9,99 €
Eigentlich scheint die Welt des kleinen Löwen Mojo im Zoo in bester Ordnung: Futter gibt es reichlich, er darf faulenzen, spielen und seine Eltern geben liebevoll auf ihn acht. Und doch fehlt ihm etwas, ist er ermüdet vom immer gleichen Trott. Er sehnt sich nach Freiheit, träumt von einem Leben in der Savanne fernab von Gitterstäben und Gräben in einträchtiger Verbundenheit mit anderen Tieren, die eigentlich auf dem Speiseplan eines Löwen stehen. Von allen belächelt fasst er sich ein Herz und überwindet die Absperrungen. Begleitet von einer weisen Eule und gewappnet mit den "7 Kräften" wie Fantasie und Klarheit, kommt Mojo seinem Traum Stück für Stück näher, und lernt, dass es darauf ankommt, trotz Hindernissen auf sich zu vertrauen, den Weg seines Herzens zu finden und mit Hingabe zu beschreiten. Dieses liebevoll gestaltete Geschenkbuch fordert uns auf, die eigenen Wünsche ernst zu nehmen und bietet zusätzlich in einem breit angelegten Praxisteil Übungen zur konkreten Umsetzung der "7 Kräfte" im Alltag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 145
Ruediger Schache
Der Weg des sanften Löwen
Warum es sich lohnt, anders zu sein
Inhalt
Der Weg des sanften Löwen
Bis zum Horizont
Das gute Leben
Der tiefe Graben
Das große Geheimnis
Spiele
Der Auftrag
Nacht ohne Schlaf
Die neue Aufgabe
Neue Fragen
Rodney
Die zwei Löwenarten
Das Herz eines Löwen
Die Regeln der Macht
Bundi
Die erste Lektion
Kraft
Fantasie
Der letzte Abend
Vertrauen
Bedenken
Der neue Weg
Das Rudel
Durst
Freie Löwen
Die Seiten der Freiheit
Ungeliebte Ideen
Blut
Der erste Stein
Hunger
In Frieden mit den Kriegern
Liebe
Was sind Freunde?
Was ist ein Chef?
Annäherung
Gemeinsame Kraft
Das Ende des Grabens
Die acht Kräfte des sanften Löwen
1. Kraft: Sehnsucht
2. Kraft: Klarheit
3. Kraft: Kraft
4. Kraft: Vertrauen
5. Kraft: Fantasie
6. Kraft: Wille
7. Kraft: Liebe
8. Kraft: Handeln
Bildnachweis
Der Autor
Der Weg des sanften Löwen
Warum es sich lohnt,
Bis zum Horizont
Es war ein ganz gewöhnlicher Tag irgendwo in Afrika. Der junge Löwe Mojo lag müde blinzelnd neben seiner Mutter. Umgeben von den anderen Mitgliedern seines Rudels hatte er von seinem Hügel aus das Revier bis zum nahen Horizont im Blick. Die kleine Wasserstelle, der tiefe Graben, das Löwenhaus, die Gnus, Antilopen, Gazellen, Zebras, Giraffen, Nashörner und Elefanten in den anderen Gehegen. Dazwischen, auf grau gesandeten Wegen, schlenderten Eis und Popcorn essende Besucher. Einige von ihnen versuchten immer wieder, die Aufmerksamkeit der Tiere mit Rufen und Gesten auf sich zu lenken. Doch niemand im Rudel verschwendete mehr als einen müden Blick an sie.
Jeden Morgen kam entweder ein dunkelhäutiger Menschenmann oder eine hellhäutige Menschenfrau in das Löwenhaus und stampfte mit einem Stock, an dem hell klingende Schellen befestigt waren, auf den Boden. Das Geräusch war störend und trieb alle Löwen nach draußen, wo sie dann ihren Tag verbrachten.
Später am Vormittag brachte jemand das Essen, was meistens bedeutete, dass große Brocken Fleisch mit einem langen Stock über den rückwärtigen Zaun gestoßen wurden. Ab und zu kam ein Menschenmann, der Mojo oder einen der anderen Löwen betäubte, das Fell mit scharf riechender Luft besprühte oder etwas an den Zähnen machte.
In diese Welt war Mojo geboren worden, und für ihn war es die einzige, die es gab.
Dem Unwissenden erscheint selbst ein kleiner Garten wie ein Wald.
Das gute Leben
In Mojos klar umgrenzter Welt gab es alles, was Löwen brauchen, um ein gutes Leben zu haben. In einer Ecke des Geheges standen mehrere Bäume so nahe beieinander, dass es aussah, als würden sie sich mit ihren Ästen gegenseitig umarmen. Besonders in der Mittagshitze versammelten sich die meisten Rudelmitglieder am liebsten unter ihrer Schatten spendenden Blätterkuppel. An der gegenüberliegenden Ecke des Löwengeländes, die an das Gehege der Gazellen und Zebras grenzte, stand ein einzelner mächtiger Baum, unter den sich aber selten jemand legte, weil er einen scharfen Geruch verströmte. Nur ältere Löwen mit schlechteren Nasen konnten es dort eine Weile aushalten. Manche sagten sogar, es täte ihnen gut und sie könnten danach besser atmen. Aber was die Alten sagten, war für die Jungen schon immer merkwürdig gewesen.
Um das Löwenhaus herum gab es vier Hügel. Der höchste und breiteste gehörte Mojos Eltern, denn Mojos Vater war der Anführer des Rudels. Zwischen den Hügeln lag das spiegelnde Wasser, das an manchen Tagen so tief war, dass man darin schwimmen konnte. Niemand aus dem Rudel wäre freiwillig hineingegangen. Aber unter den jungen Löwen gab es gelegentlich Mutproben, und so wusste Mojo, was es mit dem Geheimnis des spiegelnden Wassers auf sich hatte. Obwohl es an der Oberfläche genauso aussah wie der Himmel über dem Gehege, konnte man dennoch nicht darin atmen. Deshalb taten kleine Löwen gut daran, achtsam damit umzugehen. Doch auch wenn das spiegelnde Wasser gefährlich werden konnte, war es nichts im Vergleich zu der zweiten Sache, vor der man sich hüten musste.
Der tiefe Graben
Um das ganze Gehege herum zog sich ein großer Graben. Glaubte man den alten Erzählungen, so hatte es kein Löwe, der jemals hineingestürzt war, aus eigener Kraft wieder herausgeschafft. Die senkrechten Wände waren so hart und glatt, dass selbst die schärfsten Löwenkrallen ihnen nicht einmal eine Schramme beibringen konnten. Um den Graben wieder verlassen zu können, war man auf die Hilfe der Wärter angewiesen, die dazu zwei aneinandergebundene dünne Baumstämme zum Boden des Grabens hinabließen. Der gefallene Löwe versuchte dann unter großer Mühe, über die schmale und federnde Konstruktion herauszuklettern, was insgesamt ein entwürdigendes Schauspiel war. Seit es alle einmal beobachtet hatten, nahm sich jedes Rudelmitglied in Acht, dass ihm nicht das Gleiche widerfuhr.
Der Graben war ein Feind, eine Grenze und eine Legende zugleich. Niemand wusste, wie er entstanden war und wozu er diente. Aber jeder wusste, dass man sich von ihm fernhalten musste. Überlieferungen berichteten, dass lange vor Mojos Zeit einmal ein Löwe hineingefallen war, während ein Menschenwärter gerade die Abfälle der Besucher herausholte. Dabei war es zu einer Rangelei gekommen, und weder der Wärter noch der Löwe waren danach jemals wieder gesehen worden. Der Graben konnte hineingefallene Lebewesen offenbar einfach verschlucken. Eigentlich gab es keine einzige gute Geschichte über den großen Graben, weshalb auch alle darauf achteten, ihn nicht zu oft zu erwähnen.
Das große Geheimnis
»Vater, ich habe eine Frage, die mich nicht loslässt, seit ich denken kann«, sagte Mojo eines Tages zu Chaka, dem Anführer, der im Schatten der sich umarmenden Bäume döste.
»Nur zu«, sagte Chaka und gähnte.
»Wie ist die Welt außerhalb unserer Welt?«, fragte Mojo.
»Sprich nicht darüber«, sagte sein Vater, und seine Stimme klang plötzlich ganz streng. »Es ist ein Geheimnis.«
»Aber wenn es ein Geheimnis ist, muss es jemanden geben, der die Antwort weiß und sie geheim hält«, sagte Mojo. »Sonst wäre es kein Geheimnis.«
»Du bist ganz schön aufgeweckt«, sagte Chaka, nun wieder etwas milder. »Man merkt, dass du mein Sohn bist.«
»Wer also kennt die Antwort auf das große Geheimnis?«, bohrte Mojo weiter.
»Niemand, der vernünftig im Kopf ist«, sagte Chaka. »Aber du kannst dir die Frage selbst beantworten. Sieh dich um. Außerhalb der Welt unseres Rudels ist es genauso wie hier. Gehege und Gräben, so weit das Auge reicht. Nur leben dort die niedrigeren Tiere.«
»Und noch weiter dahinter?«, fragte Mojo. »Was, wenn man bis zum Ende der Welt gehen könnte?«
»Sieh dort hinüber«, sagte Mojos Vater und deutete mit seinem Blick in Richtung der gekalkten Mauer, die den Tierpark wie ein Ring umschloss. »Das Ende der Welt ist weiß. So war es schon immer.«
»Aber der Himmel muss irgendwo hinführen«, sagte Mojo.
Der Chef legte den Kopf ein wenig in den Nacken und blinzelte in Richtung Sonne. »Selbstverständlich«, sagte er dann. »Der Himmel führt nach oben, in die Welt der Vögel. Ein Raum, der uns verwehrt ist. Also, warum sollen wir uns darüber Gedanken machen?«
»Ich habe beobachtet, dass die Vögel nicht nach oben verschwinden, sondern hinter dem weißen Ende der Welt«, sagte Mojo. »Manchmal kommen sie auch von dort zurück. Also muss es hinter dem Weißen weitergehen. Vielleicht ist dort alles Himmel.«
Chaka schüttelte unwillig die Mähne.
»Mojo, mein Junge, selbst wenn es so wäre, dann würde jeder, der das Weiße überquert und nicht fliegen kann, abstürzen.«
Mojo wartete kurz, weil er wusste, dass Pausen Respekt bedeuteten.
»Es gibt auch das Gerücht, dass hinter dem Weißen nicht nur blauer Himmel ist, sondern etwas, das man Freiheit nennt«, sagte er dann.
»Löwen reden viel, wenn der Tag langweilig ist«, sagte der Chef. »Und jetzt hör auf, Fragen zu stellen, die ohnehin nie jemand beantworten wird. Wir haben Wichtigeres zu tun.«
Die Wahrheit existiert jenseits der Berge. Um sie zu erkennen, muss man reisen.
Spiele
Seit Mojo sich erinnern konnte, spielten die Junglöwen vormittags und am späten Nachmittag miteinander. Diese Spiele dienten dazu, Kraft und Geschicklichkeit zu entwickeln, aber auch herauszufinden, wer der Stärkste in der Jugendgruppe war. Es wurde viel gebalgt, gebissen und gekratzt, aber niemals fügte ein Löwe einem anderen nennenswerten Schaden zu. Und falls aus Übermut doch einmal ein kleines Unglück passierte, war es schnell wieder vergessen.
Inzwischen war Mojo körperlich fast so groß wie sein Vater, auch wenn seine Mähne noch um einiges kürzer und sein Körper schlank und leicht war. Immer noch spielten Mojos Freunde so ausgelassen miteinander wie in ihren ersten Tagen, doch einem Betrachter von außen konnte nicht verborgen bleiben, dass hier junge, starke Löwen ihre Kräfte für den späteren Wettbewerb um das Recht des Stärksten erprobten.
Eines Tages veränderte sich in der Gruppe von Mojos Freunden etwas, und das wiederum veränderte Mojos ganzes Leben auf einen Schlag. Denn er wurde plötzlich und ohne sichtbaren Anlass von manchen seiner alten Freunde vorsichtiger behandelt, von anderen hingegen deutlich rauer. Mojo spürte, dass er kein wirkliches Mitglied der Gruppe mehr war, auch wenn er noch wie früher seine Zeit mit ihnen verbrachte. Die anderen gehörten eindeutig noch zusammen, Mojo aber stand nun am Rand. Und er hatte keine Ahnung, warum.
»Pandu, warum sind alle plötzlich so anders zu mir?«, fragte Mojo seinen besten Freund.
»Niemand behandelt dich anders als sonst«, sagte Pandu.
Doch bereits der Tonfall, in dem er es sagte, war nicht mehr derselbe wie früher.
Auch von anderen Mitgliedern des Jungrudels, die er fragte, bekam Mojo keine ehrliche Antwort. Am Ende wusste er nur eines sicher: Er gehörte nicht mehr dazu.
Freundliche Worte sind leicht, Freundschaft ist schwer.
Sprichwort aus Uganda
Der Auftrag
Am Morgen nach dem rätselhaften Tag, an dem sich alles verändert hatte, kam Chaka auf Mojo zu. Chaka war ein mächtiger Löwe mit sehr tiefer Stimme, den alle nur »Chef« nannten. Dass er seinen Sohn aufsuchte, war ungewöhnlich, denn normalerweise ließ der Chef die anderen zu sich rufen, wenn es etwas zu besprechen gab.
»Mein Junge, es ist Zeit, dass du den Sinn deines Daseins verstehst«, sagte Chaka mit feierlicher Miene. Seine Mähne, die aussah wie aus Fell geformte Gewitterwolken, umspielte bei jeder Bewegung sein kantiges Gesicht.
»Im Moment verstehe ich noch nicht einmal meine eigenen Freunde«, sagte Mojo. »Seit gestern grenzen mich alle aus. Völlig grundlos.«
»Das ist nicht deine Schuld«, sagte der Chaka. »Denn gestern habe ich es deiner Mutter gesagt. Sie hat es den anderen Müttern erzählt, und daraufhin wussten es auch alle Junglöwen.«
»Was denn?«, fragte Mojo.
»Dass ich dich zu meinem Nachfolger machen werde.«
»Ich soll du werden?«, fragte Mojo entrüstet.
»So hätte ich es nicht ausgedrückt«, sagte der Chef. »Aber auf eine Art hast du damit recht.«
»Und darum grenzen sie mich aus?«, fragte Mojo.
»Sie grenzen dich nicht aus«, sagte Chaka. »Sie erweisen dir nur Respekt. Weil du besonders bist.«
»Aber ich weiß gar nicht mehr, wie ich mich jetzt verhalten soll«, sagte Mojo.
»Wenn du besonders bist, hast du nur zwei Möglichkeiten«, sagte Mojos Vater. »Entweder du passt dich an und bleibst dabei doch immer ein unglücklicher Außenseiter. Oder du akzeptierst deine Andersartigkeit und erschaffst deine eigene Welt, in der du der Chef bist. Für dich, mein Sohn, ist das zweite vorgesehen.«
»Aber wenn ich alle Freunde verliere, weil sie denken, ich sei anders, bin ich am Ende allein«, sagte Mojo.
»Daran gewöhnst du dich. Sieh mich an. Habe ich auch nur einen einzigen wahren Freund?«
Mojo dachte kurz nach, dann schüttelte er den Kopf.
»Das bedeutet es, ein Chef zu sein«, sagte Chaka. »Es ist der Preis der Macht. Nichts weiter erlebst du gerade.«
»Warum habt ihr mich nicht gefragt, ob ich es überhaupt will?«, fragte Mojo.
»Mein Junge, es geht hier nicht um eine Frage des Wollens«, sagte sein Vater und schlug dabei einen bewusst geduldigen Tonfall an. »Du bist für die Position auserwählt. Darüber solltest du dich freuen, denn die meisten würden viel für die Ehre geben, Chef zu sein. Es bringt wichtige und ruhmvolle Aufgaben mit sich.«
»Und worin bestehen diese Aufgaben?«, fragte Mojo.
»Wenn das Essen kommt, bestimmt der Chef, in welcher Reihenfolge gegessen wird und wer wie viel bekommt«, erklärte sein Vater. »Wenn irgendwo Streit entsteht, ist es die Aufgabe des Chefs, für Ruhe zu sorgen. Wenn sich zwei nicht einigen können, muss der Chef Recht sprechen. Wenn jemand die Position eines anderen angreift und der andere sich nicht selbst wehren kann, muss der Chef die Positionen der beiden neu verteilen. Falls das Rudel angegriffen wird, muss der Chef ganz vorne stehen und alle anführen.«
»Angegriffen? Von wem?«, fragte Mojo.
»Es ist bislang noch nicht vorgekommen«, sagte sein Vater. »Aber die Legenden berichten, dass die Angreifer irgendwo da draußen warten. Als Chef muss man darauf vorbereitet sein.«
Mojos Mutter gab ein Geräusch von sich.
»Ach ja«, sagte Mojos Vater daraufhin. »Und natürlich muss ein Anführer für Nachwuchs sorgen, denn auch er wird eines Tages alt und braucht einen Nachfolger. Du siehst also, das Leben eines Anführers ist wirklich ausgelastet. Es ist eine große Aufgabe für einen starken und intelligenten Löwen.«
»Ja«, sagte Mojo. »Das ist es wohl.«
»Gut. Dann fangen wir ab morgen mit deiner Ausbildung an.«
Du wirst kein Chef, indem du dich auf einen großen Stuhl setzt.
Nacht ohne Schlaf
In dieser Nacht fand Mojo zum ersten Mal in seinem Leben keinen Schlaf. Vielleicht lag es an den aufwühlenden Neuigkeiten der letzten zwei Tage, ein wenig vielleicht auch an seinem neuen Schlafplatz. Er wollte weder wie bisher bei seinen Freunden liegen, noch fühlte es sich richtig an, neben den Erwachsenen und Alten zu schlafen. Und so lag Mojo alleine neben der Tür nach draußen.
Eigentlich, dachte er, gehöre ich nun nirgends mehr dazu. Wie soll ich als Fremder im eigenen Rudel jemals ein guter Anführer werden?
Bei diesen Gedanken erfasste eine riesige Sehnsucht sein Herz. Es war, als würde das große Geheimnis ihn von außerhalb der weißen Grenze zu sich rufen. Nur konnte er diesem Ruf nicht folgen. Und das fühlte sich sehr schmerzhaft an.
Die neue Aufgabe
»Das Wichtigste an der Arbeit eines Anführers ist es, immer den Überblick zu behalten«, erklärte Mojos Vater am nächsten Morgen nach dem Frühstück. »Alle Lebewesen suchen nach Zugehörigkeit, Klarheit und Perspektive. Weil das glücklich macht. Wenn du ihnen diese Gefühle geben kannst, akzeptieren sie dich als Chef.«
»Und wie soll ich das anstellen?«, fragte Mojo.
»Sie brauchen einen Sinn«, sagte Chaka. »Mehr musst du dir nicht merken. Jeder, der seinen Sinn kennt, lebt glücklich und ruhig. Wer am Sinn zweifelt, den kann auch nichts anderes glücklich machen. Deshalb muss ein Chef für seine Anvertrauten unbedingt gute Antworten auf die Fragen nach dem Sinn ihres Daseins haben.«
Der Chef schüttelte sich, und für einen Moment umgab eine feine Staubwolke im Gegenlicht seinen Kopf wie ein Heiligenschein.
Mojo lächelte.
»Das ist genau, was auch mich beschäftigt«, sagte er. »Was ist der Sinn unseres Daseins? Was tun wir hier?«
»Das ist einfach zu erklären«, sagte sein Vater. »Der Sinn ist, dass wir hier sind und dass wir uns wie Löwen verhalten. So wie alle Löwen vor uns es taten und wie alle nachfolgenden es ebenfalls tun werden. Wir essen, spielen, schlafen, und vor allem zeigen wir allen anderen unsere Stärke. So werden wir immer gefürchtet, und niemand wagt es, uns Ärger zu machen.
»Das ist alles?«, fragte Mojo.
»Das ist mehr als genug, wenn du es gut machen willst.«
Chaka sah seinen Sohn mit strengem, aber liebevollem Blick an.
»Warum fragst du so seltsam?«, fragte er.
»Es kann doch nicht der Sinn unseres Lebens sein, einfach nur Löwe zu sein«, meinte Mojo vorsichtig. »Es muss mehr geben.«
Er hatte großen Respekt vor seinem Vater, aber die Fragen in seinem Kopf ließen ihm einfach keine Ruhe. Chaka blieb geduldig. Er schien es als Teil seiner Lehraufgabe zu betrachten, auch auf die kritischen Fragen seines Sohnes ausführlich einzugehen.
»Warum sollte es mehr geben?«, sagte er. »Es geht uns gut, wir brauchen uns um nichts zu sorgen. Wir müssen nicht kämpfen, und wir müssen uns von niemandem etwas gefallen lassen. Wir dürfen spielen, uns vermehren und uns an unseren Kindern erfreuen. Wir sind die Könige hier. Also erfreue dich ebenfalls daran, denn unser Leben könnte auch schlechter sein.«
Er gähnte genüsslich.
»Als ich noch so jung war wie du, hatte ich ähnliche Flausen im Kopf«, sagte er dann. »Man nennt es Träume. Sie entspringen der Fantasie und machen unzufrieden. Aber das verliert sich mit der Zeit von selbst. Du solltest dein Leben so genießen, wie es ist, und dir nicht so viele Gedanken machen.«
»Aber ich kann meine Gedanken nicht abstellen«, sagte Mojo.
»Dennoch musst du es üben«, sagte sein Vater. »Es ist eine wichtige Disziplin.«
»Warum?«