Der Weihnachtsmordclub - Ben Kryst Tomasson - E-Book
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Der Weihnachtsmordclub E-Book

Ben Kryst Tomasson

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Beschreibung

Ein total verstrickter Fall.

Es weihnachtet in Archsum auf Sylt, und die Häkeldamen unterstützen fleißig die Vorbereitungen für das Krippenspiel. Doch statt Besinnlichkeit herrschen Anspannung und Misstrauen in der Kirchengemeinde. Binnen kurzer Zeit passieren gleich mehrere Diebstähle, und dann wird auch noch die Leiterin der Jugendgruppe vom herabstürzenden Stern von Bethlehem erschlagen. Während die Kirchenverantwortlichen beharrlich auf einen Unfall plädieren, wittern die Häkeldamen einen Mord – und nehmen die Ermittlungen auf ... 

Karin Bloms Assistentinnen auf den Spuren des Täters – der erste eigene Kriminalfall der Häkelmafia.

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Über das Buch

Mallorca im Winter? So ein Quatsch. Da verbringt Marijke das Weihnachtsfest doch lieber ohne ihre Kinder zu Hause auf Sylt – der schönsten Insel der Welt. Immerhin hat sie ja ihre Häkelfreundinnen Witta, Alma und Grethe, und die haben auch schon einen Plan, wie sie zum diesjährigen Fest der Liebe einen Beitrag leisten können. Die Kirchengemeinde in Archsum plant ein Krippenspiel und einen Back- und Handarbeitswettbewerb. Keine Frage, da sind sie mit von der Partie. Doch die Vorbereitungen für das große Spektakel werden durch seltsame Vorfälle überschattet. Die Kollekte ist spurlos verschwunden, ebenso das legendäre Vanillekipferlrezept. Als dann noch die Jugendgruppenleiterin dem herabstürzenden Stern von Bethlehem zum Opfer fällt, sind die vier Hobby-Miss-Marples sich sicher: Sie haben einen neuen Fall!

Über Ben Kryst Tomasson

Ben Kryst Tomasson, geboren 1969 in Bremerhaven, ist Germanist und promovierter Diplom-Psychologe. Seine Leidenschaft gehört den Geschichten, die das Leben schreibt, den vielschichtigen Innenwelten der Menschen und dem rauen Land zwischen Nordsee und Ostsee.

Im Aufbau Taschenbuch liegen bereits seine Kriminalromane um die Ermittlerin Kari Bloom vor: »Sylter Affären«, »Sylter Intrigen«, »Sylter Blut«, »Sylter Gift«, »Sylter Lügen«, »Sylter Schuld«, »Sylter Sünden«, »Sylter Gier« und »Sylter Rivalen«.

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Ben Kryst Tomasson

Der Weihnachtsmordclub

Ein Sylt-Krimi

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Dank

Omas Vanillekipferl

Impressum

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1

Marijke Meenken lief durch den Garten zum Briefkasten, ein flottes Weihnachtslied auf den Lippen, das sie leise vor sich hin sang. Ihre gefütterten Hausschuhe hinterließen kleine Rautenmuster in der dünnen Schneeschicht auf dem Weg. Sie öffnete die Klappe und zog die Zeitung und ein paar weiße Umschläge hervor. Als sie den Briefkasten wieder schloss, löste sich etwas aus dem Stapel und segelte zu Boden. Eine bunte Karte, die sich im weißen Schnee seltsam ausnahm.

Marijke hob sie auf und blinzelte. Sie hatte es tatsächlich vergessen. Oder verdrängt?

Gesprochen hatten die Kinder ja schon oft davon, doch dass sie es wirklich wahr machen würden? Weihnachten unter südlicher Sonne! Und nun hielt Marijke die Postkarte in der Hand. Mit spanischer Briefmarke, mehrfach geknickt und mit einem Eselsohr an der linken oberen Ecke. Was nicht schlimm war. Es war eine billige Karte in grellen Farben ohne besonderen Reiz. Meer, Strand und ein kurzer Gruß mit dem Zusatz, dass es einfach toll dort unten sei.

Die Post unter den Arm geklemmt, ging Marijke zurück ins Haus. Also würde sie dieses Jahr ohne ihre Familie feiern. Zugegeben, man hatte sie gefragt, ob sie mitfahren wollte. Aber Marijke hatte ihr Leben lang jedes Weihnachtsfest auf ihrer Insel begangen. Wie sollte man unter Palmen und praller Sonne in die passende Stimmung kommen? Nein. Sie wollte Weihnachten auf Sylt feiern, nicht auf Mallorca. Und wenn ihre Familie nicht bei ihr sein wollte, würde sie es sich eben allein zu Hause gemütlich machen.

Marijke zog die Haustür hinter sich ins Schloss und stampfte ein paarmal auf der Fußmatte herum, bevor sie ins Wohnzimmer ging. Die Zeitung und die Briefe legte sie auf dem Esstisch ab, bevor sie nachdenklich den Blick hob. Vielleicht könnte sie ja Grethe einladen? Die Klempnerwitwe hatte keine Familie und verbrachte die Weihnachtstage gewöhnlich mit Puzzeln. Sie machte sich nichts aus dem Fest. Es gab bei ihr weder einen Weihnachtsbaum noch irgendwelchen anderen Schmuck oder Gedöns, wie die Freundin es nannte. In ihren Augen war das Fest zu Gruppenzwang und Konsumterror verkommen, und weder dem einen noch dem anderen wollte sie sich unterwerfen. Aber womöglich hätte sie ja Lust, gemeinsam etwas zu kochen und anschließend mit einem Glas Wein am Kamin zu sitzen?

Marijke wollte gerade zum Telefon greifen, als es zu klingeln begann.

Witta Claaßen, stand auf dem Display.

Sie nahm das Mobilteil aus der Station und meldete sich. »Hallo Witta.«

»Marijke!«, scholl ihr die empörte Stimme der Landarztwitwe entgegen. »Du glaubst nicht, was passiert ist.«

»Was denn?« Marijke sammelte ein paar heruntergefallene Nadeln vom Adventsgesteck auf der Anrichte ein. Sie war nicht beunruhigt. Witta machte aus allem ein Drama. Es war selten so schlimm, wie es klang.

»Sören hat mir eine Nachricht geschickt. Eine E-Mail.«

Sören war Wittas Sohn, der seit vielen Jahren als Flying Doctor im Senegal arbeitete. Vor Kurzem hatte er seiner Mutter einen Computer geschenkt. Zu Marijkes Erstaunen kam die Freundin, die bisher schon mit ihrem Seniorenhandy Schwierigkeiten gehabt hatte, gut damit zurecht. Sie machte Videokonferenzen mit Sören und verbrachte plötzlich jede Menge Zeit im Netz.

»Er schreibt, er kann nicht kommen«, klagte Witta. »Zu Weihnachten. Angeblich ist die Not zu groß.«

»Dann sind wir schon zu zweit«, erwiderte Marijke und trug die gesammelten Nadeln in die Küche. »Raik und die Mädchen kommen auch nicht. Sie feiern auf Mallorca.« Sie öffnete den Mülleimer und warf die Nadeln hinein.

»Mallorca?« Witta sprach den Inselnamen aus, als handelte es sich um irgendetwas höchst Unappetitliches. »Wie kommt man denn auf eine solche Idee? Weihnachten ist doch nirgendwo sonst so schön wie auf Sylt.«

Was exakt Marijkes Ansicht war, aber sie kam nicht dazu, Witta zuzustimmen. In ihrem Telefon erklang ein Piepen.

»Warte mal kurz. Da klopft jemand an.« Sie nahm das Mobilteil vom Ohr, schaltete Witta in die Warteschleife und nahm das Gespräch entgegen.

»Marijke!«, erklang die Stimme von Alma Grieger. »Du glaubst nicht, was passiert ist!«

Marijke kniff die Augen zusammen. Hatte sie ein Déjà-vu? Oder, richtiger gesagt, ein Déjà-entendu? Genau diese Worte hatte doch Witta zwei Minuten zuvor verwendet. Bei Alma war derselbe Text allerdings durchaus ein Grund zur Sorge.

»Jeske lässt sich scheiden«, berichtete die Bäckerwitwe. »Sie zieht gerade aus dem gemeinsamen Haus aus, und Jorin hilft ihr.«

Jeske war Almas Tocher, Jorin ihr Sohn.

»Du liebe Güte.« Marijke wusste nicht, was sie sagen sollte. Alma hatte ein gutes und entspanntes Verhältnis zu ihren Kindern. Sie lebten weit entfernt, trafen sich jedoch regelmäßig zu Familienfeiern und zu Weihnachten.

»Was mache ich denn jetzt?«, fragte Alma. »Ich habe bergeweise Zutaten für Kuchen und Plätzchen gekauft, und nun kommt niemand.«

»Albert auch nicht?« Alma hatte den Chauffeur vor ein paar Jahren im Golfresort kennengelernt, als ihre gemeinsame Freundin Kari dort gearbeitet hatte. Seitdem waren die beiden ein Paar.

»Sein Chef will die Feiertage am Genfer See verbringen. Albert muss ihn fahren.«

»Also sind wir an Weihnachten alle allein«, erkannte Marijke.

»Wieso? Was ist denn mit Raik? Und mit Sören?«

Marijke erklärte es ihr.

»Aber das ist doch wunderbar!«, freute sich Alma. »Dann können wir zu viert feiern, Witta, Grethe, du und ich.«

Marijke gab einen nichtssagenden Laut von sich. Sie liebte ihre Freundinnen, mit denen sie sich regelmäßig zum Häkeln traf. Sie unternahmen auch gemeinsame Spaziergänge, gingen zum Kurkonzert in Westerland und engagierten sich bei der Sylter Ornithologischen Gesellschaft SOG. Nur an Weihnachten hätte sie gern zur Abwechslung mal etwas anderes getan.

»Ja, du hast recht«, stimmte Alma ihr zu, obwohl sie gar nichts gesagt hatte. »Immer nur zu Hause herumzusitzen, ist langweilig. Ich habe eine bessere Idee. Pass auf …«

Wieder ertönte ein Piepen in Marijkes Ohr. Witta! Marijke hatte sie glatt vergessen!

»Entschuldige«, unterbrach sie Alma. »Ich habe Witta auf der anderen Leitung. Warum treffen wir uns nicht heute Nachmittag zum Kaffee und besprechen alles?«

»O ja. Ich backe noch rasch einen Kuchen. Um drei?«

Marijke stimmte zu und verabschiedete sich. Dann tippte sie auf den Knopf am Telefon, der die Verbindung zu Witta wiederherstellte.

...

Zwei Stunden später stand Alma Grieger vor der Tür von Marijkes hübschem Reetdachhaus in Braderup. Sie hatte sich in einen warmen Mantel gehüllt und einen dicken Schal umgeschlungen, weil es so kalt geworden war. Jetzt, nach dem kurzen Fußweg von der Bushaltestelle zu Marijkes Haus, mit dem Korb voll Kuchen in der Hand, war ihr jedoch fast heiß. Nicht wegen der Bewegung, sondern vor Aufregung. Das Faltblatt in ihrer Hosentasche schien förmlich ein Loch hineinzubrennen. Was die anderen wohl von ihrem Vorschlag halten würden?

Marijke öffnete die Tür. Ihr Gesicht war gerötet, und ihre Augen strahlten. Sie half Alma aus dem Mantel und schloss die Freundin in die Arme.

»Witta und Grethe sind schon da«, sagte sie und nahm Alma den Korb mit dem Kuchen ab. »Geh einfach durch. Ich komme gleich mit dem Kaffee.«

Alma hängte ihren Schal an die Flurgarderobe und betrat das Wohnzimmer. Grethe erhob sich vom Sofa und umarmte sie. Witta, die wie immer Marijkes bequemsten Sessel in Beschlag genommen hatte, winkte nur und rückte ihre weiße Marlene-Dietrich-Dauerwelle zurecht.

Alma setzte sich zu Grethe aufs Sofa, Marijke brachte den Kaffee und den aufgeschnittenen Kuchen. Sie machten sich darüber her, und Alma erzählte von dem bösen Streit, der dazu geführt hatte, dass ihre Tochter sich scheiden lassen wollte.

»Gut, dass Jeske und ihr Mann nicht zu Weihnachten kommen«, befand Witta. »Die hätten dir nur die Stimmung verdorben.« Sie bemerkte die scheelen Blicke, die Marijke und Grethe ihr zuwarfen. »Na ja. Schöner wäre es natürlich, wenn sie sich versöhnen würden«, ruderte sie zurück und goss ein wenig Milch in ihren Kaffee. »Was ist denn mit Frau Blom und Hauptkommissar Voss?«, versuchte sie von ihrem Fauxpas abzulenken. »Feiern die vielleicht auf Sylt?«

»Nein«, sagte Marijke. »Kari hat mir geschrieben, dass sie zu Weihnachten alle zusammen bei ihrer Familie in Kiel sind.«

»Hm.« Witta kaute eine Weile darauf herum. Die Undercover-Ermittlerin war ihnen eine liebe Freundin geworden, und sie hatten schon einige Male gemeinsam bei Hauptkommissar Jonas Voss den erfolgreichen Abschluss eines Falls gefeiert. In den letzten Jahren war Kari häufig zu Einsätzen auf Sylt gewesen, doch seit die kleine Lotta auf der Welt war, hatte sich ihr Lebensmittelpunkt verschoben. Alma sah, dass Witta von einer sentimentalen Regung erfasst wurde, diese jedoch gleich wieder abschüttelte. »Was ist das nun für eine Idee, die du hast?«, fragte sie.

Alma zog das Faltblatt aus der Tasche. »Ich dachte, wir könnten uns ein bisschen sozial engagieren.«

Witta kräuselte die Stirn.

»In der Kirchengemeinde St. Paul in Archsum«, fuhr Alma rasch fort. »Der neue Pastor macht eine große Weihnachtsveranstaltung. Mit Krippenspiel, Basar, einem Back- und einem Handarbeitswettbewerb.«

»Wettbewerbe? Kann man da etwas gewinnen?« Witta stellte das Milchkännchen beiseite.

»Ja.« Alma reichte ihr das Faltblatt über den Tisch hinweg. »Jeweils einen Gutschein für eine Musical-Reise nach Hamburg für zwei Personen, mit Eintrittskarten und Hotelübernachtung. Sofern beim Basar genügend Geld zusammenkommt.«

Witta kniff die Augen zusammen und studierte das Blatt.

»Sie suchen noch Helfer«, erklärte Alma. »Das wäre doch etwas für uns.«

»Absolut.« Witta hob den Kopf. »Du backst, und wir stricken etwas Hübsches. Wenn wir beide Wettbewerbe gewinnen, können wir alle vier ins Musical gehen.«

»Eigentlich geht es ja darum, dass wir anderen etwas Gutes tun, und nicht darum, dass wir davon profitieren«, tadelte Grethe.

Witta wedelte mit der Hand, die in einem weißen Seidenhandschuh steckte. »Das eine schließt doch das andere nicht aus«, sagte sie, wirkte dabei jedoch nicht besonders einsichtig.

Grethe schaute sie finster an.

»Also sind wir uns einig?«, trällerte Marijke, ehe sich der kleine Disput zum Streit auswachsen konnte. »Wir engagieren uns in Archsum in der Kirche?«

»Ja.« Witta reichte das Faltblatt mit einer huldvollen Geste an Alma zurück. »Wann trifft sich die Gruppe denn das nächste Mal?«

»Steht das nicht auf dem Zettel?«, stichelte Grethe.

»Ich habe nicht nachgesehen.«

»Du hast es nicht gesehen, meinst du.«

Witta spitzte die Lippen. »Spar dir die Unterstellungen. Ich habe Augen wie ein Luchs.«

»Wie ein altersmüder Luchs vielleicht.«

»Morgen Nachmittag«, ging Alma dazwischen. Sie mochte die ständigen Kabbeleien der Freundinnen nicht. Schon seit der gemeinsamen Schulzeit versuchte sie, sämtliche Konflikte mit Zuckerguss zu überdecken. Ob sie deshalb Konditorin geworden war? »Um zwei treffen sich die Freiwilligen im Gemeindehaus.«

»Da sind wir dabei«, sagte Grethe und griff nach einem weiteren Stück von Almas Schokoladenkuchen. »Der ist hervorragend«, erklärte sie. »Den Backwettbewerb hast du jetzt schon gewonnen.«

»Ach was.« Alma wehrte bescheiden ab und spürte, dass sie rot wurde. »Kuchen backen kann jeder. Aber Marijkes Strickmuster, die sind einmalig.«

»Unsinn«, sagte die Kapitänswitwe mit den kleinen grauen Locken scharf. »Geduld und Sorgfalt, das ist das ganze Geheimnis.« Gleich darauf lächelte sie Alma versöhnlich an. »Außerdem hat Grethe recht. Es geht nicht ums Gewinnen, sondern darum, dass wir ein gutes Werk tun.«

»Ja.« Alma erwiderte das Lächeln. Wer hätte gedacht, dass ihr Vorschlag so gut ankommen würde? Nun blieb nur zu hoffen, dass man sich in der Kirche in Archsum auch wirklich über ihre Hilfe freute und nicht fand, dass die Häkeldamen zu alt waren, um einen nützlichen Beitrag zu leisten. Oder womöglich schon so viele Freiwillige da waren, dass man sie gar nicht brauchte.

2

Marijke Meenken lenkte den schneeweißen Toyota Corolla Cross Hybrid vorsichtig die Dorfstraße von Keitum nach Archsum entlang. Es schneite wieder. Dicke Flocken rieselten vom Himmel. Sie legten sich auf die Windschutzscheibe und wurden vom Scheibenwischer beiseite gefegt.

Wieder einmal war Marijke froh über ihre Entscheidung für diesen Wagen. Die Straßen waren offensichtlich am Morgen geräumt worden, doch mittlerweile hatten sich Matsch und Neuschnee erneut zu einer Kruste vermengt, die knirschend unter den Rädern zerbrach. Überfrierende Nässe und versteckte Eisplatten waren Gefahren, denen man besser mit guten Reifen und modernen Sicherheitssystemen begegnete. Seit ihrem schweren Unfall im Herbst letzten Jahres fuhr die Angst immer mit, doch Marijke hatte nicht vor, sich unterkriegen zu lassen.

Sie war lange nicht mehr in Archsum gewesen. Es war der kleinste Ort der Insel und bestand nur aus wenigen Straßen. Vom Tourismus war hier kaum etwas zu spüren. Nur einige wenige Apartments wurden an Feriengäste vermietet.

Das Ortsbild wurde von großen alten Reetdachhäusern bestimmt, die auf ihren Warften thronten. Der Tourismusverband bezeichnete Archsum als den grünen Ruhepol der Insel. Zu Recht, fand Marijke. Die Salzwiesen erstreckten sich bis zum Deich. Jetzt waren sie von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Die Schafe, die dicht gedrängt in der Mitte einer der Weiden standen, verschmolzen fast vollständig mit der Umgebung.

Marijke nahm die letzte Kurve und stoppte vor der St.-Paul-Kirche. Es war ein schlichtes und modernes Gebäude mit hohem Giebel, bunten Mosaikfenstern und einem schlanken, offenen Glockenturm.

»Ich hatte ganz vergessen, wie hübsch die Kirche ist«, sagte Alma von der Rückbank aus. »Ich war seit einer halben Ewigkeit nicht mehr hier.«

»Ich auch nicht«, erklärte Witta, die wie immer den Beifahrersitz okkupiert hatte. »Wozu auch?«

»Weil man hier prima wandern oder mit dem Fahrrad fahren kann«, bemerkte Grethe.

»Sport?« Witta wedelte mit der weiß behandschuhten Hand. »Habe ich nicht nötig.«

»Würde dir aber gut tun. Fördert die Durchblutung und hält jung«, sagte Grethe und stieg aus dem Wagen. Marijke, Alma und Witta taten es ihr gleich.

»Siehst du, wie beweglich ich bin?«, fragte Witta und machte ein paar gewagte Tanzschritte. Grethe verdrehte die Augen.

Alma sah am Kirchturm hinauf zu der glänzenden Glocke, die von Schneeflocken umweht wurde. »Das wäre ein tolles Bild für eine Weihnachtskarte«, meinte sie.

Witta beendete ihre Vorführung und folgte Almas Blick. »Ja. Du hast recht«, bestätigte sie. »Die Kirche ist wirklich schön.«

Alma hängte sich den Riemen ihrer pinkfarbenen Handtasche um den Hals, holte ihr Smartphone hervor, das in einer rosafarbenen Häkelhülle steckte, und machte ein Foto. Marijke musste lächeln. Almas Tasche passte perfekt zu ihrem rosa Wollmantel, biss sich aber mit ihren orangerot gefärbten Haaren. Die Freundin schien das nicht zu stören. Rosa war ihre Lieblingsfarbe, und sie wollte weder auf die entsprechenden Kleider noch auf die Haartönung verzichten.

Für Marijke käme ein derart auffälliger Stil nicht infrage. Sie trug dezente Kleidung in gedeckten Farben, einen selbstgestrickten Pullover in Rot- und Brauntönen, einen hübschen braunen Mantel und einen Damenhut, der zu ihren grauen Locken passte.

Witta, die wie eine Schneekönigin angezogen war, mit weiter, weißer Hose, Stiefeln und einem Mantel mit künstlichem Pelzkragen, rückte ihre Dauerwelle zurecht. »Warum ist hier keiner? Hast du dich im Datum geirrt?«, fragte sie Alma.

Die Bäckerwitwe steckte das Smartphone zurück und kramte das Faltblatt aus der Handtasche. »Nein. Hier steht es. Sonntag, zweiter Advent, vierzehn Uhr.«

Grethe, wie immer mit Jeans, Turnschuhen und blauem Troyer bekleidet, stopfte die Hände in die Taschen ihrer dicken, dunkelblauen Winterjacke. »Es ist noch nicht zwei.«

Witta schob den mit Kunstpelz besetzten Ärmel ihres Mantels hoch und sah auf ihre goldene Armbanduhr. »Fünf vor. Da müsste doch schon jemand da sein. Fünf Minuten vor der Zeit …«, deklamierte sie. »Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige.«

Grethe, Marijke und Alma tauschten verständnisinnige Blicke.

»Sie haben vollkommen recht«, ertönte eine sonore Stimme hinter ihnen. »Das ist eine Eigenschaft, die viel zu wenig wertgeschätzt wird.«

Marijke und ihre Freundinnen fuhren herum und erblickten einen Mann mit ordentlich gescheitelten schwarzen Haaren. In der Hand hielt er ein Buch, eine Bibel oder ein Gesangbuch, dem dunklen Stoffeinband nach zu urteilen. Er war komplett in Schwarz gekleidet. Am Revers seines Sakkos steckte ein kleines goldenes Kreuz.

Witta streckte die Hand aus. »Herr Pastor! Es freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Witta Claaßen. Mein verstorbener Mann Wilhelm war Landarzt in Kampen …«

»Nein, nein«, unterbrach der Mann sie. »Ich bin nicht der Pastor.« Er schob das Buch in die Sakkotasche und ergriff ihre Hand »Jacob Dreyer, Diakon.«

Witta errötete. »Ach Gott. Entschuldigung!«

Dreyer lächelte. »Das ist doch nicht schlimm, meine Liebe. Aber Sie sollten den Namen des Herrn nicht für solche Bagatellen bemühen.« Er ließ ihre Hand los und wies auf das große Gebäude hinter der Kirche. »Die Veranstaltung findet im Gemeindehaus statt. Gehen Sie einfach hinein. Die Tür ist offen. Die Jugendgruppe ist bereits bei den Vorbereitungen, und einige Freiwillige sind auch schon da. Ich muss nur noch rasch etwas aus der Kirche holen.« Damit wandte er sich ab und ging über den verschneiten Vorplatz zur Seitentür der Kirche.

Witta sah ihm nach, bis er im Inneren verschwunden war, und legte die behandschuhten Hände aufs Herz. »Was für eine beeindruckende Erscheinung«, hauchte sie.

Grethe schnaubte. »Ich finde, er ist verklemmt.«

Witta funkelte sie an. »Weil du keinen Sinn für geistliche Dinge hast. Bist du überhaupt in der Kirche?«

Grethe zog den Reißverschluss ihrer dicken Jacke höher. »Nee. Was soll ich da? Das kostet doch nur Steuern.«

»Das Geld wird für gute Zwecke verwendet«, mischte sich Alma ein. »Die Kirche hilft und kümmert sich um Bedürftige.«

»Das tun andere Organisationen auch«, entgegnete Grethe. »Ich spende für die Welthungerhilfe.«

»Aber wenn du mal stirbst, hält niemand eine schöne Trauerrede an deinem Grab«, gab Alma zu bedenken.

Grethe zuckte mit den Schultern. »Dafür gibt es professionelle Trauerredner. Und wenn ich tot bin, habe ich ohnehin nichts mehr davon.«

»Aber wir«, monierte Witta.

»Wenn man uns darum bittet, sprechen wir auch für die Hinterbliebenen von Menschen, die keiner Kirche angehören«, ertönte eine freundliche Stimme hinter ihnen.

Die Häkelfreundinnen drehten sich um. Schon wieder hatte sich jemand unbemerkt genähert. Das musste an der Schneedecke auf dem Kirchenvorplatz liegen, die alle Schrittgeräusche schluckte.

Dieses Mal war es ein dunkelhaariger Mann mit modischer Frisur und jungenhaftem Gesicht. Er trug schwarze Jeans, rote Turnschuhe mit weißen Sohlen und ein längs gestreiftes Hemd in Rotweiß, darüber eine offene rote Steppjacke.

Witta kräuselte die Stirn. »Sind Sie von einer Agentur? Wir machen keine Verträge. Und wir haben auch nicht vor, in näherer Zukunft abzutreten.«

Der Mann lächelte. »Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass Sie auf kirchlichen Beistand zählen können, ob Sie nun Steuern zahlen oder nicht. Gottes Güte muss man nicht kaufen.«

»Hm.« Witta zupfte an ihrem Handschuh.

Auf dem Vorplatz wurde eine Autotür zugeschlagen. Eine Frau mit blonden Locken in engen Bluejeans und grüner Winterjacke mit Kunstfellbesatz lief auf den Mann zu. »Pastor Brendel! Ich freue mich ja so, dass Ihr Projekt zustande kommt!«

Der Mann ging ihr entgegen und nahm ihre Hände. »Ich freue mich auch, Frau Kuntz. Ich bin sicher, Ihre Vanillekipferl werden der Renner auf dem Basar.«

Die Häkelfreundinnen sahen sich verblüfft an.

»Das ist der Pastor?« Witta schüttelte den Kopf. »Unmöglich!«

»Mir gefällt er«, erklärte Alma. »So freundlich und offen.«

»Und nicht so bigott wie der Diakon«, steuerte Grethe bei.

»Siehst du, wie die Frau sich an ihn ranschmeißt?«, echauffierte sich Witta. »Das ist doch – schamlos.«

»Aber nicht seine Schuld«, stellte Marijke klar.

»Wenn er nicht herumliefe wie ein Popstar, würde so etwas auch nicht passieren.« Witta neigte sich näher zu ihren Freundinnen. »Habt ihr das gesehen? Ich glaube, er benutzt Lidschatten.«

»Wirklich?« Alma spähte zum Pastor und der Frau hinüber, die aufgeregt auf ihn einredete.

»Und wenn schon.« Marijke hatte keine Lust, mit Witta zu diskutieren. »Lasst uns hineingehen und sehen, was wir tun können.«

...

Alma Grieger bedauerte, dass sie den Pastor und die Frau nicht länger beobachten konnte. Sie hätte gerne gewusst, ob er wirklich Lidschatten trug, und an dem Rezept für die Vanillekipferl hätte sie auch Interesse. Aber sowohl das eine als auch das andere würde sich wohl auch später noch in Erfahrung bringen lassen.

Sie folgte Marijke, Grethe und Witta und betrat hinter ihnen das Gemeindehaus. Beim Anblick des weihnachtlich geschmückten Innenraums entfuhr ihr ein lauter Seufzer. »Wie schön!«

Überall hingen Lichterketten und Weihnachtsgirlanden aus künstlichem Tannengrün. An der Schmalseite des Raums stand ein deckenhoher, reich geschmückter Tannenbaum mit roten und goldenen Kugeln, Engelshaar, Lametta und künstlichen Kerzen. Daneben war eine Futterkrippe aufgebaut, ausgekleidet mit Stroh und gefüllt mit bunt verpackten Geschenkkartons in glänzender Folie.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Saals befand sich die Bühne, in der Ecke daneben ein schwarzes Klavier mit offenem Tastendeckel. Vor der Bühne standen mehrere Stuhlreihen. Der schwere rote Vorhang war aufgezogen, das Bühnenbild offenbar gerade in Arbeit. Zwei Jugendliche wuchteten eine Krippe aus hellem Holz hinauf und platzierten sie auf dem strohbedeckten Boden. Von der Decke hing ein goldener Stern mit langem Schweif. Soweit Alma es erkennen konnte, war er aus Pappmaschee.

Eine Frau mit langen blonden Haaren dirigierte die beiden Jungen mit der Krippe. »Ein Stück weiter nach links und ein bisschen nach vorne drehen.« Sie runzelte die Stirn und gestikulierte. »Das andere Links.«

Die beiden Mädchen, die neben ihr standen, lachten.

In diesem Moment bemerkte die Frau die Neuankömmlinge und strebte auf sie zu. »Hallo. Kommen Sie, um uns zu helfen?«

»Ja.« Die Häkelfreundinnen nickten.

»Wunderbar.« Die Frau begrüßte sie der Reihe nach. »Ich bin Sonja Frenz, die Leiterin der Jugendgruppe.« Sie winkte die beiden Mädchen heran. »Das sind Amelia und Paula.«

Amelia, blond und langhaarig wie die Jugendgruppenleiterin, lächelte freundlich. Paula fuhr sich durch die kurz geschnittenen dunklen Haare. »Hi.«

»Das da oben sind Jamie und Lennox«, erklärte Sonja Frenz und wies auf die beiden Jungen auf der Bühne. Sie waren blond gelockt und glichen einander wie ein Ei dem anderen.

»Zwillinge!«, rief Alma begeistert.

»Richtig.« Die Miene der Jugendgruppenleiterin verdüsterte sich kurz. »Wenn Sie mich fragen, hätte einer von der Sorte auch gereicht.« Sie lachte, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen.

Auf der Bühne neigte sich die Krippe zur Seite und fiel mit einem lauten Krachen um.

»Jamie! Lennox!« Die Jugendgruppenleiterin schnaufte.

»Wir haben nix gemacht.« Die Jungen hoben synchron die Hände.

Grethe kniff die Augen zusammen. »Wie haltet ihr die beiden auseinander?«, erkundigte sie sich bei den Mädchen.

»Gar nicht«, entgegnete Paula. »Das geht nur wegen der Klamotten. Der mit dem roten Hoodie ist Jamie, der mit dem schwarzen Lennox.«

Witta betrachtete missbilligend die tief sitzenden Hosen im Militärlook, die die Jungen zu Hoodies und Turnschuhen trugen. »Und wenn sie die Pullover tauschen?«

»Dann haben wir Pech gehabt.«

»Cool.« Grethe grinste.

Witta hob die Augenbrauen. »Findest du nicht, dass du für solche Begriffe zu alt bist?«

»Ich dachte, wir sind nicht alt«, konterte Grethe. »Das sagst du doch immer.«

Alma seufzte erneut, dieses Mal aber nicht vor Entzücken. Würde das nun die ganze Zeit so weitergehen? Vielleicht hätte sie ihren Freundinnen gar nichts von der Veranstaltung verraten und allein herkommen sollen. Besinnliche Weihnachten mit Witta und Grethe – das war ein Widerspruch in sich. Sie bemerkte, dass Marijke sie fragend ansah, und lächelte schief. Ja, sie liebte ihre Freundinnen und hätte sich keine besseren vorstellen können. Aber manchmal wünschte sie doch, sie wären anders. Wenigstens zu Weihnachten.

...

Marijke Meenken tätschelte ihrer Freundin mitfühlend den Arm. Die ewigen Sticheleien zwischen Witta und Grethe konnten einem wirklich auf die Nerven gehen. Auf der anderen Seite: Wenn bei ihnen stets nur Ruhe und Harmonie herrschen würden, wäre es vermutlich todlangweilig. Es hatte schließlich gute Gründe, dass sie sich immer, wenn Kari Blom auf der Insel war, in ihre Fälle einmischten.

Pastor Brendel betrat den Gemeindesaal, gefolgt von mehreren Frauen.

»Ah! Da sind Sie ja!«, rief Sonja Frenz.

Die Gruppe versammelte sich vor der Bühne, der Pastor stellte die Damen vor. Die Namen rauschten an Marijke vorbei. Zwei blieben allerdings hängen. Fast hätte Marijke gelacht.