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Der Witwer ist eine Novelle von Arthur Schnitzler ist eines der seltener gelesenen Werke von ihm, welches 1894 veröffentlicht wurde.
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Seitenzahl: 18
Er versteht es noch nicht ganz; so rasch ist es gekommen.
An zwei Sommertagen ist sie in der Villa krank gelegen, an zwei so schönen, daß die Fenster des Schlafzimmers, die auf den blühenden Garten sehen, immer offen stehen konnten; und am Abend des zweiten Tages ist sie gestorben, beinahe plötzlich, ohne daß man darauf gefaßt war. – Und heute hat man sie hinausgeführt, dort über die allmählich ansteigende Straße, die er jetzt vom Balkon aus, wo er auf seinem Lehnstuhl sitzt, bis zu ihrem Ende verfolgen kann, bis zu den niederen weißen Mauern, die den kleinen Friedhof umschließen, auf dem sie ruht.
Nun ist es Abend; die Straße, auf die vor wenig Stunden, als die schwarzen Wagen langsam hinaufrollten, die Sonne herabgebrannt hat, liegt im Schatten; und die weißen Friedhofsmauern glänzen nicht mehr.
Man hat sie allein gelassen; er hat darum gebeten. Die Trauergäste sind alle in die Stadt zurückgefahren; die Großeltern haben auf seinen Wunsch auch das Kind mitgenommen, für die ersten paar Tage, die er allein sein will. Auch im Garten ist es ganz still; nur ab und zu hört er ein Flüstern von unten: die Dienstleute stehen unter dem Balkon und sprechen leise miteinander. Er fühlt sich jetzt müde, wie er es noch nie gewesen, und während ihm die Lider immer und immer von Neuem zufallen, – mit geschlossenen Augen sieht er die Straße wieder in der Sommerglut des Nachmittags, sieht die Wagen, die langsam hinaufrollen, die Menschen, die sich um ihn drängen, – selbst die Stimmen klingen ihm wieder im Ohr.
Beinah alle sind dagewesen, welche der Sommer nicht allzuweit fortgeführt hatte, alle sehr ergriffen von dem frühen und raschen Tod der jungen Frau, und sie haben milde Worte des Trostes zu ihm gesprochen. Selbst von entlegenen Orten sind manche gekommen, Leute, an die er gar nicht gedacht; und manche, von denen er kaum die Namen kannte, haben ihm die Hand gedrückt. Nur der ist nicht dagewesen, nach dem er sich am meisten gesehnt, sein liebster Freund. Er ist freilich ziemlich weit fort – in einem Badeort an der Nordsee, und gewiß hat ihn die Todesnachricht zu spät getroffen, als daß er noch rechtzeitig hätte abreisen können. Er wird erst morgen da sein können.