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Mit den "Deutschen Sagen" gaben die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm im Jahre 1816 ihre Sammlung von Sagen aus dem deutschen Sprachraum heraus. Viele Sagen sind im kollektiven Gedächtnis Deutschlands verankert und jedem bekannt: Kaiser Friedrich Rothbart im Kyffhäuser, Frau Holle aus den Märchen, Zwerge im Bergbau, Wassermänner und Nixen, Werwölfe und Kobolde, der Teufel, Geister und verfluchte Seelen. Sie alle begegnen uns in den Sagen der Brüder Grimm. Diese Ausgabe ist eine buchstabengetreue Neuausgabe des Originaltextes der Erstausgabe von 1816 in eBook-Form. Die Seitennummerierungen und Quellenangaben der Brüder Grimm sind erhalten und ermöglichen so Zitatangaben mit Referenzen auf die Erstausgabe.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort zu dieser Ausgabe
Titelblatt
Widmung
Vorrede.
1. Die drei Bergleute im Kuttenberg.
2. Der Berg-Geist.
3. Der Berg-Mönch im Harz.
4. Frau Hollen Teich.
5. Frau Holla zieht umher.
6. Frau Hollen Bad.
7. Frau Holla und der treue Eckart.
8. Frau Holla und der Bauer.
9. Die Springwurzel.
10. Fräulein von Boyneburg.
11. Der Piel-Berg.
12. Die Schloß-Jungfrau.
13. Die Schlangen-Jungfrau.
14. Das schwere Kind.
15. Der alte Weinkeller bei Salurn.
16. Hünen-Spiel.
17. Das Riesen-Spielzeug.
18. Riese Einheer.
19. Riesen-Säulen.
20. Der Köterberg.
21. Geroldseck.
22. Kaiser Karl zu Nürnberg.
23. Friedrich Rothbart auf dem Kyfhäuser.
24. Der Birnbaum auf dem Walserfeld.
25. Der verzauberte König zu Schildheiß.
26. Kaiser Carl V. Auszug.
27. Der Unterberg.
28. Kaiser Karl im Unterberg.
29. Der Scherfenberger und der Zwerg.
30. Das stille Volk zu Plesse.
31. Des kleinen Volks Hochzeit-Fest.
32. Steinverwandelte Zwerge.
33. Zwerg-Berge.
34. Zwerge leihen Brot.
35. Der Graf von Hoia.
36. Zwerge ausgetrieben.
37. Die Wichtlein.
38. Beschwörung der Bergmännlein.
39. Das Bergmännlein beim Tanz.
40. Das Keller-Männlein.
41. Die Ahnfrau von Ranzau.
42. Herrmann von Rosenberg.
43. Die osenberger Zwerge.
44. Das Erdmännlein und der Schäferjung.
45. Der einkehrende Zwerg.
46. Zeitelmoos.
47. Das Moosweibchen.
48. Der wilde Jäger jagt die Moosleute.
49. Der Wassermann.
50. Die wilden Frauen im Unterberge.
51. Tanz mit dem Wassermann.
52. Der Wassermann und der Bauer.
53. Der Wassermann an der Fleischerbank.
54. Der Schwimmer.
55. Bruder Nickel.
56. Nixen-Brunnen.
57. Magdeburger Nixen.
58. Der Dönges-See.
59. Mummel-See.
60. Die Elbjungfer und das Saalweiblein.
61. Wasser-Recht.
62. Das ertrunkene Kind.
63. Schlitz-öhrchen.
64. Die Wasser-Nixe und der Mühlknappe.
65. Vor den Nixen hilft Dosten und Dorant.
66. Des Nixes Beine.
67. Die Magd bei dem Nix.
68. Die Frau von Alvensleben.
69. Die Frau von Hahn und der Nix.
70. Das Streichmaß, der Ring und Becher.
71. Der Kobold.
72. Der Bauer mit seinem Kobold.
73. Der Kobold in der Mühle.
74. Hütchen.
75. Hinzelmann.
76. Klopfer.
77. Stiefel.
78. Ekerken.
79. Nacht-Geist zu Kendenich.
80. Der Alp.
81. Der Wechselbalg.
82. Die Wechselbälge im Wasser.
83. Der Alraun.
84. Spiritus familiaris.
85. Das Vogelnest.
86. Der Brutpfenning.
87. Wechselkind mit Ruthen gestrichen.
88. Das Schauen auf die Kinder.
89. Die Roggen-Muhme.
90. Die zwei unterirdischen Weiber.
91. König Grünewald.
92. Blümelis-Alp.
93. Die Lilie.
94. Johann von Passau.
95. Das Hündlein von Bretta.
96. Das Dorf am Meer.
97. Die verschütteten Silber-Gruben.
98. Die Fundgrübner.
99. Ein gespenstiger Reuter.
100. Der falsche Eid.
101. Zwölf ungerechte Richter.
102. Die heiligen Quellen.
103. Der quillende Brunnen.
104. Hunger-Quelle.
105. Der Liebenbach.
106. Der Helfenstein.
107. Die Wiege aus dem Bäumchen.
108. Hessenthal.
109. Reinstein.
110. Der stillstehende Fluß.
111. Arendsee.
112. Der Ochsenberg.
113. Die Moor-Jungfern.
114. Andreas-Nacht.
115. Der Liebhaber zum Essen eingeladen.
116. Die Christnacht.
117. Das Hemdabwerfen.
118. Krystall-Schauen.
119. Zauber-Kräuter kochen.
120. Der Salz-Knecht in Pommern.
121. Jungfer Eli.
122. Die weiße Frau.
123. Taube zeigt einen Schatz.
124. Taube hält den Feind ab.
125. Der Glockenguß zu Breslau.
126. Der Glockenguß zu Attendorn.
127. Die Müllerin.
129. Johann Hübner.
129. Eppela Gaila.
130. Der Blumenstein.
131. Seeburger See.
132. Der Burgsee und Burgwall.
133. Der heil. Niclas und der Dieb.
134. Riesensteine.
135. Spuren im Stein.
136. Der Riesen-Finger.
137. Riesen aus dem Unterberge.
138. Der Jetten-Bühel zu Heidelberg.
139. Riese Haym.
140. Die tropfende Rippe.
141. Jungfrau-Sprung.
142. Der Stierenbach.
143. Die Männer im Zottenberg.
144. Verkündigung des Verderbens.
145. Das Männlein auf dem Rücken.
146. Gottschee.
147. Die Zwerge auf dem Baum.
148. Die Zwerge auf dem Felsstein.
149. Die Füße der Zwerge.
150. Die wilden Geister.
151. Die Heilingszwerge.
152. Der Abzug des Zwergvolks über die Brücke.
153. Der Zug der Zwerge über den Berg.
154. Die Zwerge bei Dardesheim.
155. Schmidt Riechert.
156. Grinken-Schmidt.
157. Die Hirtenjungen.
158. Die Nußkerne.
159. Der soester Schatz.
160. Das quellende Silber.
161. Goldsand auf dem Unterberg.
162. Gold-Kohlen.
163. Der Brunnen zu Steinau.
164. Die fünf Kreuze.
165. Der Schwerttanz zu Weißenstein.
166. Der Steintisch zu Bingenheim.
167. Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof.
168. Krieg und Frieden.
169. Rodensteins Auszug.
170. Der Tannhäuser.
171. Der wilde Jäger Hackelberg.
172. Der wilde Jäger und der Schneider.
173. Der Hoselberg *).
174. Des Rechenbergers Knecht.
175. Geister-Kirche.
176. Geister - Mahl.
177. Der Dachdecker.
178. Die Spinnerin am Creuz.
179. Buttermilchthurm.
180. Der heilige Winfried.
181. Der Hülfenberg.
182. Das Teufelsloch zu Goslar.
183. Die Teufelsmühle.
184. Der Herrgottstritt.
185. Die Sachsenhäuser Brücke zu Frankfurt.
186. Der Wolf und der Tannenzapf.
187. Der Teufel von Ach.
188. Die Teufelsmauer.
189. Des Teufels Tanzplatz.
190. Die Teuselscanzel.
191. Das Teufelsohrkissen.
192. Der Teufelsfelsen.
193. Teufelsmauer.
194. Teufelsgitter.
195. Teufelsmühle.
196. Teufelskirche.
197. Teufelsstein bei Reichenbach.
198. Teufelsstein zu Cöln.
199. Süntelstein zu Osnabrück.
200. Der Lügenstein.
201. Die Felsenbrücke.
202. Das Teufelsbad bei Dassel.
203. Der Thurm zu Schartfeld.
204. Der Dom zu Cöln.
205. Des Teufels Hut.
206. Des Teufels Brand.
207. Die Teufels-Hufeisen.
208. Der Teufel führt die Braut fort.
209. Das Glücksrad.
210. Der Teufel als Fürsprecher.
211. Traum vom Schatz auf der Brücke.
212. Der Kessel mit dem Schatz.
213. Der Wärwolf.
214. Der Wärwolf-Stein.
215. Die Werwölfe ziehen aus.
216. Der Drache fährt aus.
217. Winkelried und der Lindwurm.
218. Der Lindwurm am Brunnen.
219. Das Drachenloch.
220. Die Schlangenkönigin.
221. Die Jungfrau im Oselberg.
222. Der Krötenstuhl *).
223. Die Wiesenjungfrau.
224. Das Niesen im Wasser.
225. Die arme Seele.
226. Die verfluchte Jungfer.
227. Das Fräulein von Staufenberg.
228. Der Jungferstein.
229. Das steinerne Brautbett.
230. Zum Stehen verwünscht.
231. Die Bauern zu Kolbeck.
232. Der heilige Sonntag.
233. Frau Hütt.
234. Der Kindelsberg.
235. Die Semmel-Schuhe.
236. Der Erdfall bei Hochstädt.
237. Die Brot-Schuhe.
238. Das taube Korn.
239. Der Frauensand.
240. Brot zu Stein geworden.
241. Der binger Mäusethurm.
242. Das Bubenried.
243. Kindelbrück.
244. Die Kinder zu Hameln.
245. Der Rattenfänger.
246. Der Schlangenfänger.
247. Das Mäuselein.
248. Der ausgehende Rauch.
249. Die Katze aus dem Weidenbaum.
250. Wetter und Hagel machen.
251. Der Hexen-Tanz.
252. Die Wein-Reben und Nasen.
253. Fest hängen.
254. Das Noth-Hemd.
255. Fest gemacht.
256. Der sichere Schuß.
257. Der herumziehende Jäger.
258. Doppelte Gestalt.
259. Gespenst als Eheweib.
260. Tod des Erstgebornen.
261. Der Knabe zu Colmar.
262. Tod des Domherrn zu Merseburg.
263. Die Lilie im Kloster zu Corvei.
264. Rebundus im Dom zu Lübeck.
265. Glocke läutet von selbst.
266. Todes-Gespenst.
267. Frau Berta oder die weiße Frau.
268. Die wilde Berta kommt.
269. Der Türst, das Posterli und die Sträggele.
270. Der Nachtjäger und die Rüttelweiber.
271. Der Mann mit dem Schlackhut.
272. Der graue Hockelmann.
273. Chimmeke in Pommern.
274. Der Krischer.
275. Die überschiffenden Mönche.
276. Der Irrwisch.
277. Die feurigen Wagen.
278. Räderberg.
279. Die Lichter auf Hellebarden.
280. Das Wafeln.
281. Weberndes Flammen-Schloß.
282. Der Feuerberg.
283. Der feurige Mann.
284. Die verwünschten Landmesser.
285. Der verrückte Grenzstein.
286. Der Grenzstreit.
287. Der Grenzlauf.
288. Die Alpschlacht.
289. Der Stein bei Wenthusen.
290. Die altenberger Kirche.
291. Der König im lauenburger Berg.
292. Der Schwanberg.
293. Der Robbedisser Brunn.
294. Bamberger Wage.
295. Kaiser Friedrich zu Kaiserslautern.
296. Der Hirt auf dem Kiffhäuser.
297. Die drei Telle.
298. Das Bergmännchen.
299. Die Zirbelnüsse.
300. Das Paradies der Thiere.
301. Der Gemsjäger.
302. Die Zwerglöcher.
303. Der Zwerg und die Wunderblume.
304. Der Nix an der Kelle.
305. Schwarzach.
306. Die drei Jungfern aus dem See.
307. Der todte Bräutigam.
308. Der ewige Jäger.
309. Hans Jagenteufel
310. Des Hackelnberg Traum.
311. Die Tut-Osel.
312. Die schwarzen Reuter und das Handpferd.
313. Der getreu Eckhart.
314. Das Fräulein vom Willberg.
315. Der Schäfer und der Alte aus dem Berg.
316. Jungfrau Ilse.
317. Die Heidenjungfrau zu Glatz.
318. Der Roßtrapp und der Cretpfuhl.
319. Der Mägdesprung.
320. Der Jungfernsprung.
321. Der Harrassprung.
322. Der Riese Hidde.
323. Das ilefelder Nadelöhr.
324. Die Riesen zu Lichtenberg.
325. Das Hühnenblut.
326. Es rauscht im Hühnengrab.
327. Todte aus den Gräbern wehren dem Feind.
328. Hans Heilings Felsen.
329. Die Jungfrau mit dem Bart.
330. Die weiße Jungfrau zu Schwanau.
331. Schwarzkopf und Seeburg am Mummel-See.
332. Der Krämer und die Maus.
333. Die drei Schatzgräber.
334. Einladung vor Gottes Gericht.
335. Gäste vom Galgen.
336. Teufels-Brücke.
337. Die zwölf Johanneße.
338. Teufels-Graben.
339. Der Kreuzliberg.
340. Die Pferde aus dem Bodenloch.
341. Zusammenkunft der Todten.
342. Das weissagende Vöglein.
343. Der ewige Jud auf dem Matterhorn.
344. Der Kessel mit Butter.
345. Trauer-Weide.
346. Das Christus-Bild zu Wittenberg.
347. Das Muttergottes-Bild am Felsen.
348. Das Gnadenbild aus dem Lerchenstock zu Waldrast.
349. Ochsen zeigen die heilige Stätte.
350. Notburga.
351. Mauerkalk mit Wein gelöscht.
352. Der Judenstein.
353. Das von den Juden getödtete Mägdlein.
354. Die vier Hufeisen.
355. Der Altar zu Seefeld.
356. Der Sterbensstein.
357. Sündliche Liebe.
358. Der schweidnitzer Rathsmann.
359. Regenbogen über Verurtheilten.
360. Gott weint mit dem Unschuldigen.
361. Gottes Speise.
362. Die drei Alten.
Impressum
Im Jahre 1816 veröffentlichten die Brüder Jacob (* 04.01.1785 in Hanau; † 20.09.1863 in Berlin) und Wilhelm Grimm (* 24.02.1786 in Hanau; † 16.12.1859 in Berlin) 362 Sagen im ersten Teil der Erstauflage der „Deutschen Sagen“. 1818 folgte der zweite Teil mit 221 Sagen („Deutsche Sagen – Zweiter Theil“), der ebenfalls im Alexandria Verlag erhältlich ist.
Die vorliegende Ausgabe, gibt den Text der Erstausgabe des Jahres 1816 originalgetreu wieder. Im Gegensatz zum Originaltext wurde lediglich die Frakturschrift des Originals durch eine moderne Serifen-Schrift und das Layout durch die frei anpassbare Form eines eBooks ersetzt. Marginalien der Vorrede, die einen neuen Abschnitt kennzeichnen, sind als Überschriften an der entsprechenden Stelle eingeschoben.
Die Zitierfähigkeit zum Original bleibt erhalten: Die Seitennummern des Originals sind klar ersichtlich in den Text eingeschoben. Die Seitennummern sind in eckigen Klammern gesetzt und markieren den Anfang der entsprechenden neuen Seite.
So ist es möglich in Zitaten auf die original Seitennummern der Erstausgabe zu verweisen.
Zitier-Beispiel entsprechend der Erstausgabe von 1816:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1816, S. 29f: “23. Friedrich Rothbart auf dem Kyfhäuser.”
Neben den in der Erstausgabe aufgeführten Druckfehlern (im Anschluß an die letzte Sage), haben wir bei der Transkription folgende Fehler im Originaltext entdeckt, jedoch (um Originaltreue zu bewahren) nicht korrigiert (Seitenangabe der Erstausgabe):
• Nummerierung der Sagen: Nr. 129 wurde zweimal vergeben („128“ wurde mit „129“ nummeriert).
• S. 225: „drr Frau ward“ anstatt „der Frau ward“
• S. 197, 308, 417, 418: „Fußtapfe“ anstatt „Fußstapfe“
• S. 364: „sollst du unsere Dankbarkeit schon spürer“ anstatt „sollst du unsere Dankbarkeit schon spüren“
Das Cover-Bild ist ein Ausschnitt aus dem Gemälde „Der Nachtmahr“ von 1781.
Es stellt einen Nachtmahr dar, der eine schlafende Frau plagt. Der „Mahr“ ist auch Thema der Sage „80. Der Alp“: „… Wer vor dem Schlafengehen seinen Stuhl nicht versetzt, den reitet der Mahr des Nachts. …“ Künstler des Gemäldes ist Johann Heinrich Füssli (* 7. Februar 1741 in Zürich; † 16. April 1825 in Putney bei London).
Unserm Bruder Ludwig Emil Grimm aus herzlicher Liebe zugeeignet.
Es wird dem Menschen von heimathswegen ein guter Engel beigegeben, der ihn, wann er ins Leben auszieht, unter der vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet; wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die Grenze des Vaterlands überschreitet, wo ihn jener verläßt. Diese wohlthätige Begleitung ist das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen frischen und belebenden Geist nahe zu bringen streben. Jedes hat seinen eigenen Kreis. Das Märchen ist poetischer, die Sage historischer; jenes stehet beinahe nur in sich selber fest, in seiner angeborenen Blüte und Vollendung; die Sage, von einer geringern Mannichfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem hafte, an einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten [VI] Namen. Aus dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich dem Märchen, überall zu Hause seyn könne, sondern irgend eine Bedingung voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvollkommener vorhanden seyn würde. Kaum ein Flecken wird sich in ganz Deutschland finden, wo es nicht ausführliche Märchen zu hören gäbe, manche, an denen die Volkssagen blos dünn und sparsam gesät zu seyn pflegen. Diese anscheinende Dürftigkeit und Unbedeutendheit zugegeben, sind sie dafür innerlich auch weit eigenthümlicher; sie gleichen den Mundarten der Sprache, in denen hin und wieder sonderbare Wörter und Bilder aus uralten Zeiten hangen geblieben sind, während die Märchen ein ganzes Stück alter Dichtung, so zu sagen, in einem Zuge zu uns übersetzen. Merkwürdig stimmen auch die erzählenden Volkslieder entschieden mehr zu den Sagen, wie zu den Märchen, die wiederum in ihrem Inhalt die Anlage der frühesten Poesien reiner und kräftiger bewahrt haben, als es sogar die übrig gebliebenen größeren Lieder der Vorzeit konnten. Hieraus ergibt sich ohne alle Schwierigkeit, wie es kommt, daß fast nur allein die Märchen Theile der urdeutschen Heldensage erhalten haben, ohne Namen, (außer wo diese allgemein und in sich selbst bedeutend [VII] wurden, wie der des alten Hildebrand); während in den Liedern und Sagen unseres Volks so viele einzelne, beinahe trockene Namen, Örter und Sitten aus der ältesten Zeit festhaften. Die Märchen also sind theils durch ihre äußere Verbreitung, theils ihr inneres Wesen dazu bestimmt, den reinen Gedanken einer kindlichen Weltbetrachtung zu fassen, sie nähren unmittelbar, wie die Milch, mild und lieblich, oder der Honig, süß und sättigend, ohne irdische Schwere; dahingegen die Sagen schon zu einer stärkeren Speise dienen, eine einfachere, aber desto entschiedenere Farbe tragen, und mehr Ernst und Nachdenken fodern. Ueber den Vorzug beider zu streiten wäre ungeschickt; auch soll durch diese Darlegung ihrer Verschiedenheit weder ihr Gemeinschaftliches übersehen, noch geleugnet werden, daß sie in unendlichen Mischungen und Wendungen in einander greifen und sich mehr oder weniger ähnlich werden. Der Geschichte stellen sich beide, das Märchen und die Sage, gegenüber, insofern sie das sinnlich natürliche und begreifliche stets mit dem unbegreiflichen mischen, welches jene, wie sie unserer Bildung angemessen scheint, nicht mehr in der Darstellung selbst verträgt, sondern es auf ihre eigene Weise [VIII] in der Betrachtung des Ganzen neu hervorzusuchen und zu ehren weiß. Die Kinder glauben an die Wirklichkeit der Märchen, aber auch das Volk hat noch nicht ganz aufgehört, an seine Sagen zu glauben, und sein Verstand sondert nicht viel darin; sie werden ihm aus den angegebenen Unterlagen genug bewiesen, d. h. das unleugbar nahe und sichtliche Daseyn der letzteren überwiegt noch den Zweifel über das damit verknüpfte Wunder. Diese Eingenossenschaft der Sage ist folglich gerade ihr rechtes Zeichen. Daher auch von dem, was wirkliche Geschichte heißt, (und einmal hinter einen gewissen Kreis der Gegenwart und des von jedem Geschlecht durchlebten tritt,) dem Volk eigentlich nichts zugebracht werden kann, als was sich ihm auf dem Wege der Sage vermittelt; einer in Zeit und Raum zu entrückten Begebenheit, der dieses Erforderniß abgeht, bleibt es fremd oder läßt sie bald wieder fallen. Wie unverbrüchlich sehen wir es dagegen an seinen eingeerbten und hergebrachten Sagen haften, die ihm in rechter Ferne nachrücken und sich an alle seine vertrautesten Begriffe schließen. Niemals können sie ihm langweilig werden, weil sie ihm kein eiteles Spiel, das man einmal wieder fahren läßt, sondern [IX] eine Nothwendigkeit scheinen, die mit ins Haus gehört, sich von selbst versteht, und nicht anders, als mit einer gewissen, zu allen rechtschaffenen Dingen nöthigen Andacht, bei dem rechten Anlaß, zur Sprache kommt. Jene stete Bewegung und dabei immerfortige Sicherheit der Volkssagen stellt sich, wenn wir es deutlich erwägen, als eine der trostreichsten und erquickendsten Gaben Gottes dar. Um alles menschlichen Sinnen ungewöhnliche, was die Natur eines Landstrichs besitzt, oder wessen ihn die Geschichte gemahnt, sammelt sich ein Duft von Sage und Lied, wie sich die Ferne des Himmels blau anläßt und zarter, feiner Staub um Obst und Blumen setzt. Aus dem Zusammenleben und Zusammenwohnen mit Felsen, Seen, Trümmern, Bäumen, Pflanzen entspringt bald eine Art von Verbindung, die sich auf die Eigenthümlichkeit jedes dieser Gegenstände gründet, und zu gewissen Stunden ihre Wunder zu vernehmen berechtigt ist. Wie mächtig das dadurch entstehende Band sey, zeigt an natürlichen Menschen jenes herzzerreißende Heimweh. Ohne diese sie begleitende Poesie müßten edele Völker vertrauern und vergehen; Sprache, Sitte und Gewohnheit würde ihnen eitel und unbedeckt dünken, ja hinter [X] allem, was sie besäßen, eine gewisse Einfriedigung fehlen. Auf solche Weise verstehen wir das Wesen und die Tugend der deutschen Volkssage, welche Angst und Warnung vor dem Bösen und Freude an dem Guten mit gleichen Händen austheilt. Noch geht sie an Örter und Stellen, die unsere Geschichte längst nicht mehr erreichen kann, vielmal aber fließen sie beide zusammen und untereinander; nur daß man zuweilen die an sich untrennbar gewordene Sage, wie in Strömen das aufgenommene grünere Wasser eines anderen Flusses, noch lange zu erkennen vermag.
Das erste, was wir bei Sammlung der Sagen nicht aus den Augen gelassen haben, ist Treue und Wahrheit. Als ein Hauptstück aller Geschichte hat man diese noch stets betrachtet; wir fodern sie aber eben so gut auch für die Poesie und erkennen sie in der wahren Poesie eben so rein. Die Lüge ist falsch und bös; was aus ihr herkommt, muß es auch seyn. In den Sagen und Liedern des Volks haben wir noch keine gefunden: es läßt ihren Inhalt, wie er ist und wie es ihn weiß; dawider, daß manches abfalle in der Länge der Zeit, wie einzelne Zweige und Äste an sonst gesunden Bäumen vertrocknen, [XI] hat sich die Natur auch hier durch ewige und von selbst wirkende Erneuerungen sicher gestellt. Den Grund und Gang eines Gedichts überhaupt kann keine Menschenhand erdichten; mit derselben fruchtlosen Kraft würde man Sprachen, und wären es kleine Wörtchen darin, ersinnen; ein Recht oder eine Sitte alsobald neu aufbringen, oder eine unwirkliche That in die Geschichte hinstellen wollen. Gedichtet kann daher nur werden, was der Dichter mit Wahrheit in seiner Seele empfunden und erlebt hat, und wozu ihm die Sprache halb bewußt, halb unbewußt, auch die Worte offenbaren wird; woran aber die einsam dichtenden Menschen leicht, ja fast immer verstoßen, nämlich an dem richtigen Maaß aller Dinge, das ist der Volksdichtung schon von selbst eingegeben. Ueberfeine Speisen widerstehen dem Volk, und für unpoetisch muß es gelten, weil es sich seiner stillen Poesie glücklicherweise gar nicht bewußt wird; die ungenügsamen Gebildeten haben dafür nicht blos die wirkliche Geschichte, sondern auch das gleich unverletzliche Gut der Sage mit Unwahrheiten zu vermengen, zu überfüllen und überbieten getrachtet. Dennoch ist der Reiz der unbeugsamen Wahrheit unendlich stärker und dauernder, als alle Gespinnste, [XII] weil er nirgends Blößen gibt und die rechte Kühnheit hat. In diesen Volkssagen steckt auch eine so rege Gewalt der Ueberraschung, vor welcher die überspannteste Kraft der aus sich blos schöpfenden Einbildung zuletzt immer zu Schanden wird und bei einer Vergleichung beider würde sich ein Unterschied dargeben, wie zwischen einer geradezu ersonnenen Pflanze und einer neu aufgefundenen wirklichen, bisher von den Naturforschern noch unbeobachteten, welche die seltsamsten Ränder, Blüten und Staubfäden gleich aus ihrem Innern zu rechtfertigen weiß oder in ihnen plötzlich etwas bestätiget, was schon in andern Gewächsen wahrgenommen worden ist. Ähnliche Vergleichungen bieten die einzelnen Sagen untereinander, so wie mit solchen, die uns alte Schriftsteller aufbewahrt haben, in Ueberfluß dar. Darum darf ihr Innerstes bis ins kleinste nicht verletzt und darum müssen Sache und Thatumstände lügenlos gesammelt werden. An die Worte war sich, so viel thunlich, zu halten, nicht an ihnen zu kleben.
Das zweite, eigentlich schon im ersten mitbegriffene Hauptstück, worauf es bei einer Sammlung von Volkssagen anzukommen scheint, bestehet darin, daß man auch ihre Mannichfaltigkeit [XIII]
und Eigenthümlichkeit sich recht gewähren lasse. Denn darauf eben beruhet ihre Tiefe und Breite, und daraus allein wird ihre Natur zu erforschen seyn. Im Epos, Volkslied und der ganzen Sprache zeigt sich das Gleiche wieder; bald haben jene den ganzen Satz miteinander gemein, bald einzelne Zeilen, Redensarten, Ausdrücke; bald hebt, bald schließt es anders und bahnt sich nur neue Mittel und Uebergänge. Die Ähnlichkeit mag noch so groß seyn, keins wird dem andern gleich; hier ist es voll und ausgewachsen, dort stehet es ärmer und dürftiger. Allein diese Armuth, weil sie schuldfrei, hat in der Besonderheit fast jedesmal ihre Vergütung und wird eine Armuthseligkeit. Sehen wir die Sprache näher an, so stuft sie sich ewig und unendlich in unermeßlichen Folgen und Reihen ab, indem sie uns ausgegangene neben fortblühenden Wurzeln, zusammengesetzte und vereinfachte Wörter und solche, die sich neu bestimmen oder irgend einem verwandten Sinn gemäß weiter ausweichen, zeigt; ja es kann diese Beweglichkeit bis in den Ton und Fall der Silben und die einzelnen Laute verfolgt werden. Welches unter dem Verschiedenen nun das Bessere sey und mehr zur Sache gehöre, das ist kaum zu sagen, wo nicht ganz unmöglich [XIV] und sündlich, sofern wir nicht vergessen wollen, daß der Grund, woraus sie alle zusammen entsprungen, die göttliche Quelle an Maas unerhört, an Ausstrahlung unendlich selber war. Und, weil das Sonnenlicht über Groß und Klein scheint, und jedem hilft, so weit es seyn soll, bestehen Stärke und Schwäche, Keime, Knospen, Trümmer und Verfall neben und durcheinander. Darum thut es nichts, daß man in unserm Buch Ähnlichkeiten und Wiederholungen finden wird; denn die Ansicht, daß das verschiedene Unvollständige aus einem Vollständigen sich aufgelöst, ist uns höchst verwerflich vorgekommen, weil jenes Vollkommene nichts irdisches seyn könnte, sondern Gott selber, in den alles zurückfließt, seyn müßte. Hätten wir also dieser ähnlichen Sagen nicht geschont, so wäre auch ihre Besonderheit und ihr Leben nicht zu retten gewesen. Noch viel weniger haben wir arme Sagen reich machen mögen, weder aus einer Zusammenfügung mehrerer kleinen, wobei zur Noth der Stoff geblieben, Zuschnitt und Färbung aber verloren gegangen wäre, noch gar durch unerlaubte, fremde Zuthaten, die mit nichts zu beschönigen sind und denen der unerforschliche Gedanke des Ganzen, aus dem jene Bruchstücke [XV] übrig waren, nothwendig fremd seyn mußte. Ein Lesebuch soll unsere Sammlung gar nicht werden, in dem Sinn, daß man alles, was sie enthält, hinter einander auszulesen hätte. Jedwede Sage stehet vielmehr geschlossen für sich da, und hat mit der vorausgehenden und nachfolgenden eigentlich nichts zu thun; wer sich darunter aussucht, wird sich schon begnügen und vergnügen. Uebrigens braucht, so sehr wir uns bemühten, alles lebendig verschiedene zu behüten, kaum erinnert zu werden, daß die bloße Ergänzung einer und derselben Sage aus mehrern Erzählungen, das heißt, die Beseitigung aller nichts bedeutenden Abweichungen, einem ziemlich untrüglichen critischen Gefühl, das sich von selbst einfindet, überlassen worden ist.
Auch bei Anordnung der einzelnen Sagen haben wir am liebsten der Spur der Natur folgen wollen, die nirgends steife und offenliegende Grenzen absteckt. In der Poesie gibt es nur einige allgemeine Abtheilungen, alle andern sind unrecht und zwängen, allein selbst jene großen haben noch ihre Berührung und greifen in einander über. Der Unterschied zwischen Geschichte, Sage und Märchen gehört nun offenbar zu den [XVI] erlaubten und nicht zu versäumenden; dennoch gibt es Puncte, wo nicht zu bestimmen ist, welches von dreien vorliege, wie z. B. Frau Holla in den Sagen und Märchen auftritt, oder sich ein sagenhafter Umstand auch einmal geschichtlich zugetragen haben kann. In den Sagen selbst ist nur noch ein Unterschied, nach dem eine äußerliche Sammlung zu fragen hätte, anerkannt worden; der nämlich, wonach wir die mehr geschichtlich gebundenen von den mehr örtlich gebundenen trennen und jene für den zweiten Theil des Werks zurücklegen. Die Ortssagen aber hätten wiederum nach den Gegenden, Zeiten oder dem Inhalt abgetheilt werden mögen. Eine örtliche Anordnung würde allerdings gewisse landschaftliche Sagen-Reihen gebildet und dadurch hin und wieder auf den Zug, den manche Art Sagen genommen, gewiesen haben. Allein es ist klar, daß man sich dabey am wenigsten an die heutigen Theilungen Deutschlands, denen zufolge z. B. Meissen: Sachsen, ein großer Theil des wahren Sachsens aber Hannover genannt, im kleinen, einzelnen noch viel mehr untereinander gemengt wird, hätte halten dürfen. War also eine andere Eintheilung, nicht nach Gebirgen und Flüssen, sondern nach der eigentlichen Richtung und [XVII] Lage der deutschen Völkerstämme, unbekümmert um unsere politischen Grenzen, aufzustellen; so ist hierzu so wenig Sicheres und Gutes vorgearbeitet, daß gerade eine sorgsamere Prüfung der aus gleichem Grund verschmähten und versäumten Mundarten und Sagen des Volks erst muß dazu den Weg bahnen helfen. Was folglich aus der Untersuchung derselben künftig einmal mitherausgehen dürfte, kann vorläufig jetzo noch gar nicht ihre Einrichtung bestimmen. Ferner, im allgemeinen einigen Sagen vor den andern höheres Alter zuzuschreiben, möchte großen Schwierigkeiten unterworfen und meistens nur ein mißverständlicher Ausdruck seyn, weil sie sich unaufhörlich wiedergebären. Die Zwerg- und Hühnensagen haben einen gewissen heidnischen Anstrich voraus, aber in den so häufigen von den Teufelsbauten brauchte man blos das Wort Teufel mit Thurst oder Riese zu tauschen, oder ein andermal bei dem Weibernamen Jette sich nur der alten Jöten (Hühnen) gleich zu erinnern, um auch solchen Erzählungen ein Ansehen zu leihen, das also noch in andern Dingen außer den Namen liegt. Die Sagen von Hexen und Gespenstern könnte man in sofern die neusten nennen, als sie sich am öftersten erneuern, auch [XVIII] örtlich betrachtet am lockersten stehen; inzwischen, sind sie im Grund vielmehr nur die unvertilglichsten, wegen ihrer stetigen Beziehung auf den Menschen und seine Handlungen, worin aber kein Beweis ihrer Neuheit liegt. Es bewiese lediglich, daß sie auch alle andere überdauern werden, weil die abergläubische Neigung unseres Gemüths mehr Gutes und Böses von Hexen und Zauberern erwartet, als von Zwergen und Riesen; weshalb merkwürdigerweise gerade jene Sagen sich beinahe allein noch aus dem Volk Eingang unter die Gebildeten machen. Diese Beispiele zeigen hinlänglich, wie unthunlich es gewesen wäre, nach dergleichen Rücksichten einzelne Sagen chronologisch zu ordnen, zudem fast in jeder die verschiedensten Elemente lebendig in einander verwachsen sind, welche demnächst erst eine fortschreitende Untersuchung, die nicht einmal bei der Scheidung einzelner Sagen stehen bleiben darf, sondern selbst aus diesen wiederum Kleineres heraussuchen muß, in das wahre Licht setzen könnte. Letzterer Grund entscheidet endlich auch ganz gegen eine Anordnung nach dem Inhalt, indem man z. B. alle Zwergsagen oder die von versunkenen Gegenden u. s. w. unter eigene Abschnitte faßte. Offenbar würden blos die wenigsten [XIX] einen einzigen dieser Gegenstände befassen, da vielmehr in jeder mannichfaltige Verwandtschaften und Berührungen mit andern anschlagen. Daher uns bei weitem diejenige Anreihung der Sagen am natürlichsten und vortheilhaftesten geschienen hat, welche, überall mit nöthiger Freiheit und ohne viel herumzusuchen, unvermerkt auf einige solcher geheim und seltsam waltenden Uebergänge führt. Dieses ist auch der nothwendig noch überall lückenhaften Beschaffenheit der Sammlung angemessen. Häufig wird man also in der folgenden eine deutliche oder leise Anspielung auf die vorhergehende Sage finden; äußerlich ähnliche stehen oft beisammen, oft hören sie auf, um bei verschiedenem Anlaß anderswo im Buch von neuem anzuheben. Unbedenklich hätten also noch viele andere Ordnungen derselben Erzählungen, die wir hier mittheilen, in sofern man weitere Beziehungen berücksichtigen wollte, versucht werden können, alle aber würden doch nur geringe Beispiele der unerschöpflichen Triebe geben, nach denen sich Sage aus Sage und Zug aus Zug in dem Wachsthum der Natur gestaltet. [XX]
Einen Anhang von Anmerkungen, wie wir zu den beiden Bänden der Kinder- und Hausmärchen geliefert, haben wir dieses mal völlig weggelassen, weil uns der Raum zu sehr beschränkt hätte und erst durch die äußere Beendigung unserer Sammlung eine Menge von Beziehungen bequem und erleichtert werden wird. Eine vollständige Abhandlung der deutschen Sagenpoesie, so viel sie in unsern Kräften steht, bleibt also einer eigenen Schrift vorbehalten, worin wir umfassende Uebersichten des Ganzen nicht blos in jenen dreien Eintheilungen nach Ort, Zeit und Inhalt, sondern noch in anderen versuchen wollen.
Diese Sammlung hatten wir nun schon vor etwa zehn Jahren angelegt, (man sehe Zeitung für Einsiedler oder Trösteinsamkeit. Heidelberg 1808. Nr. 19 u. 20.) seitdem unablässig gesorgt, um für sie sowohl schriftliche Quellen in manchen allmälig selten werdenden Büchern des 16. und 17. J.H. fleißig zu nutzen und auszuziehen, als auch vor allen Dingen mündliche, lebendige Erzählungen zu erlangen. Unter den geschriebenen Quellen waren uns die Arbeiten des Johannes Prätorius weit die bedeutendsten. Er schrieb [XXI] in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und verband mit geschmackloser aber scharfsichtiger Gelehrsamkeit Sinn für Sage und Aberglauben, der ihn antrieb, beide unmittelbar aus dem bürgerlichen Leben selbst zu schöpfen und ohne welchen, was er gewiß nicht ahnte, seine zahlreichen Schriften der Nachwelt unwerth und unfruchtbar scheinen würden. Ihm dankt sie zumal die Kenntniß und Beziehung mannichfacher Sagen, welche den Lauf der Saale entlang und an den Ufern der Elbe, bis wo sich jene in diese ausmündet, im Magdeburgischen und in der Altmark bei dem Volke gehn.
Den Prätorius haben spätere, oft ohne ihn zu nennen, ausgeschrieben, selten durch eigene mündliche Zusammlung sich ein gleiches Verdienst zu erwerben gewußt. In den langen Zeitraum zwischen ihm und der Otmarischen Sammlung (1800) fällt kein einzig Buch von Belang für deutsche Sagen, abgesehn von bloßen Einzelnheiten. Indessen hatten kurz davor Musäus und Frau Naubert in ihren Verarbeitungen einiger ächten Grundsagen aus Schriften, so wie theilweise aus mündlicher Ueberlieferung, die Neigung darauf hingezogen, wenigstens hingewiesen. In Absicht auf Treue und Frische verdient Otmar’s [XXII] Sammlung der Harzsagen so viel Lob, daß dieses den Tadel der hin und wieder aufgesetzten unnöthigen Bräme und Stilverzierung zudeckt. Viele sind aber auch selbst den Worten nach untadelhaft und man darf ihnen trauen. Seitdem hat sich die Sache zwar immer mehr geregt und ist auch zuweilen wirklich gefördert, im Ganzen jedoch nichts Bedeutendes gesammelt worden, außer ganz neuerlich (1815.) ein Dutzend Schweizersagen von Wyß. Ihr Herausgeber hat sie geschickt und gewandt in größere Gedichte versponnen; wir erkennen neben dem Talent, was er darin bewiesen, doch eine Trübung trefflicher einfacher Poesie, die keines Behelfs bedarf und welche wir unserm Sinn gemäß aus der Einkleidung wieder in die nackende Wahrheit einzulösen getrachtet haben, darin auch durch die zugefügt gewesenen Anmerkungen besonders erleichtert waren. Dieses, so wie daß wir aus der Otmarischen Sammlung etwa eben so viel, oder einige mehr aufgenommen, war für unsern Zweck und den uns seinethalben vorschwebenden Grad von Vollständigkeit unentbehrlich; theils hatten wir manche noch aus anderen Quellen zu vergleichen, zu berichtigen und in den einfachen Stil zurückzuführen. Es sind außerdem noch zwei andere neue [XXIII] Sammlungen deutscher Volkssagen anzuführen, von Büsching (1812.) und Gottschalk (1814.), deren die erste sich auch auf auswärtige Sagen, sodann einheimische Märchen, Legenden und Lieder, selbst Vermuthungen über Sagen, wie Spangenbergs, mit erstreckt, also ein sehr ausgedehntes, unbestimmtes Feld hat. Beide zusammen verdanken mündlicher Quelle nicht über zwölf bisher ungekannte deutsche Sagen, welche wir indessen aufgenommen haben würden, wenn nicht jede dieser Sammlungen selbst noch im Gang wäre und eigene Fortsetzungen versprochen hätte. Wir haben ihnen also nichts davon angerührt, übrigens, wo wir dieselben schriftlichen Sagen längst schon aus denselben oder verschiedenen Quellen ausgeschrieben hatten, unsre Auszüge darum nicht hintanlegen wollen; denn nach aufrichtiger Ueberlegung fanden wir, daß wir umsichtiger und reiflicher gesammelt hatten. Beide geben auch vermischt mit den örtlichen Sagen die geschichtlichen, deren wir mehrere Hunderte für den nächsten Theil aufbehalten. Wir denken keine fremde Arbeit zu irren oder zu stören, sondern wünschen ihnen glücklichen Fortgang, der gottschalkischen insbesondere mehr Critik zur Ausscheidung des Verblümten und der Falschmünze. Die [XXIV] dobeneckische Abhandlung endlich von dem Volksglauben des Mittelalters (1815.) breitet sich theils über ganz Europa, theils schränkt sie sich wieder auf das sogenannt Abergläubische und sonst in anderer Absicht zu ihrem Schaden ein; man kann sagen: sie ist eine mehr sinnvolle als reife, durchgearbeitete Ansicht der Volkspoesie und eigentlich Sammlung blos nebenbei, weshalb wir auch einige Auszüge aus Prätorius, wo wir zusammentrafen, nicht ausgelassen haben; sie wird inzwischen dem Studium dieser Dichtungen zur Erregung und Empfehlung gereichen. Ausdrücklich ist hier noch zu bemerken, daß wir vorsätzlich die vielfachen Sagen von Rübezahl, die sich füglich zu einer besonderen Sammlung eignen, so wie mehrere Rheinsagen auf die erhaltene Nachricht: Voigt wolle solche zu Frankfurt in diesem Jahr erscheinen lassen, zurücklegen.
Wir empfehlen unser Buch den Liebhabern deutscher Poesie, Geschichte und Sprache, und hoffen, es werde ihnen allen, schon als lautere deutsche Kost, willkommen seyn, im festen Glauben, daß nichts mehr auferbaue und größere Freude bei sich habe, als das Vaterländische. Ja, eine bedeutungslos sich anlassende Entdeckung [XXV] und Bemühung in unserer einheimischen Wissenschaft kann leicht am Ende mehr Frucht bringen, als die blendendste Bekanntwerdung und Anbauung des Fremden, weil alles Eingebrachte zugleich auch doch etwas Unsicheres an sich trägt, sich gern versteigt und nicht so warm zu umfassen ist. Es schien uns nunmehr Zeit hervorzutreten und unsere Sammlung zu dem Grad von Vollständigkeit und Mannichfaltigkeit gediehen zu seyn, der ihre unvermeidlichen Mängel hinreichend entschuldigen könne und in unsern Lesern das Vertrauen erwecke, daß und in wiefern wir ihre Beihilfe zur Vervollkommnung des Werkes brauchen und nicht mißbrauchen werden. Aller Anfang ist schwer, wir fühlen, daß uns eine große Menge von deutschen Sagen gänzlich fehlt, und daß ein Theil der hier gegebenen genauer und besser noch aus dem Mund des Volks zu gewinnen ist; manches in Reisebeschreibungen des vorigen Jahrhunderts zerstreute mag gleichfalls mangeln. Die Erfahrung beweist, daß auf Briefe und Schreiben um zu sammelnde Beiträge wenig oder nichts erfolge, bevor durch ein Muster von Sammlung selbst deutlich geworden seyn kann, auf welche verachtete und scheinlose Dinge es hierbei ankommt. Aber das Geschäft des Sammelns, [XXVI] sobald es einer ernstlich thun will, verlohnt sich bald der Mühe und das Finden reicht noch am nächsten an jene unschuldige Lust der Kindheit, wann sie in Moos und Gebüsch ein brütendes Vöglein auf seinem Nest überrascht; es ist auch hier bei den Sagen ein leises Aufheben der Blätter und behutsames Wegbiegen der Zweige, um das Volk nicht zu stören und um verstohlen in die seltsam, aber bescheiden in sich geschmiegte, nach Laub, Wiesengras und frischgefallenem Regen riechende Natur blicken zu können. Für jede Mittheilung in diesem Sinn werden wir dankbar seyn und danken hiermit öffentlich unserm Bruder Ferdinand Grimm und unsern Freunden August von Haxthausen und Carove, daß sie uns schon fleißig unterstützt haben.
Cassel, am 14. März 1816.
Mündlich in Hessen.
In Böhmen liegt der Kuttenberg, darin arbeiteten drei Bergleute lange Jahre und verdienten damit für Frau und Kind das Brot ehrlich. Wann sie Morgens in den Berg gingen, so nahmen sie dreierlei mit: erstens ihr Gebätbuch, zweitens ihr Licht, aber nur auf einen Tag mit Öhl versehen, drittens ihr Bischen Brot, das reichte auch nur auf einen Tag. Ehe sie die Arbeit anhuben, thaten sie ihr Gebät zu Gott, daß er sie in dem Berge bewahren mögte und darnach fingen sie getrost und fleißig an zu arbeiten. Es trug sich zu, als sie einen Tag gearbeitet hatten und es bald Abend war, daß der Berg vornen einfiel und der Eingang verschüttet wurde. Da meinten sie begraben zu seyn und sprachen: „ach Gott! wir armen Bergleute, wir müssen nun Hungers sterben! wir haben nur einen Tag Brot zu essen und einen Tag Öhl auf dem Licht!“ Nun befahlen sie sich Gott und dachten bald zu sterben, doch wollten sie nicht müßig seyn, so lange sie noch Kräfte hätten, arbeiteten fort und fort und bäteten. Also geschah es, daß ihr Licht sieben Jahr brennte und ihr kleines Bischen Brot, von dem sie tagtäglich [2] aßen, ward auch nicht all, sondern blieb eben so groß und sie meinten, die sieben Jahre wären nur ein Tag. Doch da sie sich nicht ihr Haar schneiden und den Bart abnehmen konnten, waren diese ellen-lang gewachsen. Die Weiber hielten unterdessen ihre Männer für todt, meinten sie würden sie nimmermehr wiedersehen und dachten daran, andere zu heirathen.
Nun geschah es, daß einer von den dreien unter der Erde, so recht aus Herzensgrund, wünschte: „ach! könnt ich noch einmal das Tageslicht sehen, so wollt’ ich gerne sterben!“ Der Zweite sprach: „ach! könnt ich noch einmal daheim mit meiner Frau zu Tische sitzen und essen, so wollt’ ich gerne sterben!“ Da sprach auch der Dritte: „ach! könnt ich nur noch ein Jahr friedlich und vergnügt mit meiner Frau leben, so wollt’ ich gerne sterben!“ Wie sie das gesprochen hatten, so krachte der Berg gewaltig und übermächtig und sprang von einander, da ging der erste hin zu dem Ritz und schaute hinauf und sah den blauen Himmel, und wie er sich am Tageslicht gefreut, sank er augenblicklich todt nieder. Der Berg aber that sich immer mehr von einander, also daß der Riß größer ward, da arbeiteten die beiden andern fort, hackten sich Treppen, krochen hinauf und kamen endlich heraus. Sie gingen nun fort in ihr Dorf und in ihre Häuser und suchten ihre Weiber, aber die wollten sie nicht mehr kennen. Sie sprachen: „habt ihr denn keine Männer gehabt?“ „Ja, antworteten jene, aber die sind schon sieben Jahre todt und liegen im Kuttenberg [3] begraben!“ Der Zweite sprach zu seiner Frau: „ich bin dein Mann,“ aber sie wollt’ es nicht glauben, weil er den ellenlangen Bart hatte und ganz unkenntlich war. Da sagte er: „hol mir das Bartmesser, das oben in dem Wandschrank liegen wird und ein Stückchen Seife dazu.“ Nun nahm er sich den Bart ab, kämmte und wusch sich, und als er fertig war, sah sie, daß es ihr Mann war. Sie freute sich herzlich, holte Essen und Trinken so gut sie es hatte, deckte den Tisch und sie setzten sich zusammen hin und aßen vergnügt mit einander. Wie aber der Mann satt war und eben den letzten Bissen Brot gegessen hatte, da fiel er um und war todt.