Deutsche Sagen. Zweiter Theil. - Jacob Grimm - E-Book

Deutsche Sagen. Zweiter Theil. E-Book

Grimm Jacob

0,0
0,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit den "Deutschen Sagen. Zweiter Theil." gaben die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm im Jahre 1818 ihren zweiten Teil der Sammlung von Sagen aus dem deutschen Sprachraum heraus. In diesem Teil überliefern sie Sagen über Völker, Geschlechter, Herzoge, Grafen, Könige und Kaiser - Sagen die "sich unmittelbar an die wirkliche Geschichte schließen". So begegnen uns bekannte Völker und Herrscher aus alten Zeiten: die Hunnen, Sachsen, Schwaben, Thüringer, Baiern, Gothen, Longobarden uvm., die Könige, Königinnen und Kaiser: Theoderich, Alboin, Dagobert, Otto, Karl, Adelheid... Diese Ausgabe ist eine buchstabengetreue Neuausgabe des Originaltextes der Erstausgabe von 1818 in eBook-Form. Die Seitennummerierungen und Quellenangaben der Brüder Grimm sind erhalten und ermöglichen so Zitatangaben mit Referenzen auf die Erstausgabe.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort zu dieser Ausgabe

Titelblatt

Vorrede.

Berichtigung.

363. Der heilige Salzfluß.

364. Der heilige See der Hertha.

365. Der heilige Wald der Semnonen.

366. Die Wanderung der Ansivaren.

367. Die Seefahrt der Usipier.

368. Wanderung der Gothen.

369. Die eingefallene Brücke.

370. Warum die Gothen in Griechenland eingebrochen.

371. Fridigern.

372. Des Königs Grab.

373. Athaulfs Tod.

374. Die Trullen.

375. Sage von Gelimer.

376. Gelimer in silberner Kette.

377. Ursprung der Hunnen.

378. Die Einwanderung der Hunnen.

379. Sage von den Hunnen.

380. Das Kriegsschwert.

381. Die Störche.

382. Der Fisch auf der Tafel.

383. Theoderichs Seele.

384. Urajas und Ildibad.

385. Totila versucht den Heiligen.

386. Der blinde Sabinus.

387. Der Ausgang der Longobarden.

388. Der Longobarden Ausgang.

389. Sage von Gambara und den Langbärten.

390. Die Longobarden und Aßipiter.

391. Die sieben schlafenden Männer in der Höhle.

392. Der Knabe im Fischteich.

393. Sage von Rodulf und Rumetrud.

394. Alboin wird dem Audoin tischfähig.

395. Ankunft der Longobarden in Italien.

396. Alboin gewinnt Ticinum.

397. Alboin und Rosimund.

398. Rosimund, Helmichis und Peredeo.

399. Sage von König Authari.

400. Agilulf und Theudelind.

401. Theodelind und das Meerwunder.

402. Romhild und Grimvald der Knabe.

403. Leupichis entflieht.

404. Die Fliege vor dem Fenster.

405. König Liutprands Füße.

406. Der Vogel auf dem Speer.

407. Walther im Kloster.

408. Ursprung der Sachsen.

409. Abkunft der Sachsen.

410. Herkunft der Sachsen.

411. Die Sachsen und die Thüringer.

412. Ankunft der Angeln und Sachsen.

413. Ankunft der Picten.

414. Die Sachsen erbauen Ochsenburg.

415. Haß zwischen den Sachsen und Schwaben.

416. Herkunft der Schwaben.

417. Abkunft der Baiern.

418. Herkunft der Franken.

419. Die Merovinger.

420. Childerich und Basina.

421. Der Kirchenkrug.

422. Remig umgeht sein Land.

423. Remig verjagt die Feuersbrunst.

424. Des Remigs Theil vom Wasichenwald.

425. Crothilds Verlobung.

426. Die Scheere und das Schwert.

427. Sage von Attalus dem Pferdeknecht, und Leo dem Küchenjungen.

428. Der schlafende König.

429. Der kommende Wald und die klingenden Schellen.

430. Chlotars Sieg über die Sachsen.

431. Das Grab der Heiligen.

432. Sanct Arbogast.

433. Dagobert und Sanct Florentius.

434. Dagoberts Seele im Schiff.

435. Dagobert und seine Hunde.

436. Die zwei gleichen Söhne.

437. Hildegard.

438. Der Hahnenkampf.

439. Carls Heimkehr aus Ungerland.

440. Der Hirsch zu Magdeburg.

441. Der lombardische Spielmann.

442. Der eiserne Carl.

443. Carl belagert Pavia.

444. Adelgis.

445. Von König Carl und den Friesen.

446. Radbot läßt sich nicht taufen.

447. Des Teufels goldnes Haus.

448. Wittekinds Taufe.

449. Erbauung Frankfurts.

450. Warum die Schwaben dem Reich vorfechten.

451. Eginhart und Emma.

452. Der Ring im See bei Aachen.

453. Der Kaiser und die Schlange.

454. König Carl.

455. Der schlafende Landsknecht.

456. Kaiser Ludwig bauet Hildesheim.

457. Der Rosenstrauch zu Hildesheim.

458. König Ludwigs Rippe klappt.

459. Die Königin im Wachshemd.

460. Königin Adelheid.

461. König Carl sieht seine Vorfahren in der Hölle und im Paradies.

462. Adalbert von Babenberg.

463. Herzog Heinrich und die goldne Halskette.

464. Kaiser Heinrich der Vogeler.

465. Der kühne Kurzbold.

466. Otto mit dem Bart.

467. Der Schuster zu Lauingen.

468. Das Rad im Mainzer Wappen.

469. Der Rammelsberg.

470. Die Grafen von Eberstein.

471. Otto läßt sich nicht schlagen.

472. König Otto in Lamparten.

473. Der unschuldige Ritter.

474. Kaiser Otto hält Witwen- und Waisengericht.

475. Otto III. in Carls Grabe.

476. Die heilige Kunigund.

477. Der Dom zu Bamberg.

478. Taube sagt den Feind an.

479. Der Kelch mit der Scharte.

480. Sage von Kaiser Heinrich III.

481. Die Weiber zu Weinsperg.

482. Der Teufels - Thurn am Donaustrudel.

483. Quedl das Hündlein.

484. Sage vom Schüler Hildebrand.

485. Der Knoblauchskönig.

486. Kaiser Heinrich versucht die Kaiserin.

487. Graf Hoyer von Mansfeld.

488. Der verlorene Kaiser Friedrich.

489. Albertus Magnus und Kaiser Wilhelm.

490. Kaiser Maximilian und Maria von Burgund.

491. Sage von Adelger zu Baiern.

492. Die treulose Störchin.

493. Herzog Heinrich in Baiern hält reine Straße.

494. Diez Schwinburg.

495. Der geschundene Wolf.

496. Die Gretlmühl.

497. Herzog Friedrich und Leopold von Oesterreich.

498. Der Markgräfin Schleier.

499. Der Brennberger (erste Sage).

500. Der Brennberger (zweite Sage).

501. Schreckenwalds Rosengarten.

502. Margaretha Maultasch.

503. Dieterichstein in Kärnthen.

504. Die Maultasch-Schutt.

505. Radbod von Habsburg.

506. Rudolf von Strättlingen.

507. Idda von Toggenburg.

508. Auswanderung der Schweizer.

509. Die Ochsen auf dem Acker zu Melchtal.

510. Der Landvogt im Bad.

511. Der Bund in Rütli.

512. Wilhelm Tell.

513. Der Knabe erzählts dem Ofen.

514. Der Lucerner Harschhörner.

515. Ursprung der Welfen.

516. Welfen und Giblinger.

517. Herzog Bundus, genannt der Wolf.

518. Heinrich mit dem güldenen Wagen.

519. Heinrich mit dem goldenen Pfluge.

520. Heinrich der Löwe.

521. Ursprung der Zähringer.

522. Herr Peter Dimringer von Staufenberg.

523. Des edlen Möringers Wallfahrt.

524. Graf Hubert von Calw.

525. Udalrich und Wendelgart und der ungeborne Burkard.

526. Stiftung des Klosters Wettenhausen.

527. Ritter Ulrich, Dienstmann zu Wirtenberg.

528. Freiherr Albrecht von Simmern.

529. Andreas von Sangerwitz, Comthur auf Christburg.

530. Der Virdunger Bürger.

531. Der Mann im Pflug.

532. Siegfried und Genofeva.

533. Carl Ynach, Salvius Brabon und Frau Schwan.

534. Der Ritter mit dem Schwan.

535. Das Schwanschiff am Rhein.

536. Lohengrin zu Brabant.

537. Loherangrins Ende in Lothringen.

538. Der Schwanritter.

539. Der gute Gerhard Schwan.

540. Die Schwanringe zu Plesse.

541. Das oldenburger Horn.

542. Friedrich von Oldenburg.

543. Die neun Kinder.

544. Amalaberga von Thüringen.

545. Sage von Irmenfried, Iring und Dieterich.

546. Das Jagen im fremden Walde.

547. Wie Ludwig Wartburg überkommen.

548. Ludwig der Springer.

549. Reinhartsbrunn.

550. Der hart geschmiedete Landgraf.

551. Ludwig ackert mit seinen Adlichen.

552. Ludwig baut eine Mauer.

553. Ludwigs Leichnam wird getragen.

554. Wie es um Ludwigs Seele geschaffen war.

555. Der Wartburger Krieg.

556. Doctor Luther zu Wartburg.

557. Die Vermählung der Kinder Ludwig und Elisabeth.

558. Heinrich das Kind von Brabant.

559. Frau Sophiens Handschuh.

560. Friedrich mit dem gebissenen Backen.

561. Markgraf Friedrich läßt seine Tochter säugen.

562. Otto der Schütze.

563. Landgraf Philips und die Bauersfrau.

564. In Ketten aufhängen.

565. Landgraf Moritz von Hessen.

566. Brot und Salz segnet Gott.

567. Nidda.

568. Ursprung der von Malsburg.

569. Ursprung der Grafen von Mannsfeld.

570. Henneberg.

571. Die acht Brunos.

572. Die Eselswiese.

573. Thalmann von Lunderstedt.

574. Hermann von Treffurt.

575. Der Graf von Gleichen.

576. Hungersnoth im Grabfeld.

577. Der Croppenstädter Vorrath.

578. So viel Kinder, als Tag’ im Jahr.

579. Die Gräfin von Orlamünde.

392.b. Lamissio und die Amazonen.

396.b. Alboin betrachtet sich Italien.

399.b. Authari’s Säule.

406.b. Aistulfs Geburt.

448.b. Wittekinds Flucht.

Impressum

Vorwort zu dieser Ausgabe

Im Jahre 1818 veröffentlichten die Brüder Jacob (* 04.01.1785 in Hanau; † 20.09.1863 in Berlin) und Wilhelm Grimm (* 24.02.1786 in Hanau; † 16.12.1859 in Berlin) zwei Jahre nach dem ersten Teil der „Deutschen Sagen“ (1816) den zweiten Teil mit 221 Sagen („Deutsche Sagen – Zweiter Theil“).

Die vorliegende Ausgabe, gibt den Text der Erstausgabe des Jahres 1818 originalgetreu wieder. Im Gegensatz zum Originaltext wurde lediglich die Frakturschrift des Originals durch eine moderne Serifen-Schrift und das Layout durch die frei anpassbare Form eines eBooks ersetzt.

Die Zitierfähigkeit zum Original bleibt erhalten: Die Seitennummern des Originals sind klar ersichtlich in den Text eingeschoben. Die Seitennummern sind in eckigen Klammern gesetzt und markieren den Anfang der entsprechenden neuen Seite.

So ist es möglich in Zitaten auf die original Seitennummern der Erstausgabe zu verweisen.

Zitier-Beispiel entsprechend der Erstausgabe von 1818:

Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Zweiter Theil. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1818, S. 6: “368. Wanderung der Gothen.”

Errata

Neben den in der Erstausgabe aufgeführten Druckfehlern (im Anschluß an die letzte Sage), haben wir bei der Transkription folgende Fehler im Originaltext entdeckt, jedoch (um Originaltreue zu bewahren) nicht korrigiert (Seitenangabe der Erstausgabe):

S. 44: „und gelangte wirkich in das Bett“ anstatt „wirklich“

S. 87: „m ine Leute“ anstatt „meine“S. 114: „w nn sie der König“ anstatt „wenn“S. 118: „ ing (gericht)“ anstatt „Thing“S. 152: „Abalbert habe gleich anfangs“ anstatt „Adalbert“S. 232: „ich muß dir klagen,.“ anstatt „klagen,“S. 254: „Mutter – sprach –“ anstatt „Müller“S. 274: „Messe halten ollte“ anstatt „wollte“S. 351: „trunken oder wahnsinnig?“ anstatt „wahnsinnig?““

Cover-Bild

Das Cover-Bild ist ein Ausschnitt aus dem Gemälde „The Temptation of Sir Percival“ von 1894.

Es stellt Parzival dar, der durch einen Teufel in Form einer wunderschönen Frau in Versuchung geführt wird. Parzival bzw. sein Sohn Lohengrin ist Thema u.a. der Sage „536. Lohengrin zu Brabant.“

Künstler des Gemäldes ist der britische Maler und bildende Künstler Arthur Hacker (* 25. September 1858 in London; † 12. November 1919 in London).

Titelblatt

[III]

Vorrede.

Eine Zusammenstellung der deutschen Sagen, welche vorliegenden Band ausmachen, und sich unmittelbar an die wirkliche Geschichte schließen, ist unseres Wissens noch nicht unternommen worden, und deßwegen vielleicht verdienstlicher, aber auch mühsamer. Nicht allein haben die hauptsächlichsten gedruckten Geschichtsbücher und Chroniken durchlesen werden müssen, sondern es ist uns noch viel angelegener gewesen, handschriftliche Hülfsmittel, so viel wir deren habhaft werden können, sorgfältig zu gebrauchen. Die wenigsten der hier mitgetheilten Erzählungen waren aus mündlicher Ueberlieferung zu schöpfen; auch darin unterscheiden sie sich von den örtlichen, welche in umgekehrtem Verhältnisse gerade ihrer lebendigen Fortpflanzung unter dem Volke zu verdanken sind. Nur zuweilen berührt sich noch das, was die Localsage bedingt, mit der historischen Anknüpfung; für sich betrachtet, gibt ihr jenes einen stärkeren Halt, und um die seltsame Bildung [IV] eines Felsens sammelt sich die Sage dauernder, als um den Ruhm selbst der edelsten Geschlechter. Ueber das Verhältniß der Geschichte zur Sage haben wir uns bereits im allgemeinen erklärt, so gut es, ohne in die noch vorbehaltene Untersuchung und Ausführung des Einzelnen einzugehen, geschehen konnte. In Bezug auf das Eigenthümliche der gegenwärtigen, die man Stamm- und Geschlechtssagen nennen könnte, läßt sich hinzufügen, daß sie wenig wirkliche und urkundliche Begebenheiten enthalten mögen. Man kann der gewöhnlichen Behandlung unserer Geschichte zwei, und auf den ersten Schein sich widersprechende Vorwürfe machen: daß sie zu viel und zu wenig von der Sage gehalten habe. Während gewisse Umstände, die dem reinen Elemente der letzteren angehören, in die Reihe wirklicher Ereignisse eingelassen wurden, pflegte man andere ganz gleichartige schnöde zu verwerfen, als fade Mönchserdichtungen und Gespinnste müßiger Leute. Man verkannte also die eigenen Gesetze der Sage; indem man ihr bald eine irdische Wahrheit gab, die sie nicht hat, bald die geistige Wahrheit, worin ihr Wesen bestehe, ableugnete, und sich, gleich jenen Herulern, als sie durch blaublühenden Lein schwimmen wollten, etwas zu widerlegen anschickte, was in ganz verschiedenem Sinn behauptet werden mußte. Denn die Sage geht mit andern Schritten, und [V] sieht mit andern Augen, als die Geschichte thut; es fehlt ihr ein gewisser Beischmack des Leiblichen, oder, wenn man lieber will, des Menschlichen, wodurch diese so mächtig und ergreifend auf uns wirkt 1; vielmehr weiß sie alle Verhältnisse zu einer epischen Lauterkeit zu sammeln und wieder zu gebähren. Es ist aber sicher jedem Volke zu gönnen, und als eine edle Eigenschaft anzurechnen, wenn der Tag seiner Geschichte eine Morgen- und Abenddämmerung der Sage hat; oder wenn die, menschlicher Augenschwäche doch nie ganz ersehbare Gewißheit der vergangenen Dinge, statt der schroffen, farblosen und sich oft verwischenden Mühe der Wissenschaft, sie zu erreichen, in den einfachen und klaren Bildern der Sage, wer sagt es aus, durch welches Wunder? gebrochen, wiederscheinen kann. Alles, was dazwischen liegt, den unschuldigen Begriff der dem Volke gemüthlichen Sage verschmäht, zu der strengen und trockenen Erforschung der Wahrheit aber doch keinen rechten Muth faßt, das ist der Welt jederzeit am unnützesten gewesen.

[VI] Was unsere Sammlung jetzt noch enthalten kann, kündigt sich deutlich als bloße, oft ganz magre und bröckelhafte Ueberbleibsel von dem großen Schatze uralter deutscher Volksdichtung an; wie die ungleich zahlreichere und besser gepflegte Menge schriftlicher und mündlicher Ueberlieferungen des nordischen Stammes beweist. Die Unstätigkeit der meisten übrigen Völkerschaften, Kriege, theilweiser Untergang und Vermengung mit Fremden haben die Lieder und Sagen, der Vorzeit gefährdet und nach und nach untergraben. Wie viel aber muß ein Volk besessen haben, das immer noch solche Spuren und Trümmer aufzuweisen vermag! Die Anordnung derselben hat diesmal weniger zufällig seyn dürfen, sondern sie ist beides nach den Zeiten und Stämmen eingerichtet. Wenige Erzählungen gehen voran, die wir der Aufzeichnung der Römer danken, und andere Sammler vielleicht ausgelassen oder vermehrt haben würden. Inzwischen schienen uns keine anderen Züge sagenhaft, namentlich die Thaten des Arminius rein historisch. Von der Herrlichkeit gothischer Sage ist auf eine nie genug zu beklagende Weise das Meiste untergegangen; den Verlust der älteren und reicheren Quellen kann man nach dem Wenigen schätzen, was sich aus ihnen bei Jornandes noch übrig zeigt. Die Geschichte hat dem gothischen und den mit ihm verwandten Stämmen große Ungunst bewiesen; [VII] wäre der Arianismus nicht, dem sie ergeben gewesen, und der mit dadurch begründete Gegensatz zu den Rechtgläubigen, so würde vieles in anderm Lichte stehn. Jetzt läßt uns nur einiges hin und wieder Zerstreutes ahnen, daß diese Gothen milder, gebildeter und edler begabt gewesen, als ihre Feinde, die aufstrebenden, arglistigen Franken. Von den Longobarden, die gleichfalls unterliegen mußten, gilt fast dasselbe in schwächerem Maße; außer daß sie noch kriegerischer und wilder, als die Gothen, waren. Ein besserer Stern hat über ihren Sagen gewaltet, die ein an einander hangendes Stück der schönsten Dichtung, von wahrem, epischen Wesen durchzogen, bilden. Weniger ist die fränkische Sage zu loben, der doch die meisten Erhaltungsmittel zu Gebot gestanden; sie hat etwas von dem düsteren, tobenden Geiste dieses Volkes, bei welchem sich kaum Poesie gestalten mochte. Erst nach dem Erlöschen der Merovinger zieht sich um Karl den Großen die Fülle des edelsten Sagengewächses. Stammüberlieferungen der Völker, welche den Norden Deutschlands bewohnen, namentlich der Sachsen, Westphalen und Friesen, sind beinahe ganz verloren und wie mit Einem Schlage zu Boden gedrückt; einiges haben die Angelsachsen behalten. Jene Vertilgung wäre kaum begreiflich, fände sie nicht in der grausamen Bezwingung dieser Völker unter Karl dem Großen Erklärung; [VIII] das Christenthum wurde mit der Zerstörung aller Alterthümer der Vorzeit zu ihnen geführt, und das Geringhalten heidnischer Sitten und Sagen eingeschärft. Schon unter den sächsischen Kaisern mögen die Denkmäler früherer Volksdichtung so verklungen gewesen seyn, daß sie sich nicht mehr an dem Glanze und unter dem Schutze ihrer für uns Deutsche so wohlthätigen Regierung aufzurichten im Stande waren. Merkwürdig bleibt, daß die eigentlichen Kaisersagen, die mit Karl anheben, schon nach den Ottonen ausgehen, und selbst die Staufenzeit erscheint unmythisch; blos an Friedrich Rothbart, wie unter den späteren an Rudolf von Habsburg und Maximilian flammen noch einzelne Lichter. Dieser Zeitabschnitt bindet andere Sagenkreise so wenig, daß sie noch während des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts eben in ihrer Blüte stehn. Unter allen einzelnen Geschlechtern aber, die in der Sage gefeiert worden, ragen früher die Amaler, Gunginger und Agilolfinger, später die Welfen und Thüringer 2 weit hervor. Es bleibt überhaupt bei der Frage: auf welchem Boden die epische Poesie eines Volkes gedeihen und fortlebe, von Gewicht, daß sie sich in urdeutschen Geschlechtsfolgen [IX] am liebsten zeigt, hingegen auszugehen und zu verkommen pflegt da, wo Unterbrechungen und Vermischungen mit fremden Völkern, selbst mit andern deutschen Stämmen vorgegangen sind. 3 Dies ist der Grund, warum die in Deutschland eingezogenen und allmälig deutsch gewordenen slavischen Stämme keine Geschlechtssagen aufzuweisen haben; ja auch an örtlichen gegen die ursprünglichen Länder entblößt dastehen. Die Wurzeln greifen in das ungewohnte Erdreich nicht gerne ein, ihren Keimen und Blättern schlägt die fremde Luft nimmer an.

Die äußere Gestalt, in der diese Sagen hier mitgetheilt werden müssen, scheint uns manchem gegründeten Tadel ausgestellt, der indessen, wo es so überwiegend auf Stoff und Inhalt ankam, schwer zu vermeiden war. Sollten letztere als Hauptsache betrachtet und gewissenhaft geschont werden; so mußte wohl, aus der Uebersetzung lateinischer, der Auflösung gereimter und der Vergleichung mehrfacher Quellen, ein gemischter, unebener Styl hervorgehen. Eine noch strengere Behandlungsart des Ganzen – so daß man aus dem kritisch genauen, bloßen Abdruck aller, sey [X] es lateinischen oder deutschen Quellen, mit Beifügung wichtiger späterer Recensionen, einen förmlich diplomatischen Codex für die Sagendichtung gebildet hätte – würde mancherlei Reiz neben unleugbarem Gewinn für die gründliche Forschung gehabt haben, allein doch jetzt nicht gut auszuführen gewesen seyn, schon der einmal im Zweck liegenden gleichmäßigen Uebersicht des Ganzen halben. Am meisten geschmerzt hat es uns, die selbst ihren Worten nach wichtigen, aus dem Heidelberger Cod. 361. geschöpften Sagen von Karl und Adalger von Baiern in einem geschwächten Prosa-Auszug liefern zu müssen; ohne Zweifel hatten sie, zum wenigsten theilweise, ältere deutsche Gesänge zur Unterlage. So stehen andere Stellen dieser merkwürdigen Reimchronik in unverkennbarem Bezug auf das Lied von Bischof Anno, und es bleibt ihr vollständiger, wörtlicher Abdruck in aller Rücksicht zu wünschen.

Eine solche Grundlage von Liedern haben gewiß noch andere Stammsagen gehabt. Bekannt sind die Verweisungen auf altgothische Lieder, für die longobardische Sage läßt es sich denken. 4 Einzelne Ueberlieferungen gehen in [XI] der Gestalt späterer Volkslieder umher, wie die von Heinrich dem Löwen, dem Mann im Pflug u. s. w.; merkwürdiger ist schon das Westfriesenlied der Schweizer. Andere sind im dreizehnten Jahrhundert gedichtet worden, wie Otto mit dem Bart, und der Schwanritter, Ulrich von Würtenberg u. s. w. Möchten die damaligen Dichter nur öfter die vaterländische Sage der ausländischen vorgezogen haben! Auf eigentliche Volks- und Bänkelgesänge verweisen die Geschichtschreiber, bei den Sagen von Hattos Verrath und Curzbolds Heldenthaten. 5 Andere Sagen sind mit den Liedern verschollen, wie die bairische [XII] von Erbo’s Wisent-Jagd, die sächsische von Benno, und was der blinde Friese Bernlef besungen. 6

Es ist hier der Ort, ausdrücklich zu bemerken, welche deutsche Sagen aus unserer Sammlung ausgeschlossen bleiben mußten, weil sie in dem eigenen und lebendigeren Umfang ihrer Dichtung auf unsere Zeit gekommen sind. Dahin gehören die Sagen 1) von den Nibelungen, Amelungen, Wolfungen, Harlungen und allem, was diesen großen Kreis von ursprünglich gothischen, burgundischen und austrasischen Dichtungen bildet, in deren Mitte das Nibelungenlied und das Heldenbuch stehen. 2) Von den Kerlingern, namentlich [XIII] Karl, Roland, den Haimonskindern und andern Helden, meistens austrasischen Ursprungs, doch auch in französischen, italienischen und spanischen Gedichten eigenthümlich erhalten. Einige besondere Sagen von Karl dem Großen haben indessen, der Verbindung wegen, aufgenommen werden müssen, und weil sie einigermaßen außerhalb des Bezirks jenes Hauptkreises liegen. Mit der schönen (bairischen) Erzählung von Karls Geburt und Jugend war dies nicht völlig der Fall. 3) Die spätern fränkischen und schon mehr französischen Sagen von Lother und Maller, Hugschapler und Wilhelm dem Heiligen. 4) Die westgothischen von Rodrigo. 7 5) Die bairische Sage von Herzog Ernst und Wetzel. 6) Die schwäbischen von Friedrich von Schwaben und von dem armen Heinrich. 7) Die austrasischen von Orendel und Breite, deßgleichen Margaretha von Limburg. 8) Die niedersächsische von Thedel von Wallmoden. 8

Sind auf solche Weise die Grenzen unserer [XIV] Unternehmung gehörig abgesteckt; so glauben wir nicht, daß sich zu dem Inhalt des gegenwärtigen Bandes bedeutende Zusätze ergeben können, es müßten denn unverhofft ganz neue Quellen eröffnet werden. Desto mehr wird sich aber für die Vervollständigung der örtlichen Sagen thun lassen; wir haben zu dem ersten Theile glücklich nachgesammelt, und so erfreuliche Mittheilungen empfangen, daß wir diese zuvor in einem dritten Theil herauszugeben wünschen, um uns dann desto ungestörter und sicherer zu der Untersuchung des ganzen Vorrathes wenden zu können.

Cassel, den 24sten Februar 1818.

[XX]

Nur wenigen Schriftstellern des Mittelalters ist die Ausführlichkeit, wonach in der Geschichte unser Herz begehrt, eigen, wie dem Eckhart von S. Gallen, oder dem, der uns die rührende Stelle von Kaiser Otto und den Thränen seiner Mutter aufbehalten (vita Mathildis bei Leibnitz I. 205.) Dergleichen steht jede Sage nach, wie der Tugend des wirklichen Lebens jede Tugend der Poesie.↩

Kein deutscher Landstrich hat auch so viel Chroniken als Thüringen und Hessen für die alte Zeit ihrer Vereinigung. Es gibt deren gewiß über zwanzig gedruckte und ungedruckte von verschiedenen Verfassern, wiewohl sie auf ähnlicher Grundlage ruhen.↩

Wie die Liebe zum Vaterlande und das wahre Heimweh auf einheimischen Sagen hafte, hat lebhaft gefühlt: Brandes vom Einfluß des Zeitgeistes, erste Abtheil. Hannover 1810. S. 163 - 168.↩

Man beschränkt sich hier auf das Zeugniß von Alboin, bei Paulus Diaconus I, 27: „Alboini ita praeclarum longe lateque nomen percrebuit, ut hactenus etiam tam apud Bajoariorum gentem quam et Saxonum, sed et alios ejusdem linguae homines, ejus liberalitas et gloria, bellorumque felicitas et virtus in eorum carminibus celebretur.“↩

Eckehardus jun. de casibus S. Galli (ap. Goldast I. 15.) „Hattonem franci illi saepe perdere moliti sunt, sed astutia hominis in falsam regis gratiam suasi; qualiter ad alpes (l. Adalpertus) fraude ejus de urbe Pabinberk detractus capite sit plexus, quoniam vulgo concinnatur et canitur, scribere supersedeo.“ –

Otto Frising. VI, 15. „itaque ut non solum in regum gestis invenitur, sed etiam in vulgari traditione in compitis et curiis hactenus auditur, praefatus Hatto Albertum in castro suo Babenberg adiit“ etc. –

Eckehardus jun. l. c. pag. 29. „Chuono quidam regii generis Churzibolt a brevitate cognominatus – de quo multa concinnantur et canuntur.“ –↩

Chron. ursperg. „Erbo et Boto, illius famosi Erbonis posteri, quem in venatu a bisonte (die Ausg. 1540. p. 256. und 1609. p. 185. lesen: ab insonte) bestia confossum vulgares adhuc cantilenae resonant.“ –

Norberti vita Bennonis, ap. Eccard. C. Hist. II. S. 2165.: „quantae utilitati, quanto honori, quanto denique vitae tutamini et praesidio fuerit, populares etiam nunc adhuc notae fabulae attestari solent, et cantilenae vulgares.“ Vergl. Mösers osnab. Gesch. II. 32. –

Vita Ludgeri (mehrmals gedr. hier nach einer alten Casseler Handschrift) „is, Bernlef cognomento, vicinis suis admodum carus erat, quia antiquorum actus regumque certamina, more gentis suae, non inurbane cantare noverat, sed per triennium ita erat continua caecitate depressus etc. etc.“ –↩

Silva de romances viejos, pag. 286 - 298.↩

Eine besondere Sammlung dessen, was aus der Heiligenlegende zur deutschen Sage gerechnet werden muß, schickt sich besser für ein eigenes Werk. Dahin gehört z. B. die Geschichte von Zeno (lombardisch) von Meinrad und Ottilie (allemannisch) von Elisabeth (thüringisch-hessisch) und vorzüglich viel altfränkische: von Martin, Hubert, Gregor vom Stein, Gangolff u. s. w.↩

Berichtigung.

Nro. 466. Otto Rothbart ist vermuthlich Otto II, nicht Otto I. Vergl. Lohengrin Str. 741., und Leibniz access. I. p. 184. Indessen schwankt die Sage überhaupt bei gleichen, auf einander folgenden Namen.

[1]

363. Der heilige Salzfluß.

Tacitus ann. XIII. 57. Vergl. Plinius hist. nat. XXXI. 39.

Die Germanen gewannen auf diese Art ihr Salz, daß sie das salzhaltige Wasser auf glühende Bäume gossen. Zwischen den Hermunduren und Catten strömte ein salzreicher Fluß, (die Saale 1 um dessen Besitz Krieg ausbrach. Denn die Germanen glaubten, eine solche Gegend liege dem Himmel nah, und die Gebäte der Menschen könnten von den Göttern nirgends besser vernommen werden. Durch die Gnade der Götter komme das Salz in diesen Fluß und diese Wälder; nicht wie bei andern Völkern trockne es an dem Erdreich, von dem die wilde Meeresfluth zurückgewichen sey: sondern das Flußwasser werde auf glühende Baumschichten gegossen, und aus der Vermischung zweier feindlicher Urstoffe, Wassers und Feuers, gehe das Salz hervor. Der Krieg aber schlug den Hermunduren [2] glücklich, den Catten unselig aus, und die Sieger opferten nach ihrem Gelübde alle eroberten Männer und Pferde.

Nach Wenk hes. Landes-Gesch. die fränkische Saale, die bei Gemünden in den Main fließt.↩

364. Der heilige See der Hertha.

Tac. Germ. c. 40.

Die Rendigner, Avionen, Angeln, Wariner, Eudosen, Suarthonen und Nuithonen, deutsche Völker, zwischen Flüssen und Wäldern wohnend, verehren insgesammt die Hertha, d. i. Mutter Erde, und glauben, daß sie sich in die menschlichen Dinge mischt und zu den Völkern gefahren kommt. Auf einem Eiland des Meers liegt ein unentweihter, ihr geheiligter Wald, da stehet ihr Wagen, mit Decken umhüllt, nur ein einziger Priester darf ihm nahen. Dieser weiß es, wann die Göttin im heiligen Wagen erscheint; zwei weibliche Rinder ziehen sie fort, und jener folgt ehrerbietig nach. Wohin sie zu kommen und zu herbergen würdigt, da ist froher Tag und Hochzeit; da wird kein Krieg gestritten, keine Waffe ergriffen, das Eisen verschlossen.

Nur Friede und Ruhe ist dann bekannt und gewünscht; das währt so lange, bis die Göttin genug unter den Menschen gewohnt hat, und der Priester sie wieder ins Heiligthum zurückführt. In einem abgelegenen See wird Wagen, Decke und Göttin selbst [3] gewaschen; die Knechte aber, die dabei dienen, verschlingt der See alsbald.

Ein heimlicher Schrecken und eine heilige Unwissenheit sind daher stets über das gebreitet, was nur diejenigen anschauen, die gleich darauf sterben.

365. Der heilige Wald der Semnonen.

Tacitus Germ. cap. 39.

Unter den Sueven waren die Semnonen das älteste und edelste Volk. Zu gewissen Zeiten hielten sie in einem Wald, heilig durch den Gottesdienst der Vorfahren und durch alten Schauer, Zusammenkünfte, wozu alle aus demselben Blute entsprungene Stämme Abgesandten schickten, und brachten ein öffentliches Menschenopfer. Vor dem Haine tragen sie solche Ehrfurcht, daß niemand hineintritt, der sich nicht vorher in Bande hätte binden lassen, zur Anerkennung seiner Schwäche und der göttlichen Allmacht. Fällt er von ungefähr zur Erde, so ist ihm nicht erlaudt aufzustehn oder aufgehoben zu werden, sondern er wird auf dem Erdboden hinausgeschleift. Dieser Gebrauch weist dahin, wie aus dem Heiligthum das Volk entsprungen, und der allwaltende Gott da gegenwärtig sey, dem alles andere unterwürfig und gehorsam seyn müsse.

[4]

366. Die Wanderung der Ansivaren.

Tacitus ann. XIII, 54 – 56.

Die Friesen waren in einen leeren Landstrich unweit des Rheines vorgedrungen, hatten schon ihre Stätte genommen und die Äcker besäet, da wurden sie von den Römern mit Gewalt wieder ausgetrieben. Das Erdreich stand von neuem leer, die Ansivaren rückten hinein: ein nicht zahlreiches Volk, aber stark durch den Beistand, den ihm die umliegenden Stämme mitleidig leisteten, weil es heimathlos und von den Chaucen aus seinem Sitz verjagt worden war. Bojocal, der Ansivaren Führer, wollte sich und sein Volk unter den Schutz der Römer stellen, wenn sie diesen leeren und öden Platz ihnen für Menschen und Viehheerden lassen würden. Das Land habe vorzeiten den Chamaven, dann den Tubanten und hierauf den Usipiern gehört; und weil den Göttern der Himmel, den Menschen die Erde zustehe, so dürfe jedes Volk ein leeres Land besetzen. Darauf wandte Bojocal (die Abneigung der Römer voraussehend) seine Augen zur Sonne, rief die übrigen Gestirne an und stellte sie öffentlich zur Rede: „ob sie den leeren Grund und Boden bescheinen wollten? sie möchten lieber das Meer wider diejenigen ausschütten, welche also den Menschen das Land entzögen.“ Die Römer aber schlugen das Gesuch ab, und wollten keinen andern Richter anerkennen, über das was sie zu geben [5] oder zu nehmen hätten, als sich selbst. Das antworteten sie den Ansivaren öffentlich, und boten doch zugleich dem Bojocal ein Grundstück für ihn selbst, als ihrem guten Freund an (den sie sich durch ein solches Geschenk geneigt zu erhalten trachteten). Bojocal verachtete das, um dessentwillen er sein Volk hätte verrathen sollen und sagte: „Haben wir gleich keine Erde, auf der wir leben können, so soll uns doch keine gebrechen, auf der wir sterben.“ Darauf zogen sie feindlich ab und riefen ihre Bundsgenossen, die Bructerer, Tencterer und noch andere zum Kriege auf. Der Römer-Feldherr überzog schnell die Tencterer, daß sie abstehen mußten, und wie diese sich lossagten, befiel auch die Bructerer und die andern Furcht. Da wichen die verlassenen Ansivaren in das Gebiet der Usipier und Tubanten; die wollten sie nicht leiden. Von da vertrieben, kamen sie zu den Chatten und dann zu den Cheruskern. Ueber dem langen unstäten Herumziehen auf fremdem Boden, bald als Gäste, bald als Dürftige, bald als Feinde, wurde ihre Mannschaft und mannbare Jugend aufgerieben. Die Unmündigen fielen als Beute andern zu Theil.

367. Die Seefahrt der Usipier.

Tacitus, Agricola cap. 28.

Eine Schaar Usipier, von den Römern in Deutschland geworben und nach Brittannien gebracht, beging [6] ein großes und bewundernswürdiges Wagstück. Nachdem sie den Hauptmann und die Soldaten der Römer, welche unter ihren Haufen, um sie zum Dienst abzurichten, gemischt worden waren, getödtet hatten, bestiegen sie drei leichte Schiffe, deren Steuerleute sie mit Gewalt dazu nöthigten. Zwei derselben, die ihnen verdächtig wurden, brachten sie gleichfalls um, und stachen mit dem einen Ruderer in die hohe See, ein wahres Wunder! Bald hier, bald dahin getrieben, hatten sie mit den brittannischen Küstenbewohnern, die ihre Habe vertheidigten, um Lebensmittel zu kämpfen; meistens siegten, einige Mal unterlagen sie. Zuletzt stieg die Hungersnoth so weit auf ihren Schiffen, daß sie erst ihre Schwachen und Kranken verzehrten, bald aber Loose darum zogen, wer den Andern zur Speise dienen mußte. Als sie endlich Brittannien umfahren und aus Unkunde der Schifffahrt ihre Schiffe eingebüßt hatten, wurden sie für Räuber angesehen, und von den Sueven, dann von den Friesen aufgefangen. Einige darunter kamen verhandelt und verkauft hernachmals wieder in die Hände der Römer nach Italien, wo sie ihre merkwürdige Begebenheit selbst erzählten.

368. Wanderung der Gothen.

Jornandes edit. Lindenbrog p. 83. 98.

Aus der Insel Schanze (Scanzia) brachen die Völker wie ein Schwarm Bienen hervor. Die Gothen [7] nämlich fuhren von da unter Berich ihrem Könige; dem Ort, wo sie aus den Schiffen zuerst landeten, legten sie den Namen Gothenschanze bei. Drauf zogen sie zu den Ulmrügern, die am Meerufer wohnten und besiegten sie. Dann schlugen sie die Wandalen, deren Nachbarn. Als aber ihres Volkes Menge mächtig wuchs und schon seit Berich ihr fünfter König, Namens Filimer herrschte, wurde beschlossen, daß er mit den Gothen weiter ziehen möchte. Da nun diese sich eine gute Niederlassung aussuchen wollten, kamen sie nach Scythien, ins Land Ovin, wo ein Theil des Heers durch eine gebrochene Brücke abgeschnitten wurde. Die, welche den Fluß glücklich hinüber gegangen waren, zogen weiter bis an das äußerste Ende Scythiens an das schwarze Meer.

Sie waren Anfangs aus Scanzien unter Berich blos mit dreien Schiffen ausgefahren. Von diesen Schiffen fuhr eins langsamer wie die andern, darum wurde es Gepanta (das gaffende 1 geheißen, und davon bekam der Stamm den Unnamen der Gepiden.

Denn sie sind auch groß von Leib und träg [8] an Geist. Diese Gepiden blieben auf einer Insel der Weichsel wohnen, die Ostgothen und Westgothen zogen weiter fort, ließen sich aber auch eine Weile nieder. Dann führten sie Krieg mit den Gepiden, schlugen sie und theilten sich nachher selbst von einander ab; jeder Stamm wanderte seine eigenen Wege.

Die gewöhnliche Ableitung von beiten (goth. beidan) warten, ist unzulässig, die hier gegebene von Gapan, Gepan, unserm Gaffen, dagegen natürlich; das Wort bedeutet: das Maul aufsperren, stutzen, gähnen, und hat gleich dem latein. hiare den Nebensinn von harren, faul und unentschlossen seyn. Diese ganze Erklärung des Namens ist indessen sagenmäßig, und, wie in solchen Fällen insgemein, nie die eigentliche.↩

369. Die eingefallene Brücke.

Jornandes p. 83.

Die Gothen kamen auf ihren Wanderungen auch in das Land Scythien und fanden einen fruchtbaren Strich, bequem und zur Niederlassung einladend. Ihr Zug mußte aber über einen breiten Fluß setzen, und als die Hälfte des Heers hinüber war, geht die Sage, sey die Brücke gebrochen; so daß kein Mann zurückkehren, der hinüber war, und keiner mehr übersetzen konnte. Die ganze Gegend ist durch Moor und Sumpf, den niemand zu betreten wagt, eingeschlossen. Man soll aber noch 1 heut zu Tag, wie Reisende versichern, von jenseits aus weiter Ferne Vieh brüllen hören und andere Anzeigen daselbst wohnender Menschen finden.

D. h. zu Jornandes Lebzeiten.↩

370. Warum die Gothen in Griechenland eingebrochen.

Olympiodorus, ausgezogen bei Stritter mem. pop. I. 73. 74. Vergl. 476.

Folgende Sage hat man von den silbernen Bildsäulen, die zur Abhaltung der Barbaren eingeweiht [9] worden waren. Zur Zeit der Herrschaft Kaisers Constantius geschah dem Valerius, Präfecten in Thracien, Anzeige von einem zu hebenden Schatz. Valerius begab sich an Ort und Stelle und erfuhr von den Einwohnern, daß es ein altes, feierlich geweihtes Heiligthum wäre. Dieses meldete er dem Kaiser, empfing aber Weisung, die Kostbarkeiten zu heben. Man grub daher in die Erde und fand drei aus gediegenem Silber gearbeitete Bildsäulen, nach barbarischer Weise mit gehenkelten (eingestämmten) Armen, in bunten Gewändern und Haaren auf dem Haupt; sie lagen mit den Gesichtern gen Norden, wo der Barbaren Land ist, gewendet. Sobald diese Bildsäulen gehoben und weggenommen waren, brachen wenig Tage darauf die Gothen zuerst in Thracien ein und ihnen folgten andere Barbaren, von welchen ganz Thracien und Illyrien überschwemmt wurde. Jene geheiligte Stätte lag zwischen Thracien und Illyrien, und die drei Bildsäulen schienen gegen alle barbarische Völker eingeweiht gewesen zu seyn.

371. Fridigern.

Jornandes p. 106. 107. cap. 35. Vergl. Ammianus Marcellinus 31, 5. und Zosimus 4, 34.

Fridigerns Thaten priesen die Gothen in Liedern. Von ihm ist folgende Sage aufbehalten worden. Als die Westgothen noch keinen festen Wohnsitz hatten, [10] brach Hungersnoth über sie ein. Fridigern, Alatheus und Safrach ihre Vorsteher und Anführer, von dieser Plage bedrängt, wandten sich an die Anführer des römischen Heers, Lupicinus und Maximus, und handelten um Lebensmittel. Die Römer aus schändlichem Geiz feilschten ihnen Schaf- und Ochsenfleisch, ja selbst das Aas von Hunden und andern unreinen Thieren zu theurem Preis: so daß sie für ein Brot einen Knecht, für ein Fleisch zehn Pfund (Geld) erhandelten. Die Gothen gaben, was sie hatten; als die Knechte und ihre Habe ausgingen, handelte der grausame Käufer um die Söhne der Eltern. Die Gothen erwägten, es sey besser die Freiheit aufzugeben als das Leben, und barmherziger, einen durch Verkauf zu erhalten, als durch Behalten zu tödten. Unterdessen ersann Lupicinus, der Römer Anführer, einen Verrath, und ließ Fridigern zum Gastmahl laden.

---ENDE DER LESEPROBE---