legte sie ihre Hand in seinen Schritt und streichelte sachte sein Glied.

»Magst du immer noch nicht?«

»Hihi, doch, jetzt schon«, antwortete er mit einem debilen Grinsen im Gesicht.

Leise führte sie ihn zum Haupttor. Er quengelte zwar, warum sie nicht in die Küche zum Baden gingen, aber unter sanften Beschwichtigungen zog sie ihn ins Freie. Wenig später hatten sie den Ort erreicht, an den sie den Jungen bringen wollte, das Ufer des breiten Baches, der am Dorfrand vorüberfloss. Der Junge wich zurück, das Geräusch des unheimlichen finsteren Wassers und der merkwürdige Ausdruck in den Augen der Frau machten ihm Angst: »Mir ist kalt. Ich will heim.«

Rasch zog sie ihm die Kleider aus. Dann hieß sie ihn, sich auf das Gras der Uferböschung zu legen, und setzte sich rittlings auf ihn und sagte: »Ganz ruhig, Kindchen, so ist’s brav.«

Sie nahm das Glied des schwachsinnigen Jungen, führte es in sich ein und begann, sich auf und ab zu bewegen. Der Junge tat, was er sonst auch immer getan hatte, mit offenem Mund grinste er selig und bewegte seinen Hintern im Takt. Ringsum war alles pechschwarz, ohne einen einzigen Lichtschein, und das heftige Wasserrauschen und die aneinanderklatschenden Leiber der beiden das Einzige, was zu hören war. Der Kehle der Frau entwand sich ein Stöhnen. Diesmal brauchte sie sich den Mund nicht zu verstopfen. Mit einem langen Schrei erreichte sie den Höhepunkt. Nach einer Weile stand sie auf, griff nach der Hand des keuchend daliegenden Jungen und zog ihn hoch.

»So, und jetzt wollen wir baden«, sagte sie.

»Mir ist kalt. Will nicht baden.«

»Doch! Du musst aber!«

Sie rollte furchteinflößend mit den Augen. Widerstandslos ließ sich der Junge an ihrer Hand ins Wasser führen. Vor ein paar Tagen hatte es geregnet, der Bach war stark angeschwollen. Als ihm das kalte, reißende Wasser bis über die Hüfte stieg, bekam es der Junge mit der Angst zu tun, und er griff fest nach der Hand der alten Jungfer. Sie zog ihn Stück für Stück tiefer in das Wasser hinein. Hinter ihr drehte ein schwarzer Strudel seine Kreise.

Als man am Morgen des folgenden Tages das Verschwinden des Jungen bemerkte, geriet das ganze Haus in Aufruhr. In alle Himmelsrichtungen zog man los, um ihn zu suchen. Zwei Tage vergingen, bis ein unverheiratetes Mädchen aus einem Dorf sechs Kilometer flußabwärts, das gerade am Ufer Wäsche wusch, den Jungen auf dem Wasser treiben sah. Und dass auch diesem Mädchen beim Anblick der Leiche das Kinn herunterfiel, muss wohl nicht eigens erwähnt werden.

Die Einäugige

Einige Jahre später lebte in einem weit abgelegenen Bergdorf eine Frau mit ihrer kleinen Tochter, die zog von Haus zu Haus und verdiente sich mit Gelegenheitsarbeiten ein paar kärgliche Küchenabfälle. Es handelte sich bei der hässlichen und kümmerlich gewachsenen Frau um keine andere als die bedauernswerte Magd, die seinerzeit mit dem schwachsinnigen Knaben das Lager geteilt hatte, und auch das Kind entstammte natürlich jener Kreuzung. Im Winter des Jahres, in dem die aufgetriebene Leiche des Jungen im Nachbardorf angeschwemmt worden war, hatte die Magd das Kind heimlich in einer fremden Küche allein zur Welt gebracht. Zum Glück war die Tochter des Minderbemittelten nicht schwachsinnig, und auf den ersten Blick besaß sie auch keine Ähnlichkeit mit ihrem Vater. Nur ihre großen, unschuldigen Augen mit der doppelten Lidfalte blickten einfältig und abwesend und glichen denen ihres Vaters wie ein Ei dem anderen. Das war das Gesetz der Vererbung.

Die Frau litt unter den Erinnerungen an den schwachsinnigen Jungen, die sie jedes Mal überfielen, wenn sie ihrer Tochter in die Augen blickte. Dann schlug sie das Kind, und es gab kaum einen Tag, an dem der magere Leib nicht mit neuen blauen Flecken übersät gewesen wäre. Das Mädchen hockte in einer Zimmerecke und erduldete die Schläge, unter Tränen zu seiner Mutter aufblickend. Von den traurigen Augen fühlte sich die Frau noch mehr an den schwachsinnigen Jungen erinnert. Sie glaubte zu hören, wie er nach ihr rief, mit schreckensweitem Blick und mit den Armen rudernd, während er im dunklen Fluss verschwand.

Nein, ich hab doch gesagt, ich mag nicht baden!

Doch aus welchem Grund mochte die Frau den Jungen in die dunklen Fluten gezogen haben? War es aus Rache für die fürchterlichen Schläge im Haus seiner Familie oder weil sie den zwar kurzen, aber glücklichsten Moment ihres Lebens so für immer bewahren wollte? Auf diese Frage werden wir niemals eine Antwort bekommen. Alles ist im Wasser versunken. Und die Geschichte geht weiter.

Es war im Winter des Jahres, in dem das Mädchen sieben Jahre alt wurde. Seine Mutter saß in der Küche einer wohlhabenden Bauersfamilie und kochte Getreidesirup ein. Bislang hatte sich das Mädchen aus Furcht vor den Bauersleuten nicht in das Innere des Hauses gewagt, sondern den ganzen Tag lang draußen neben dem Misthaufen am Viehstall gesessen und in der Kälte gezittert. Der Dampf, der dem Mist entströmte, spendete ein wenig Wärme, doch auch die wurde vom schneidenden Wind sofort wieder weggeweht, und so kroch das kleine Ding schließlich ganz in den Haufen hinein, bis nur noch der Kopf herausschaute, und man hätte auf den ersten Blick nicht sagen können, ob das Mädchen ein Misthaufen oder der Misthaufen ein Mädchen war.

Wie viel Zeit war so vergangen? Das Mädchen war eingeschlafen, als plötzlich ein süßer Geruch seine Nase kitzelte. Ohne zu wissen, was es tat, entstieg das Mädchen dem Mist und kroch in die Küche, wo seine Mutter bei der Arbeit war. Beim Anblick ihrer besudelten Tochter schrak sie zusammen und zischte dann, mit dem Schürhaken nach ihr ausholend, die Herrin werde sie rausschmeißen, wenn sie das wüsste.

Die großen Augen des armen Kindes füllten sich mit Tränen. Als die Frau das sah, fiel ihr wieder das Gesicht des Schwachsinnigen ein. Für einen Moment tat ihr das Mädchen leid. Sie setzte es neben den Herd und füllte eine Reisschale mit dem heißen Sirup. Ohne zu merken, dass es sich den Gaumen verbrannte, schleckte das Mädchen gierig die ganze Schale aus. Dann setzte es sich vor die Herdöffnung, sah in die Glut und wärmte sich die kalten Glieder, Mistgestank im ganzen Raum verbreitend. Die Frau schürte das Feuer und stellte einen Kessel mit Wasser auf den Herd. Unterdessen war das Mädchen vor dem Ofen eingeschlafen. Als sie ihre Tochter so daliegen sah, stiegen Tränen in ihr hoch und sie bereute, was sie dem Kind alles an Bösem angetan hatte.

Als wenig später das Wasser kochte, goss sie es in einen großen Bottich, weckte ihre Tochter und zog ihr die schmutzigen Kleider aus. Beim Anblick des spindeldürren, geschundenen Leibs begriff die Frau, wie grausam sie all die Zeit gegen das Mädchen gewesen war, und abermals überkamen sie Schuldgefühle. Doch als endlich alles zum Baden vorbereitet war, wehrte sich das Kind, in den Bottich zu steigen, und gleich schlug die Stimmung der Frau wieder um. Zum ersten Mal seit Langem hatte sie ihrer Rolle als Mutter gerecht werden wollen, und jetzt gehorchte das Mädchen nicht. Wütend schwang die Frau den Schürhaken und drohte mit rollenden Augen, das Mädchen zu verprügeln, wenn es nicht auf der Stelle ins Wasser stieg. Da riss das störrische Kind plötzlich weit die Augen auf und rief: »Nein, ich hab doch gesagt, ich mag nicht baden!«

Im nächsten Moment stieß die Frau, ohne zu überlegen, das noch glühende Ende des Schürhakens dem Kind tief ins linke Auge. Ihre kurz zum Leben erwachte Zuneigung war schlagartig verflogen, und sie wurde wieder die herzlose Mutter, die sie immer schon gewesen war. »Das hast du davon, du Weibsstück, ich hab doch gesagt, du sollst draußen bleiben, oder hat dir jemand erlaubt, dass du hier reingeschlichen kommst? Wenn du nicht gleich fort bist, schmeiß ich dich ins Feuer!«, drohte sie, weiter im Siruptopf rührend, dem schreienden Kind, das sich das blutende Auge mit den Händen zuhielt.

Im Ofen brannte hellrot lodernd das Tannenholz.

Als man begann, die Eisenbahn zu bauen, war das einäugige Mädchen dreizehn Jahre alt. Ob das Sprichwort, dass auch die letzte Strohsandale irgendwann ihr Gegenstück findet, nach seiner Erfüllung verlangte oder der Schöpfer letztendlich ein Einsehen hatte, jedenfalls empfing die Mutter des Mädchens neuerdings nächtliche Besuche. Der Mann, ein Lastenträger, hatte ein dunkles Gesicht mit tiefen Pockennarben, die aussahen wie die Furchen eines Basaltfelsens.

»Man braucht sich nur ankucken, wie die neuerdings mit dem Hintern wackelt, dann weiß man Bescheid«, machte es bald in der Nachbarschaft die Runde, doch die Frau scherte sich nicht darum. Ihre Haut, sonst rau wie Borke, glänzte wie ein frischgelegtes Hühnerei, und ihre ohnehin schon kleinen Augen verengten sich zu noch schmaleren Schlitzen. Das war das Gesetz der Liebe.

Sofort nach Arbeitsende lief die Frau nach Hause, zwang ihre Tochter, schlafen zu gehen, zog sich aus, schlüpfte unter ihre Decke und wartete auf den Pockennarbigen. Wahrscheinlich war das die glücklichste Zeit ihres Lebens, doch die grausame Vorsehung ließ dieses Glück nicht lange Bestand haben.

Als die Frau eines Abends nach der Arbeit spät nach Hause kam, hörte sie sonderbare Geräusche aus der Schlafkammer. Durch den Türspalt sah sie den Mann mit ihrer eigenen Tochter nackt im Bett liegen. Die Frau ging zurück in die Küche und verfluchte unter stillen Tränen ihr böses Schicksal. Doch lange weinte sie nicht. Sie nahm das Küchenmesser und öffnete leise die Tür zur Kammer. Der Pockennarbige hatte sie nicht bemerkt und bewegte sich weiter keuchend über dem schmächtigen Mädchenleib. Beim Anblick seiner Mutter riss das Mädchen vor Schreck sein einziges Auge weit auf. Die Frau legte den Finger auf den Mund und bedeutete ihrer Tochter stillzuhalten. Dann näherte sie sich von hinten, zielte und stach das Messer mit aller Kraft in den breiten Rücken des Mannes. Die Klinge durchbohrte beim ersten Stich die Lunge, seiner Kehle entwich ein zugluftartiges Geräusch. Die Frau umfasste den Griff des noch halb herausragenden Messers fest mit beiden Händen und drückte, bis die Klinge vollständig eingedrungen war. Der Mann schaffte es nicht einmal mehr, einen Schmerzensschrei auszustoßen, ein Beben durchlief seinen Körper, dann brach er über dem Mädchen zusammen. Das Gesicht nass vom Blut, das dem Mann aus dem Mund quoll, lag es zitternd da, unfähig zu schreien. Die Frau zog das Messer heraus, warf es von sich und sprach: »Was glotzt du so, du Miststück. Du willst doch wohl nicht schlafen gehen, bevor das hier fortgeräumt ist?«

In jener Nacht vergruben Mutter und Tochter die in eine Strohmatte eingewickelte Leiche des Pockennarbigen neben den Bahngleisen.

Das Mädchen befürchtete, seine Mutter würde es ebenfalls bald umbringen, und sann schon nach einer Möglichkeit zu fliehen, aber das war gar nicht nötig. Gleich am Tag nach dem Tod des Pockennarbigen suchte die Frau die Hütte eines Mannes mittleren Alters auf, der in dem stillen Tal in den Bergen hinter der Stadt Bienen züchtete. Dieser verbrachte das halbe Jahr auf der Suche nach guten Nektargründen auf Wanderschaft, im Frühling brach er im Süden des Landes auf, um im Herbst im Norden anzukommen, wobei er im Mai stets in P’yŏngdae haltmachte und im Tal, in dem Buschklee und Kastanien dann in voller Blüte standen, seine Lehmhütte bezog.

Dort machte die Frau dem Imker ein Angebot: Für fünf Töpfe Honig wollte sie ihm ihre Tochter überlassen, unter der Bedingung, dass er gleich morgen mit dem Mädchen aufbrach und bis zu seinem Tod nie wieder in die Nähe des Ortes kommen dürfe.

Der Imker blickte die Frau ratlos an und fragte schließlich: »Und was kann das Mädchen?«

»Essen machen, Wäsche waschen – und alles, was Sie ihm sonst noch auftragen.«

Die Frau warf einen anzüglichen Blick auf seinen kraftlosen Unterleib.

»Ich weiß nicht recht, was ich mit einem einäugigen kleinen Gör anfangen sollte …«

Der Imker schien unschlüssig.

»Sie hat zwar nur ein Auge, aber mit dem erkennt sie jeden Fasan im Gebüsch, egal wie weit er weg ist.« Die herumschwirrenden Bienen mit der Hand fortscheuchend, ließ die Frau nicht locker: »Und auch wenn sie jetzt vielleicht noch wie ein Kind aussieht, bei Mädchen geht’s schnell mit dem Großwerden. Bald werden Sie sie nicht mehr wiedererkennen.«

»Das mag ja sein, aber ob sie fünf Töpfe wert ist … das ist feinste Ware, wissen Sie«, zögerte der Imker immer noch.

Am Ende einigte man sich doch, und die Frau ging mit acht Bienenstichen und zwei Honigtöpfen nach Hause. Am nächsten Tag nahm der Imker das dreizehnjährige Mädchen bei der Hand und verließ den Ort zum letzten Mal. Mehr als zwanzig Jahre lang sollten sich Mutter und Tochter nun nicht mehr sehen.

Die Geschichte geht also weiter in der kleinen Kammer des Suppenlokals, wo die alte Frau seit ihrem Sturz das Bett hütete. Erst nach einer ganzen Weile erkannte sie, dass die einäugige Frau, die vor ihr stand, ihre eigene Tochter war. Die Alte versuchte sich aufzurichten und schrie, woher sie die Frechheit besitze, sich hier blicken zu lassen, verschwinden solle sie, auf der Stelle, aber die Einäugige zeigte keine Regung und sagte, sie sei gekommen, um zu holen, was ihr zustehe. Dass sie nur noch ein Auge habe und dass sie für zwei Töpfe Honig mit dem Imker habe fortgehen müssen, beides sei das Werk der Alten, und dafür solle sie jetzt bezahlen. Die Alte gab zurück, für das blinde Auge könne sie nichts, und sie dem Imker anvertraut zu haben sei nur zu ihrem Besten gewesen. Ob sie sich denn nicht glücklich schätze, nicht verhungert zu sein, und ob sie wirklich glaube, bei einer alten, einsamen Frau Geld holen zu können? Die Einäugige antwortete, sie kenne die Gerüchte im Ort, denen zufolge die Alte ein Vermögen in ihrem Haus versteckt halte. Richtig war, dass diese nach dem Tod des Pockennarbigen keinen Blick mehr an Männer verschwendet hatte. Stattdessen begann sie, Geld zu verdienen, wo sie nur konnte. Ob Näh- und Haushaltsarbeiten, ob Arbeiten auf den Reisfeldern und Äckern, nichts schlug sie aus. Wenn es keine Arbeit gab, ging sie in die Wälder und sammelte Kräuter und Wurzeln. Selbst an kalten Tagen heizte sie nicht, an Kleidung zog sie an, was sie irgendwo fand oder andere Leute ihr gaben. Die schmutzigsten, niedrigsten Arbeiten waren ihr recht, auch wenn sie dafür durch den Dreck kriechen musste wie ein Wurm. Manchmal verkaufte sich die Frau sogar an einen alten, halbblinden Witwer. Mehr als zwanzig Jahre lang verwendete sie ihre gesamte Kraft darauf, Geld anzuhäufen. Die Leute verstanden die Frau nicht. Wofür sie das ganze Geld denn brauche, Kinder habe sie doch keine und einen Mann auch nicht. Um sich an der Welt zu rächen, das war alles, was sie darauf entgegnete. Mehr sagte sie nicht, und die Leute schlossen, dass die Frau über all die Mühen und Entbehrungen ein bisschen wunderlich im Kopf geworden sein musste.