Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Ein entwendetes Dokument, ein Mord und Erpressung – Sherlock Holmes ist mal wieder mitten drin in einem neuen Fall! Zusammen mit dem Premierminister wendet sich der Europaminister an den Meisterdetektiv, da ihm ein äußerst wichtiges Dokument gestohlen wurde, das – sollte der Inhalt an die Öffentlichkeit gelangen – womöglich zu Krieg führen könnte. Doch dann wird ein ausländischer Agent ermordet aufgefunden, und der zweite Blutfleck, der am Tatort gefunden wird, wirft einige Fragen auf...-
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 48
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Arthur Conan Doyle
Saga
Der zweite BlutfleckenCopyright © 1904, 2019 Arthur Conan Doyle und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726390414
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk
– a part of Egmont www.egmont.com
Ich hatte die Absicht, mit dem »Mord in Abbey Grange« meine Veröffentlichung der Taten meines Freundes Sherlock Holmes endgültig zu beschliessen. Dieser Entschluss entsprang nicht etwa dem Mangel an Stoff, denn ich habe noch Hunderte von Fällen in meinem Tagebuch aufnotiert, die ich noch nicht benutzt habe. Auch das Schwinden des Interesses auf seiten meiner Leser hat mich nicht dazu veranlasst, denn die eigenartige Persönlichkeit und die einzigartigen Methoden dieses merkwürdigen Mannes üben immer wieder neuen Reiz auf den Leser aus. Der wirkliche Grund war das Aergernis, das Holmes selbst an dieser fortgesetzten Veröffentlichung nahm. So lange er seinen Beruf noch praktisch ausübte, war ihm die Bekanntgebung seiner Erfolge noch einigermassen wertvoll; seitdem er sich aber definitiv von London zurückgezogen und sich in den freundlichen Niederungen von Sussex dem Studium und der Bienenzucht gewidmet hat, ist es ihm widerwärtig, noch bekannter zu werden, und er hat mich streng gebeten, seinen diesbezüglichen Wünschen ein für allemal entgegenzukommen. Erst auf meine dringende Vorstellung, dass ich einem mir bekannten Vertreter einer europäischen Grossmacht das Versprechen gegeben hätte, die Geschichte von dem zweiten Blutflecken zų veröffentlichen, wann die Umstände es erlaubten, und auf meinen Hinweis, dass die lange Reihe von Erzählungen in diesem wichtigsten internationalen Fall, der ihm je übertragen sei, ihren Gipfelpunkt finden müsse, gelang es mir endlich, seine Einwilligung zu erhalten, dass ich zum Schluss diesen sehr sorgfältig durchgesehenen Aufsatz dem Publikum vorlegen darf. Wenn jemand hie und da einzelne Angaben zu unbestimmt finden sollte, so möge er dabei bedenken, dass ich zu meiner Zurückhaltung gewichtige Gründe habe.
* * *
Es war also in einem gewissen Jahre und in einem gewissen Jahrzehnt, als sich eines Dienstagmorgens zwei Besucher von europäischem Ruf in unserem bescheidenen Heim in der Bakerstrasse einfanden. Der eine, ein stolzer Mann mit vorstehender, gebogener Nase und Adleraugen, war kein anderer als der berühmte Lord Bellinger, der Premierminister von Grossbritannien. Der andere, ein eleganter, dunkler Herr in kaum mittleren Jahren, war der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Trelawney Hope, ein aufgehender Stern am politischen Himmel Europas. Sie sassen nebeneinander auf unserem Sofa, und man konnte ihnen von ihren erregten und bekümmerten Gesichtern ablesen, dass sie ein sehr dringendes Geschäft zu uns führte. Der Premier hatte seine dünnen, blaugeäderten Hände auf den Elsenbeingriff seines Regenschirms gelegt, und sein mageres, asketisches Gesicht blickte düster bald auf Holmes, bald auf mich. Der Sekretär drehte nervös an seinem Schnurrbart und spielte mit der anderen Hand aufgeregt an dem Behang seiner Uhrkette.
„Als ich heute morgen meinen Verlust entdeckte, Herr Holmes, — es war, um acht Uhr, — setzte ich sofort den Premierminister davon in Kenntnis. Auf sein Anraten sind wir beide zu Ihnen gekommen.“
„Haben Sie die Polizei benachrichtigt?“
„Nein,“ antwortete der Premierminister in seiner raschen, entschiedenen Weise. „Das haben wir nicht getan und können es auch unmöglich tun. Die Polizei benachrichtigen, läuft am Ende darauf hinaus, das Publikum zu benachrichtigen. Und das wollten wir in erster Linie gerade vermeiden.“
„Und warum?“
„Weil das fragliche Schriftstück von so ungeheuerer Bedeutung ist, dass sein Bekanntwerden sehr leicht — ich möchte fast sagen, sehr wahrscheinlich — die schwierigsten europäischen Verwickelungen zur Folge haben könnte. Es ist nicht zu viel gesagt, dass Krieg oder Frieden von dem Ausgang der Angelegenheit abhängen. Wenn seine Wiederbeschaffung nicht vollkommen geheim geschehen kann, braucht es ebensogut überhaupt nicht wiedergefunden zu werden, denn die Diebe verfolgen auch nur den Zweck, seinen Inhalt in die grosse Oeffentlichkeit zu bringen.“
„Ich verstehe. Nun, Herr Staatssekretär, ich würde Ihnen sehr verbunden sein, wenn Sie mir genau angeben wollten, unter welchen Umständen dieses Dokument verschwunden ist.“
„Das kann ich Ihnen in wenigen Worten mitteilen, Herr Holmes. Der Brief — es war nämlich ein Brief von einem fremden Potentaten — traf vor sechs Tagen bei uns ein. Er war von derartiger Bedeutung, dass ich ihn nie in meinem Bureauschrank liegen liess, sondern allabendlich in meine Privatwohnung in Whitehall Terrace mitnahm und ihn in meinem Schlafzimmer in meinem verschliessbaren Briefbehälter aufbewahrte. Er war auch vergangene Nacht darin. Das weiss ich bestimmt. Ich schloss erst, während ich mich zum Essen umkleidete, das Kästchen auf und sah das Schriftstück noch d’rin. Heute morgen war es fort. Das Kästchen hatte die ganze Nacht auf meinem Toilettetisch gestanden. Ich schlafe sehr leicht und meine Frau gleichfalls. Wir können beide beschwören, dass während der Nacht kein Mensch ins Zimmer gekommen sein kann. Und doch fehlt der Brief.“
„Um wieviel Uhr speisten Sie?“
„Um halb acht Uhr.“
„Wann gingen Sie zu Bett?“
„Meine Frau war im Theater. Ich wartete auf sie. Es war halb zwölf, als wir uns ins Schlafzimmer zurückzogen.“
„Dann hatte der Kasten mit dem Brief also vier Stunden unbewacht dort gestanden?“
„Es ist aber keinem Menschen gestattet, dieses Zimmer zu betreten, ausser des Morgens den Zimmermädchen und meinem Diener und der Zofe meiner Frau. Es sind lauter zuverlässige Leute, die schon lange im Hause sind. Ausserdem konnte keines von ihnen wissen, dass sich etwas Wertvolleres als die gewöhnlichen geschäftlichen Schreiben in dem Kästchen befand.“
„Wer kannte das Vorhandensein dieses Briefes?“
,,Niemand im Hause.“
„Ihre Gattin wusste es doch wohl?“
„Auch nicht; ich hatte meiner Frau nichts davon gesagt, erst heute früh habe ich ihr den Verlust mitgeteilt.“
Der Premier nickte zustimmend mit dem Kopf.
„Ich habe stets gewusst, wie hoch Sie Ihre amtlichen Pflichten einschätzen,“ sagte er. „Ich bin überzeugt, dass sie Ihnen, wenn es sich um ein geheimes Aktenstück von solcher Wichtigkeit handelt, über Ihre Familienbande gehen.“