Des Rajahs Diamant - Robert Louis Stevenson - E-Book

Des Rajahs Diamant E-Book

Robert Louis Stevenson

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Beschreibung

Eine Kriminal- und Detektivgeschichte bestehend aus vier einzelnen Untergeschichten.

Das E-Book Des Rajahs Diamant wird angeboten von Jazzybee Verlag und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:

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Des Rajahs Diamant

Robert Louis Stevenson

Inhalt:

Robert Louis Stevenson – Biografie und Bibliografie

Des Rajahs Diamant

Frau von Vandeleurs Privatsekretär

Die Geschichte des Gottesmannes

Das Haus mit den grünen Jalousien

Des Rajahs Diamant, R. L. Stevenson

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849624712

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Robert Louis Stevenson – Biografie und Bibliografie

Engl. Schriftsteller, geb. 13. Nov. 1850 in Edinburg, gest. 8. Dez. 1894 in Apia (Samoa), ward Advokat, widmete sich aber schließlich erfolgreich der Schriftstellerei. Aus Gesundheitsrücksichten unternahm er wiederholte Reisen in Europa und Amerika, bis er sich endlich auf Samoa ansiedelte. Er schrieb: »An inland voyage« (1878), »Edinburgh picturesque notes« (1879), »Travels with a donkey through the Cevennes« (1879), »Virginibus puerisque« (1881), »Studies of men and books« (1882), »New Arabian nights« (1882, 2 Bde.) und »The Treasure Island« (1883), sein an Defoe erinnerndes Meisterwerk, dem noch eine Reihe ähnlicher Abenteuergeschichten folgte, wie »Dr. Jekyll and Mr. Hyde« (1886), »Master of Ballantrae«; pseudohistorisch wird er mit »Prince Otto«, historischen Hintergrund gewinnt er sich mit »David Balfour« und »St. Ives«. Auch veröffentlichte S. einige Bände Gedichte (»A child's garden«, 1885; »Underwoods«, 1887; »Ballads«, 1891) und »Memories and portraits« (2. Aufl. 1888, darunter von besonderm Interesse »A Gossip on Romance«) sowie das zeitgeschichtliche Werk: »Footnotes to history, eight years of trouble in Samoa« (1892). S. ist wohl der bedeutendste der Jung-Romantiker mit seiner naiven Freude am Fabulieren. Seine Erzählungstechnik sucht sich als einfache Vorbilder Smollet und Defoe. Als Stilist wirkt er in seiner Einfachheit großartig. Gesammelt gab seine Werke E. Gosse heraus (1906, 20 Bde.). Vgl. A. Brown, Rob. L. S., a study (Lond. 1895); »Robert Louis S.; letters to his family and friends« (hrsg. von Colvin, das. 1899, 2 Bde.); Baildon, Robert Louis S., a life study in criticism (das. 1901); Balfour, Life of R. L. S. (das. 1891, 2 Bde.); Japp, R. L. S., record, estimate, and memorial (das. 1905); Prideaux, Bibliography of the works of R. L. S. (das. 1903).

Des Rajahs Diamant

Erstes Kapitel

Frau von Vandeleurs Privatsekretär

Harry Hartley hatte bis zu seinem sechzehnten Lebensjahre die Ausbildung eines Gentlemans genossen. Da er aber eine ganz entschiedene Abneigung gegen das Studium bekundete und seine schwache Mutter ihm in allem seinen Willen ließ, so hinderte ihn, als er die berühmte Erziehungsanstalt zu Eaton verlassen hatte, nichts daran, seine Zeit einzig der Vervollkommnung in rein äußerlichen, zum feinen Ton gehörigen Künsten und Fertigkeiten zu widmen. Zwei Jahre später starb seine Mutter und ließ ihn fast als Bettler und einen zu jeder praktischen Tätigkeit ungeeigneten Menschen zurück.

Von der gütigen Mutter Natur mit dem denkbar bestechendsten Äußern ausgestattet, mußte er mit seinem blonden Haar und seinem zarten Teint, mit den Taubenaugen und dem gewinnenden Lächeln jedem gefallen, und dieser gewinnenden äußeren Erscheinung in Verbindung mit einem glücklichen Zufall hatte er es auch zu verdanken, daß er bald die Stellung als Privatsekretär bei dem Generalmajor Sir Thomas Vandeleur erhielt, einem polternden, eingebildeten und anmaßenden Manne von sechzig Jahren. Aus irgendeinem Grunde und für einen Dienst, über dessen Natur gewisse Gerüchte im Umlauf blieben, hatte der Rajah von Kaschgar diesem Offizier den sechstgrößten von den bekannten Diamanten der Welt zum Geschenk gemacht. Dadurch wurde General Vandeleur aus einem armen ein reicher Mann, aus einem unbekannten und unbeliebten Soldaten ein Löwe der Londoner Gesellschaft; denn der Besitzer des Diamanten des Rajahs war in den feinsten Kreisen willkommen. Auch zeigte sich eine junge, schöne und vornehme Dame geneigt, selbst um den Preis einer Heirat mit Sir Thomas Vandeleur in den Besitz des Diamanten zu gelangen. Man konnte damals öfters die Äußerung hören, gleich und gleich geselle sich gern, so habe ein Diamant den andern angezogen; jedenfalls war Frau Vandeleur nicht nur für ihre Person ein Edelstein vom reinsten Wasser, sondern sie zeigte sich der Welt auch in einer äußerst kostbaren Fassung und galt bei vielen Sachverständigen als eine der drei oder vier ersten Herrscherinnen im Reiche der Mode.

Harrys Pflichten als Sekretär waren nicht sonderlich drückend, aber er hatte eine Abneigung gegen fortgesetztes Arbeiten, es war ihm unangenehm, seine Finger mit Tinte zu beflecken, und die Reize der gnädigen Frau und ihrer Toiletten zogen ihn oft aus dem Arbeitszimmer in den Damensalon. Hier war er der liebenswürdigste Gesellschafter und unterhielt sich über Modesachen mit ebensoviel Eifer wie Verständnis, denn er fühlte sich am wohlsten, wenn er seine Ansicht über die passendste Bandfarbe zum besten geben oder einen Auftrag bei der Putzmacherin besorgen konnte. Kurz, Sir Thomas' Korrespondenz kam immer mehr in Rückstand, und die gnädige Frau verfügte über eine Kammerfrau mehr.

Schließlich sprang eines schönen Tages der General, der nichts weniger als übermäßig geduldig war, in einem Wutanfalle von seinem Sitze empor und eröffnete mit einer unzweideutigen Fußbewegung, wie sie unter Gentlemen selten vorkommt, seinem Sekretär, daß er seiner Dienste ferner nicht bedürfe. Da die Tür unglücklicherweise offenstand, so flog Herr Hartley kopfüber die Treppe hinunter.

Mit einigen Beulen am Kopf und mit schwerem Kummer im Herzen raffte er sich auf. Das Leben im Hause des Generals hatte ihm gerade gepaßt; er bewegte sich dort, wenn auch mehr oder minder auf zweifelhaftem Fuße, in der besten Gesellschaft, er arbeitete wenig, speiste aufs beste und erfreute sich einer lauwarmen Behandlung seitens der gnädigen Frau, der er in seinem Herzen einen weit anspruchsvolleren Namen beilegte.

Unmittelbar nach der unsanften Berührung mit dem Soldatenstiefel schlich Harry in den Damensalon und machte seinem bekümmerten Herzen Luft.

»Sie wissen ja, mein lieber Harry,« erwiderte Frau von Vandeleur, die ihn wie ein Kind oder einen Dienstboten bei seinem Vornamen nannte, »daß Sie niemals tun, was der General Sie tun heißt. Ich tue es ebensowenig, werden Sie vielleicht sagen. Aber das ist etwas anderes. Eine Frau kann ein ganzes Jahr voll Ungehorsam durch ein einziges Nachgeben zur rechten Zeit wieder gutmachen, und überdies ist niemand mit seinem Privatsekretär verheiratet. Mir wird es sehr leid sein, Sie zu verlieren; da Sie aber in einem Hause, wo man Sie so schmählich behandelt hat, nicht länger bleiben können, so wünsche ich Ihnen fernerhin alles Gute und verspreche Ihnen, daß der General für sein Betragen büßen soll.«

Harry konnte sich nicht länger halten, die Tränen schossen ihm in die Augen, und er blickte Frau von Vandeleur mit zartem Vorwurf an.

»Gnädige Frau,« sagte er, »was heißt schmähliche Behandlung? Es müßte nach meinem Dafürhalten ein kleinlicher Mensch sein, der sich über dergleichen nicht ohne weiteres hinwegsetzen könnte. Aber seine Freunde zu verlassen, die Bande der Zuneigung zu zerreißen –«

Er konnte vor Erregung nicht zu Ende sprechen und begann zu schluchzen.

Frau von Vandeleur blickte ihn mit sonderbarem Ausdruck an.

Dieser kleine Narr, dachte sie, will in mich verliebt sein. Warum sollte er übrigens nicht mein Bedienter werden so gut, wie er in Diensten des Generals stand? Er ist gutartig, angenehm und versteht sich auf Toilettenfragen. Er ist unbedingt zu hübsch, um ihm den Laufpaß zu geben.

Noch an demselben Abend sprach sie darüber mit dem General, der sich bereits ein wenig schämte, sich so weit haben fortreißen zu lassen. Harry wurde der weiblichen Dienerschaft zugeteilt und führte ein Leben fast wie im Himmel. Sein Anzug war ausnehmend zierlich, sein Knopfloch schmückten zarte Blumen, und er verstand es, den Besuch mit Takt und Anstand hübsch zu unterhalten. Er setzte seinen Stolz darein, einer schönen Frau zu dienen, nahm Frau von Vandeleurs Befehle wie ebenso viele Gunstbezeigungen entgegen und gefiel sich vor andern Männern, die nur Spott und Verachtung für ihn hatten, in der Rolle einer männlichen Kammerfrau und Putzmamsell. Auch erschien ihm seine Stellung vom moralischen Standpunkte aus im schönsten Lichte. Die Verderbtheit war in seinen Augen wesentlich eine Eigenschaft des männlichen Geschlechts, und sein Leben bei einer zarten Frau zu verbringen und sich vornehmlich mit Modefragen zu beschäftigen, bedeutete für ihn so viel als mitten in den Stürmen des Lebens auf einer Zauberinsel zu wohnen.

Eines Morgens kam er ins Empfangszimmer und ordnete die Noten auf dem Pianino. Am andern Ende des Zimmers befand sich Frau von Vandeleur in eifrigem Gespräch mit ihrem Bruder Karl Pendragon, einem älteren, durch Ausschweifungen stark mitgenommenen und mit einem Fuße lahmenden Manne. Der Privatsekretär, dessen Eintritt die beiden nicht beachteten, war notgedrungen Ohrenzeuge der letzten Worte ihrer Unterhaltung.

»Heute oder niemals,« sagte die Dame. »Ein für allemal, heute soll es geschehen.«

»Heute, wenn es sein muß,« erwiderte der Bruder seufzend. »Aber es ist ein falscher, ein verderbenbringender Schritt, Klara, und wir werden ihn noch schrecklich zu bereuen haben. Doch du warst immer klüger als ich, und meine Hilfe soll dir nicht fehlen. Übrigens hätte ich mich lieber nicht sollen sehen lassen,« fuhr er fort. »Meine Rolle ist mir völlig klar, und ich werde die zahme Katze im Auge behalten.«

»Tue es,« erwiderte sie. »Er ist ein widerwärtiger Mensch und könnte alles verderben.«

Sie warf ihm mit zierlicher Bewegung eine Kußhand zu, und der Bruder verließ das Haus durch den Damensalon und über die Hintertreppe.

»Harry,« sagte Frau von Vandeleur und wandte sich dem Sekretär zu, »ich habe heute morgen einen Auftrag für Sie. Sie sollen aber eine Droschke nehmen, ich kann nicht zulassen, daß mein Sekretär Sommersprossen bekommt.«

Die letzten Worte sprach sie mit Nachdruck und begleitete sie mit einem Blicke voll mütterlichen Stolzes, der dem armen Harry außerordentlich wohl tat, so daß er sich für glücklich erklärte, in ihrem Dienste tätig sein zu können.

»Der heutige Auftrag gehört auch zu unsern Geheimnissen,« fuhr sie fort, »und kein Mensch darf etwas davon wissen als mein Sekretär und ich. Der General würde greulich dazwischenfahren, und wenn Sie nur wüßten, wie entsetzlich mir diese Auftritte sind! O Harry, Harry, können Sie mir sagen, was euch Männer so heftig und ungerecht macht? Doch wie können Sie das! Weiß ich doch, daß Sie der einzige Mann auf der Welt sind, der von diesen schändlichen Leidenschaften frei ist! Sie sind so gut, Harry, und so lieb. Sie wenigstens können der Freund einer Frau sein, und wissen Sie? Mir scheint's, die andern kommen mir bei dem Vergleich mit Ihnen nur noch um so häßlicher vor!«

»Sie, gnädige Frau, Sie sind so gütig zu mir,« sagte Harry ritterlich. »Sie handeln gegen mich wie –«

»Wie eine Mutter,« unterbrach ihn Frau von Vandeleur. »Ich will Ihnen eine Mutter sein. Oder wenigstens,« verbesserte sie sich lächelnd, »fast eine Mutter. Ich bin zu jung, um in Wahrheit Ihre Mutter zu sein. Lassen Sie mich sagen – eine Freundin, eine teure Freundin.«

Sie machte eine Pause, lang genug, um ihre Worte auf Harrys gefühlvolles Herz wirken zu lassen, aber nicht lang genug, als daß er hätte antworten können.

»Doch, um auf Ihren Auftrag zurückzukommen,« fing sie wieder an, »Sie finden links im eichenen Kleiderschranke eine Putzschachtel unter dem rosa Rock, den ich letzten Mittwoch mit meinem Spitzenüberwurf trug. Bringen Sie die Schachtel sofort an diese Adresse,« und sie gab ihm hierbei ein Stück Papier, »aber lassen Sie sie unter keinen Umständen aus den Händen, ehe Sie eine von meiner Hand geschriebene Quittung erhalten. Verstehen Sie mich? Antworten Sie, bitte, antworten Sie! Es ist außerordentlich wichtig, und ich muß Sie um rechte Aufmerksamkeit ersuchen.«

Harry beruhigte sie, indem er ihre Weisung ganz richtig wiederholte, und sie wollte noch etwas hinzufügen, als der General Vandeleur, hochrot vor Zorn und eine lange Putzmacherrechnung in der Hand haltend, hereinstürzte.

»Wollen Sie sich einmal dies ansehen?« schrie er. »Wollen Sie gefälligst diese Rechnung ansehen? Ich weiß recht gut, daß Sie mich nur um des Geldes willen geheiratet haben, und ich hoffe, ich kann Ihnen so viel bieten wie irgendeiner meiner Kameraden, aber, so wahr mich Gott gemacht hat, ich will dieser schändlichen Verschwendung ein Ziel setzen.«

»Herr Hartley,« sagte Frau von Vandeleur, »ich denke, Sie wissen, was Sie zu tun haben. Wollen Sie, bitte, sofort an die Ausführung gehen!«

»Halt,« sagte der General zu Harry, »ein Wort, ehe Sie gehen.« Und er fuhr, sich wieder an seine Frau wendend, fort: »Wohin soll dieser kostbare junge Mann? Ich traue ihm keinen Deut mehr als Ihnen, muß ich Ihnen sagen. Wenn er einen Funken Ehrgefühl besäße, würde er in diesem Hause keinen Augenblick mehr verweilen, und was er für seinen Lohn leistet, das ist für alle Welt ein Geheimnis. Wohin soll er, und warum senden Sie ihn so eilig fort?«

»Ich war der Meinung, Sie hätten mir etwas unter vier Augen zu sagen,« versetzte Frau von Vandeleur.

»Sie sprachen von einem Auftrag für ihn,« erwiderte der General hartnäckig. »Versuchen Sie bei meiner augenblicklichen Stimmung nicht, mich zu hintergehen. Sie sprachen jedenfalls von einem Auftrag, den er ausführen sollte.«

»Wenn Sie durchaus Ihre Dienerschaft zu Zeugen unserer beklagenswerten Zwistigkeiten machen wollen,« antwortete Frau von Vandeleur, »so würde ich in der Tat besser tun, Herrn Hartley zum Sitzen einzuladen. Nein?« fuhr sie fort; »nun, dann können Sie gehen, Herr Hartley, ich verlasse mich darauf, Sie denken an alles, was Sie hier gehört haben; es wird Ihr Schade nicht sein.«

Harry entfernte sich augenblicklich aus dem Empfangszimmer, und während er die Treppen hinaufging, konnte er hören, wie die Stimme des Generals sich in dröhnenden Deklamationen erging und die feinen Töne der gnädigen Frau jedem Angriff eine eisige Abwehr entgegensetzten. Wie bewundernswert erschien ihm diese Frau! Wie geschickt umging sie die Beantwortung der unangenehmen Frage! Mit welcher verblüffenden Kühnheit wiederholte sie direkt unter dem feindlichen Geschützfeuer ihren Auftrag! Und wie verabscheute er dagegen den Gatten!