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In Ernst Wicherts Werk 'Der Wilddieb' wird die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, der aus Armut und Verzweiflung zum Wildern gezwungen wird. Das Buch zeichnet sich durch seinen realistischen Schreibstil aus und bietet einen Einblick in das Leben im 19. Jahrhundert. Wichert setzt sich in seinem Werk kritisch mit gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten auseinander und thematisiert die Auswirkungen von Armut und Unterdrückung. Durch die detaillierte Charakterisierung der Protagonisten gelingt es ihm, das emotionale Innenleben seiner Figuren eindrucksvoll darzustellen. 'Der Wilddieb' spielt eine wichtige Rolle in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts und stellt ein überzeugendes Beispiel für den Realismus dar.
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Seitenzahl: 147
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Die kurze Juninacht über dem fünfundfünfzigsten Grade nördlicher Breite näherte sich da, wo er die Ibenhorster Forst am Kurischen Haff schneidet, bereits ihrem Ende. Ganz dunkel war sie kaum eine halbe Stunde lang geworden, und auch während dieses Überganges von der Abend- zur Morgendämmerung hatten die Sterne an dem graublauen Himmel, der sich über Wald und Moor spannte, nur bleich geflimmert. Nun rötete sich im Nordosten über dem Rußstrome schon der Horizont. Es war ein fahles Rot, das Mühe zu haben schien, den Dunst zu färben, mit dem sich die Erde umhüllt hatte, und auch dort nur einen etwas reineren und tieferen Ton annahm, wo das Aufsteigen der Sonne zu erwarten stand. Es teilte sich, noch mehr abgeschwächt, auch dem graugrünen, mit einem binsenartigen Grase bewachsenen Moore mit, das zwischen den vorspringenden Waldrändern in breitem Streifen sichtbar wurde und sich endlos in die nebliche Ferne auszudehnen schien. Darüber trillerten die frühen Lerchen. Im dichten Walde schlugen auch bereits die Nachtigallen an, in kurzen Läufen die Kehle prüfend. Ein kühler Schauer schien mitunter die Bäume anzuwehen; sie schüttelten das Laub oder wiegten die Nadelbüschel an den tiefgestreckten Ästen.
Weit und breit keine menschliche Ansiedlung zu erspähen. Was da vielleicht ganz hinten spitzgiebligen Dächern ähnelt, sind Torfhaufen an den vielen tiefen Kreuz- und Quergräben, die das Moor durchziehen und sich in die Forst hinein fortsetzen, ohne ein Gefälle merken zu lassen. Im Herbst wird sie ein streckenweise undurchdringlicher Sumpf bis zum Haff hin, das sie meilenweit abgrenzt.
In einem der mit Wasser gefüllten Gräben lag an diesem frühen Morgen da, wo schon die ersten Waldbäume darüberhin schatteten, ein flacher Handkahn. In demselben saß eine Litauerin, trotz des Sommers mit einem Pelzrocke bekleidet, dessen schmutzigweißes Leder auf den Achseln und an der Brust hinunter blau und rot gemustert war. Sie hatte müde die Stirn unter dem schirmartig vortretenden Kopftuch in die Hand und den Ellbogen auf den Rand des Kahnes gestützt, die Füße mit den kräftigen Lederschuhen unter die faltigen Röcke gezogen. Sie schlief nicht. Von Zeit zu Zeit hob sich ein wenig der Kopf und wandte sich lauschend seitwärts, um doch gleich wieder die frühere bequeme Lage einzunehmen. Die Frau, von deren Gesicht auch im nächtigen Dunkel wenig kenntlich wurde, schien auf jemand zu warten. Vielleicht wartete sie so schon stundenlang. Daß sie sich für die Nacht vorgesehen hatte, bewies der Pelzrock.
Mehrere hundert Schritte nordwärts von diesem Versteck zog sich eine Waldspitze ins Moor hinaus, das hier auf kuppenartigen Erhöhungen mit Gesträuch und einzelnen verkrüppelten Birken bewachsen war. Vor Jahren mochte man einmal versucht haben, sie durch eine Umwallung zu schützen. Diese war jetzt verfallen und streckenweise vom Regenwasser wieder eingeebnet, konnte aber hier und dort wohl noch einem Manne in halber Höhe Deckung gewähren, besonders wo das Farnkraut üppiger gediehen war. Hinter einem solchen Abschnitte zeigte sich denn jetzt auch, unbeweglich an den nächsten Fichtenstamm gelehnt, eine schattenhafte Gestalt. Die schwarzblaue Kappe, hinten bis über den Rockkragen hinaufgezogen, ließ auf einen Litauer schließen, das Gewehr auf einen Jäger. Er hielt es, den Kolben unter dem Arme und die rechte Hand am Schloß, auf der Linken mit dem Laufe zur Erde gesenkt und richtete den Blick auf den Waldrand, das Austreten des Wildes erwartend.
Nun wurde plötzlich ein eigentümlich klapperndes Geräusch vernehmbar. Es kam von jenseits des Waldausläufers her und näherte sich ziemlich rasch. Sehr bald trabte auch ein Tier schwerfällig an den letzten Bäumen vorüber. Es hatte die Größe eines Pferdes und trug auf dem vorn sonderbar zugespitzten Kopf ein mächtiges Schaufelgeweih. Am Halse hing ein dicker Wamm mit langem, braunfarbigem Bart. Ein Elch! Jetzt klapperten die Hufe über eine Kuppe hin; einen Augenblick zeichnete sich die ungeschlachte Figur, anscheinend riesengroß, auf dem Morgenhimmel ab, um gleich wieder in der Senkung halb zu verschwinden. Es folgte ein zweiter ausgewachsener Elch mit einem hochbeinigen Kalbe. Die Tiere entfernten sich von dem Standorte des Litauers und tauchten von Zeit zu Zeit immer weiter hinter dem Gebüsch auf. Er war sofort aufmerksam geworden, hatte sich gewandt und hob auch ein paarmal das Gewehr, setzte es aber kopfschüttelnd wieder ab. Offenbar war die Entfernung für einen sicheren Schuß viel zu weit, aber es schien ihm schwer zu werden, daran zu glauben. Eine Weile wartete er noch, ob die Tiere vielleicht die Richtung ändern und sich im Bogen nähern würden. Da dies nicht geschah, stand er wieder unbeweglich, wie zuvor, das Gewehr zum Anschlage bereit.
Da raschelte kaum zwanzig Schritte seitwärts das Laub, und ein feister Rehbock sprang vor. Er schien nach wenigen Sätzen die Gefahr zu wittern, stutzte, stampfte mit den Vorderläufen auf und machte kehrt. Zu spät! Schon knallte das Gewehr. Der Schuß hatte getroffen. Das Tier sprang auf, überschlug sich, stürzte zu Boden, raffte sich auf und stürzte wieder, die Elche setzten sich in schnellere Bewegung und verschwanden auch bald mit ihrem Schaufelgeweih gänzlich aus dem Gesichtskreise.
Der Litauer eilte nach der Stelle, wo das Wild gefallen war. Er fand es bereits verendet. Sogleich zog er aus der Seitentasche seiner kurzen Jacke einen dünnen Strick, band damit dem Rehbock die Läufe zusammen und warf ihn über die Schulter, vorsichtig die Schußstelle, aus welcher der Schweiß tropfte, nach außen wendend. Das Gewehr behielt er in der linken Hand. Mehr laufend als gehend durchquerte er die Waldecke und das Moor bis zum nächsten Vorsprunge, hinter dem er den Graben und das Boot wußte.
Die Frau war, sobald sie den Schuß gehört hatte, aufgestanden und mit dem Ruder in der Hand in die Spitze des flachen Fahrzeuges getreten, das sie ein wenig auf und ab schob, um sich zu überzeugen, daß es flott sei. Nun hob der Litauer die tiefhängenden Äste, warf seine Jagdbeute hinein und sprang selbst nach. Den Rehbock und das Gewehr bedeckte er eilig mit Tannenästen, die schon auf dem Boden bereit lagen. Dann ergriff er eine Stange, stellte sich in den hinteren Teil des Bootes und stieß ab. Lautlos glitt er über das schwarze Wasser hin.
Der Graben war zu schmal, um den Gebrauch des Ruders zu gestatten, die Frau benutzte es auch nur dazu, mitunter rechts oder links die Böschung zu streifen, um ein Auflaufen des Fahrzeuges zu verhindern. Der Litauer handhabte die Stange aber so geschickt, daß diese Nachhilfe kaum nötig schien. Jetzt erst zeigte er sich in seiner ganzen Höhe von sechs Fuß, hochschultrig und breitbrüstig. Nachdem sie in einen Obergraben eingebogen waren und dann nochmals die Richtung verändert hatten, zog er trotz der Morgenkühle die Jacke aus und warf sie über die Zweige. Noch kräftiger drückten nun die Arme in den weiten Ärmeln des blauwollenen Hemdes auf die Stange. Das unten in den Stiefeln steckende Beinkleid von grauem Drillich war mit einem schwarzen Lederriemen um den Leib festgehalten, die Weste darüber offen, der Hals ganz frei. Die braunen Hände schienen wie aus Bronze gegossen. Auch die Kappe hatte er abgeworfen. Das blonde Haar war dadurch über der Stirn in Unordnung geraten. Um die Lippen und das Kinn bis zur Kehle hin zog sich ein dünner Bart, den wahrscheinlich noch keine Schere gestutzt hatte, die sanftgebogene Nase trat energisch vor, und die graublauen Augen blitzten von Zeit zu Zeit über die Grabenränder hinweg. Wenn er die Stange scharf hinter sich eingesetzt hatte, um sich mit dem ganzen Körpergewicht darauf zu lehnen, und sie dann wieder eine kurze Weile lose nachzog, flog das leichte Fahrzeug nur so durch die schmale Rinne. Er schien aber auch Eile zu haben.
Sich in diesem Gewirr einander kreuzender oder sich verzweigender, mitunter einen Flußlauf querender Gräben zurechtzufinden, konnte nur dem Ortskundigsten gelingen. Niemals aber schien der Litauer auch nur einen Augenblick unsicher. An einer Stelle verlief sich die Fahrstraße in einen verschilften Sumpf, durch welchen ein Erdwall gezogen war. Er arbeitete sich mit aller Anstrengung denselben hinan. Die Frau sprang hinaus und hob die Spitze des Bootes, soweit sie dies mit einem kräftigen Ruck vermochte. Dann stieg auch er aus und zog es mit ihrer Hilfe höher hinauf und über die Krone des Dammes hinweg, bis es nach der anderen Seite kippte und wieder das Wasser erreichte. Dann wurde die Fahrt, jetzt aber mit geringerer Eile, fortgesetzt. Man schien sich für gesichert zu halten.
Der Litauer hatte Grund gehabt, sich möglichst schnell unsichtbar zu machen. Nicht zehn Minuten, nachdem der Schuß gefallen war, trat eine Strecke am Waldrande aufwärts der Förster vor, das Gewehr gleichfalls schußbereit. Er spähte über die Moorfläche aus, konnte aber niemand erblicken, und näherte sich nun vorsichtig der Waldecke. Vor ihm schnupperte der Hund im Grase, schien aber eine Fährte nicht finden zu können. Erst in der Nähe des Erdwalles sprang er lustiger vor und stieß einen bellenden Laut aus. Der Förster folgte ihm nun in geradester Richtung und fand die Stelle, auf welcher das Reh verendet war. Die Schweißspur leitete den Hund bis zum Graben unter den Bäumen. Dort blieb er schweifwedelnd und knurrend stehen. »Verdammt!« rief der Förster. »Er hat ein Boot gehabt.« Jede weitere Verfolgung erschien ihm ganz nutzlos. Er stieß ärgerlich den Kolben des Gewehrs auf den Boden. »Das ist wieder der Pawils Lauronat, der Schuft«, zischte er durch die Zähne. »Aber warte! Es ist dir nicht geschenkt. Wenn ich die Canaille ein andermal treffe, schieße ich sie ohne Erbarmen nieder!« Er schob hastig mit dem Knebel den langen gelben Schnauzbart rechts und links zur Seite. »Wieder eine Nacht umsonst zum Narren gemacht. Aber warte!«
Den Hund anrufend, entfernte er sich waldeinwärts.
Der Förster hatte richtig vermutet: Pawils Lauronat war der Wilddieb, und es geschah nicht zum ersten Male, daß er sich ein Reh aus dem königlichen Forst holte. Er war einer der sechs Bauernwirte in der Dorfschaft Gilguhnen, deren Äcker und Wiesen am Rande des großen Moores belegen waren. Das Grundstück, in welches er sich vor etwa zehn Jahren eingeheiratet hatte, galt damals für das wertvollste. Seitdem hatte ihm das benachbarte, dessen Besitzer ein Deutscher, namens Liebert, wurde, den Rang abgelaufen. Pawils Lauronat, der Unteroffizier bei der Garde gewesen und dann probeweise als Forstgehilfe beschäftigt worden war, hatte das Glück gehabt, der Busze Erdenings zu gefallen, deren Eltern der Hof gehörte. Sie war das einzige Kind. Die Partie sagte dem Alten nicht sonderlich zu, da dieser Freier nichts einbrachte. Sie fügten sich jedoch, weil ihr Mädel in den hübschen Menschen ganz vernarrt war und Torheiten zu begehen androhte, wenn ihm nicht der Wille geschehe. Nun hätten sie wenigstens gern die Zügel noch eine Weile in der Hand behalten, aber Lauronat war nicht gewillt, als Ehemann der Tochter mit einer abhängigen Stellung im Hause vorlieb zu nehmen. Alles oder nichts! Er könnte ja wohl auch sonst noch eine Frau finden! Und wenn nicht, so bliebe er lieber ledig und warte, bis er im königlichen Dienst aufgerückt sei. Den Herrn Förster nähme auch wohl eine Deutsche. Er wußte ja, das Busze ihn nicht loslassen würde, und trotzte darauf, daß sie ihm eigentlich mehr entgegengekommen wäre, als er ihr. Und er setzte sein Stück durch. Die Alten, die in Wirklichkeit noch nicht alt genug waren, sich auf die Faulbank zu setzen, traten ihm am Tage vor der Hochzeit das Grundstück ab und nahmen ein Ausgedinge. Auf dem Papier freilich ein fast unerschwinglich großes Ausgedinge! Das kümmerte Lauronat aber wenig. War die Busze seine Frau, mit den Schwiegereltern meinte er schon fertig werden zu können. Er besaß des größte Vertrauen zu seiner Rücksichtslosigkeit. Das stand eben nur auf dem Papier. Warum sollten die Altsitzer nicht am Tisch der Wirte essen? Die würden ja doch ihrer einzigen Tochter Hab und Gut nicht sündlich schädigen wollen! Und wenn sie doch muckten, so gab's ja tausend Mittel, ihnen das Leben schwer zu machen. Sie würden schon kirre werden!
Sie hatten sehr bald gemuckt. Nach ihrer Auffassung sollte es ja umgekehrt eine bloße Form sein, daß sie den Kindern das Grundstück verschrieben; sie würden nach wie vor die eigentlichen Wirte sein, meinten sie, und dem jungen Volke gegen gute Dienste Wohnung und Kost geben. Da waren sie nun freilich ganz an den Unrechten gekommen, Lauronat ließ sich auch nicht fingerbreit aus dem Besitz drängen und tat gerade so, als ob er das Grundstück in die Ehe eingebracht hätte. Die Busze stand auf seiner Seite. Sie war auch als Frau verliebt in ihn und tat unbedingt, was er wollte. Die Eifersucht plagte sie, daß er sich einer Hübscheren zuwenden könnte, und sie glaubte sich seiner Treue zu versichern, wenn sie sich seiner Herrschaft völlig unterwarf. So gab es bald schwere Kämpfe. Mit der Tochter hatten die Altsitzer fortwährend Zank und Hader. Pawils ließ sich auf einen Wortstreit selten ein und führte ihn dann mit einer Art von vornehmer Überlegenheit, als ob es eigentlich unter seiner Würde sei, noch ein Wort zu verlieren. »Geht doch zum Prozeß,« sagte er, »ich weiß ja, daß ihr gewinnen werdet. Aber bis dahin dauert's eine Weile, und sie wird euch länger werden als mir. Was mir schließlich der Exekutor abnimmt, wird euch nicht fett machen. Ihr werdet schon noch erkennen, daß es euer Vorteil ist, euch mit mir zu vertragen.« Sich vertragen, das hieß, sich alles von ihm gefallen lassen und noch schönen Dank dazu sagen. Er war hartnäckig. Das Prozessieren kostete viel Geld, mehr als er oft besaß. Aber er behielt doch recht: auch für die Altsitzer kam dabei nicht viel heraus, und den Ärger hatten sie umsonst. Endlich wurden sie wirklich zahm und nahmen einen Vergleich an. Das geschah, nachdem Lauronat einmal seinen Schwiegervater windelweich geschlagen hatte. Nicht im Zorn. Er hatte sich dabei kaum merklich aufgeregt. Aber Erdenings wollte durchaus nicht still sein, obgleich er ihm wiederholt den Mund verbot; da mußte er ihm doch zeigen, daß er der Stärkere sei, und das besorgte er nun gleich gründlich. »Du bist ein Schlimmer«, sagte der alte Mann, als er krank zu Bett lag, und Lauronat sich ganz freundlich erkundigen kam, wie es ihm gehe, »man muß Furcht haben, von dir totgeschlagen zu werden.« – »Ja,« antwortete er lachend, »wenn ich einen erst unter den Händen habe, so weiß ich selber nicht, wie's enden kann. Es braucht mir ja keiner nahezukommen.«
Er war riesenstark. Es ging das Gerede, er hätte einmal, als er noch Soldat war, zwei Männer, die ihn auf dem Tanzboden anrempelten, aufgehoben – mit jedem Arm einen – und zum Fenster hinausgeworfen. Wenn er die Schulter unterstemmte, konnte er ganz allein einen beladenen Wagen aus dem verfahrenen Gleise heben. Einen Stier, der wild geworden war, hielt er bei den Hörnern fest, bis man ihn gebunden hatte; ein Scheunentor auszuheben, war ihm eine Kleinigkeit, wenn er's nur mit den ausgespannten Armen fassen konnte. Einen Betrunkenen nahm er auf den Rücken und trug ihn, wenn es sein mußte, eine Viertelmeile weit nach Hause. Er war nicht streitsüchtig, ging aber auch einem angebotenen Kampfe nicht aus dem Wege. Er konnte nicht gut hören, daß jemand sich seiner Kraft rühmte, und ruhte dann nicht eher, bis er ihn einmal untergebracht hatte. Mit den stärksten Litauern in den Dörfern am Moor und landeinwärts über Kaukehmen hinaus, mit den Arbeitern bei der Schwarzorter Bernsteinbaggerei, mit den Fischern in Gilge und mit den Holzflößern in Ruß hatte er sich gemessen und jeden Gegner geworfen. Dem Pawils Lauronat aus Gilguhnen, hieß es, hält niemand stand; der hat Knochen von Stahl und Muskeln von Eisen.
Busze war stolz auf ihren starken Mann, hatte aber selbst Angst vor ihm. Wenn er sie fest anfaßte, zitterte sie, daß er ihr den Arm zerbrechen möchte; sie begab sich selten in Gefahr und leistete lieber aufs Wort Gehorsam. Nur wenn er die Kinder, die ihm sonst lieb waren, bestrafen wollte – sie hatte ihm zwei geschenkt –, stellte sie sich ihm entgegen und nahm seine rauhe Behandlung lieber auf sich.
Er war auf seine Person eitel und trug gern Kleider vom feinsten Tuch und Hemden von blendend weißer Leinwand, im Schnitt freilich ganz litauisch. Nicht nur an Sonn- und Festtagen zeigte er sich so in der Kirche, sondern auch während der Woche, und selbst bei der Feldarbeit vernachlässigte er nicht seinen Anzug. Das glaubte er dem früheren Unteroffizier schuldig zu sein. Auch sonst spielte er gern den vornehmen Mann, besonders im Kruge, und ließ etwas draufgehen, wenn es galt, protziges Volk auszustechen. Der »Pons Unteroffizier« – Pons ist Herr – hat immer Geld wie Heu, hieß es; es muß ihm's einer in die Tasche hexen.