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Als der Bischof Fulgencio Putucàs 1952 aus Lateinamerika nach Spanien kommt, um in Barcelona an einem eucharistischen Kongress teilzunehmen, wird er von einer Gastfamilie respektvoll aufgenommen. Doch in seinem Heimatland findet ein Militärputsch statt, und Putucàs kann nicht mehr nach Hause – in Barcelona gestrandet, macht er eine kuriose Wandlung durch. Er hilft im Haushalt der Familie und ist bald nicht mehr der ehrwürdige Mann der Kirche, sondern einfach Fulgencio. Dann aber geht er immer öfter auf Sauftour und ist eines Tages verschwunden. Erst Jahre später taucht er wieder auf, und erneut hat er sich komplett verändert. Ein vergnüglicher Roman über die Bilder, die wir uns voneinander machen, und die Überraschungen eines Lebens.
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Seitenzahl: 133
Nagel & Kimche E-Book
Eduardo Mendoza
DER WALFISCH
Roman
Aus dem Spanischen
von Stefanie Gerhold
Nagel & Kimche
«UND WANN, WENN MAN FRAGEN DARF, kommt nun dieser Bischof Kuhkaff?», sagte Onkel Víctor.
Tante Conchita sah ihn mit wutfunkelnden Augen an und entgegnete, wenn er schon nicht den geringsten Respekt vor der Religion habe, dann solle er bitte wenigstens auf die Gefühle der Gläubigen Rücksicht nehmen; aber kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, biss sie sich auf die Lippen, erhob sich von ihrem Platz in der Sofaecke, wo sie bei den Zusammenkünften der Familie immer saß, und spazierte durch den Salon, um ihre Nervosität zu überspielen, denn obwohl sie Onkel Víctor ihr Leben lang als einen Tölpel und Taugenichts angesehen hatte, fürchtete sie ihn seit einiger Zeit mehr als alles andere. Tante Conchita und Onkel Víctor waren Geschwister und auch Geschwister meines Vaters. Tante Conchita war die Älteste von sieben Kindern, neben den bereits Genannten gab es noch Onkel Antón, der nach Spanisch-Guinea ausgewandert war und mit Holz handelte, Onkel Francisco, «Fran», der ihn auf dem heimischen Markt vertrat, und zwei weitere, einen Jungen und ein Mädchen, die schon vor meiner Geburt gestorben waren und daher in meiner Erinnerung nicht vorhanden sind. Tante Conchita war mit Agustín Voralcamps, Onkel Agustín, verheiratet, einem dicken, kahlen, hässlichen und sehr reichen Mann, mit dem sie drei Kinder hatte: zwei Jungen in ungefähr meinem Alter und ein etwas jüngeres Mädchen. Onkel Víctor war Junggeselle geblieben, was nicht hieß, dass er ein Lotterleben führte, im Gegenteil: Er war unauffällig und ordentlich, ein sanftes Gemüt und keine große Leuchte. Er arbeitete nur halbtags in einer Briefmarkenhandlung, den Rest der Zeit hockte er seiner Schwester Conchita auf der Pelle, und zum Ausgleich dafür übertrug sie ihm alle möglichen Aufgaben und machte ihn, ob mit oder ohne Grund, in einem fort zur Schnecke, ohne sich um die Anwesenheit anderer Familienmitglieder zu scheren. Nur vor Fremden tat sie es nie, denn Familienangelegenheiten, fand sie, hatten in der Familie zu bleiben. Jede Einmischung von außen war Tante Conchita zuwider, selbst wenn sie unumgänglich war: An Juristen ließ sie allein Notare zu, und wenn ein Arzt in den geschützten Kreis der Familie vorgelassen werden musste, schärfte sie allen ein, dass nichts davon nach außen dringen durfte. Das alles machte die bevorstehende Ankunft von Bischof Kuhkaff, wie Onkel Víctor ihn im Scherz genannt hatte, noch spektakulärer und noch aufregender. Inzwischen büßte dieser für seine Respektlosigkeit mit demutsvollem Schweigen, errötet bis unter die Haarwurzeln, während seine Schwester, um ihrer Empörung und Erregtheit Luft zu machen, die unzähligen Nippsachen auf den Tischen und Konsolen des Salons zurechtschob.
Ihre Nervosität hatte folgenden Grund: In den letzten Monaten des Bürgerkriegs war Onkel Víctor, nachdem er zwei lange Jahre in einem Dorf im Hinterland mit Nichtstun verbracht hatte, festgenommen worden, wie und warum ist mir nicht bekannt, nur, dass man ihn nach Barcelona brachte und dort in ein Checa-Gefängnis sperrte. Die Bezeichnung «Checa» leitete sich, wie ich später erfuhr, aus dem russischen Crezvitchainaia Komisia ab, und obwohl ich nie verstanden habe, über welchen Lautwandel aus diesem Zungenbrecher das so bündige spanische «checa» geworden sein soll, hatten diese Gefängnisse tatsächlich einiges gemeinsam mit den politischen Gefängnissen in der Sowjetunion, sowohl was die Behandlung betraf als auch den dort waltenden Stab an Leuten, ob Russen oder Spanier, sie waren alle Mitglieder der Kommunistischen Partei und damit den direkten Weisungen Moskaus unterworfen. Diese Gefängnisse, von denen es über Barcelona verteilt mehrere gab, waren berüchtigt: Perfideste Foltermethoden, psychische wie physische, kamen dort zur Anwendung, und wer dann noch nicht gebrochen war, endete vor dem Erschießungskommando. So oder so kamen aus den «Checas» die wenigsten lebend heraus.
An so einen Schreckensort, in die Checa de la Tamarita, kam Onkel Víctor. Die Familie war außer sich vor Verzweiflung und scheute weder Anstrengung noch Geld und Risiko, um ihn zu befreien. Damals war Tante Conchita mit Onkel Agustín verlobt, und der hatte als Spross einer alteingesessenen katalanischen Familie sowohl bei den Nationalen als auch bei den Roten Verwandte und Freunde; über seine Kontakte kam die Familie an führende Republikaner heran, und nachdem man diese von der Unschuld Onkel Víctors überzeugt hatte, waren sie auch bereit einzuschreiten. Das dürfte so schwer nicht gewesen sein, denn Onkel Víctor war wie gesagt so tumb und träge, dass er es während des ganzen Krieges noch nicht einmal geschafft hatte, sich für eine der beiden gegnerischen Seiten klar zu entscheiden. Nach einer Woche ließ man ihn frei. Niemand brachte je aus ihm heraus, was er in der Haft erlebt oder was er dort gesehen hatte. Vermutlich hatte er nichts zu erzählen; er hatte in irgendeiner Ecke gesessen, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn zu verhören oder gar zu foltern. Wut oder Angst waren ihm fremde Regungen, und so verhielt er sich nach seiner Freilassung genauso unpolitisch wie vorher. Über so viel Laschheit war die Familie dann doch etwas enttäuscht, denn da man von den ganzen Jahren nur die Angst und die Entbehrungen in Erinnerung hatte, wäre man für einen Schuss Heldentum dankbar gewesen. Aber das war Nebensache: Onkel Víctor, den alle schon tot geglaubt hatten, war gerettet, und darüber war man natürlich froh. Nach dem Krieg sprach man den Vorfall nicht mehr an. Niemand wollte sich noch einmal in die Angst dieser einen schrecklichen Woche zurückversetzen, und vor allem wollte man dem Betroffenen selbst dies ersparen. Die Familie kam in stillem Einverständnis überein, die Sache auf sich beruhen zu lassen und ihm so die in der Checa erlittene Pein vergessen zu helfen. Dank der gemeinsamen Anstrengung und der Fügsamkeit Onkel Víctors fand das Leben bald zur Normalität zurück, zumindest dem Anschein nach.
Es kamen die Jahre des Kalten Kriegs, und obwohl Spanien politisch im Abseits und somit eigentlich fein raus war, war meine überängstliche Familie zutiefst besorgt, denn sollte es zwischen den Supermächten zum Atomkrieg kommen, so ihre Überzeugung, würde alles Leben auf der Erde ausgelöscht werden, das galt auch für das Ensanche-Viertel in Barcelona. Letztlich machte meiner Familie gar nicht so sehr der Gedanke an den Tod zu schaffen, dafür waren sie zu gläubig; hingegen hatten sie wirklich Angst davor, der Roten Armee in die Hände zu fallen, das waren laut der damaligen Propaganda bestialische Horden, getrieben von gnadenlosem Fanatismus und unvorstellbarer Grausamkeit. Damals ging das Gerücht um, dass die Kommunisten in ihren Straflagern psychiatrisch motivierte Operationen durchführten, die sogenannte Gehirnwäsche: Mit unmenschlichen Methoden pflanzten eigens dafür ausgebildete Spezialisten ihren wehrlosen Opfern eine Art Gehorsamkeitsmechanismus ins Gehirn ein, der später beliebig aktiviert werden konnte. Auf diese Weise stellten sie bedingungslose Spione und potentielle Greueltäter her, die um so gefährlicher waren, als sie selbst sich nicht erinnerten, manipuliert und zu wahren Zeitbomben gemacht worden zu sein. Selbstverständlich deutete niemand etwas in diese Richtung an, aber als die Sache mit der Gehirnwäsche durch die Presse ging und später zum Stoff von Horrorfilmen wurde, nistete sich bei unserer Familie gleich einer Larve, die ein Insekt bei einem arglosen Sommergast unter der Haut ablegt, der Verdacht ein, etwas in der Art könnte mit Onkel Víctor passiert sein, und auch wenn es niemand offen aussprach, da Familien mit engem Zusammenhalt sich alles Besorgniserregende durch Telepathie mitteilen, wuchs in den Verwandten die Überzeugung, dass Onkel Víctor bei seiner Haft in der Checa de la Tamarita einer Gehirnwäsche unterzogen worden war, was ihn jederzeit und an jedem Ort zur Bedrohung werden lassen konnte, es musste nur irgendwo ein Signal ausgesendet werden, wenn er nicht schon von vornherein so programmiert worden war, und aus dem antriebsärmsten Barcelonesen würde eine unaufhaltsame Tötungsmaschine. Von diesem Moment an war alles, was geschah oder geschehen war, nur ein weiteres Puzzlesteinchen in einem diabolischen und perfekten Plan: die augenscheinliche Willkür seiner Festnahme, der seltsame Umstand, dass man ihn nicht in ein normales Gefängnis, sondern in eine Checa gebracht hatte, obwohl diese Einrichtungen unbeugsamen politischen Gefangenen vorbehalten waren, die Kürze seiner Haft und seine einfache Befreiung, ganz zu schweigen von der angeborenen Dummheit Onkel Víctors, die nicht etwa allen Verdacht zerstreute, weil es als eher unwahrscheinlich gelten konnte, dass der Oberste Sowjet Zeit und Wissen eines Spezialisten für eine geistige Null vergeudete, anstatt seine Methoden an einem geeigneteren Individuum anzuwenden, nein, man vertrat die Ansicht, dass ausgerechnet Onkel Víctors geringe Hirnmasse ihn für die Operation prädestiniert hatte und dass er mit seinem unscheinbaren Wesen und seiner bescheidenen Anstellung in einer Briefmarkenhandlung von den Geheimdiensten unbemerkt bleiben würde, er konnte sich also in der Bevölkerung und selbst im Familienkreis unauffällig bewegen, bis er sich eines Tages in ein Monster verwandeln würde. Im Grunde machte es Tante Conchita nicht so viel aus, dass irgendein Verbrechen geschehen konnte, der entscheidende Punkt war für sie, dass es von ihrem eigenen Bruder ausgehen würde. Gleich zwei Dinge kämpften in ihr gegeneinander: Da war zum einen die Angst, eine menschliche Bombe zu Hause sitzen zu haben, und zum anderen die feste Überzeugung, dass sich so viel Böses nicht unverdient bei uns eingereiht haben konnte. Was ersteres betraf, bereute sie es schon jetzt, dass sie die ehrenvolle Verpflichtung angenommen und ein Quartier angeboten hatte für diesen Herren, den Onkel Víctor, womöglich schon als Hinweis auf die in irgendeiner Windung seines Hirns heranreifenden infernalischen Pläne, gerade als «Bischof Kuhkaff» verunglimpft hatte.
Der illustre Gast hieß in Wirklichkeit Fulgencio Putucás und war Bischof von San José de Quahuicha, der Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts an der Grenze zweier, damals noch unter dem gemeinsamen Namen Centroamérica geläufiger mittelamerikanischer Länder, und war zusammen mit Hunderten Bischöfen aus der ganzen Welt nach Barcelona gekommen, um am Eucharistischen Weltkongress teilzunehmen, der im Mai 1952 in unserer Stadt stattfand.
Im Vergleich zu anderen bedeutenden Ereignissen, vergangenen wie zukünftigen, rief der Eucharistische Weltkongress wenig Beachtung und Resonanz hervor, zumal in einer Zeit, in der sich die Berichterstattung auf Zeitungen und kurze Filmberichte beschränkte, und das auch nur innerhalb unserer Grenzen. Ganz im Sinne der Marienverehrung war es das erklärte Programm des Eucharistischen Weltkongresses, eine Botschaft der Liebe und Fürsorge über den christlichen Erdenkreis zu senden, denn die Tatsache, dass Seine Heiligkeit Papst Pius XII. das Großtreffen nach Barcelona gebracht hatte als Wiedergutmachung für die «erlittenen Opfer während des Kreuzzugs», bedeutete nicht, dass sich substantiell irgendetwas änderte. Immerhin erließ Franco, um seinen guten Willen zu zeigen und innere Stabilität zu demonstrieren, am Vorabend des Kongresses eine Amnestie, die vielen politischen Gefangenen die Freiheit schenkte und vom Heiligen Stuhl mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen wurde. Auch die Beschränkungen in der Stromversorgung hörten auf, die Lebensmittelkarte verschwand, und weitgehend auch der Schwarzmarkt, außerdem wurde in der Stadt und an den Zufahrtsstraßen gebaut. Das war allerhand, denn für die Barceloneser gehörten Übergangenwerden und Außenvorbleiben so zum Lebensgefühl, dass sie es schon als Ereignis empfanden, wenn sich überhaupt etwas tat. Balkone wurden geschmückt, Baudenkmäler angestrahlt, und die herbeiströmenden Gäste und der sich daraus ergebende Bedarf an allen möglichen Fremdenführern ließ die Menschen ihre Stadt mit anderen Augen sehen.
Meine Familie, die die Routine zur absolutistischen Herrscherin erhoben hatte, versetzte das alles in große Aufregung. Und das lag nicht nur an dem Trubel in der Stadt, sondern an der Eminenz, die in Kürze bei Tante Conchita über die Türschwelle treten und für ein paar Tage zum Dreh- und Angelpunkt unseres Leben werden sollte.
Es ist schwer zu sagen, wie viele Fremde genau zum Eucharistischen Weltkongress nach Barcelona kamen, denn die wenigen Zahlen, die es gibt, wurden vermutlich in propagandistischem Interesse gefälscht, doch auf jeden Fall waren es viele. Tausende Pfarrer und Nonnen reisten über Land, Wasser und Luft an, und aus dieser Menge stachen ob ihrer Würde und ihren auffallenden Gewändern die Bischöfe heraus, je entfernter und exotischer ihre Herkunft war, desto mehr: Einem australischen, asiatischen oder afrikanischen Bischof war ein Foto auf der Titelseite der Lokalpresse sicher. Aber so gern man sich auch mit der Gästeschar schmückte, für eine Stadt, die gerade erst vom Krieg wiederauferstand und kaum Mittel besaß, stellte die Unterbringung ein Problem dar. Man baute Hotels, die religiösen Orden brachten ihre Mitglieder bei sich unter, und die städtischen und religiösen Oberen taten, was sie konnten, doch immer noch waren nicht alle Gäste versorgt, und so appellierte man schließlich an die Gastfreundschaft der Barceloneser. Und da Tante Conchita sehr fromm war und sich auf den Aufruf sofort meldete, und Onkel Agustín sehr einflussreich und seine Wohnung repräsentativ genug, um einen Kirchenfürsten zu beherbergen, wurde ihnen eine Obrigkeit aus fernen Landen zugewiesen. Wenn Tante Conchita im Stillen davon geträumt hatte, einen Kardinal oder zumindest einen bedeutenden Bischof bei sich aufzunehmen, dann verstand sie ihre Enttäuschung elegant zu überspielen, als sie erfuhr, dass das Los ihr einen Ordinarius zugespielt hatte, dessen Herkunftsort nicht nur einen unaussprechlichen Namen hatte, sondern so unbekannt war, dass wir ihn nur mit Hilfe einer Lupe im Atlas ausfindig machen konnten. Aber nun, ein Bischof, woher er auch kam, stand in direkter Verbindung zum Papst und war nach dem Pontifex maximus der höchste Repräsentant Gottes auf Erden. Außerdem war unser Bischof Lateinamerikaner, er würde wie wir Spanisch sprechen und hätte, was Hygiene und Ernährung betraf, dieselben Sitten. Ich will mir gar nicht vorstellen, sagte meine Tante, die bereits von «ihrem» Bischof sprach, ich will mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, einen Japaner oder einen Schwarzen im Haus zu haben. Jemanden, der so an seinen Gewohnheiten klammerte wie meine Tante, brachte es schon an die Grenzen, überhaupt einen Fremden bei sich aufzunehmen, noch dazu einen so ungewöhnlichen.
In den Wochen vor der Ankunft des illustren Gasts gab es viel zu besprechen, und die Familie wurde immer wieder zusammengerufen, allerdings wussten alle, dass sie nicht ernsthaft um Rat gefragt würden, sondern von ihnen nichts weiter erwartet wurde, als zu allen Plänen meiner Tante zu nicken, sie dafür zu bewundern, wie minutiös sie alles im voraus bedacht hatte, und sie für die Anstrengungen und den ungeheuerlichen Aufwand zu bemitleiden. Nach langem Hin und Her beschloss man, den Bischof im Gästezimmer unterzubringen, das geräumig war, gut belüftet und mit allem ausgestattet, was den Aufenthalt angenehm machte, und ihm nicht wie anfangs erwogen das Schlafzimmer zu überlassen, also das Schlafgemach meiner Tante und meines Onkels, wovon man wieder abgekommen war, weil man ihm die Atmosphäre ehelicher Intimität nicht zumuten wollte und meinte, dass es dem Prälaten vielleicht unangenehm wäre, in einem so großen Bett zu schlafen. Über das Gästebett hängte man ein einfaches Holzkreuz, und auf die Kommode stellte man eine Blumenvase, die man dann doch wieder wegnahm, weil man Pflanzen im selben Raum, in dem ein Mensch schläft, für unschicklich und ungesund erachtete. Neben Bettwäsche legte man einen Satz Handtücher und diverse Toilettenartikel bereit, inklusive Badeseife, Shampoo, Rasiercreme, Zahnpasta, Brillantine und Haarfestiger. Das Hauspersonal bekam genaueste Anweisungen. An Dienstboten gab es im Haus meiner Tante und meines Onkels eine Köchin mittleren Alters, die ein grobes Äußeres hatte, aber mit der es immer sehr lustig war, sie hieß Manifiesta, und ein junges Fräulein, sehr liebreizend und etwas einfältig, sie war die Nichte der Köchin und hieß mit Nachnamen Leres, und ich sah sie immer in der gleichen Aufmachung, mit Schürze, Ärmelaufschlägen und gestärktem Häubchen. Zu dieser festen Belegschaft, oder dem Körper des Hauses, wie man damals sagte, zählte noch ein Chauffeur, den ausschließlich mein Onkel für seine Geschäfte in Anspruch nahm, eine Stundenhilfe, eine Näherin und eine Büglerin, die einen Tag in der Woche kamen und deren Namen ich nicht wusste oder vergessen habe. Sie alle erhielten strikte Anweisungen.