Der zweite Sohn - Alexander Söderberg - E-Book

Der zweite Sohn E-Book

Alexander Söderberg

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Beschreibung

Wie schuldig darf man sich machen, um das Richtige zu tun? Ausgerechnet jetzt, da Hector Guzman im Koma liegt, steht sein international agierendes Drogenkartell gleich von zwei Seiten unter Beschuss: die Konkurrenz und die Polizei sind ihm auf der Spur - ihm und seiner Geliebten Sophie Brinkmann. Als die unbescholtene Krankenschwester gemerkt hatte, dass Hector von Berufs wegen nicht selten die Grenzen der Legalität erweitert, war es längst zu spät gewesen. Und jetzt ist es an ihr, das Schlimmste zu verhindern: Dazu muss sie sich auf die Spielregeln der Widersacher einlassen und das Böse in sich selbst entdecken. Doch wie weit darf sie gehen, ohne den Glauben an das Gute und die Kontrolle zu verlieren?

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Übersetzung aus dem Schwedischen von Stefan Pluschkat

ISBN 978-3-492-97181-2September 2015© Alexander Söderberg, 2014Deutschsprachige Ausgabe:© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015Published by agreement of Salomonsson AgencyCovergestaltung: Cornelia Niere, MünchenCovermotiv: Cornelia Niere, MünchenDatenkonvertierung: psb, BerlinSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich der Piper Verlag nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.

Biarritz

Vor einer halben Stunde hatte Eduardo Garcia Feierabend gemacht und ging nun an der Reling des Schiffs entlang nach achtern, wo ein offenes Boot vertäut lag. Er bestieg es und streifte sich Windjacke und Schwimmweste über, denn auch wenn die Tagestemperaturen um zehn Grad lagen, stieg im Januar vom Meer doch eine unerbittliche Kälte auf.

Er legte ab und steuerte das Boot mit rasanter Geschwindigkeit über die rollende Dünung in Richtung Festland und Biarritz.

Eduardo Garcia war groß und gut gebaut. Man sah ihm an, dass er viel Zeit im Freien verbrachte, sein Gesicht war braun gebrannt, und er hatte eine große Portion Sonne im Blick. Sein ganzes Wesen strahlte Frische und natürliche Fröhlichkeit aus. Dabei führte er ein gänzlich unauffälliges Leben, ganz so, wie er es sich ausgesucht hatte. Eigentlich hieß er Eduardo Guzman, aber er lebte schon seit Ewigkeiten unter anderem Namen. Als er Spanien und Marbella den Rücken gekehrt hatte und mit seiner Freundin Angela nach Frankreich gekommen war, um zu surfen, war er noch keine zwanzig gewesen. In Biarritz hatten sie ihre neue Heimat gefunden. Ein neues Land, ein neuer Name, ein neues Leben.

Mittlerweile hatten sie zwei Söhne, Eduardo arbeitete als Meeresbiologe, und Angela war Anwältin in einer kleinen Kanzlei in der Stadt. Die einzige Veränderung in ihrem Familienidyll hatte Hasani, der hochgewachsene Ägypter, mit sich gebracht, als er vor einem halben Jahr an ihre Tür geklopft hatte. Eduardos Vater Adalberto hatte ihn geschickt, nachdem Hector, Eduardos Bruder, von einem rivalisierenden Clan überfahren worden war. Die Lage in Stockholm hatte sich offensichtlich zugespitzt.

————————

Schon von Weitem sah Eduardo seine Söhne am Pier stehen. Wie immer war Hasani bei ihnen, und die drei gaben ein lustiges Bild ab: der kräftige Ägypter, wie immer im Anzug, neben den beiden fröhlichen Jungs mit ihren Schulranzen.

Eduardo hob die Hand, und seine Söhne winkten ihm eifrig zu. Auch Hasani winkte, aber zurückhaltend, er wusste, dass Eduardos Gruß nicht ihm galt, wollte aber nicht unhöflich sein. Typisch Hasani.

Mit seinen Söhnen an der Hand stieg Eduardo vom Jachthafen in die Stadt hinauf, und dann gingen sie, Hasani stets hinter ihnen, durch die Gassen, die sie aus dem Touristenviertel hinausführten. So hielten sie es jeden Tag: Die Kinder holten Eduardo nach der Schule ab, dann aßen und tranken sie etwas in einem Café, um danach einzukaufen und schließlich zu Hause das Abendessen vorzubereiten.

Heute schlugen die Jungen das Lord Nelson vor, denn dort gab es ein Aquarium mit Fischen und Hummern. Doch Eduardo wollte trotz der kühlen Temperaturen lieber im Freien sitzen, also gingen sie in eines seiner Stammcafés, das an einem kleinen Platz gelegen war. Es war ziemlich belebt, und Eduardo setzte sich mit den Kindern an einen der äußeren Tische, Hasani nahm zwei Tische weiter Platz. Gerade als Eduardo beim Kellner zwei Orangenlimonaden und einen Kaffee bestellte, klingelte das Handy in seiner Hosentasche.

»Sí?«

Es war Angela. Sie würde sich verspäten, und er würde den Makler, der den Wert ihres Hauses schätzen sollte, empfangen müssen.

Schon vor einiger Zeit hatten sie darüber gesprochen, vielleicht in ein größeres Haus zu ziehen, und nun wollten sie mit dem Makler ihre Möglichkeiten durchspielen. Doch obwohl das ursprünglich Eduardos Idee gewesen war, wünschte er sich im Augenblick nichts sehnlicher, als einfach nur in Ruhe seinen Kaffee trinken zu können.

»Gut«, sagte er und legte auf. Dann gab er Hasani ein Zeichen.

»Gehen Sie mit den Jungs voraus nach Hause und lassen Sie den Makler herein. Ich komme nach.«

Die Jungs protestierten, doch ohne Erfolg. Eduardo wollte, dass Hasani immer in ihrer Nähe war, auch wenn sie im Moment keiner unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt zu sein schienen.

Die Jungen verließen mit Hasani das Café, und als Eduardo ihnen nachsah, musste er darüber lächeln, wie sie mit ihrer Körperhaltung nur allzu deutlich demonstrierten, wie ungerecht behandelt sie sich fühlten. Und als schon nach wenigen Augenblicken alles vergessen schien und die beiden einander jagten, lachte er kurz auf.

Der Kellner brachte die Getränke und sah den Kindern nach.

»Soll ich die Limonade wieder mitnehmen?«, fragte er.

Eduardo schüttelte den Kopf.

»Nein, wenn das möglich ist, nehme ich sie später mit nach Hause«, sagte er und wies auf eine zusammengerollte Zeitung, die der Kellner unter dem Arm hatte. »Und die würde ich gern ausleihen.«

Eduardo trank seinen Kaffee und überflog die Schlagzeilen, stellte fest, dass sie ihn nicht interessierten, und blätterte nach hinten zum Sportteil.

Ein Fahrrad kam herangefahren, mit klickender Nabenschaltung, und blieb schräg vor ihm an der äußersten Tischreihe des Cafés stehen. Eduardo sah auf. Der Mann, der vom Fahrrad stieg, war klein und trug einen Rucksack auf dem Rücken. Er setzte sich an einen freien Tisch neben Eduardo und nickte ihm zu, als sich ihre Blicke begegneten. Er war bleich und kahl rasiert … aber irgendetwas war mit seinen Augen …

Eduardo lächelte ihm kurz zu und vertiefte sich dann wieder in die Zeitung. Er entdeckte die Rubrik über die internationalen Ligen und ärgerte sich über die ziemlich bescheidenen Erfolge seines FC Málaga. Er wollte nicht zu Barça und Real halten müssen, sein Herz schlug für Málaga.

Eine leichte Brise wehte über den Platz und ließ die Zeitungsseiten leise flattern. Gleichzeitig hörte er das Klicken der Gangschaltung, als sich das Fahrrad wieder vom Café entfernte. Eduardo blickte auf und sah dem Fahrradfahrer kurz nach, um sich dann wieder der Zeitung zu widmen.

Doch dann drängte sich ein Bild in sein Bewusstsein. Dieser Fahrradfahrer, irgendetwas hatte sich an ihm verändert. Wieder sah Eduardo auf, doch der Fahrradfahrer war fort. Eduardo ließ seinen Blick zu dem Tisch wandern, an dem der Mann eben noch gesessen hatte. Was hatte er gesehen? Hatte der Mann nicht irgendwie anders ausgesehen, als er weggefahren war? Hatte er etwas vergessen? Eine Jacke vielleicht? Nein, das war es nicht … Der Rucksack!

Eduardo beugte sich vor, und tatsächlich, da stand der Rucksack noch unter dem Stuhl, schwarz und unscheinbar. Doch Eduardo hatte das Gefühl, als hätte der Rucksack ein unsichtbares Eigenleben, das ihn bald in Bewegung setzen würde.

Und so war es auch.

Gefühle sind wahrscheinlich schneller als das Licht, und deshalb konnte Eduardo noch eine Nanosekunde lang tiefen Dank empfinden. Ihn überkam ein kurzes, aber intensives, warmes Gefühl der Dankbarkeit dafür, dass Gottes Hand seine Söhne vor dem bewahrt hatte, was in diesem Augenblick seine ganze Existenz in Stücke riss.

Die Hitze der gewalttätigen und intensiven Explosion ließ alles im Umkreis verdampfen, den Kaffee, die Limonade, aber auch Eduardos Speichel, seine Tränen, den Schweiß, das Blut.

Der Mensch, der einmal Eduardo Guzman gewesen war, löste sich im unendlichen Nichts auf.

Stockholm

Von den Dächern hingen lange Eiszapfen, die Kälte war hereingebrochen, aber es schneite nicht mehr. Irgendwie wagte sich der Winter dieses Jahr noch nicht ganz heran.

Sophie lief neben Albert her, der seinen Rollstuhl mit bedächtigen Armbewegungen antrieb. So früh am Morgen waren sie nie besonders gesprächig. Ab und zu streifte Sophie ganz leicht Alberts Schulter. Wenn sie ihn aus dem Augenwinkel betrachtete, kam es ihr manchmal so vor, als wäre er noch ein kleiner Junge. Aber das war er nicht. Er war fast siebzehn, ein Teenager, der Wert auf sein Äußeres legte, trainierte und alles dafür tat, um trotz der Querschnittslähmung ein möglichst normales Leben zu führen.

Doch natürlich war es ein völlig anderes Leben, seit er vor einem halben Jahr angefahren worden war. Nur wenige Freunde waren ihm geblieben. Aber Anna gab es noch, und Sophie sah, dass die Liebe zwischen den beiden tief empfunden und echt war. Sie war so stark, dass auch Sophie sich miteinbezogen fühlte. Und trotzdem kämpften sie und Albert mit einer Trauer, über die sie nicht sprechen konnten.

Vor dem U-Bahn-Eingang an der Tekniska Högskolan verabschiedeten sie sich mit einer Umarmung.

»Dann bis später zu Hause. Ich hab dich lieb.«

Er antwortete ihr mit einem Teenagerlächeln und rollte zum Fahrstuhl, der ihn hinunter zum Bahnsteig bringen würde.

Es widerstrebte ihr, dass er schon fast erwachsen war. Wenn es nach ihr ginge, würde er immer ihr kleiner Junge bleiben, denn dann hätte sie ihn für alle Zeit um sich.

Sophie wartete, bis sie sicher sein konnte, dass Alberts Bahn abgefahren war, dann nahm sie die Rolltreppe nach unten und stieg in den nächstem Zug.

————————

Sophie starrte ins Nichts, während die U-Bahn durch die Stockholmer Unterwelt sauste. Am Östermalmstorg stieg sie aus, spazierte eine Weile durch die Straßen um den Stureplan und vergewisserte sich, dass ihr niemand folgte. Dann winkte sie ein Taxi heran. Sie setzte sich auf die Rückbank und nannte dem Fahrer eine Adresse in der Innenstadt.

Als sich das Taxi dem Kreisverkehr am Sergels torg näherte, beugte sich Sophie zu dem Fahrer vor und sagte: »Warten Sie, ich habe es mir anders überlegt. Können Sie bitte zweimal durch den Kreisverkehr fahren, dann in den Sveavägen und Richtung Universität?«

Der Fahrer warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel.

»Natürlich, kein Problem.«

Sophie wandte sich um und schaute durch die Heckscheibe. Dies war eine der vielen Vorsichtsmaßnahmen, die ihr Leszek eingebläut hatte. Man kann nie vorsichtig genug sein, predigte er ihr immer und immer wieder.

Doch wie erwartet folgte ihnen kein Auto die zwei Runden, und Sophie lehnte sich wieder zurück.

Sie betrachtete ihr schemenhaftes Spiegelbild im Fenster. Ihre Miene wirkte kritisch, fast verärgert, doch das war sie nicht. Angst und Zorn, ihre ständigen Begleiter, hatten ihre Spuren hinterlassen.

Das Taxi hielt bei den Ziegelsteinhäusern im Kräftriket-Viertel. Sie bezahlte in bar, stieg aus und betrat dann ein dreistöckiges Haus, in dem sich mehrere kleine Firmen befanden. Über die Steintreppe gelangte sie in die erste Etage, wo sie eine Tür öffnete und einen Flur entlangging, vorbei an leer stehenden unmöblierten Büros und einem kleinen verglasten Konferenzraum. Dort hatte jemand mit schwarzem Filzstift komplizierte mathematische Gleichungen auf das Whiteboard geschrieben.

Am Ende des Flurs öffnete Sophie erneut eine Tür und betrat einen Raum.

»Es tut mir leid, dass ich zu spät bin.«

Ernst Lundwall gab keine Antwort, er saß da und blätterte konzentriert durch einen Stapel Papiere. Ein Stück entfernt hatte es sich Leszek in einem Sessel gemütlich gemacht.

»Hallo, Leszek!«, sagte sie.

Auch er grüßte nicht, aber Sophie wusste, dass dies keine Unhöflichkeit war – Leszek war eben so. Sie setzte sich an den Tisch, auf dem ein Handy lag, und sah die Männer an. Ernst war Hectors juristischer und wirtschaftlicher Berater, der einen sagenhaften Überblick über die gesamte Organisation besaß. Er war von der schwierig-intelligenten Sorte, mit einem ausgeprägten Desinteresse an anderen Menschen.

Leszek Smialy war viele Jahre lang der Leibwächter von Adalberto Guzman, Hectors Vater, gewesen. Jetzt war er Sophies Beschützer und Überwacher in einer Person.

Sie sah sich in dem Zimmer um. Große hohe Fenster, die auf den Brunnsviken hinausgingen. Stilvolle Möbel. Sophie war zum ersten Mal hier, und es würde auch das letzte Mal sein. Jedes ihrer wöchentlichen Treffen fand an einem anderen Ort statt, der ihr ein paar Stunden vorher mitgeteilt wurde.

Das Handy vor ihr auf dem Tisch vibrierte. Sophie wartete ein paar Augenblicke, dann meldete sie sich.

»Ja?«

»Wer ist im Raum?« Arons Stimme.

»Leszek und Ernst.«

»Können sie mithören?«

Sophie schaltete die Lautsprecherfunktion ein und legte das Handy zurück auf den Tisch. Ein leichtes Rauschen. Vermutlich hatte Aron in den südspanischen Bergen, wo er untergetaucht war, eine schlechte Verbindung.

Erneutes Rauschen, dann wieder Arons Stimme: »Hectors Bruder ist gestern in Biarritz ermordet worden.«

Schlagartig erfüllte eine elektrisierte Stille den Raum. Sophie senkte den Blick auf ihre Hände. Sie hatte Eduardo nur aus Erzählungen gekannt.

»Wie ist das passiert?«, fragte sie leise.

»Eine Bombe in einem Café.«

Wieder herrschte Stille.

»War der Anschlag gegen ihn gerichtet?«, fragte Sophie schließlich.

»Davon gehen wir aus.«

Sie blickte zu Ernst und Leszek. Ernst zeigte keine Reaktion, er saß mit seinem üblichen nichtssagenden Gesichtsausdruck da. Leszek hingegen wirkte betroffen. Er hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen. Er hatte Eduardo gekannt und auf Adalbertos Anweisung Hasani nach Biarritz geschickt, um Eduardo und seine Familie zu beschützen. Aber was konnte ein Leibwächter schon gegen Bomben ausrichten?

Leszek hob den Kopf.

»Die Kinder? Angela?«

»Hasani hat sie in Sicherheit gebracht.«

»Was ist mit Inez und ihrer Familie?«

Hectors Schwester Inez hatte sich stets von den Geschäften ihres Bruders ferngehalten. Sie wohnte in Madrid, war verheiratet und hatte zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.

»Ich kümmere mich darum«, tönte Aron aus dem Lautsprecher.

Sophie räusperte sich. »Wer steckt dahinter?«, fragte sie.

Es rauschte erneut, dann war Arons Stimme wieder zu hören. »Ich weiß es nicht.«

»Kann es ein Unglück gewesen sein oder ein Irrtum?«

»Nein.«

»Aber er hat doch mit seiner Familie unter einem anderen Namen dort gelebt«, fuhr Sophie fort.

»Ja, so war es«, bestätigte Aron, ohne weiter darauf einzugehen.

»Warum jetzt? Und warum Eduardo?«

»Wer weiß …«

Aron wechselte den Tonfall. »Ernst?«, fragte er.

»Ja?«, erwiderte Ernst, den Blick immer noch auf die Papiere geheftet.

»Konzentriere dich auf das Wesentliche: Was sind die kritischen Punkte?«

Ernst schob sich die Brille auf die Nase. »Drei Dinge«, sagte er. »Erstens: Don Ignacio ist zurück, er will expandieren. Er ist verdammt hartnäckig, fragt nach Hector und will persönlich mit ihm sprechen.«

Sophie hörte ihnen zu. Ignacio Ramirez, oder Don Ignacio, wie er im Volksmund genannt wurde. Der Drogenbaron von Valle del Causa in Kolumbien. Ein alter Kontakt von Adalberto Guzman, Hectors Vater. Ihr wichtigster Geschäftspartner.

»Was hast du ihm geantwortet?«

»Das Übliche. Dass unsere Vereinbarung unabänderlich ist, und zwar aus Sicherheitsgründen.«

»Glaubt er dir?«

»Nein, und ich schätze, wir können ihn nicht mehr lange hinhalten.«

»Und zweitens?«, fragte Aron.

Ernst zog ein paar Papiere aus dem Stapel und sprach dann über andere Geschäfte. Dabei ging es um Produktpiraterie. Sie investierten viel Geld in die Fälschung von Lebensmitteln, Markenartikeln und Medikamenten. Außerdem redete er über Personen in börsennotierten Unternehmen, von denen sie Informationen erpressten.

Sophie drehte an dem Ring, den sie am rechten Ringfinger trug. Seit einem halben Jahr machte sie das nun schon mit. Sie war bei ihren Gesprächen zugegen und tat, was von ihr verlangt wurde. Mehrmals war sie umhergereist und hatte Menschen kennengelernt, die sie verabscheut hatte, die meisten davon waren Männer mit dem Intellekt eines Kleinkindes.

Sophies Aufgabe war es gewesen, alle zu besänftigen und zu behaupten, Hector gehe es gut und er würde die Geschäfte von seinem Versteck aus lenken. Doch das war gelogen. Hector lenkte überhaupt nichts mehr, denn er lag noch immer im Koma. Aron kümmerte sich um alles, mithilfe von Ernst, Leszek und ihr, in dem verzweifelten Versuch, das sinkende Schiff über Wasser zu halten.

Sie hasste ihre Lage, lebte in ständiger Angst und wollte das alles nicht mehr mitmachen, doch ihr blieb keine andere Wahl – das hatte Aron ihr sehr deutlich zu verstehen gegeben. Dennoch hatte sie seltsamerweise das Gefühl, als befände sie sich unter Freunden, vor allem, wenn Leszek bei ihr war. Und er hielt sich fast immer in ihrer Nähe auf, beschützte sie und erinnerte sie an den Ernst der Lage und ihre Aufgabe.

Sophie hörte ihren Namen und wurde aus den Gedanken gerissen. Arons Stimme krächzte aus dem Handy.

»…Sophie? Nimm das Telefon!«

Sie griff nach dem Handy, schaltete die Lautsprecherfunktion aus und hielt es an ihr Ohr.

»Ja?«

»Ich will, dass du dich mit Don Ignacios Leuten triffst.«

»Warum das denn?«

»Beruhige sie, erkläre ihnen die Situation. Aber erzähle ihnen nicht alles.« Er klang nervös. »Wir brauchen sie auf unserer Seite, aber wir können auf keinen Fall expandieren, nicht jetzt. Sag ihnen, sie müssen Geduld haben. Versprich ihnen mehr Geld, wenn es nötig ist.«

»Das hat Ernst ihnen doch schon tausendmal gesagt.«

»Dann sag du es ihnen noch einmal.«

»Das wird nichts ändern.«

Die Worte hingen in der Luft.

»Wir brauchen mehr Zeit. Das ist das Entscheidende. Und du wirst sie uns verschaffen.«

»Ich halte das für keine gute Idee, Aron.«

»Doch, das ist es.«

Sie glaubte, eine Spur von Verzweiflung in seiner Stimme mitschwingen zu hören. Er stand unter Druck, musste zu viel gleichzeitig unter Kontrolle halten.

»Wo soll ich mich mit ihnen treffen?«

»Du musst zu ihnen fahren, bitte Ernst, ein Treffen zu vereinbaren.«

»Kolumbien?«

»Vermutlich.«

Stockholm

Der Tote lag bäuchlings auf dem Parkettboden. Zwischen seinen Schulterblättern steckte ein Messer, und neben ihm lag eine Bettdecke. Er war nackt, oder genauer gesagt fast nackt, er hatte das Leben so verlassen, wie er es einst begonnen hatte, abgesehen von den weißen Sportsocken an seinen Füßen.

Antonia Miller betrachtete die Leiche. Dann ging sie in die Hocke, um den Mann genauer zu untersuchen. An der Einstichwunde war kaum Blut ausgetreten. Und seine Position? Hatte er im Bett gelegen, als er erstochen wurde? War er aufgewacht und aus dem Bett getaumelt? Oder war er am Boden ermordet worden?

Das grelle Blitzlicht einer Kamera riss Antonia aus ihren Gedanken. Ein Kriminaltechniker dokumentierte den Tatort und schien mit dem Fotografieren gar nicht mehr aufhören zu wollen. Antonia erhob sich und ließ den Blick durch das Zimmer wandern. Eine Kommode, darüber das Poster eines Basketballteams in Sternenbannertrikots mit vorgedruckten Autogrammen – die Harlem Globetrotters 1979.

In einem Bücherregal aus Kiefernholz standen alte Dirty-Harry- und Charles-Bronson-Filme. Und eine Sammlung Transvestitenpornos.

Aus ihrer Gesäßtasche fischte Antonia ein zerbeultes Notizbuch. Wie hieß der Mann noch gleich? Conny Blomberg. Die Wohnung gehörte einer Frau, unter deren Namen zwölf weitere über die Innenstadt und Vororte verteilte Wohnungen gemeldet waren.

»Ich bin jetzt fertig«, sagte der Kriminaltechniker und verließ das Zimmer.

»Danke«, murmelte Antonia.

Als sie erneut Schritte hinter sich hörte, wandte sie sich um. Tommy Jansson, ihr Chef, stand in der Tür und betrachtete die Leiche. Von seiner schwarzen Lederjacke rannen geschmolzene Schneeflocken, und Antonia beschlich ein Gefühl, als hätte er die Eiseskälte von draußen mit hereingebracht. Und noch etwas anderes. Eine permanente Wut und Unruhe, die ihn ständig überallhin begleitete.

Mit dem Daumen hinter sich deutend, zischte Tommy gereizt: »Diese beschissene Einbahnstraße. Bin aus der falschen Richtung gekommen. Am Arsch der Welt musste ich parken und zwei Blocks herlaufen!«

Aus seinem Mund klang es, als existierten Einbahnstraßen einzig und allein deshalb, um ihn, Tommy Jansson, in den Wahnsinn zu treiben. In Erwartung einer Antwort oder zumindest irgendeiner Form der Bestätigung blickte er Antonia unverwandt an, doch die reagierte nicht darauf.

»Was machst du hier, Tommy?«, fragte sie stattdessen.

Es war eine berechtigte Frage, wenn man bedachte, dass er mittlerweile nur noch selten an einen Tatort kam.

»War gerade in der Gegend, als ich es im Radio gehört habe«, grummelte er und wies dann auf die Leiche. »Kannst du das übernehmen, Antonia?«

»Ich bin doch schon hier.«

»Den ganzen Fall, meine ich. Und zwar nur den«, erklärte Tommy.

»Ähm … ja?«

»Du beschwerst dich doch, du hättest zu viel um die Ohren«, ergänzte er.

»Nein, das tue ich nicht«, erwiderte sie.

————————

Gemeinsam verließen sie die Wohnung und bestiegen den Fahrstuhl, dessen in die Jahre gekommene Mechanik sie ratternd ins Erdgeschoss beförderte.

Sonderlich gut kamen Antonia Miller und Tommy Jansson nicht miteinander aus, aber die wichtigsten Dinge wussten sie doch voneinander. Tommys Frau war an ALS erkrankt, deshalb fragte Antonia jetzt: »Wie geht es Monica?«

Zunächst hielt Tommy den Blick weiter auf den Boden gerichtet, dann hob er den Kopf und sah sie intensiv an, als ob er auf der Suche nach dem Motiv ihrer Frage wäre.

»Keine Veränderungen.«

Der sachliche Ton seiner Antwort versetzte ihr einen Schlag in den Magen.

Im Erdgeschoss angekommen, riss Tommy das knirschende Fahrstuhlgitter beiseite und stieg aus. Ladies first galt offenbar nicht für den Chef.

Als sie hinaus auf die Sofiagatan traten, hatte sich der Schnee in Hagel verwandelt.

»Vielleicht sehen wir uns heute Abend«, sagte Antonia.

»Kann sein«, murmelte er leise und fluchte dann: »So ein Scheißwetter!«

Tommy bog nach rechts ab, und Antonia sah ihm noch einen Moment nach, hob dann den Blick zum düsteren Himmel, der seine Schleusen geöffnet hatte, um kleine Eiskügelchen auf sie abzufeuern. Schließlich gab sie sich einen Ruck und spurtete zu ihrem Auto, schloss auf und stieg ein. Immer heftiger donnerte der Hagel auf das Blechdach hinab. Sie wartete noch eine Weile, während das Gebläse auf höchster Stufe gegen die beschlagene Scheibe ankämpfte. Dann ließ sie den Motor an und fuhr los, vorbei an Tommy, der dicht an den Hausfassaden entlanglief, die Hände in den Jackentaschen vergraben und mit einer Körperhaltung, die deutlich machte, dass er schwere Qualen litt.

Daran, ihn bis zu seinem Auto mitzunehmen, verschwendete Antonia keinen Gedanken.

Sein Vorname wurde ausgesprochen wie das englische Längenmaß oder der amerikanische Trompeter, obwohl seine Eltern weder englische Vorfahren noch eine Vorliebe für Jazz hatten. Aber als Diplomaten legten sie Wert auf einen möglichst international klingenden Vornamen. Also hieß er Miles.

Schon seit mehreren Generationen waren die Mitglieder der Familie Ingmarsson Diplomaten und trugen so unschwedische Namen wie John, Cathrine, Sandy, Ted, Sam oder Molly. In einem früheren Leben hatte auch Miles sich dem Auswärtigen Dienst verschrieben gehabt, war in dieser Welt aber von der ersten Sekunde an zum Scheitern verurteilt gewesen. Ihn befremdeten die sozialen Spielregeln, an die sich alle anderen offenbar ganz selbstverständlich halten konnten. Seine Karriere verlief rückwärts, er war auf höchster Ebene eingestiegen und hatte dann einen langsamen, aber stetigen Abstieg erlebt. Von der Botschaft in Ankara nach Skopje in Mazedonien, weiter nach Chișinău in Moldawien, bis er schließlich in Khartum im Sudan landete, um dort eine Position zu übernehmen, von der niemand genau wusste, weshalb sie überhaupt existierte.

Getreu der Etikette hatte er geheiratet, eine mittelmäßig attraktive Frau mit akademischem Hintergrund und der Fähigkeit, Konversation zu betreiben. Aber dass sie mit der Zeit Gefühle für ihn entwickeln würde und ihn verstehen wollte, damit hatte er nicht gerechnet. Miles bekam Todesangst. Also ließen sie sich scheiden, und im Handumdrehen hatte sich seine Exfrau einen Zahnarzt aus Bromma geangelt und war schwanger geworden.

Fortan versuchte die Diplomatenverwandtschaft, ihn mit guten Ratschlägen für die Zukunft zu versorgen. Es war nicht auszuhalten. Ein Karrierewechsel schien die einzige Rettung, und aus diesem Grund beschloss Miles, sich so weit wie nur möglich vom Auswärtigen Amt und der Diplomatie zu entfernen. Und landete bei der Polizei. Diplomaten und Polizisten: Gegensätze, Gegenpole – auf jede erdenkliche Weise.

Seine Familie brach den Kontakt ab. Ihre Enttäuschung war ebenso groß wie seine Erleichterung.

Heute war Ingmarsson fünfundvierzig Jahre alt und dank seiner eisernen Trainingsroutine mit Liegestützen und Sit-ups schlank und athletisch. Er hatte dunkles graumeliertes Haar und das Gesicht und den Ausdruck eines Filmstars der goldenen Ära. Doch seine Ausstrahlung wurde von seiner Körperhaltung beeinträchtigt, die von einer Trauer geprägt war, auf die sich nicht einmal Freud einen Reim hätte machen können. Und erst recht nicht Miles selbst.

Er war süchtig nach Stripperinnen, denn in ihrer Gegenwart fühlte er sich besser. Allein die Wärme, die von den Frauen ausging, ihre Brüste, ihre Kurven, ihre Weiblichkeit, verschaffte ihm Entspannung. Dabei ging es nicht um Sex, sondern eher um die krampfhafte Sehnsucht nach einer Sicherheit, die er nirgendwo sonst empfand. Und ausprobiert hatte er reichlich: Alkohol, Hasch, Essen, Sport, Glücksspiel. Nichts hatte dieselbe Wirkung auf ihn wie ein guter Striptease. Fünfmal in der Woche besuchte er die entsprechenden Etablissements, das ganze Jahr über.

Und nun saß er an einem Tisch in einer abgedunkelten Ecke und starrte auf eine dürre Frau mit Silikonbrüsten, die zu billigem Ostblock-Elektro an der Stange tanzte. Und das nicht besonders gut. Am liebsten hätte er sie gebeten, mit dem Tanzen aufzuhören, einfach nur dazustehen und sich ein bisschen zu bewegen …

Sein Telefon vibrierte in der Jackentasche.

»Ja?«

Tommy Jansson von der Säpo, der Sicherheitspolizei des Reichskriminalamts, fragte ihn, wo er sei.

»Beim Mittagessen«, antwortete Miles.

»Willst du für mich arbeiten?«

Die Stripperin schwang sich ungelenk und viel zu schwungvoll um die polierte Stange.

»Okay«, sagte Miles.

————————

Miles stapfte durch den frisch gefallenen Schnee, der sich in großen zusammengeschaufelten Haufen auf dem Bürgersteig türmte, damit die Autos freie Fahrt hatten. Er ging dicht an den Hauswänden entlang, fischte eine Zigarette aus der Manteltasche und zündete sie sich an. Dann nahm er einen Zug und inhalierte, ehe er den Rauch wieder ausstieß.

Die letzten Jahre hatte Ingmarsson in der Abteilung für Wirtschaftskriminalität gearbeitet, an uninteressanten Fällen, die meistens ins Leere führten. Was für ihn in Ordnung war, weil er so eine ruhige Kugel schieben konnte. Aber jetzt hatte Tommy Jansson angerufen und wollte mit ihm reden. Er sollte in den Pub im Klara-Viertel kommen, in dem alle Bullen immer abhingen. Miles war ein paarmal dort gewesen, hatte sich aber nicht wohlgefühlt. Die sogenannten Kollegen dort waren ihm regelrecht zuwider. Aber Tommy wollte sich genau dort mit ihm treffen, und er würde ihm einen neuen Job anbieten. Vielleicht war es dafür auch höchste Zeit, denn mit jedem Tag, der tatenlos verstrich, hatte Miles das Gefühl, ein wenig zu sterben. Und dieses Gefühl begleitete ihn nun schon lange.

————————

Schweißgeruch, Siebzigerjahre-Hits und eine viel zu grelle Beleuchtung. Miles bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Tommy saß an einem Tisch im hinteren Bereich der Kneipe, der für die hohen Tiere reserviert war. Wann immer sich ein argloser Grünschnabel dorthin verirrte, nahm es ein peinliches Ende.

Als Tommy Miles entdeckte, winkte er ihn an seinen Tisch. Miles nahm Platz und bedeutete der Bedienung, dass er ein Bier wolle. Als es ihm gebracht wurde, kam Tommy gleich zum Punkt.

»Willst du eine Mordermittlung übernehmen?«, fragte er.

»Worum geht es?«

»Um das Trasten.«

»Das Trasten?«, fragte Miles.

»Das Restaurant in Vasastan. Das Gangsterblutbad letzten Sommer. Wo Hector Guzman geflohen ist«, erklärte Tommy.

Miles nickte. Jeder hatte davon gehört. »Und weshalb?«, fragte er.

»Ich brauche einen neuen Ermittler.«

»Warum ich?«

»Du bist ein alter Hase, du weißt, wie das Spiel läuft«, antwortete Tommy.

»Wo ist der Haken?«, fragte Miles.

»Es gibt keinen, ich will bloß den derzeitigen Ermittler durch dich ersetzen.«

»Tommy, wo ist der Haken?«, wiederholte Miles.

»Sei nicht so misstrauisch. Wir haben viel zu tun, und ich biete dir eine Aufstiegschance. Außerdem kann ich sie woanders gebrauchen.«

»Sie?«

»Miller. Antonia Miller.«

Miles wusste, wer sie war. Er hatte gehört, dass die Frau gut sei.

»Wann?«

»So schnell wie möglich«, erwiderte Tommy und nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier.

»Ich habe eine Reihe Ermittlungen laufen«, sagte Miles. »Da kann ich meine Kollegen nicht hängen lassen, nicht jetzt.«

Tommy unterdrückte ein Rülpsen. »Klar kannst du. Das ist doch bloß ein Haufen Sozis. Ich hole dich da raus, dagegen können sie einen Scheiß tun.«

Im Laufe der Jahre hatten sich ihre Wege wiederholt gekreuzt, und sie waren beinahe Freunde geworden. Doch jetzt hatten sie sich eine Weile nicht gesehen, und Miles fand, dass sich Tommy verändert hatte. Er war bissiger geworden.

»Und Miller?«

»Um die mach dir mal keine Sorgen«, meinte Tommy.

Miles dachte nach. Er konnte dem Vorschlag weder Vor- noch Nachteile abgewinnen.

Die Bedienung brachte noch ein schlampig gezapftes Bier und knallte es so schwungvoll vor Tommy auf den Tisch, dass es überschwappte.

Schweigend nahmen sie ein paar Schlucke.

»Willst du auch noch eines?«, brach Tommy schließlich das Schweigen.

Miles schüttelte den Kopf.

Von ihrem Platz an der Bar aus beobachtete Antonia Tommy und den anderen Typen. Fast jeden Tag stritt sie sich mit ihrem Chef über das eine oder das andere. Auslöser war meistens die Tatsache, dass sie ihm zu ehrgeizig war. Doch in letzter Zeit war es noch schwieriger mit ihm geworden. Antonia war der Meinung, dass Tommy sich in den vergangenen Monaten verändert hatte: Er litt unter Stimmungsschwankungen, war cholerisch und arrogant. Sie fühlte sich von ihm kontrolliert und bei der Ausübung ihrer Arbeit blockiert. Außerdem war er ständig verkatert. Vermutlich eine Folge der Belastung, mit einer todkranken Frau zusammenzuleben. Trotzdem war Antonia es leid, Tommys Launen unterworfen zu sein, auch wenn ihr bewusst war, dass auch sie etliche schlechte Angewohnheiten hatte. Zweifellos empfand Tommy sie als nervig, eine Auffassung, die er mit vielen teilte. Sie galt als schwierig, impulsiv und streitsüchtig. Aber was sollte sie dagegen tun? Sich fügen?

In ihrer Kindheit hatten Antonias Eltern immer versucht, ihre Tochter vor der rauen Wirklichkeit zu beschützen. So waren sie stets in ein Flüstern und Wispern verfallen, wenn sich Antonia den Erwachsenen bei einer Unterhaltung näherte. Aufgrund dieser Geheimniskrämerei hatte sie eine nahezu pathologische Neugier entwickelt. Worum auch immer es ging, sie musste Antworten haben, um leben und atmen zu können. Und im Laufe der Jahre hatte sie sich viele Antworten erarbeitet, die ihrer Karriere einen Schub gegeben hatten. Als Ermittlerin genoss sie einen guten Ruf. Doch nun schien sie festzustecken. Und auch Tommy hatte in ihrer Gegenwart zu flüstern begonnen.

Erneut schielte sie zu den beiden Männern hinüber. Jetzt stand der Dunkelhaarige auf, schüttelte Tommy die Hand und ging. Als er an ihr vorbeikam, begegneten sich kurz ihre Blicke. Da erkannte sie ihn. Das war doch dieser Typ von der Wirtschaftskriminalität. Eine dieser desillusionierten Gestalten, die sie hatte kommen und gehen sehen. Was ihn von der Masse abhob, war sein Kleidungsstil: Jeans, schwarze Brogues und ein feines Oberhemd unter einem teuren Kaschmirpullover. Über dem Arm trug er einen dünnen Trenchcoat. Wie ein Snob aus den Achtzigerjahren. Viel zu geleckt für ihren Geschmack.

Antonia sah sich unter den Gästen um und versuchte, Ulf ausfindig zu machen. Er war der einzige Grund, warum sie hergekommen war. Ein fitnessstudiogestählter, ruhiger Typ aus Dalarna mit einem freundlichen Wesen, der bei der Polizei als verdeckter Ermittler arbeitete. Eigentlich stand sie nicht auf muskulöse Bullen, aber was ihr an ihm gefiel, waren seine Zielstrebigkeit beim Sex, dass er im richtigen Moment die Klappe hielt und natürlich sein freundliches Wesen.

Sie entdeckte ihn, und er erwiderte ihren Blick. Nachdem sie gemeinsam einen Drink genommen hatten, aber kein Gesprächsthema finden konnten, setzten sie sich in ein Taxi und fuhren in seine ordentliche Zweizimmerwohnung in Sundbyberg, in deren Badezimmer Duftkerzen standen.

Valle del Cauca / Stockholm

Mit ihrer alten Ledertasche in der Hand passierte Sophie die Zollkontrolle, betrat die Ankunftshalle und strebte geradewegs auf die Autovermietungen zu. Am richtigen Schalter angekommen, teilte sie ihre Buchungsnummer mit, und schon wenig später saß sie hinter dem Lenkrad ihres Mietwagens und fuhr in Richtung Cartago, südwestlich von Pereira.

Durch das heruntergekurbelte Fenster strömte die kolumbianische Wärme herein, und sie hatte die Sonnenbrille aufgesetzt, um ihre Augen vor dem gleißenden Tageslicht zu schützen.

Als sie das Auto auf dem kleinen Platz in der Stadtmitte parkte, schlug die Kirchenglocke drei Uhr am Nachmittag. Es war verabredet, dass sie hier warten sollte, ein Taxi würde sie abholen. Und es kam prompt.

Der Fahrer sprach kein Wort, während er sie durch die Stadt fuhr, er warf nur hie und da einen Blick in den Rückspiegel, meistens telefonierte er jedoch mit seinem Handy. Nach einer Weile hielt er vor einem auf einer belebten Straße gelegenen Restaurant und gab ihr mit einer Geste zu verstehen, dass sie hineingehen sollte. Sophie tat, wie ihr geheißen.

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