Diarys of Death - Susanne Hoge - E-Book

Diarys of Death E-Book

Susanne Hoge

0,0

Beschreibung

Es war nur…ein Traum gewesen. Mate trat ins Kaminzimmer, seine Worte erstarben auf den Lippen als er das Schattenspiel sah und meine Miene. Tanzend zogen sich die Schatten zusammen, wichen auseinander, ehe sie sich langsam aber stetig auftürmten. Höher. Höher. Bis es mich überragte. Das Flirren der Macht, das Wispern der Schatten zerrte an mir, an meiner Seele, meinem Herzen und dann…. Dann fielen die Schatten in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Gaben frei, was sich darunter, darin verbarg. Nicht was! Wer! Armand stand, Noir kniete an der Seite einer leblosen Gestalt. Sie alle waren nass bis auf die Knochen, blutverschmiert. So viel Blut! Und dann wurde mir klar, über wen Noir gebeugt stand und meine Welt stand still. „ALEXANDER!“

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 398

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



In welch' Himmeln ungeheuer

schmolzen Deiner Augen Feuer?

Auf welch' Flügeln, unbenannt,

flog der, der ergriff den Brand?

(William Blake: Tiger, Tiger)

Meiner Mutter gewidmet, in der Hoffnung, dass es von den Schmerzen im Knie ablenkt und einige erholsame Stunden bietet.

Hab dich lieb.

Vorwort

Das Vorwort fällt in diesem Band aus - der Platz reichte diesmal nicht.

Aus Gründen des Platzmangels fehlen auch einige Satzzeichen – die werden dann in Band V nachgeliefert.

Fridolin hat sich trotz Platzmangels einen Platz erkämpft.

Lang lebe Fridolin!

Protagonisten

Der Nebel: Einst war sie eine scheue Kaufmannstochter. Danielle Falodir, doch der Weg den sie wählte als sie davon lief, schrieb ihr Schicksal neu und führte sie hinab in die tiefste Dunkelheit.

In eine Welt die auf den ersten Blick der Sicherheit entbehrte die sie kannte. Doch fand sie Liebe und mehr Mut als sie je für möglich gehalten hätte.

Alexander Vemo: Der Vampirälteste um dessen Alter und Fähigkeiten sich viele Geschichten und Legenden rankten. Das alte kalte Herz hatte sich allzu bereitwillig von dem Küken fangen lassen und er entschied, dass er sein unseliges Leben an ihrer Seite verbringen wollte.

Noir Vemo: Erstgeborener Alexanders. Schattenbeschwörer und Hauptmann der Schlossgrade. Noch immer betrachtete der Krieger die Verbindung zwischen seinem Vater und dem Nebel mit Skepsis.

Er war der festen Überzeugung, dass Nebel seinen Vater und damit den Clan schwächte. Doch forderte sein Samhainmädchen seine Aufmerksamkeit und schenkte ihm Ablenkung von den beiden *Eltern*.

Joycelin Vemo: Das Samhainmädchen. Lange mussten sie und Noir warten, bis sie sich rauben ließ und ihm in die Nacht folgte. Sie schenkte ihm ihr Herz, ihre Unschuld und ihr Leben. Gemeinsam mit dem Nebel wartete sie auf die Rückkehr dessen, der ihr Herz gefangen hatte.

Sidh Vemo: Der geschenkte Bruder. Sanftmütiger Vampir der seine Wandlung mit dem Studium der eigenen Art verarbeitete. Er wurde ausgesandt um auf Weisung des Nebels nach Anwesen in allen Teilen der Welt zu suchen und Vorbereitungen zu treffen, welche die Sicherheit der gesamten Familie bedeuteten.

Armand Levedi: Enger Freund der Familie Vemo und oftmals Begleiter Noirs. Nur selten findet man den Ewigen bei Festen oder Feiern.

Seit dem Tod seines Sohnes und seiner Frau, schafft einzig Noir es, dem Freund ein Lachen zu entlocken.

Er würde nicht ruhen und rasten bis die Plage die sich Mensch nannte vom Antlitz der Welt verschwunden war.

Jacob: Der einstige Trainingspartner des Nebels, hatte sich in den vergangenen Jahren zur Zufriedenheit des Clanes entwickelt. Immer öfter übertrug man ihm darum die Verantwortung für kleinere oder größere Projekte.

Mate: Der Caladhir und Eigentum des Nebels. Einen Blick hatten sie geteilt und die Welt hatte aufgehört zu existieren. Alle Mächte protestiertem für die Dauer eines Wimpernschlages gegen das was unter der Plane, auf dem Markt geschah. Nicht das dieser Protest erfolgreich wäre, aber doch gab es nichts das so falsch war, wie dieses Band.

Cheikh Tawaris: Der Waldelb hatte seine Fähigkeiten im Bergkessel in die Dienste des Nebels gestellt und bot ihr und ihrem Eigentum Hilfe und Zuflucht an, als der Bergkessel zur Geschichte wurde.

Rondarion o Gaeruil: Der Sidhe half Mate dabei sich im Haus des Nebels einzugewöhnen und etwas seiner eigenen Art kennen zu lernen. Sprache und Sitten, er ermutigte Mate dazu um Dinge zu bitten.

Der Vater Famarions hatte eine Zuneigung zu dem jungen Eigentum entwickelt die aber mehr auf väterliche Liebe denn etwas anderes hinwies.

Torasim o Gaeruil: Stadthalter der Handelsstadt am Fuße des Schlosses in Morta Sant. Doch scheint zwischen der Familie Vemo und der o Gaeruil eine Bindung zu bestehen, die keiner von ihnen je erwähnt.

Seine kalte Strenge verlangt selbst den Vampiren Respekt ab. Es ging das Gerücht, dass der Sidhe es im Kampf ohne Probleme mit den ewigen Jägern aufnehmen könnte.

Nelreth Tawaris: Vater von Cheikh, Großvater Lardales. Der Waldelb trug mit Stolz das Schmuckstück, welches ihn als das Eigentum Torasims kennzeichnete.

Das schlimmste das ihm widerfahren konnte, war das sein Sidhe das band zurückfordern würde. Seine Freundlichkeit und Sanftmut, machten es schwer ihn nicht zu mögen.

Stets hatte er ein tröstendes Wort und ein Lächeln für jene die es brauchten.

Ich weiß nicht wie lange wir unterwegs waren bis wir Minas Thar Aearon erreichten. Ich weiß, dass ich immer wieder prüfende Blicke hinter uns geworfen hatte, jedem Zittern des Bodens mit Anspannung nachgespürt hatte.

Ich wartete darauf, dass sich die Erde abermals grollend auftat und versuchte zu beenden was er begonnen hatte, aber außer leichten Beben geschah nichts weiter.

Was mir jedoch weit größere Sorgen bereitete war der Umstand, dass Mate nicht aufwachte. Ich wich nicht von seiner Seite, und nicht einmal mein Hunger machte mir solche Sorgen. Auch wenn er es wohl machen sollte.

Unterwegs mit einer Gruppe meiner Leibspeise, ich sollte jagen zu ihrer Sicherheit aber ich konnte es nicht. Ich wollte Mate nicht allein lassen.

Ich flößte ihm immer wieder etwas zu trinken ein, Cheikh und Rondarion ließen ihn inhalieren. Womit genau, wusste ich nicht. Ich musste ihnen für den Moment vertrauen.

Der Älteste von ihnen, Torasim, vertraute mir nicht. Und ich konnte es ihm nicht einmal verübeln. Sie waren die Lämmer und ich der Wolf der lauerte um sie zu reißen. Ständig ruhte sein Blick auf mir.

Wachsam und aufmerksam. Von den ganzen Blonden - tatsächlich eine Familie bestehend aus Großvater (Torasim), Vater (Rondarion) und Sohn (Famarion) – konnte ich ihn am wenigsten leiden.

Auch die dunkelhaarigen, die Waldelben waren Familie – Großvater(Nelreth), Vater(Cheikh) und Sohn (Lardale). Die Verbindungen untereinander erschienen mir konfus und durcheinander.

Torasim schien der Eigentümer von Nelreth zu sein. Jener trug am Ohr das Schmuckstück das ihn als solches auswies. Er war sanft und freundlich und wenn er Torasim verstohlen anblickte erkannte man bedingungslose Liebe.

Cheikh war mit Milui verheiratet, die Mutter von Lardale und Alderon. Trotzdem schien er sein Lager bisweilen mit Rondarion zu teilen.

Rondarion war mit Efrania verheiratet und hatte mir ihr die

Zwillinge Famarion und Arleas sowie die Tochter Samia gezeugt.

Efrania als auch Milui schienen von den *Machenschaften* ihrer Ehemänner zu wissen, und es hinzunehmen. Welche Gründe auch immer sie haben mochten, mir erschlossen sich die Hintergründe nicht, und wenn ich ehrlich war interessierte es mich nicht.

Was wichtig wäre war das mein Eigentum wieder auf die Beine käme. Ich hatte ihn nicht so weit gebracht damit er jetzt einfach…starb?!

„Ruh aus…noch ein bisschen Mate. Aber früher oder später wirst du erwachen und dich mir stellen müssen.“

Es könnte wie eine Drohung klingen, würde nicht die Sorge um meinen Elben viel zu stark in den Worten mitschwingen. Er musste wieder aufwachen.

Das Rasseln aus seinen Atemzügen war Dank der Inhalationen verschwunden. Regelmäßig hob und senkte sich der Brustkorb meines Eigentums unter den Atemzügen.

Warum also konnte er nicht einfach aufwachen? Wusste er denn nicht, dass es nicht fair war mich auf diese Weise zu quälen? Was dachte ich denn da für einen Schwachsinn?

Ich war erschöpft und hungrig. Ich sollte jagen und sollte ruhen, aber was wenn meinem Eigentum etwas geschähe, nur weil ich nicht über ihn wachte?

*Halt dich fest oder du bist tot!*

Er hatte sich festgehalten, wir waren dem Schloss entkommen das uns erschlagen wollte, dem Berg der uns rösten wollte wie Kastanien und uns verschlingen wie ein hungriger Bär.

Er durfte nicht sterben, nicht vergehen! Ich hatte es ihm nicht erlaubt.

Kurz vor Minas kam Cheikh an meine Seite. Ich hatte eines von Torasims Pferden, und hielt Mate schützend vor mir, während ich den anderen folgte.

Ich hörte durchaus, dass die Elben sich unterhielten, spürte immer wieder ihre Blicke auf mir, aber worum es ging konnte ich nur erraten.

Ich würde wirklich die wohlklingende Sprache dieses Volkes lernen müssen. Dann würden einige Informationen nicht mehr verloren gehen.

Sei es versehentlich durch mangelnde Übersetzung oder Bewusst durch auslassen.

Niemand müsste es wissen. Wissen das ich verstand. Jedenfalls schien die Diskussion mit Cheikhs Erscheinen an meiner Seite beendet zu sein, und ich erwiderte die Musterung die er mir zu Teil werden ließ.

„Ihr seht furchtbar aus Nebel.“

„Und Ihr solltet mich nicht unnötig reizen Cheikh. Das könnte unschön enden.“

Cheikh lachte, aber ich meinte es vollkommen Ernst. Da konnte man ebenso gut einen hungrigen Bären reizen. Da konnte man vielleicht eher Glück haben das Ganze zu überleben.

„Ihr solltet ausruhen, Nebel. Wann habt ihr das letzte Mal gejagt?“

Ich würdigte der *Sorge* des anderen keiner Antwort. Ich würde weder meine Ruhe noch meine Jagd mit den Elben diskutieren, oder gar die Notwendigkeit dazu.

Cheikh schmunzelte lediglich und bohrte nicht weiter nach.

Aber ich wusste, dass er es nicht Gut hieß, und ich wusste, dass der blonde Älteste es noch weniger Gut hieß.

Er hatte etwas an sich, das mich bis aufs Blut reizte.

Aber darüber sollte ich vermutlich jetzt nicht nachdenken. Ich würde mich in Zorn hineinsteigern und den würde ich jetzt nicht kontrollieren können.

Und das wäre nicht gut, für niemanden. Ich warf einen flüchtigen Seitenblick auf Cheikh. Was wollte er? Warum leistete er mir plötzlich Gesellschaft die ich nicht wollte?

Er würde schon sprechen. Ich wartete einfach ab, ich hatte Zeit und bekam ohnehin kaum etwas vom Weg oder den Unterhaltungen um mich herum mit. Meine Sinne waren stumpf.

Wobei… nein stumpf war nicht richtig. Alles hatte sich auf wenige Punkte reduziert:

Den Herzschlag meiner Begleiter, meine Müdigkeit, mein

Hunger und der Elb in meinen Armen der einfach nicht wachwerden wollte. Was weiter um mich herum geschah, nahm ich nur am Rande wahr.

Endlich schien er sein Schweigen brechen zu wollen, und forderte meine Aufmerksamkeit mit einem Räuspern ein.

„Wenn Ihr und Mate noch eine Weile in meinem oder

Rondarions Haus bleiben würdet, könnten wir uns weiter um Mate kümmern. Sollte er bis dahin das Bewusstsein noch immer nicht wieder erlangt haben.“

Ich sah den Waldelben skeptisch an. In dessen Haus? Oder

Rondarions? Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Eine dumme Idee, ein Reflex.

Jedes Mal wenn ich konzentriert nachdenken wollte, atmete ich tief durch und schloss die Augen.

Während des ganzen Weges hatte ich das durchatmen vermieden, da der Geruch der Elben zusammen mit ihrem Blut mich sonst rasend gemacht hätte.

Und auch jetzt kostete es mich mehr Beherrschung als ich je gedacht hatte aufbringen zu können. Ich bemühte mich nach Kräften, auch wenn es mir ausgesprochen schwer fiel.

Der süße, satte Geruch nach Wald und Sonne und der Magie des Blutes mit den anderen Gerüchen welche in der Luft lagen und nicht zu vergessen der rhythmische Klang eines jeden Herzschlages, Trommeln gleich die zum Tanz einluden.

Es kam Folter gleich.

Wollte ich mir dererlei wirklich für einen längeren Zeitraum antun? Nicht ohne Grund hatte ich die Stadt am Fuß des Schlosses bislang gemieden.

Elbenblut war eine sehr verlockende Süßigkeit. Und ich war mir nicht sicher, ob ich mich beherrschen könnte.

Aber sollte ich Mate in diesem Zustand ins Schloss bringen? Es reichte, dass ich auf mich aufpassen musste, könnte ich für seine Sicherheit garantieren wenn ich jagte oder trainierte?

Eigentumsrecht oder nicht, aber es gab einige die mir schaden wollten, und wenn das nur über einen kleinen Sklaven ging, dann würde man eben diesen Weg wählen.

Aber konnte ich mir tatsächlich Minas Thar Aearon antun?

Ständig von der Leibspeise umgeben zu sein, und nicht Naschen zu dürfen?

Obwohl… schlimmer als das hier könnte es eigentlich nicht mehr werden, oder?

Seufzend gab ich also nach einigem Hadern nach. Für eine

Weile wäre zumindest Mate sicherer in der Handelsstadt als im Schloss.

„Er vertraut Rondarion, also wählen wir sein Haus.“

Nein nicht wir, ich. Ich wählte. Ich entschied. Meistens zumindest. Denn wie oft kam ich mir grade was Mate oder auch Alexander anbelangte alles eher fremdbestimmt vor?

Als hätte ich keine wirkliche Wahl. Die Illusion von Entscheidungsfreiheit, Illusion von freiem Willen oder doch eher Bestimmung?

Ich mochte es nicht, wenn ich die Kontrolle nicht hatte, Entscheidungen für mich getroffen wurden, ich keine Wahl hatte.

Und bei Alexander und Mate schien es mir mehr und mehr, dass ich kaum eine Wahl hatte, mir gewisse Entscheidungen abgenommen wurden.

Natürlich konnte ich dagegen aufbegehren, dagegen vorgehen aber das war mit Leid und Schmerz verbunden.

Für mich, und die Beteiligten. Und so masochistisch ich bisweilen auch sein mochte, aber sosehr mich gegen das Schicksal aufzulehnen dann jedoch nicht.

Cheikh überließ mich schweigend meinen Überlegungen, und begab sich wieder an die Seite Rondarions.

Ich beobachtete meine Reisegesellschaft mit mäßigem Interesse und lauschte dem regelmäßigen festen Herzschlag meines Elben. Den ruhigen Atemzügen.

Er roch nicht nach Krankheit, nicht nach Tod. Seine *Aura* zeigte nichts Ungewöhnliches. Warum wachte er nicht auf? Er sollte selbst reiten, sich an der Gesellschaft seiner Artgenossen erfreuen und mit ihnen in der eigenen Sprache sprechen.

Er sollte so viel tun, und tat doch nichts.

Theorien dazu gab es einige. Jeder der verfluchten Futterstücke schien seine eigene Idee zu haben, die letzten Endes auf ein und das Selbe hinaus liefen: Der Schock über die Geschehnisse des Bergkessels.

Das Tanzen am Abgrund, viel zu nah am Abgrund erforderte Kraft. Und nicht jedes Geschöpf war geeignet auf Messers Schneide zu balancieren.

Nicht das ich viel darum gab überhaupt zu balancieren, aber es schien als zöge ich dererlei magisch an.

Vielleicht hatte ja doch ein Fluch all jener die ich zurück gelassen hatte gewirkt? Mehr oder weniger zumindest, denn erstaunlicherweise kam ich mit heiler Haut aus solchen Eskapaden raus.

Irgendjemand schien über mich zu wachen, sandte im richtigen Moment, im letzten Moment Hilfe zu mir. In der Ruine war es Noir gewesen, in den Katakomben ebenfalls.

Beim Rudel waren es Durchreisende gewesen, beim Engel war es Mate gewesen und dieses Mal, als sich die Erde aufgetan hatte mich zu verschlingen waren die Elben zur Stelle gewesen. Das übertraf *mehr Glück als Verstand* bei weitem.

Und so oft ich auch mit dem dunklen Gevatter getanzt hatte, sowenig schien er gewillt zu sein, mich aus dieser Welt in die nächste zu führen, wenn es so etwas denn eben gab.

Ich blickte auf meinen Elben herab. Er tanzte nicht.

Ich würde die Präsenz des Tänzers spüren, die mir Trost und Sicherheit vermittelte. Vielleicht würde er in der Sicherheit der Elbenbehausungen wieder zu sich kommen.

Ich hoffte es, denn sonst… wäre ich mit meinem Latein am Ende. Hatten die Elben einen eigenen Heiler? Wozu bräuchten sie einen, sah man von Verletzungen durch Kampf oder Unfällen ab?

Elben wurden nicht krank, eben so wenig wie meine Art es wurde.

Für den Augenblick vergaß oder verdrängte ich einmal mehr, dass es Ausnahmen zu geben schien. Mate war krank gewesen, ich und auch wenn ich es nicht wusste auch mein Mann.

Aber wenn man diese Ausnahmen ohnehin vergaß, gab es keinen wirklichen Grund für Heiler.

Nichts desto trotz kannten sie die Medizinen die Verletzungen und kleinere Erkrankungen rascher zu heilen vermochten als die Medizin der Sterblichen.

Es war bereits dunkel als wir Minas Thar Aearon erreichten.

Die Stände der Händler auf dem Marktplatz waren leer, im Kantor brannte noch ein Licht und eine vertraute Präsenz war im Inneren.

Famarions nicht unähnlich. Sein Bruder? War er dazu ersehen in der Zeit in der sein Großvater abwesend war, sich um die Belange der Stadt zu kümmern? Unwichtig.

Ein Schiff lag im Hafen, seine Besatzung war in der Taverne und genoss es sich den Freuden hinzugeben, die ihnen auf See verwehrt waren.

Wein, Weib und Gesang wenn man so wollte. Seefahrer waren eine schmackhafte Nahrung.

Die Zeit an der salzigen Luft, in der Sonne und der vom Wind gepeitschten See gaben ihnen einen besonderen Geschmack.

Ich wusste ich sollte mir die Zeit nehmen und mich stärken, aber ich wollte nicht.

Wollte Mate nicht allein lassen. Wollte über ihn wachen, solange es eben dauerte.

Rondarion richtete ihm und mir ein Zimmer in seinem Haus.

Wir wären dort in Sicherheit, was auch immer das heißen mochte.

Meine Kehle schmerzte längst, das Gefühl des Erstickens war grausam.

Ich wusste, ich konnte nicht ersticken. Ich wusste es war *nur* Hunger der mich zur Verzweiflung trieb und quälte. Ich versuchte nicht daran zu denken, und zeitweise gelang es mir sogar.

Ich konzentrierte mich auf Mate, auf den Gesang der Vögel oder die Menschen die kamen und gingen. Vor dem Haus vorbeizogen, sich auf dem nahen Marktplatz herumtrieben.

Ich lauschte dem Wind und seinem Lied. Am schwierigsten war es, wenn einer der Elben kam um die Räucherungen auszuwechseln oder die heißen Dampfschalen auszutauschen.

Seine Atmung hatte sich verbessert, aber es war jedes Mal gefährlich für die Elben.

Sie flößten ihm Suppen und Tränke ein um ihn bei Kräften zu halten. Ich reinigte seinen verfallenden Leib, kleidete ihn um.

Wieder und wieder.

Es war jedes Mal eine Herausforderung für mich und meine heißgeliebte Disziplin. JA ich war eine Bestie, oder konnte es sein. Aber ich musste es nicht. Ich wollte es nicht. Ich durfte es nicht.

So kämpfte ich tagein, tagaus mit dem Hunger und der wachsenden Gier, ertrug den Schmerz und die Atemnot die eigentlich nicht real waren.

Tage aus denen eine Woche wurde. Eine Woche denen eine weitere folgte und aus dem ein Monat entwuchs.

Ary und Lissa kamen beinahe täglich vom Schloss herab ins Dorf, um nach mir und dem Spielkameraden zu sehen.

Rosanna hatte die Aufsicht über das Schloss übernommen, wie sie es oft getan hatte wenn Alexander ausgezogen war um irgendwelche Kämpfe auszutragen, und ich war hier.

Es dauerte beinahe zwei Monate ehe Mate die Augen aufschlug und ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so erleichtert gewesen war.

Selbst mein Hunger war vergessen, der Schmerz den der Hunger mit sich brachte, waren nicht mehr existent in dem Moment als mein Eigentum die Augen aufschlug.

Einen Moment lang blickte Mate sich verwirrt, irritiert um, bis sich sein Blick auf mich legte. Prüfend, musternd. Ich sollte ihn in die Schranken weisen.

Aber grade als ich es wollte, riss er die Augen erschrocken, beinahe panisch auf.

Ich wusste nicht was ihn derart erschreckte, aber er trug denselben Ausdruck wie Rondarion und die anderen Elben, wenn sie gekommen waren um seine Tränke und Suppen zu bringen.

„Was?“

Ich erschrak beinahe selbst vor meiner Stimme. Man merkte, dass ich lang nicht gesprochen hatte oder nur das nötigste.

Meine Stimme war rau und heiser, und jedes Wort schien sich aus meiner Kehle herauskämpfen zu müssen.

„Eure Augen…Euer Gesicht…Eure Haut…Ihr…“

„Deine Augen haben nichts dort zu suchen!“

Ich erhob mich von der Bettkannte und schickte mich an die Kammer zu verlassen. Mein Blick glitt flüchtig zu einem kleinen Wandspiegel.

Und ich verstand das Entsetzen und erkannte es in mir selbst.

Meine Augen lagen weit in den Höhlen, waren rot geädert und wirkten im Gegensatz zu sonst blass, wie von einem feinen Nebelschleier umwoben. Dunkle tiefe Ringe umgaben sie.

Meine Haut war fahl und beinahe durchscheinend, pergamentgleich.

Die Haut einer alten Frau. Meine Züge waren eingefallen, jeder Knochen zeichnete sich ab, und ich ahnte, dass es unter meiner Kleidung nicht anders aussah.

Ein Blick auf meine Hände sagte mir, dass ich Recht hatte.

Meine Adern zeichneten sich unter der hellen Haut ab, wie eingezeichnete Flüsse auf einer alten Karte.

Meine blonden Haare waren von weißen Strähnen durchzogen.

Schienen kraftlos, ohne jeden Glanz ohne jedes Volumen.

Das also geschah, wenn wir lang nicht jagten? Wie lange hatte ich inzwischen nicht mehr gejagt? Wann bevor der Berg mich verschlingen wollte hatte ich zuletzt gespeist?

Und wie lange würde es wohl dauern, bis ich in die Starre fallen würde? Ich wollte es nicht wissen, oder? Ich sah abermals in den Spiegel.

Ein beinahe irrsinniger Ausdruck herrschte auf meinen einstmals kühl distanzierten Zügen vor. Ich musste jagen! Oder ich würde zu einer Gefahr für meinen Elben und diesen ganzen Ort werden. Und für den Clan meines Mannes.

Denn vor der Starre käme der Blutrausch. Das letzte, verzweifelte Aufbäumen des vampirischen Körpers gegen das Ende das die Starre bedeuten könnte.

Der Versuch eben jene Starre abzuwenden, mit allen Mitteln, ohne jedes Wenn und Aber, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich wäre bar jeder Kontrolle über mich.

Ich würde reißen und erst aufhören, wenn dieser Ort nur noch Legende wäre. Es würde weder gut noch böse geben. Ich würde keinen Unterschied machen zwischen Mann, Frau oder Kind.

Schuldigem oder Unschuldigem.

Ich könnte es nicht, ich würde es nicht wollen.

Hatte die Bestie erst einmal die Kontrolle übernommen um sein Leben zu schützen würde sie erst wieder weichen, wenn aller Durst vollständig gestillt war, und nichts mehr wäre, das es zu reißen gäbe.

Darum überließ ich meiner inneren Bestie nur selten und ausgesprochen ungern die Kontrolle. Ich wusste nicht, ob ich stark genug wäre sie zurück zu erlangen. Ich wollte kein reißendes Monster sein, kein grausamer Mörder.

Ich wollte nicht so sein, wie mancher meiner Art es war. Elaine, Noir und wusste der gefallene Engel und Hüter der Tore zur Unterwelt wer noch.

Weder wollte ich das sein, noch jemand wie Sidh es war. Vom Mitleid und Schuld zerfressen, nährte er sich von Tieren. Klammerte sich an idiotischen Wertvorstellungen und Moraldogmen die mir fremd waren.

Und wenn ich ehrlich wäre, so wollte ich ihn nicht verstehen. Er war keine Gefahr, kein Rivale und zog Bücher dem Kampf vor. Sollte er sein was er wollte, sofern er nützlich wäre, wenn die Zeit gekommen war.

Ich riss meinen Blick von meinem Spiegelbild und schüttelte den Kopf.

„Ich schicke Rondarion, das er dich versorgt und dir mit dem Bad hilft. Ich bin bald zurück.“

Ich sah nicht zurück um mich zu versichern das er verstanden hatte sondern ging, erteilte die Anweisung mein Eigentum betreffend ehe ich mich aufmachte um meinen Durst zu stillen und meine Kraft zurück zu erlangen.

Ich war langsam, meine Muskeln zitterten unter der Anstrengung die ich ihnen zumutete.

Ich wäre ein leichtes Ziel für Häscher, selbst für einfache Menschen. Straßenräuber wären in diesem Zustand gleichermaßen Gefahr für mich, wie ich für sie.

Ich brauchte lang bis ich Beute fand. Ein paar Herumziehende hatten in der Nähe der Berunda Ebene ein Lager aufgeschlagen.

Ich wartete bis ein junges Mädchen Wasser vom Fluss holte.

Ich bevorzugte weiterhin das Blut eines männlichen Opfers, aber ich konnte nicht wählerisch sein, durfte es nicht.

Ich tötete sie und drei weitere und übergab dem Fluss ihre Körper, ehe ich heimkehrte und mich meiner selbst und meinen Aufgaben wieder gewachsen fühlte.

Bis Mate wieder bei Kräften war, blieben wir in Rondarions Haus, erst dann brachte ich ihn ins Schloss. Lissa liebte es, mit ihm verstecken zu spielen.

Sie kannte dank ihrer Brüder die Mauern so gut wie ihre Rocktaschen.

Und ein krabbelndes Kind war erstaunlich schnell, und konnte sich – manchmal mit Noirs Hilfe, oder der Hilfe seiner Fähigkeiten – erstaunlich gut verstecken.

Und Mate lernte sie auf diese Weise ebenso gut kennen. Ich hielt stets ein wachsames Auge auf ihn, oder befehligte jemanden es zu tun, während ich mich von Rosanna darüber unterrichten ließ, was seit meinem Auszug aus dem Schloss vorgefallen war und welche Kunde es von meinem Mann gab.

Ich erlaubte Mate weiterhin einige Stunden am Tag mit den Elben zu verbringen, zu lernen und mehr oder weniger zu leben.

Es erleichterte ihm das Leben im Schloss, das bei weitem strenger strukturiert war als in der kleinen Burg, in der ich weites gehend frei von Zwängen gewesen war.

Hier war ich die Herrin des Reiches, die Oberste des Clanes und Gemahlin Alexanders.

Hier konnte ich kaum einen Schritt machen ohne, dass eine Garde in unmittelbarer Nähe meine Sicherheit gewährleistete. Stundenlang in den Wäldern zu wandeln war hier undenkbar geworden.

Immer wieder kreuzte Jacob zufällig meine Wege, versuchte mich in ein Gespräch zu verwickeln. Aber ich wusste ohnehin nicht, was ich mit ihm besprechen sollte.

Wir hatten nichts mehr gemein, außer einzelnen Trainingsstunden und Nachhilfe aber das war lange, lange her und boten längst keinen Unterhaltungsstoff mehr.

Hinzu kam, dass ich ihm nicht traute. Ich konnte nicht sagen, was mich bei ihm zur Vorsicht mahnte. Er tat nichts Unrechtes, war zuvorkommend und höflich.

Wenn man ihm auftrug tat er was verlangt wurde. Nach meiner Rückkehr hier war er lächelnd beiseitegetreten und hatte den Platz eingenommen der ihm zugewiesen wurde.

Vielleicht war es genau das? Ich hätte protestiert, hätte Probleme damit gehabt plötzlich wieder zurücktreten zu müssen.

Es war schwer genug, wenn Alexander zurückkehrte. Jedes Mal wieder, tat ich mich schwer damit die Kontrolle und Macht wieder an ihn zu übergeben.

Jacob war aalglatt. Zu perfekt. Zu nett. Ich fühlte mich in seiner Nähe unbehaglich und verbot ihm in die Nähe meiner Tochter zu kommen.

Ja es war dumm, töricht. Ich hatte nichts Greifbares in der Hand, nur meinen Instinkt.

Und der war ab und an, nicht sehr zuverlässig. Ich wünschte mir Alexander herbei. Er würde sich anhören was ich zu sagen hatte und würde Wege finden, mein Misstrauen zu überprüfen.

Aber noch war die Rückkehr meines Herzens nicht in Sicht, noch musste ich warten und ertragen, was die Ketten mir auferlegten.

Je näher die Kämpfe in denen mein Mann focht kamen, umso weniger Freiheiten konnte ich genießen.

Einzig auf den Zinnen und meinem Gemach duldete ich niemanden in meiner Nähe. Die Stunden des Sehnens und Betens und Sinnens gehörten mir allein. Zeit in denen ich die Ketten vergessen konnte.

Mate fügte sich rasch in sein *neues* Leben ein. Er erhielt neue Aufgaben. In der Burg war weit weniger Personal als es im Schloss der Fall war. Es gab jemanden für alles.

Das Einkaufen, das im Ganghalten der Kamine, jemand der die Kerzen entzündete und auswechselte und die Öllampen in Gang hielt.

Kleinigkeiten die er bislang gemacht hatte übernahmen nun dienstbare Geister.

Ich hatte Ankleidedamen, Zofen die mir Bäder bereiteten, Gesellschafterinnen über deren Aufgaben ich mir bislang nicht wirklich klar war und Trainer.

Alles was er für gewöhnlich zu tun gehabt hatte, taten nun andere. Eine Weile zumindest. Ich wies ihn an, jene zu begleiten, die für mich zuständig waren. Mein Wohl und meine Sicherheit betreffend.

Er sollte lernen wie sie es machten. Rasch, effektiv und unsichtbar. Und er konnte das ein oder andere aufschnappen, das Schloss und seine Abläufe kennenlernen und würde mir noch nützlicher sein.

Natürlich musste er auch weiterhin lernen. Kräuter und Gifte als auch Gegengifte. Er hatte großes Talent für diese Dinge und ich wollte, dass er besser darin wurde.

Arsen, Acotinin, Atropa und und und. Er zog aus um Kröten, Frösche und Blindscheichen zu fangen und die Gerüchte zu überprüfen, dass sie giftig waren.

Er führte pedantisch Buch über seine Experimente. Über Erfolge und Misserfolge. Ich erwartete beinahe, dass er irgendwann ein Gift finden würde, das er erfolgreich an mir *ausprobieren* würde.

Angesichts der Vampire hier im Schloss schien es mir sinnvoll, das er lernte wie er sich im Notfall verteidigen könnte. Auch wenn unsere Kraft und Schnelligkeit zum Verhängnis für ihn werden könnten.

Er wusste, dass er meiner Art niemals in die Augen schauen durfte, immer etwas anderes im Kopf haben sollte, wenn der Klang der Stimme zu lockend wurde.

Ich hatte es mit ihm geübt. Stunden, Tage und Wochen. Bis er es schaffte sich weitestgehend unserem Einfluss oder dem Einfluss unserer Stimme zu entziehen.

Jetzt musste er lernen wie er sich verteidigen könnte. Auch wenn ich hoffte, das das niemals notwendig sein würde. Jetzt musste er lernen, all das was er gelernt hatte zu vereinen.

Nachdem ich meine Tochter zu Bett gebracht hatte, sichergestellt hatte das mein Sohn neben seinen Studien nicht vergaß zu jagen kehrte ich in mein Gemach zurück.

Mate wartete bereits auf mich. Nicht das ich ihm gesagt hätte warum er heute so früh wieder da sein und in meiner Kammer warten sollte. Sobald ich eintrat ließ er sich auf die Knie sinken, unterbrach das Bereiten meines Bettes.

Ich trat wortlos an ihn vorbei an meine Kommode. In der untersten Schublade fanden sich Dolche, Kurzschwerter und eine Menge Krimskrams wie Politur, Schleifsteine und Tücher.

Dass Mate genauestens darauf achtete, welche Lade ich aufzog war mir durchaus bewusst und es entlockte mir ein amüsiertes Lächeln. Eine Lade höher befanden sich Peitschen, Rohstöcke, Fesseln als auch Schellen und Manschetten.

Ich müsste Sorge in seinen Zügen sehen oder Furcht, aber allenfalls erkannte ich freudige Erwartung. Er hoffte darauf, dass ich jene spezielle Lade öffnen würde.

„Vielleicht später Mate. Du darfst es dir verdienen.“

Ich wählte einen kostbaren Kris aus. Das Heft war aus leicht gebogenem Elfenbein und enthielt feine Schnitzereien welche die traditionelle *Nachttiere* darstellten.

Die Klinge welche sich von der Basis an verschmälerte war beinahe Schlangenförmig und bestand aus Adamant. Das härteste Metall und selbst für meine Art bestand durch diese Klingen Verletzungsgefahr.

Nicht umsonst waren Klingen aus diesem Material bei den Häschern so beliebt. Zahllose wirre Muster vereinten sich über beide Seiten der Klinge zu geheimnisvollen Symbolen.

Ein Händler hatte mir dieses Stück aus fernen Ländern mitgebracht und ich war fasziniert von Form und Aussehen des Dolches.

Auch wenn es sich ursprünglich um eine Ritualwaffe gehandelt hatte, war es so scharf das es ein Haar spalten könnte.

Lautlos, den Dolch locker in meiner Hand trat ich auf Mate zu, hinter ihn. Mit der Dolchspitze makierte ich den Punkt zwischen den Brustwirbeln, den ich bei überlegenen Gegnern immer wieder anvisiert hatte.

„Treib den Dolch mit aller Kraft zwischen meine Brustwirbel, Mate.“

Sein Kopf ruckte hoch, und es war einzig meiner Schnelligkeit zu verdanken, dass er nicht verletzt wurde. Sein Blick legte sich voller Entsetzen auf mich.

„Ich..Nebel..was?“

Ich schmunzelte und drückte ihm die Waffe in die Hand.

„Du wirst weder mich noch einen anderen meiner Art damit töten. Aber du kannst uns damit weitestgehend handlungsunfähig machen.“

„Weitestgehend?“

Ich nickte zufrieden. Er zeigte Interesse und das war gut so.

Auch wenn diese Art von Interesse ein zweischneidiges Schwert war. Es konnte nutzen und mir Schaden.

Dieser kleine Elb schien in allem was er tat auf dem Grat zu wandeln, zwischen Schutz und Verdammnis für mich.

„Ja weitestgehend. Wir können uns nicht bewegen, aber wir haben noch andere Fähigkeiten. Du weißt, dass ich nicht umsonst verbiete, dass du anderen in die Augen siehst, oder mit dir geübt habe der Stimme zu widerstehen.

Aber Noir ist Schattenmagier. Und weiß der Dunkle selbst, was für Fähigkeiten sonst noch kursieren.

Darum Waffe eintreiben und zusehen das du weg kommst. Sag mir Bescheid und lass nichts aus.“

Die Waffe lag zitternd in seiner Hand, während er mir zuhörte und die neu gewonnenen Informationen sortierte. Ich trat zurück, nur ein paar Schritte.

„Auf die Beine Mate. Treib mir die Klinge zwischen die Wirbel.“

Mate tat was ich befahl und stand auf. Er wirkte unsicher.

Schien abzuwägen ob es eine Falle wäre, oder ich es wirklich ernst meinte oder es eine Falle um ihn zu peinigen.

Unsicherheit stand in seinen Zügen geschrieben. Unsicherheit die sich in Entschlossenheit wandelte.

Gut so! Guter Elb! Jetzt würde ich sehen, wie aufmerksam er aufgepasst hatte. Wie gut er das bisher gelernte verinnerlicht hatte.

„Wenn ich es schaffe, Euch den Dolch zwischen die Wirbel zu treiben…“

Sein Blick glitt zur Kommode und blieb auf DER Schublade hängen. Ich schmunzelte und nickte.

„Wenn du es schaffst, werde ich dich belohnen.“

Jetzt hatte ich verloren. Um seinen Lohn, diese Art von Belohnung zu bekommen, würde Mate töten. Oder es versuchen.

Sehr gut.

Nun wusste ich, er würde alles versuchen um seine Aufgabe zu erfüllen, alle notwendigen Anstrengungen unternehmen.

Ein Lächeln zupfte an meinen Lippen, mein Blick wurde weich und sanft und meine Züge entspannten sich und wiesen eine selten gesehene Verletzlichkeit auf.

„Leg die Waffe weg, Mate. Du brauchst sie nicht.“

Der sonst so schneidend kalte Hall meiner Stimme war nun freundlich und sanft. Lockend und eindringlich.

Mein Elb schien irritiert, bis ihm klar wurde das es begonnen hatte.

Kurz zitterte die Klinge in seiner Hand, schien er gewillt sie fallen zu lassen, ehe er den Blick von meinem Gesicht nahm.

Er begann leise zu summen.

Guter Junge…was summte er da?

Ich unterdrückte ein auflachen. Hört Ihr Leut‘ und lasst Euch sagen…

„Mate…du willst mir doch gar nichts tun, oder? Ich schenkte dir ein besseres Leben, eine Freiheit trotz aller Ketten.“

Ja das war gemein, aber wen kümmerte das? Weder ich noch meine Art spielten fair wenn wir jagten. Wir lockten, erpressten. Wir nahmen uns was wir wollten.

Meine Stimme klang bittend, anklagend. Und es wirkte. Das Summen geriet ins Stocken und die vorsichtigen Schritte meines Elben ebenso.

Innerlich feuerte ich mein Eigentum an.

Ich wollte, dass er siegte. Nicht weil er dann die Belohnung erhielt, sondern weil es zeigte das er rasch lernte.

„Mate… bitte.“

Das Summen verklang, die Waffe zitterte wieder in seiner Hand. NEIN! Nicht aufgeben, er durfte nicht aufgeben.

„Bitte… leg die Waffe weg, Mate. Bitte.“

Ich widerholte seinen Namen, sanft, freundlich, bittend. Ihn der Befehle ausführte und erteilt bekam, den bat ich. Weil ich wusste, dass das wirken würde.

Ich spielte sein Gewissen gegen ihn aus, weil er eines hatte und ich es konnte.

„Nach allem...Mate nach allem was war…bitte. Mate…lass die Waffe fallen. Du willst mir nichts tun, nicht wahr?“

Ich streckte eine Hand nach ihm aus, ich wusste er würde es bemerken, wusste er würde es sehen, denn nur weil er den Blick von meinem Gesicht genommen hatte, hieß das nicht das er ihn ganz von mir nahm.

Ich hatte ihn! Meine Stimme oder das Spiel mit jener hatten ihn eingefangen. Der Ausdruck auf seinen Zügen verriet es mir.

Schlafwandlerisch schien er, wie in Trance.

Der Klang des Dolches der auf den Boden aufschlug schien mir widernatürlich laut, aber Mate zuckte nicht einmal zusammen.

Er kam näher, näher und ergriff meine Hand.

Meine Finger legten sich um die seinen. Ich schmunzelte, legte ihm die freie Hand an die Wange.

„Nicht schlimm. Wir werden es weiter versuchen, Mate.“

„…ja Nebel…“

Enttäuschung schwang in seiner Stimme mit. Ein flüchtiger sehnsuchtsvoller Blick galt der Kommode. Ich gab ihn frei, hob die Waffe auf und verstaute sie wieder, ehe ich begann mich umzukleiden.

Mate ging mir wie stets zur Hand. Aber mit den Gedanken war er noch bei der Übung, und zürnte seinem eigenen Versagen.

Ich könnte ihm sagen warum er es nicht geschafft hatte, obwohl ihm das Widerstehen schon oft gelungen war, aber er fragte nicht und so überließ ich ihn seinen Gedanken.

Vielleicht würde er von selbst darauf kommen. Vielleicht.

An den nächsten Abenden widerholte ich das Spiel. Und jedes Mal vermochte Mate es länger meinem Klang zu widerstehen.

Und mit jedem Mal wurde ich grausamer, nutzte das was ich durch das erste Mal trinken erfahren hatte.

Er gab nicht auf, wollte es wieder und wieder versuchen. Er bat immer wieder darum, dass wir es nochmal versuchten. Er versuchte es so hartnäckig als hinge sein Leben davon ab.

Ich hoffte, dass dies nicht der Fall wäre. Ich wollte nur, dass er vorbereitet wäre, wenn es zu einem Zwischenfall käme.

Wenn es hart auf hart käme, hatte er nicht den Hauch einer Chance, aber bei einem einfachen Jagdversuch könnte er durchaus mit heiler Haut davon kommen.

Es war beeindruckend. Allein dafür sollte ich ihn belohnen.

Aber ich befürchtete, dass wenn ich das tat, sein unbezwingbarer Wille zu lernen, erlöschen würde.

„Du willst nicht sein wie SIE.“

Sie. Die Häscher, jene die ihm sein Leben zerstört hatten. Ihm seine Familie und sein Leben geraubt hatten. Ihn letztendlich in meine Hände geführt hatte. Es war unfair, es war grausam ihn damit zu konfrontieren.

Ich streckte meine Hand nach ihm aus. Das Summen das er nutzte um sich von mir abzulenken war bereits verstummt. Anstrengung spiegelte sich in seinem Gesicht wieder, Schweiß stand ihm auf der Stirn.

Seine Arme hingen herab, der Kopf gesenkt fielen ihm einzelne Strähnen ins Gesicht. Er kämpfte. Mit aller Macht, mit allem was er aufbringen konnte.

„Sei nicht wie SIE. Du bist besser als sie es waren, Mate.“

Er hob seine Hand. Es wirkte wie eine Puppe, eine Marionette welche sich bewegte weil der Puppenspieler es so wollte und am Band zog.

Ein Schritt, ein weiterer den er auf mich zu machte. Ich lächelte. Sein Geist kämpfte. Ich erkannte es an seinen Bewegungen, an der Art wie er ging. Zu steif, zu abgehackt.

Innerlich flehte ich beinahe das er nicht aufgab. Ich wollte stolz auf ihn sein, ich würde stolz auf ihn sein. Seine Finger legten sich in meine Handfläche. Lebendiges warm traf auf lebloses kalt.

Unwillkürlich erschauderte ich, wie ich es meistens tat, wenn lebendige mich berührten. Nicht das das oft geschah, sah man vielleicht von Mate ab.

Und für gewöhnlich waren das zufällige Berührungen wenn er mir beim Ankleiden half, oder eben wie jetzt wenn wir trainierten.

Ich umfasste seine Hand, zog ihn an mich heran. Ein Restwiderstand. Sehr gut.

Er versuchte meinen *Bann* zu durchbrechen. Ich legte meine freie Hand an seine Wange und er sah mit verhangenem Blick zu mir herab.

Manchmal vergaß ich das er größer war als ich, gute zehn Zentimeter sogar. Hinter dem Schleier der Trance, meines Bannes erkannte ich den Kampf, den sein Geist focht.

Er hatte noch nicht aufgegeben, aber konnte sich noch nicht meinem Willen entziehen. Nicht mehr lang und er würde es schaffen. Ich musste nur weiter mit ihm üben.

Plötzlich tat er etwas das mich überraschte. Er neigte sich herab und streifte mit seinen Lippen die meinen. Ich riss die Augen auf. So ein frecher Bastard!

Ein überraschter, erschrockener Laut perlte von meinen Lippen, während seine Augen klar und hart wurden.

Der stechende Schmerz war kurz und heftig. Meine Beine versagten mir den Dienst, aber mein Elb ließ nicht zu, das ich zu Boden sank.

Er hielt mich sicher in seinem Arm, während ich einem Spielzeug, der Marionette gleich an die er mich erinnert hatte in seinem Arm hing.

Er hatte meine Entrüstung über seine Frechheit genutzt um das zu tun, was ich befohlen hatte: Die scharfe Klinge zwischen meine Wirbel treiben.

„Für einen Elben ganz schön hinterhältig, Mate.“

„Vergebt mir, Nebel.“

Er raubte mir einen Kuss, und entriss mir den Dolch ehe er mich vorsichtig ablegte und wohlweislich zurück trat.

Ich schloss die Augen, wartete und spürte der Heilung nach. So ein hinterhältiger kleiner Mistkerl.

Ich könnte nicht stolzer auf ihn sein. Langsam setzte ich mich auf, legte meinen Blick auf mein Eigentum.

„Nun, dass war beeindruckend. Frech, hinterhältig aber beeindruckend.“

Wenn wir uns des Sieges gewiss waren, ließ unsere Achtsamkeit nach. Wenn man davon ausging, dass ein Opfer sich nicht mehr wehren könnte und würde, wurde es unnötig auf der Hut zu sein.

Mate lächelte mit gesenktem Blick aber schwieg. Er wusste er hatte seine Aufgabe erfüllt, und würde seine Belohnung erhalten. Wenigstens das hatte er inzwischen begriffen.

Begriffen, dass ich mein Wort halten würde. Bei Lohn als auch Strafe. Das machte alles viel einfacher.

Ich erhob mich und bedeutete meinem Elben sich des Hemdes zu entledigen, während ich die Schellen holte und am Gestell des Himmels befestigte.

Es war bei weitem nicht so stabil wie es die Eisenringe in der Burg waren, aber es würde seinen Zweck erfüllen. Für gewöhnlich vermied ich es, an die Burg zu denken oder die Vorkommnisse.

Noch immer brachte mich der Gedanke daran, so oft er unwillkürlich über mich kam, zum Erschaudern. Ebenso wie es die Katakomben taten.

Aber all das Grauen konnte ich verdrängen, und sei es das ich Mate entlohnte, wie ich feststellte. Denn so wie Mate sich unter dem Schnurren meiner Katze entspannte, so tat ich es.

Die Sonne stand am Himmel, doch spendete sie kaum Wärme oder Helligkeit. Meine liebste Jahreszeit näherte sich in rasanten Schritten. Ich könnte nicht sagen, wo jeder Tag blieb.

Auch wenn die Bäume nackt, kahl und trostlos aussahen, alles Leben sich unter der Erde verbarg, bedeutete diese Zeit die dem Tod so ähnlich schien und einzig ihm geweiht war für mich Frieden.

Der Regen und der Frost hatten feine Zapfen in die Wipfel gehängt, welche im sachten Wind leise und melodisch klirrten und unter den Strahlen der Sonne wie Diamanten funkelten.

In der Luft schwang der Geruch des nahenden Schnees mit.

Wie konnte man diese Zeit nicht lieben?

Der Mogennebel hüllte das Land noch weitestgehend ein. Ein mystisches Gespinst in dem Mythen und Legenden lebten. Indem alles möglich war.

Eine undurchdringbare Wand die gespenstisch leuchtete. Niemand könnte sagen, was sich dahinter oder darin verbarg. Und niemand wollte es wirklich wissen.

Dinge nahmen Kontur an, je näher man kam, je weiter man sich in das feuchtkalte Gespinst wagte. Auch wenn ich es liebte, in meinem Namensvetter zu jagen, waren meine Schritte heut nicht zur Jagd gedacht, sondern dienten lediglich der Kurzweil. Ein Spaziergang um mit jeder Faser und allen Sinnen auszukosten, das ich lebte. Mehr oder weniger.

Bald wären die Männer zurück und das Beten und Sehnen hätte für die Dauer des Winters ein Ende. Ein Atemholen vor den nächsten Kämpfen. Auch wenn ich jedes Jahr aufs Neue hoffte, das keine weiteren Kriegszüge erforderlich waren.

So wie ich jedes Jahr aufs Neue hoffte, dass mein Mann in der Nacht neben mir liegen würde, wenn er am Morgen das Schloss verließ.

Doch was ich mir auch wünschen mochte – Das der Winter ewig währte, das der Krieg endete, das meine Kinder in Sicherheit wären…

All das spielte keine Rolle, wo bereits die Luft nach dem kommenden Schnee roch. Gestalten tauchten in meinem Namensvetter auf. Undeutliche Schemen zunächst, doch nahmen sie mit jedem Schritt an Klarheit zu.

Zwei schlagende Herzen, eines kräftig und stark das andere schnell wie ein Flügelschlag. Ein Kind und eine Frau. Mein Kind und seine Amme.

Lautlos näherte ich mich den beiden. Ich vernahm das Gelächter meiner Tochter und das Geräusch aufschlagender Kinderhände in flachem Wasser.

Was fanden Kinder nur an Wasser und Dreck? Ein Quengeln erklang, als die Amme meine Tochter auf die Beine zu stellen versuchte. Nicht das mein kleiner Dickkopf dies einfach so gewährte.

Meine Schritte verebbten ebenso lautlos wie gesetzt waren und schmunzelnd betrachtete ich die beiden einen Moment lang ehe ich mich räusperte.

Synchron drehten sie sich zu mir um, und skeptisch schwang meine Braue sich hinauf. Die stumme Frage nach dem was sie hier taten stand in meinen Zügen, doch ward die Strenge ein wenig gemildert, vom Lächeln das an meinen Mundwinkeln zupfte.

„Mamaaaaa!“

Clarissa oder Lissa wie sie allgemein gerufen wurde, tapste mit eiligen Schritten auf mich zu. Ein unschuldiger Schalk tanzte in ihren Augen und eine lebendige Röte zierte ihre Wangen.

Fordernd streckte sie ihre Hände nach mir aus und allzu bereitwillig kam ich der Aufforderung nach.

„Was stellst du wieder an, Engelchen? Machst du Dummheiten?“

„Eheh“

Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf die Pfütze in der Laub und Erde mit Steinen zu einer Pampe verrührt worden war.

Mit einer Hand richtete ich den Kragen und die pelzbesetzte Kapuze ihres Mantels, kontrollierte das Schuhwerk das nicht weniger nass war wie die Ärmel und die Strumpfhosen.

„Warum kochst du denn nicht so tolle Sachen in der Schlossküche, Lissa?“

Natürlich war die Antwort klar – da gab es keinen Dreck. Aber Lissa schien tatsächlich zu überlegen ob das nicht eine tolle Idee wäre.

Das Küchenpersonal würde mich tausend Mal verfluchen, weil ich das aufgeweckte Kind auf solche Ideen brachte.

Die Amme war schweigend und lächelnd zurückgetreten und gewährte mir und meinem Engel ein wenig Zeit.

„Mama, wo Papa?“

Mit großen Augen lugte sie unter der Kapuze vor und kuschelte sich an mich. Langsam begann sie zu frieren. Die Aufregung und das Getobe war vorerst vorbei, dann erinnerte man sich daran, dass es kalt war.

„Papa ist bald zuhause, meine Kleine. Und du bist schmutzig und nass. Soll Papa dich so auf den Arm nehmen?“

„Lissa nass.“

Sie streckte mir ihre kalten nassen Händchen ins Gesicht und ich bibberte gespielt.

„Und kalt. Was meinst du wollen wir das Schloss fluten und Lissa baden?“

Clarissa quietschte aufgeregt. Sie liebte das Bad, das für gewöhnlich erst am Abend anstand, bevor sie ins Bett musste. Ich drückte sie sanft an mich, zog den eigenen Umhang so zu Recht, dass sie mit darunter konnte, ehe ich meine Schritte den warmen Mauern gen lenkte.

Mate war mit seinen Studien beschäftigt, andernfalls wäre er kaum das wir im Schloss waren an meiner Seite gewesen und hätte gehofft mir meine Tochter für ein paar Stunden zu rauben.

Die beiden hatten aneinander einen Narren gefressen.

Was gut oder vorteilhaft für mich war, denn wenn ich jagte oder trainierte, passte mein Elb auf meine Tochter auf, und er würde sie vermutlich nicht weniger schützen als mich.

Nicht, dass es notwendig wäre – sah man von Akina und vielleicht dem Kardinal ab – aber bisweilen war es angenehm. Angenehm nicht die starke Kriegerin sein zu müssen, oder Gemahlin des Oberhauptes.

Manchmal war es angenehm nicht stark sein zu müssen und sich beschützt zu fühlen ohne in Ketten gelegt zu werden. Und so wie Mate mir ein willkommener Beschützer wurde, so war er für Lissa ein aufregender Spielkamerad, der ihrer Spiele nicht müde zu werden schien.

Wer von beiden alberner war oder neugieriger war nicht zu erkennen. Waren sie einmal im Spiel vertieft, war es schwierig sie dazu zu bewegen, dass es für einen Tag reichte.

Schnell wurde aus dem Schlaflied noch eine Gutenachtgeschichte, und aus einer Geschichte wurden schnell zwei oder drei. Und am nächsten Tag war es schwer aus dem Bett zu kommen.

Bei meiner Tochter war es gleich. Sie konnte ausschlafen, auch wenn sie uns in der Früh meist mit infernalischem Geschrei weckte: LISSSAAAA WAAAAAAACH!

Mate konnte sich den Luxus des Ausschlafens nicht leisten, und Unaufmerksamkeit und Träumereien ebenso wenig. So wenig wie ich mit Lob und Belohnung geizte, sowenig sparte ich mit Strafe, und mein Elb wusste es und mühte sich zeitig in sein Lager zu kommen.

Zwei oder dreimal hatte er es versäumt und es war mühsam für ihn gewesen seinen Aufgaben nachzukommen. Und wie ich einmal war, konnte ich es nicht lassen und legte ihm zusätzliche Aufgaben auf.

Bis in die Nacht ließ ich ihn arbeiten.

Er schlief kaum das er seine Matratze berührte. Das hatte gewirkt. Für eine Weile würde er sich noch hüten seine Ruhe zu vernachlässigen.

Ich wies eine Zofe an, das Badewasser für meine Tochter zu bereiten, während ich half passende Kleidung zu finden. Natürlich gingen unsere Meinung was passend war, weit auseinander.

Clarissa hatte mit ihren fast zwei Jahren einen unglaublichen Dickkopf, den sie eindeutig von der Mutter geerbt hatte.

Auch wenn sie vom Aussehen her eindeutig mehr nach ihrem Vater schlug.

Dieselben Gesichtszüge, noch rundlich aber eindeutig seine, dieselben Augen, die Nase, das Haar. Niemand könnte zweifeln wer der Vater dieses Mädchens war.

Dafür hatte sie meine Sturheit und eine furchtbare Beharrlichkeit. Sie wollte am liebsten feine Sommerkleidchen tragen, dünne Schühchen. Und als ich diese verwarf, wollte sie farbenfrohe Nachtgewänder anziehen.

Als sie jedoch ein Hemd ihres ältesten Bruders aus ihrem *geheimen Geheimversteck* zog suchte ich ihr lachend warme Kleider raus.

„Wenn Noir sieht, das du ihm seine Hemden stielst, wird er schimpfen.“

Mein sanftes Tadeln ließ sie zuerst auf sehen und sich dann lang auf den Boden ausstrecken.

„Nono? Nooonoooo!“

Unter ihrem Bett suchte sie nach dem großen Bruder, und fand neben einer Puppe nur die Dunkelheit und Schatten. Jene

Dunkelheit, welche die meisten schreckte.

Jeder kannte das Grauen, das mit der Dunkelheit einher kam.

Der schwarze Mann der jene raubte, welche sich des Nachts aus dem Bett wagten.

Regungslos und mit angehaltenem Atem lagen in den Häusern Kinder und manche Erwachsene in ihren Betten, wenn der Wind um die Häuser zog und die Dielen und Balken knarrten.

Nur meine kleine, mein Wildfang suchte in dieser Dunkelheit nach ihrem Bruder.

Wie oft suchte sie wohl erfolgreich?

Wie oft neckte der ach so unnahbare Schattenkrieger seine kleine Schwester auf diese Weise?

„Noir ist jagen, mein Engel.“

Nono, das war gut, und auch wenn ich es vermutlich bis in alle Ewigkeit bereuen würde, das musste ich ihm einfach früher oder später unter die Nase reiben.

Ich nahm ihre Kleider und Schuhe in einen Arm und reichte ihr meine freie Hand. Einen Moment lang gab ich mich der Betrachtung meiner Tochter hin. Wunderschön, so perfekt, so lebendig.

„Ary wo?“

Ary Tias hatte immer irgendetwas Süßes für seine kleine Schwester dabei. Gebäck oder Honigwaben, Süßholz natürlich. Und so etwas hatte sich mein kleiner Dickkopf natürlich gemerkt: Arys Kommen bedeutete es gab was Süßes und Leckeres.