Die Abenteuer des Röde Orm - Frans G. Bengtsson - E-Book
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Die Abenteuer des Röde Orm E-Book

Frans G. Bengtsson

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Beschreibung

Wild ist die Welt der Wikinger Die Lebensgeschichte des jungen Bauernsohns Röde Orm bietet alles, was einen großen Wikinger-Roman auszeichnet: gefährliche Raubzüge, ferne Länder, zarte Poesie, heftige Familienstreitigkeiten und natürlich schöne Frauen. Spannend und mit viel Humor erzählt Frans G. Bengtsson von seinen trink- und liebesfreudigen Helden, die im Europa des 10. Jahrhunderts auf große Fahrt gehen – die letzte echte Wikinger-Saga.

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Frans G. Bengtsson

Die Abenteuer des Röde Orm

Roman

Aus dem Schwedischen von Elsa Carlberg

PROLOG

Wie es den Geschorenen zur Zeit des Königs Harald Blauzahn in Schonen erging

Bue und Vagn verließen Schonen und mit ihnen viele Männer, die unruhigen Blutes waren. Sie hatten kein Glück im Kampf bei Hjörungavåg. Andere folgten Styrbjörn gen Uppsala und fielen dort mit ihm. Als daheim bekannt wurde, daß nur wenige zurückerwartet werden konnten, errichtete man Gedenksteine und sagte Trauergesänge her; worauf alle Verständigen sich darüber einig waren, daß es so am besten sei, wie es gekommen war. Denn nun konnte man auf mehr Stille hoffen und auf weniger Besitzwechsel durch scharfe Klingen. Für Roggen und Heringsfang kamen nun ertragreiche Jahre, und den meisten sagte das zu; und wer der Meinung war, daß die Ernte zu lange auf sich warten ließ, fuhr nach England und Irland und heerte dort mit Gewinn; und viele blieben für immer in der Ferne.

Von Sachsen und England waren jetzt geschorene Männer gekommen, um in Schonen die christliche Lehre zu predigen. Sie hatten von gar vielem zu reden, und anfangs war man neugierig und hörte gern zu; und die Frauen fanden es lustig, von den Fremden getaucht zu werden und von ihnen ein langes weißes Hemd geschenkt zu bekommen. Aber bald war der Hemdenvorrat der Fremden zu Ende, und man hörte auf, ihren Predigten zu lauschen, die man nun ermüdend und wenig glaubwürdig fand; dazu war ihre Redeweise stockend und gab ihnen den Anschein, als seien sie kindischen Geistes. Sie mochten solches Reden in Hedeby oder auf den westlichen Inseln gelernt haben.

Mit dem Taufen wollte es daher nicht recht vorwärtsgehen, und es kam vor, daß Geschorene, die viel von Frieden sprachen und dennoch in Gewaltsamkeit gegen die Götter entbrannt waren, von glaubenstreuen Männern ergriffen und in die heiligen Eichen gehängt wurden; man stach ihnen Speere in den Leib und überließ sie Odins Vögeln. Aber andere, die zu den Wäldern derer von Göinge gelangt waren – mehr nach Norden zu, wo man für Dinge des Glaubens wenig Sinn hatte –, wurden mit Freuden begrüßt und gebunden und auf die Marktplätze in Småland geführt, wo man sie gegen Ochsen und Biberfelle eintauschte. Einige von ihnen ließen sich nun als småländische Knechte das Haar wachsen, und wenig zufrieden mit Jehova taten sie als Arbeiter das ihre; aber die meisten wollten auch weiterhin die Götter stürzen und Frauen und Kinder ins Wasser tunken, lieber als Steine brechen und Korn mahlen; und sie machten ihren Herren so viel Verdruß, daß die von Göinge für einen richtigen Priester bald kein Paar dreijährige Ochsen mehr bekommen konnten, es sei denn, daß sie noch Salz und Wollstoff dazugaben. Deshalb war man in den Grenzlanden den Geschorenen nicht wohlgesinnt.

Da ging einst im Sommer durch das ganze Dänenreich die Kunde, daß König Harald Blauzahn die neue Lehre angenommen habe. Schon einmal, in jungen Jahren, hatte er einen Versuch damit gemacht, es dann aber bald bereut; nun aber war er im Ernst übergegangen. Denn König Harald war alt geworden und hatte an Rückenschmerzen lange schwer gelitten, so daß er an seinem Bier und seinen Frauen nur noch wenig Freude haben konnte. Da hatten kluge, vom Kaiser gesandte Bischöfe ihn mit Bärenfett eingerieben, das durch Apostelnamen besonders wirksam gemacht worden war; und statt des Bieres hatten sie ihm geweihtes Kräuterwasser gegeben und zwischen seinen Schultern das Kreuz geschlagen und viele Teufel aus ihm herausgebetet, bis der Schmerz vergangen und der König zum Christen geworden war.

Dazu hatten die Gottesmänner verheißen, daß noch schlimmeres Elend über ihn kommen werde, wenn er wieder den Opferbräuchen verfallen oder sich als lau im Glauben erweisen sollte. Sobald er sich wieder rühren und auch die junge maurische Sklavin zu sich nehmen konnte, die Olof-mit-den-Edelsteinen, der König von Cork, ihm als Zeichen der Freundschaft gesandt hatte, befahl daher König Harald, daß alles Volk sich taufen lassen sollte; und obwohl das seltsam schien bei einem, der selber von Odin abstammte, gehorchten doch viele seinem Gebot, denn er hatte lange und glücklich regiert und daher im Lande viel zu sagen. Er verhängte die härtesten Strafen über alle, die Hand an die Priester legten; deren Zahl nahm nun in Schonen zu. In den Ebenen wurden Kirchen erbaut; und nur in Seenot und bei Krankheiten des Viehs waren die alten Götter noch in Brauch.

Indes in Göinge wurde über das alles viel gelacht, denn die Leute in den Grenzwäldern wurden vom Lachen leichter gepackt als die Nüchterndenkenden auf dem schweren Lehmboden, und über königliche Befehle lachten sie am meisten. Die Macht der Gebietenden reichte in jenen Gegenden meist nicht weiter als ihr rechter Arm, und von Jellinge bis nach Göinge war es ein langer Weg, auch für die größten Könige. Zu alten Zeiten, in den Tagen König Hildezahns und Ivars des Weitgreifenden und noch früher, da pflegten wohl Könige nach Göinge zu kommen, um dort in den großen Wäldern Wildochsen zu jagen, und nur selten kamen sie in anderen Geschäften. Seitdem hatte es mit den Wildochsen ein Ende genommen und auch mit den Besuchen der Könige; und wenn einmal einer – durch Ungehorsam oder kärgliche Steuerzahlung verärgert – mit seinem Kommen drohte, dann bekam er gewöhnlich zur Antwort: daß Wildochsen in dieser Gegend nicht gesehen worden seien, daß man ihm aber Nachricht geben und ihn freundlich empfangen würde, sobald sie sich wieder zeigen sollten. Daher war es bei den Grenzbewohnern eine alte Rede, daß kein König zu ihnen kommen werde, bevor nicht die Wildochsen wieder da seien.

So blieb denn in Göinge alles, wie es gewesen war, und das Christentum kam dort nicht in Gang. Die Priester, die sich dorthin wagten, wurden nach wie vor jenseits der Grenze verkauft; aber es gab Leute in Göinge, die meinten, von Rechts wegen sollte man sie alle auf der Stelle erschlagen und Krieg anfangen mit den Nährigen in Sunnerbo und Allbo, weil der Preis, den die Småländer für Priester zahlten, diesen Handel nicht lohnend genug machte.

ERSTES BUCH

Die lange Reise

Vom Bauern Toste und seinem Haushalt

Die Leute an der Küste lebten aus Nahrungsgründen und der größeren Sicherheit wegen in Dörfern; denn von den Schiffen her, die Schonen umfuhren, wurden oft Strandüberfälle versucht. Das geschah sowohl im Frühling durch Männer, die, auf der Ausfahrt begriffen, billig zu frischen Eßvorräten kommen wollten, wie auch im Herbst durch solche, die nach fehlgeschlagener Heerfahrt mit leeren Händen heimkehrten. Hörner ertönten in der Nacht und riefen die Nachbarn zu Hilfe, wenn es sich zeigte, daß eine Schar an Land gegangen war; und wo die Dorfbewohner tüchtig waren, geschah es wohl, daß die Daheimgebliebenen das eine oder andere Schiff unvorsichtigen Fremden wegnahmen, so daß sie den Hinausgefahrenen schöne Beute vorzuweisen hatten, wenn die Langschiffe heimkehrten zur Winterrast.

Aber reiche und stolze Männer, die eigene Schiffe besaßen, litten nicht gern Nachbarn in ihrer Nähe; sie wohnten am liebsten jeder für sich, denn ihr Gehöft stand, auch wenn sie draußen auf See waren, unter dem Schutz tüchtiger Männer, die man zurückgelassen hatte. In der Gegend von Kullen gab es viele solche reiche Bauern, und sie standen dort im Ruf, hochmütiger zu sein als andere. Wenn sie daheim waren, gab es leicht Streitigkeiten zwischen ihnen, obschon ihre Gehöfte weit voneinander lagen. Aber oft waren sie fern; denn von Kindheit an blickten sie auf das Meer hinaus, das sie betrachteten als ihr eigenes Grenzland, wo jeder selbst schuld war, wenn er ihnen in den Weg geriet.

Es gab da einen Bauern namens Toste. Er war ein geachteter Mann und ein großer Seefahrer; obschon bei Jahren, steuerte er doch noch wie stets sein Schiff und fuhr jeden Sommer außer Landes. In Limerick auf Irland hatte er unter den dort ansässig gewordenen Wikingern Verwandte, und er pflegte dorthin zu fahren, um Handel zu treiben und dem Häuptling, der vom Blute Lodbroks war, beim Eintreiben der Steuern von Klöstern und Kirchen und von den Iren zu helfen. Die Wikinger hatten jetzt auf Irland nicht mehr so gute Zeiten, seit der König von Connacht, Muirkjartach-mit-den-Ledermänteln, seinen Rundgang um die Insel mit der Schildseite gegen das Meer gemacht hatte; denn die Eingeborenen wehrten sich nun besser und folgten williger ihren Königen, so daß es viel Mühe machte, ihnen die Steuern abzunehmen; und sogar Klöster und Kirchen, die früher leicht zu plündern gewesen waren, hatten nun hohe steinerne Türme, in denen sich die Priester mitsamt ihren Schätzen versteckt hielten, und wo sie weder durch Feuer noch mit Waffengewalt zu erreichen waren. Darum meinten nun viele von den Männern Tostes, daß es besser wäre, die Fahrt nach England oder Frankreich zu richten, wo die Zeiten noch gut waren und wo mit weniger Mühe mehr gewonnen werden konnte. Aber Toste hielt es am liebsten so, wie er es gewohnt war, und meinte auch, er sei zu alt, um in Ländern, in denen er nicht heimisch sei, Neues zu versuchen.

Seine Frau hieß Åsa und stammte aus dem Waldlande. Sie hatte eine beredte Zunge und war recht unwirsch im Wesen, und Toste sagte bisweilen, er könne nicht viel davon merken, daß sie mit den Jahren milder werde, wie das wohl mit Männern zu geschehen pflege. Aber sie war eine tüchtige Hausfrau und verwaltete das Gehöft gut, wenn Toste abwesend war. Sie hatte ihm fünf Söhne und drei Töchter geboren, aber mit den Söhnen hatten sie nicht viel Glück gehabt. Der älteste war als Jüngling auf einer Hochzeit umgekommen, als er, vom Bier erheitert, hatte zeigen wollen, daß er einen Stier reiten könne; der zweite war während eines Sturmes auf seiner ersten Reise über Bord gespült worden. Aber am schlimmsten war es mit Are, dem vierten, gegangen; denn mit neunzehn Jahren hatte er zwei Nachbarsfrauen zu Kindern verholfen, zur Sommerszeit, während ihre Männer außer Landes waren. Daraus war viel Schererei und Nachrede entstanden, und für Toste auch große Ausgaben, als die Männer zurückkamen. Are wurde davon mißmutig und menschenscheu, und schließlich hatte er einen Mann, der über seine Behendigkeit zu viel Späße gemacht hatte, erschlagen und war aus dem Lande geflohen. Es hieß, er habe sich schwedischen Kaufleuten zugesellt und sei mit ihnen gen Osten gefahren, um nicht Leuten zu begegnen, die von seinen Unannehmlichkeiten wußten; aber danach hatte man nichts mehr von ihm gehört. Åsa hatte von einem schwarzen, an den Schulterblättern blutigen Pferde geträumt, und damit wußte sie, daß er tot war.

Zwei Söhne waren nun alles, was Åsa und Toste noch hatten. Der ältere hieß Odd; er war kurz von Wuchs, krummbeinig und breit gebaut, stark, harthändig und bedächtig in seiner Rede. Er war schon früh auf Tostes Fahrten mit dabei und verstand sich auf Schiffe und Waffen. Daheim zeigte er sich nach kurzer Zeit störrisch, denn der Winter verging ihm zu langsam, und mit Åsa kam er dann nicht leicht überein. Er pflegte zu sagen, es verhalte sich mit ihm nun einmal so, daß ranziges Eingesalzenes auf dem Schiff ihm besser schmecke als der Julbraten an Land; aber Åsa sagte, sie habe nie merken können, daß gerade er am wenigsten nehme, wenn sie das Beste vorsetzte. Tagsüber schlief er so viel, daß er häufig über schlechten Nachtschlaf klagte; und auch wenn er eine Magd zu sich ins Bettstroh nahm, machte das, wie er sagte, die Sache nicht viel besser. Åsa mochte nicht leiden, daß er bei ihren Mägden lag; denn von dergleichen konnten sie leicht eingebildet und trotzig gegen ihre Brotherrin werden. Odd solle sich lieber verheiraten. Odd aber sagte, damit habe es keine Eile; die Frauen, die ihm am besten gefielen, habe er auf Irland gefunden, und von dort könne er schwerlich eine mit heimnehmen; denn dann würden vermutlich bald sowohl Schnäbel wie Klauen bei ihr und Åsa im Gange sein. Das ärgerte Åsa, und sie fragte, ob er nun dasitze und wünsche, daß sie sterben möge? Odd gab dann wohl zur Antwort, sie möge es damit halten, wie es ihr selber gut scheine; er wolle ihr in dieser Sache keine Ratschläge geben. Aber er werde aushalten, was auch komme.

Obschon er langsam in seiner Rede war, hatte Åsa es nicht immer leicht, das letzte Wort zu behalten, und sie pflegte zu sagen, daß es in Wahrheit hart für sie sei, drei gute Söhne verloren und gerade den nachbehalten zu haben, den sie am leichtesten entbehren könne.

Mit Toste kam Odd besser überein; und sobald der Frühling kam und es anfing, um Bootshaus und Landungsbrücke nach Teer zu riechen, pflegte er besserer Laune zu werden. Mitunter versuchte er sich dann sogar mit dem Zusammensetzen von Liedern, obschon dabei nicht viel herauskam; er beschrieb, wie die Flur des Alkvogels nun zum Pflügen bereit liege, oder wie die Meerrosse ihn bald zum Sommerlande tragen würden.

Aber einen großen Ruf als Dichter gewann er nie, am wenigsten bei den heiratsfähigen Bauerntöchtern der Umgegend. Man sah selten, daß er beim Hinaussegeln den Blick zurückwandte.

Sein Bruder Orm war Tostes jüngstes Kind und der Augenstern seiner Mutter. Er wuchs schnell heran, wurde lang und gelenkig, und Åsa jammerte viel darüber, daß er so mager war. Sobald er nicht ein gut Teil mehr aß als ein Erwachsener, glaubte sie stets, daß sie ihn verlieren werde; sein Mangel an Eßlust werde noch einmal sein Verderben werden, sagte sie. Orm hatte viel für gutes Essen übrig und murrte selten über die Mühe, die seine Mutter sich mit seinen Speisen gab; aber Toste und Odd knurrten bisweilen wegen der guten Bissen, die er bekommen sollte. Als Kind war er mehrmals krank gewesen, und seither konnte Åsa nie recht glauben, daß seiner Gesundheit zu trauen war, vielmehr machte sie sich ständig ängstlich um ihn zu schaffen und brachte ihn bisweilen so weit, daß er wirkliche Schmerzen fühlte und heilige Zwiebeln, heilkräftige Tränke und gewärmte Tonschüsseln dringend nötig zu haben schien, obschon sein schwerstes Leiden darin bestand, daß er sich an Gerstengrütze und Schweinefleisch den Magen verdorben hatte.

Als er nahezu erwachsen war, machte er Åsa noch mehr Sorgen. Sie lebte in der Hoffnung, daß er ein hervorragender Mann und Häuptling werden würde, und Toste gegenüber betonte sie oft mit Befriedigung, daß er groß und stark zu werden verspreche; und seine Rede, sagte sie, sei so klug, daß er in allem nach der mütterlichen Seite zu schlagen scheine. Aber wegen der Gefahren, die ihm als Mann begegnen mußten, war sie voller Ängste. Sie sprach oft mit ihm vom Unglück, das seine Brüder getroffen hatte, und er mußte ihr versprechen, sich vor Stieren zu hüten, auf Schiffen sich in acht zu nehmen und nie bei den Frauen anderer Männer zu liegen; doch gab es außerdem so viel anderes, was ihm zustoßen konnte, daß sie sich keinen Rat wußte. Als er sechzehn Jahre war und mit den anderen hinausfahren sollte, verbot Åsa das, weil er noch zu jung und von zu zarter Gesundheit sei; und als Toste fragte, ob sie ihn auch weiterhin zum Küchenhäuptling und Altweiberhelden zu erziehen gedenke, geriet sie in solche Raserei, daß Toste bange wurde, der Sache ihren Lauf ließ und selbst so schnell wie möglich das Weite suchte.

In diesem Herbst kamen Toste und Odd spät zurück und hatten so viel Mannschaft verloren, daß sie kaum Leute genug für die Ruder hatten; aber sie waren dennoch zufrieden und hatten viel zu erzählen. In Limerick war der Verdienst nur gering gewesen, denn die irischen Könige in Munster waren nun so mächtig geworden, daß die Wikinger dort schon mit ihrer Verteidigung genug zu tun hatten. Aber einige Freunde Tostes, die mit ihren Schiffen dort lagen, hatten ihn gefragt, ob er nicht beim Überfall auf einen großen Mittsommermarkt mit dabei sein wolle. Er werde in Merioneth in Wales an einem Ort abgehalten, wo Wikinger noch nie gewesen seien, aber man könne dorthin nun mit Hilfe einiger zuverlässiger Wegweiser gelangen, die die Freunde Tostes bei der Hand hätten. Odd hatte Toste beredet mitzumachen, und auch ihr Schiffsvolk hatte Lust dazu gezeigt; und so waren sie denn mit sieben Schiffen in Merioneth gelandet, einen mühsamen Weg landeinwärts gezogen und unbemerkt zum Marktflecken gekommen. Dort hatte es scharfen Kampf und Verlust an Mannschaft gegeben, und die Wikinger hatten gesiegt und große Beute an Gut und Gefangenen gemacht. Darauf waren sie nach Cork hinübergesegelt und hatten ihre Gefangenen verkauft, denn in Cork sammelten sich von alters her Sklavenhändler von allen Enden der Erde, um unter dem Fang zu wählen, den die Wikinger dorthin brachten. Und der König dort, Olof-mit-den-Edelsteinen, der ein Christ und sehr alt und weise war, pflegte selbst die ihm geeignet Scheinenden zu kaufen, um sie später mit gutem Verdienst von ihren Angehörigen auslösen zu lassen. Von Cork waren sie in großer Gesellschaft nach Hause gesegelt, um nicht an Seeräuber zu geraten, denn mit schwacher Bemannung und großen Reichtümern an Bord hatten sie wenig Lust gehabt, sich zu schlagen. So waren sie, ohne Schaden zu nehmen, um Skagen herumgekommen, wo Buchtenbewohner und Vestfolder lohnenden Schiffen, die auf der Heimreise waren, aufzulauern pflegten.

Nachdem das Schiffsvolk seinen Anteil an der Beute erhalten hatte, war für Toste noch viel übrig; er wog sein Silber in der Kammer und sagte dann, eine Reise wie diese könne ein guter Abschluß seiner Fahrten sein, und er habe die Absicht, hinfort daheim zu bleiben, um so eher, als er körperlich anfange steif zu werden; Odd könne nun alles ebensogut besorgen und werde dazu noch Hilfe an Orm haben. Odd sagte, das scheine ihm klug gesprochen. Aber Åsa versicherte gleich, daß das nicht klug sei; gewiß sei viel Silber gewonnen worden, aber das werde, da sie im Winter immer so viel Leute durchfüttern müßten, nicht lange reichen; und wie könne man sicher sein, daß Odd nicht den ganzen Verdienst mit seinen Frauen auf Irland durchbringen und überhaupt je Lust verspüren werde, wieder heimzukommen? Und was Toste angehe, so solle er endlich begreifen, daß er nicht von seinen Fahrten auf See so steif im Rücken sei, sondern weil er den ganzen Winter hindurch untätig am Feuer sitze; und ihr sei es genug, das halbe Jahr lang über seine Beine zu stolpern. Sie könne nicht begreifen, sagte sie, wie es mit dem Mannsvolk eigentlich bestellt sei; denn der Bruder ihres eigenen Großvaters mütterlicherseits, Sven Rattennase, unter den Göingern ein gewaltiger Held, sei in einer Fehde gegen Småländer gefallen wie ein Mann, drei Jahre nachdem er auf der Hochzeit seines ältesten Großsohnes alle unter den Tisch getrunken habe; und nun müsse man anhören, wie Männer in den besten Jahren von ihren Schmerzen schwatzten und sich nicht schämten, wie Kühe auf dem Stroh zu sterben. Jetzt aber sollten Toste und Odd und alle Heimgekehrten gutes Bier zum Willkomm haben, ein Gebräu, das ihnen schmecken werde; und Toste solle sich die Grillen aus dem Kopf schlagen und auf eine ebenso gute Reise trinken auch im nächsten Jahr; und sie würden zusammen einen guten Winter verbringen, wenn bloß niemand sie ärgern wollte mit dergleichen Geschwätz.

Als sie gegangen war, um das Bier zu besorgen, sagte Odd: wenn alle Frauen in diesem Geschlecht so viel tobten, dann habe vielleicht Sven Rattennase die Småländer als das bessere Teil erwählt. Toste meinte, er wolle da nicht durchweg widersprechen, aber sie sei in vielem eine tüchtige Hausfrau und er wolle sie nicht mehr als nötig reizen; auch Odd solle das bleiben lassen.

In diesem Winter fiel es allen auf, daß Åsa mitunter bleich und bedrückt ihren Beschäftigungen nachging und daß ihre Zunge weniger flink lief als gewöhnlich; sie machte sich mehr als sonst um Orm zu schaffen, und mitunter blieb sie stehen und sah ihn an, wie wenn ihr ein Gesicht würde. Orm war nun groß geworden und konnte, was Stärke anging, mit allen Gleichaltrigen und vielen, die älter waren, wetteifern. Er war rothaarig und hatte helle Haut, war breit zwischen den Augen, kurznasig und hatte einen großen Mund; seine Arme waren lang, und er hielt sich im Rücken nicht ganz gerade. Dazu war er schnell und beweglich und mit Bogen und Wurfspieß sicherer als die meisten. Er geriet leicht in Raserei und konnte sich dann blind auf den stürzen, der ihn gereizt hatte, und sogar Odd, dem es früher Spaß gemacht hatte, ihn in bleiche Wut zu bringen, war nun vorsichtig mit ihm geworden, seit er durch seine Kraft anfing, gefährlich zu werden. Aber sonst war er ruhig und gefügig und immer noch gewohnt, sich nach Åsa zu richten, obschon sie sich bisweilen stritten, wenn ihre Vorsorglichkeit ihm unbequem wurde.

Toste gab ihm nun Männerwaffen: ein Schwert und eine Streitaxt und einen guten Helm, und Orm machte sich selbst einen Schild; aber schlimmer war es um ein Kettenhemd bestellt, denn keines von denen, die sich im Hause fanden, paßte ihm, und es gab jetzt nur wenige gute Brünnenschmiede im Lande, da die meisten nach England und zum Jarl in Rouen gefahren waren, wo sie besser bezahlt wurden. Toste meinte, daß Orm sich einstweilen mit einer Lederjacke begnügen solle, bis er sich auf Irland ein gutes Hemd beschafft habe; dort seien in allen Häfen Waffenkleider toter Männer billig zu haben.

Als sie eines Tages beim Essen saßen und von diesen Dingen redeten, stützte Åsa ihr Gesicht in die Arme und fing zu weinen an. Alle wurden still und blickten sie an, denn nicht oft vergoß sie Tränen. Odd fragte, ob sie Zahnschmerzen habe? Da trocknete sich Åsa das Gesicht und wandte sich Toste zu; sie sagte, dieses Reden von den Kleidern toter Männer scheine ihr ein böses Vorzeichen, und sie sei bereits sicher, daß Orm, wenn er über das Meer mitfahre, umkommen werde; denn dreimal habe sie ihn nun schon im Traum blutig bei einer Schiffsbank liegen sehen, und alle wüßten, daß auf ihre Träume Verlaß sei. Darum wolle sie Toste nun bitten, gut gegen sie zu sein und Orms Leben nicht unnötig aufs Spiel zu setzen, sondern ihn noch diesen Sommer daheim zu lassen. Denn sie glaube, daß ihm nun sehr bald Gefahr drohe, aber wenn er diese Zeit überlebte, werde er später vielleicht weniger gefährdet sein.

Orm fragte, ob sie im Traum habe sehen können, wo er verwundet gewesen sei? Åsa sagte, sie sei jedesmal vor Schreck über den Anblick gleich aufgewacht, aber sie habe sein Haar blutig und sein Gesicht sehr bleich gesehen, und dieser Traum habe, so oft er wiedergekommen sei, schwerer und schwerer auf ihr gelastet, obschon sie bisher nichts davon habe sagen wollen.

Toste saß im Nachdenken versunken und sagte dann, daß er von Träumen nicht viel verstehe; ihn habe dergleichen noch nie geängstigt. »Denn die Alten pflegten zu sagen, daß es so kommen müsse, wie die Spinnerinnen spinnen. Aber daß du, Åsa, dreimal den gleichen Traum gehabt hast, mag doch eine Warnung sein, und wir haben schon Söhne genug verloren. Darum werde ich dir in dieser Sache nicht widersprechen, und wenn Orm Lust dazu hat, mag er diesen Sommer zu Hause bleiben. Was mich angeht, so habe ich das Gefühl, daß ich gut noch einmal hinausfahren könnte; und so ist es vielleicht für uns alle am besten.«

Odd hielt zu Toste, denn er hatte mehrere Male gemerkt, daß Åsas Träume eingetroffen waren. Orm war mit dem, was man beschlossen hatte, nicht zufrieden, aber er war gewohnt, sich in wichtigen Dingen nach Åsa zu richten, und es wurde nun nicht mehr davon geredet.

Als der Frühling gekommen war und eine genügende Anzahl Männer aus dem Binnenland sich mit Toste wegen der freien Plätze auf den Ruderbänken verabredet hatte, segelten er und Odd wie gewöhnlich hinaus, und Orm blieb zu Hause zurück. Er war Åsa gegenüber schlechter Laune, und um sie zu ängstigen, stellte er sich mitunter krank; aber wenn sie ihn dann gleich pflegen wollte und sich mit Arzneien um ihn zu schaffen machte, fing er selbst an zu glauben, was er zuvor nur vorgegeben hatte, und so ward ihm wenig Freude aus diesem Spiel. Åsa konnte ihren Traum nicht vergessen; wenn Orm ihr auch Kummer machte, so war sie doch froh, ihn bei sich daheim zu haben.

Aber ohne daß Åsa um Erlaubnis gefragt wurde, kam er doch noch in diesem Sommer auf seine erste Reise.

Von Kroks Ausfahrt und wie Orm auf seine Reise kam

Im vierzehnten Jahre der Herrschaft des Königs Harald Blauzahn, sechs Sommer vor der Heerfahrt der Jomswikinger nach Norwegen, liefen vom Lande Lister drei wohlbemannte Schiffe mit neuen Segeln aus und hielten gen Süden, um bei den Wenden zu plündern. Sie wurden von einem Häuptling namens Krok geführt. Er war dunkel, lang und gelenkig und sehr stark; und er hatte in seiner Gegend großes Ansehen, denn es fiel ihm leicht, kühne Pläne zu ersinnen. Über Leute, denen es schlimm ergangen war, pflegte er sich lustig zu machen und dann zu erklären, wie er an ihrer Stelle es besser gemacht hätte. Er selbst hatte noch nie viel ausgerichtet, sondern gefiel sich darin, zu erzählen, was er vorhabe; aber jetzt hatte er die Jugend jener Gegend so lange mit Reden von der Beute, die behende Männer auf einer kurzen Wendenfahrt gewinnen könnten, aufgereizt, daß sich eine Mannschaft zusammenfand und Schiffe ausgerüstet wurden. Er selbst wurde für diese Fahrt zum Häuptling gewählt. Bei den Wenden, hatte er gesagt, könne viel gewonnen werden, und man könne gewiß sein, einen guten Fang an Silber, Bernstein und Sklaven zu machen.

Krok und seine Mannen gelangten zur wendischen Küste; sie kamen zu einer Flußmündung und ruderten gegen den reißenden Strom flußauf, bis sie zu einer hölzernen Burg kamen, deren Pfahlwerk quer über den Fluß stand. Hier gingen sie in der ersten Morgendämmerung an Land und rückten rund um das Pfahlwerk der Wenden vor. Aber diese schossen fleißig mit Pfeilen, und Kroks Leute waren vom angestrengten Rudern müde; es gab harten Kampf, bevor die Wenden flohen. Krok hatte einige seiner besten Mannen verloren, und als die Beute zusammengezählt wurde, zeigte es sich, daß sie aus einigen eisernen Kesseln und ein paar Schafpelzen bestand. Sie ruderten wieder flußab und versuchten es an einer anderen Stelle; aber auch hier war das Dorf gut verteidigt, und nach schwerem Kampf mit neuen Verlusten gewannen Kroks Männer einige Speckseiten, ein durchlöchertes Panzerhemd und ein Halsband aus kleinen abgenutzten Silbermünzen.

Sie begruben ihre Toten am Strande und hielten Rat; und es fiel Krok nicht leicht zu erklären, warum die Fahrt nicht so geraten war, wie er es beschrieben hatte. Aber es gelang ihm, seine Leute mit klugen Worten zu beschwichtigen; auf Zufälle und Mißgeschick, sagte er, müsse man immer gefaßt sein; der echte Wikinger gebe der einen oder anderen Kleinigkeit wegen seine Sache nicht gleich auf; und es sei nun nicht mehr so leicht wie einst, den Wenden das Fell über die Ohren zu ziehen. Nun aber wolle er einen Vorschlag machen, der ihnen allen zu Nutz und Frommen gereichen werde. Er rate, es mit Bornholm zu versuchen, denn die Reichtümer dieser Insel seien allen wohlbekannt, und sie sei arm an streitbaren Leuten, da letzthin viele von dort nach England gefahren seien. Ein Überfall dort werde bei geringer Mühe reichen Gewinn an Gold, Geweben und Waffen bringen.

Das schien allen wohl gesprochen und machte sie wieder zuversichtlich; sie setzten Segel, hielten auf Bornholm zu und erschienen dort eines Morgens in der Frühe. Bei Windstille und steigendem Nebel ruderten sie die Ostküste entlang, um einen guten Landungsplatz zu finden. Sie hielten die Schiffe dicht beisammen und waren bei guter Laune; doch um unbemerkt an Land zu kommen, verhielten sie sich still. Da hörten sie vor sich den Laut von Rudergabeln und das gleichmäßige Eintauchen von Rudern, und durch den Nebel konnten sie ein Langschiff unterscheiden, das allein hinter einer Landzunge hervorkam und gerade auf sie zuhielt, ohne die Fahrt zu verlangsamen. Alle starrten zum Schiff hin, das schön und groß war, zwanzig Paar Ruder führte und ein rotes Drachenhaupt hatte, und sie freuten sich, daß es allein daherkam. Krok befahl allen, die nicht an den Rudern saßen, ihre Waffen zu nehmen und bereit zu sein, denn hier könne viel gewonnen werden. Aber das einsame Schiff kam näher, wie wenn man sie dort nicht bemerkt hätte, und ein dicker Mann am Vordersteven mit breitem Bart unter einem gebuckelten Helm setzte, als sie nahe herangekommen waren, die Hand an den Mund und rief mit rauher Stimme: »Aus dem Wege, oder es gibt Kampf!«

Krok lachte und seine Männer mit ihm, und er rief zurück: »Hast du je drei Schiffe vor einem einzigen ausweichen sehen?«

»Ich habe mehr als das gesehen«, schrie ungeduldig der dicke Bewohner des Vorderstevens, »denn Styrbjörn gehen die meisten aus dem Wege. Aber wähle nun schnell das eine oder das andere.«

Da sagte Krok nichts mehr, sondern hielt zur Seite und ließ die Ruder still liegen, während das fremde Schiff vorbeifuhr, und nirgends auf Kroks Schiffen war ein Schwert entblößt. Sie sahen einen hochgewachsenen jungen Mann in blauem Mantel und mit hellem Flaum am Kinn, einen Speer in der Hand, dastehen und sie mit blinzelnden Augen betrachten. Er hatte sich von seinem Ruheplatz neben dem Mann am Steuer erhoben und gähnte nun herzhaft; dann stellte er den Speer beiseite und legte sich wieder nieder. Kroks Leute begriffen, daß das Björn Olofsson war, genannt Styrbjörn, der vertriebene Neffe des Uppsalakönigs, der selten einen Sturm und nie einen Kampf scheute und dem wenige Männer gern auf dem Meere begegneten. Sein Schiff setzte die Fahrt fort und verschwand im Dunst. Aber bei Krok und seinen Mannen wollte die gute Laune nur langsam wiederkommen. Sie ruderten nun zu den östlichen Schären, wo keine Menschen wohnten; dort gingen sie an Land, kochten sich Essen und hielten lange Rat; viele meinten, daß man nun am besten täte, heimzusegeln, da das Mißgeschick ihnen sogar bis nach Bornholm gefolgt sei. Denn wenn Styrbjörn sich in diesen Gewässern aufhalte, sei die Insel sicher voll von Jomswikingern, und dann gebe es hier für andere nichts auszurichten. Einige sagten, daß es vielleicht nicht viel für sie auf dem Meere zu tun gebe, solange sie nicht einen Häuptling hätten wie Styrbjörn, der anderen nicht ohne weiteres aus dem Wege gehe.

Krok war zu Anfang weniger redelustig als sonst; aber er ließ für alle Bier an Land bringen, und als sie getrunken hatten, fing er an, ihnen ermunternd zuzureden. Die Begegnung mit Styrbjörn sei einerseits kein glücklicher Zufall gewesen, das wolle er zugeben; aber andererseits sei es gut, daß sie gerade so ausgefallen sei. Denn wenn sie schon, so erklärte er ihnen, an Land gegangen und dort an seine Leute oder andere Jomswikinger geraten wären, so hätte großer Schaden daraus entstehen können. Alle Jomswikinger und besonders Styrbjörns eigene Mannen seien als halbe Berserker zuzeiten eisenfest; und ebenso gut wie die besten Kämpen von Lister schlügen sie mit beiden Händen drauflos. Daß er Styrbjörns Schiff nicht habe angreifen wollen, könne einem Gedankenlosen vielleicht wunderlich scheinen; er jedoch finde, er habe zu solcher Enthaltsamkeit guten Grund gehabt, und es sei ein Glück, daß er sich noch beizeiten besonnen habe. Denn ein landloser Seeräuber habe ja wohl schwerlich so viel zusammengespart, daß ein harter Kampf lohnend gewesen wäre; und sie selber seien ja nicht auf See gegangen, um eitel Ehre zu gewinnen, sondern um Beute zu machen. Darum habe er es für richtiger gehalten, zunächst an das zu denken, was ihnen allen zum Besten gereiche, statt an sein eigenes Ansehen; und nach einigem Nachdenken würden sie alle zugeben, daß er hier so gehandelt habe, wie es sich für einen Häuptling gehöre.

Während Krok also bemüht war, den Mißmut seiner Leute zu zerstreuen, fühlte er sich selbst durch seine Worte gekräftigt, und er fuhr damit fort, ihnen von der Rückreise abzuraten. Denn die Leute daheim in Lister, sagte er, seien ein spitzzüngiges Geschlecht; und besonders das Wiedersehen mit den Frauen werde seine Unzuträglichkeiten haben. Denn die würden viel nach dem fragen, was sie ausgerichtet und was sie erbeutet hätten, und würden den Grund ihrer schnellen Heimkehr wissen wollen. Solchem Geplapper könne ein Mann, der auf sein Ansehen halte, sich nicht gut aussetzen, und die Heimreise müsse daher noch anstehen, bis man etwas gewonnen habe, womit man sich sehen lassen könne. Einstweilen gelte es für sie, zusammenzuhalten und Ausdauer zu zeigen und ein gutes Ziel für weitere Fahrten zu finden; und bevor er selbst noch mehr sage, wolle er gern die Ansicht verständiger Männer in dieser Sache hören. Einer schlug vor, zum Lande der Kuren und Liven zu fahren, wo es lohnende Beute gebe; aber das fand keinen Anklang, denn solche, die besser Bescheid wußten, sagten, daß große Scharen aus Svealand jeden Sommer in diesen Ländern plünderten und wohl nur ungern andere in gleichen Geschäften dort sähen. Ein zweiter hatte gehört, daß es nirgend auf der Welt so viel Silber gebe wie auf Gotland, und meinte, man solle es dort versuchen; aber andere, die es noch besser wußten, sagten, daß die Gotländer nun, da sie reich geworden seien, in starkbefestigten Dörfern wohnten, und die könnten nur mit großer Heeresmacht genommen werden.

Darauf nahm ein dritter das Wort, ein Mann namens Berse, der bedächtig sprach und seiner Klugheit wegen allgemein geachtet war. Er sagte, es fange nun an, in der Ostsee eng und kärglich zu werden: denn gar zu viele seien auf Plünderungszügen begriffen, und das habe sogar die Wenden gelehrt, sich zur Wehr zu setzen. Da man nicht nach Hause fahren könne – denn hierin denke er ebenso wie Krok –, sei zu erwägen, ob man nicht westwärts segeln solle. Er selbst sei noch nie dort gewesen, aber Leute aus Schonen, mit denen er im vorigen Sommer auf einem Markt geredet habe, seien mit Toke Gormsson und dem Jarl Sigvalde in England und Bretland gewesen und hätten viel zum Lobe dieser Fahrten zu sagen gehabt. Sie hätten mit Goldringen und kostbaren Kleidern geprunkt, und die Wikinger, die – um im Innern des Landes zu plündern – sich des längeren an den Flußmündungen Frankreichs aufhielten, hätten oft Bürgermeister und Äbte zu Sklaven und Grafentöchter sich zur Lust im Bette gehabt. Allerdings könne er nicht wissen, ob seine Gewährsmänner aus Schonen sich mit diesen Behauptungen streng an die Wahrheit gehalten hätten, und mit Hinsicht auf die Zuverlässigkeit der Schonländer im allgemeinen sei es vielleicht klug, die Hälfte abzustreichen. Sicher sei doch dies, daß jene Heimgekehrten den Eindruck größter Wohlhabenheit gemacht und sogar ihn, einen Fremden aus Blekinge, zu einer großen Menge Starkbier eingeladen hätten, ohne nachher, als er eingeschlafen war, seine Sachen zu stehlen. Alles könne daher nicht gelogen sein, was man ja auch von anderer Seite her recht gut wisse. Wo es Leuten aus Schonen so gut ergehe, würden wohl auch Blekinger gedeihen können, und darum, schloß Berse, wolle er es gern mit einer Fahrt gen Westen versuchen, wenn die meisten so dächten wie er.

Viele riefen ihm Beifall zu, aber andere sagten, daß die Eßvorräte kaum reichen dürften, bis sie zu den fetten Ländern im Westen gelangt seien.

Da nahm Krok wieder das Wort und sagte, Berse sei gerade mit dem Vorschlag gekommen, den er selbst habe machen wollen. Dem, was Berse von Grafentöchtern und reichen Äbten gesagt habe, wolle er noch etwas hinzufügen, was unter bereisten Männern allgemein bekannt sei, nämlich, daß es auf Irland nicht weniger als hundertsechzig größere und kleinere Könige gebe, von denen jeder Schätze und schöne Frauen besitze und deren Krieger im Kampf bloß Leinenkleider trügen, so daß es also nicht schwer sein könne, mit ihnen zurechtzukommen. Die einzige Schwierigkeit sei, durch den Öresund zu gelangen, wo man leicht auf zudringliche Leute stoßen könne. Aber drei wohlbemannte Schiffe, an die sich nicht einmal ein Styrbjörn gewagt habe, dürften auch dort Respekt finden. Zudem seien um diese Jahreszeit die meisten Wikinger schon gen Westen unterwegs, und überdies kämen nun mondlose Nächte. Was an Eßvorräten fehle, könne leicht angeschafft werden, wenn man erst einmal glücklich durch den Sund gekommen sei.

Alle waren nun wieder bei guter Laune; der Plan schien ihnen gut, und sie hielten Krok an Verstand und Wissen für den besten der ihren; dazu waren sie stolz auf ihre Verwegenheit, nun nach Westen zu segeln, denn niemand in ihrer Heimat konnte sich eines Schiffes erinnern, das es mit einer solchen Fahrt versuchte hatte.

Sie setzten Segel und kamen nach Moën; dort lagen sie einen Tag und eine Nacht und hielten gut Ausguck, während sie auf günstigen Wind warteten. Darauf steuerten sie bei stürmischem Wetter den Sund entlang und kamen gegen Abend durch dessen Hals, ohne dabei Feinden zu begegnen. Später in der Nacht gingen sie bei Kullen in Lee und beschlossen, sich nun nach Eßvorräten umzusehen. An drei verschiedenen Stellen stieg je eine Schar an Land, und Krok mit der seinen hatte Glück. In der Nähe eine großen Hofes kam er zu einer Schafhürde, und es glückte ihnen, den Hirten und dessen Hund zu töten, noch bevor diese hatten Lärm schlagen können. Darauf fingen sie die Schafe ein und schnitten so vielen, als sie tragen konnten, die Kehlen durch; aber das gab ein großes Geblöke, und Krok befahl seinen Leuten, sich zu beeilen.

Jeder mit einem Schaf auf der Schulter folgten sie nun dem Pfad, den sie gekommen waren, und stiegen, so schnell sie konnten, zu den Schiffen hinab. Hinter sich hörten sie Leute rufen, die auf dem Gehöft erwacht waren, und bald auch das rauhe Gebell der Hunde, die man auf ihre Spur gesetzt hatte. Und dann, weit entfernt, hörten sie eine Frauenstimme, die, den Lärm der Hunde und Männer übertönend, schrie: »Warte! Bleib stehen!« Und dann rief sie mehrfach sehr grell und verzweifelt »Orm! Warte!« Kroks Männern fiel es nicht leicht, mit ihren Bürden schnell zu gehen, denn der Pfad war steinig und fiel jäh zum Ufer ab; dazu war der Nachthimmel bewölkt, und es war noch fast dunkel. Krok selbst ging als der letzte hinter den anderen her und trug sein Schaf über der Schulter; in der anderen Hand hatte er eine Axt. Er wollte sich nicht gern der Schafe wegen schlagen, denn für so Geringes lohnte es kaum, Leib und Leben zu wagen, und wenn seine Leute stolperten oder langsam gingen, trieb er sie mit harten Worten an.

Die Schiffe lagen bei einigen flachen Steinplatten und wurden mit Rudern in Abstand vom Ufer gehalten; sie waren bereit, sofort in See zu gehen, sobald Krok wieder da war, denn die beiden anderen Scharen waren schon, ohne etwas gefunden zu haben, zurückgekehrt. Einige der Männer standen am Ufer, um wenn nötig Krok zu Hilfe zu kommen. Er hatte nur noch wenige Schritte bis zu den Schiffen, als zwei große Hunde den Steig herabgerannt kamen. Der eine sprang auf Krok zu, der aber wich zur Seite und traf ihn mit der Axt; der andere fuhr in großem Sprung an ihm vorbei und warf sich auf den Mann vor ihm, riß ihn zu Boden und biß ihn in den Hals. Einige der Wartenden eilten herzu und töteten den Hund; aber als sie und Krok sich über den Gebissenen beugten, sahen sie, daß sein Hals arg zerfleischt war und daß er schnell verblutete.

In diesem Augenblick kam ein Speer geflogen und strich an Krok vorbei, und zwei Männer kamen den Abhang herab bis auf die Steinplatten. Sie waren so heftig gelaufen, daß sie alle Nachfolgenden hinter sich gelassen hatten. Der vorderste, der barhaupt und ohne Schild war, aber ein Kurzschwert in der Hand trug, stolperte und schlug nach vorn auf die Steinplatten hin; zwei Speere flogen über ihn weg und trafen seinen Begleiter, der hinstürzte und liegenblieb. Aber der Barhäuptige war gleich wieder auf den Füßen und heulte auf wie ein Wolf; er fuhr auf einen Mann los, der mit erhobenem Schwert vorgelaufen war; er traf ihn an der Schläfe und brachte ihn zu Fall. Darauf sprang er auf Krok zu, der am nächsten stand; das alles ging sehr geschwind. Seine Schläge trafen Krok hart und schnell, aber Krok hielt ihm das Schaf entgegen, das er noch trug, und gleichzeitig schlug er mit umgewandter Axt zu und traf seinen Gegner an der Stirn, so daß er bewußtlos zu Boden fiel. Krok beugte sich über ihn und konnte sehen, daß es ein rothaariger Jüngling mit einer Stupsnase und bleicher Haut war; er betastete die Stelle, die der Hammer der Axt getroffen hatte und fand den Schädel unversehrt.

»Ich nehme beides mit, das Schaf und das Kalb«, sagte Krok. »Er mag an Stelle dessen rudern, den er erschlagen hat!«

Damit hob er ihn auf, trug ihn an Bord und legte ihn unter eine Ruderbank; und mit allem an Bord, außer den zweien, die man tot zurückließ, liefen die Schiffe aus, gerade in dem Augenblick, da eine große Schar der Verfolger zum Strande herabkam. Es hatte angefangen zu tagen, und einige Speere wurden den Schiffen nachgeschleudert, doch richteten sie keinen Schaden an. Das Schiffsvolk legte sich kräftig in die Ruder und war froh, frische Speise an Bord zu haben.

Man war schon ein gutes Stück vom Ufer entfernt, als man unter den Gestalten am Strande eine Frau in langem blauen Hemd gewahrte. Mit fliegendem Haar stürzte sie bis an den Rand der Steinplatten vor und streckte rufend die Arme nach den Schiffen aus. Ihr Ruf erreichte die Schiffe über das Wasser hin nur als ein dünner Ton, und noch lange, als man schon nichts mehr hören konnte, stand sie da.

Auf solche Weise kam Orm, Tostes Sohn, der mit der Zeit als Röde Orm, Orm Rothaar, bekannt werden sollte, auf seine erste Reise.

Wie sie südwärts segelten und wie ein guter Wegweiser gefunden wurde

Kroks Mannen waren hungrig, als sie zur Wetterinsel kamen, denn sie hatten den ganzen Weg rudern müssen; sie legten an und gingen an Land, um Brennholz zu sammeln und sich eine gute Mahlzeit zu bereiten. Es gab dort nur einige alte Fischer, die dank ihrer Armut vor Plünderung sicher waren. Als sie die Schafe zerlegten, lobten die Männer ihr Fett und die gute Frühlingsweide, die es auf Kullen offenbar gebe; sie steckten die Fleischstücke auf ihre Speere und hielten sie ans Feuer; und sie schmatzten mit den Lippen, als das Fett zu zischen anfing, denn es war lange her, seit ihnen ein so guter Geruch in die Nase gestiegen war. Viele erzählten einander, wie es das letztemal zugegangen sei, als es so gute Bissen für sie gegeben habe, und alle waren sich einig, daß die Fahrt gen Westen sich gut anlasse. Darauf machten sie sich ans Essen, so daß die Bärte troffen.

Orm war nun wieder bei Bewußtsein, aber es war nicht weit mit ihm her, und er konnte sich kaum auf den Füßen halten, als er mit den anderen an Land ging. Er setzte sich nieder, hielt den Kopf zwischen den Händen und antwortete nicht, wenn er angeredet wurde. Doch nach einer Weile, als er gespuckt und Wasser getrunken hatte, wurde ihm besser; und als es anfing, nach Braten zu riechen, hob er den Kopf wie jemand, der gerade erwacht, und betrachtete die Männer, die um ihn saßen. Sein nächster Nachbar grinste ihm freundlich zu, schnitt ein wenig von seinem Fleischstück ab und reichte es ihm hin.

»Nimm und iß«, sagte er. »Einen besseren Braten hast du noch nie zu schmecken bekommen.«

»Das weiß ich«, sagte Orm. »Ich bin es ja selbst, der ihn gestiftet hat.« Er nahm das Stück Fleisch und hielt es zwischen zwei Fingern, doch ohne davon zu essen; scharf von Mann zu Mann blickend sah er sich im Kreise um und sagte dann: »Wo ist der, den ich niederschlug?« »Er ist tot«, antwortete sein Nachbar, »aber niemand hier hat Rache für ihn zu üben, und du sollst nun an seiner Stelle rudern. Sein Ruder ist dem meinen zunächst, und daher wird es das beste sein, wenn du und ich Freunde werden. Ich heiße Toke; und wie heißt du?« Orm nannte seinen Namen und fragte dann: »War es ein angesehener Mann, den ich erschlug?« »Er war, wie du wohl gemerkt hast, ein wenig langsam«, sagte Toke, »und so waffentüchtig wie ich war er nicht; aber das hieße zu viel verlangen, denn ich gehöre zu den besten hier. Aber er war stark und zuverlässig und wohl angesehen und hieß Åle, und sein Vater sät zwölf Tonnen Roggen. Er hatte schon zwei Seefahrten mitgemacht; und ruderst du ebensogut wie er, so ruderst du nicht schlecht.« Als Orm das hörte, schien ihm besser zumute zu werden, und er begann zu essen. Doch nach einer Weile fragte er: »Wer war es, der mich zu Boden schlug?«

Krok saß ein Stück entfernt und hörte seine Frage. Er lachte und hob seine Axt, kaute fertig und sagte: »Die hier war es, die dich geküßt hat; denn hätte sie gebissen, so hättest du nicht gefragt.« Aus großen Augen, in die kein Blinken kam, blickte Orm zu Krok hinüber; dann seufzte er und sagte: »Ich war außer Atem und ohne Helm; sonst wäre es vielleicht anders gekommen.«

»Du bist großmäulig, junger Mann aus Schonen«, sagte Krok, »und glaubst schon, ein Kämpe zu sein. Aber du bist noch zu jung und hast noch nicht den Verstand eines Kriegers. Denn kein Verständiger stürzt bloß einiger Schafe wegen hinaus, ja nicht einmal, wenn ihm die eigene Frau weggeholt wird. Aber mich deucht, daß du zu denen gehörst, die Glück haben, und es mag sein, daß du auch uns Glück bringst. Dein Glück haben wir nun schon dreimal gesehen: Du bist ausgeglitten auf den Steinen, gerade als zwei Speere dir entgegenflogen; und für Åle, den du getötet hast, hat niemand hier Rache zu nehmen; und weil ich an seiner Statt einen Ruderer haben wollte, wurdest du nicht von mir erschlagen. Darum glaube ich, daß du viel Glück hast und uns nützlich werden kannst; und in unserer aller Namen gebe ich dir jetzt Frieden für die Zeit, da du an Åles Ruder sitzt.«

Das schien allen Männern eine gute Rede zu sein. Orm saß und bedachte sich eine Weile, dann sagte er: »Ich nehme deinen Frieden an und glaube nicht, daß ich mich deswegen zu schämen brauche, obschon ihr mir Schafe gestohlen habt. Doch als Sklave will ich nicht rudern, denn ich bin von guter Herkunft, und wenn ich auch jung bin, so halte ich mich, da ich einen so tüchtigen Gegner wie Åle zu Fall gebracht habe, doch für einen Mann von Ansehen. Darum will ich mein Schwert zurückhaben.«

Darüber wurde nun viel hin und her geredet. Einigen schien Orms Verlangen unbillig: er solle damit zufrieden sein, daß man ihm das Leben geschenkt habe; andere aber meinten, ein anspruchsvolles Auftreten sei bei der Jugend kein Fehler, und man müsse Rücksicht üben gegen einen, der Glück habe; und Toke fragte lachend, wie viele es wohl unter der Besatzung der drei Schiffe gebe, die vor einem jungen Mann mit einem Schwert Angst hätten? Dieser Äußerung wegen wollte sich ein Mann namens Kalb, der gegen Orms Forderung gesprochen hatte, mit Toke schlagen, und Toke erklärte sich dazu bereit, sobald er mit dem guten Nierenstück fertig sein werde, bei dem er gerade war. Doch Krok verbot jede Schlägerei um einer solchen Sache willen, und es endete damit, daß Orm sein Schwert zurückerhielt und daß man es von seinem Benehmen abhängig machte, ob er als Gefangener oder als Kamerad gelten sollte. Für das Schwert jedoch, das eine gute Waffe war, sollte Krok von Orm Bezahlung erhalten, sobald man auf der Fahrt Beute gewonnen habe.

Nun wehte eine leichte Brise, und Krok sagte, es sei an der Zeit, weiterzufahren. Alle gingen an Bord, und mit vollen Segeln fuhr man durch das Kattegatt. Orm blickte zurück über die See und sagte, es sei Kroks Glück, daß es um diese Jahreszeit nur wenige heimkehrende Schiffe gebe; denn sonst würde seine Mutter, wenn er sie recht kenne, mit der halben Mannschaft von Kullen an Bord hinter ihnen her sein.

Darauf wusch er sich das Haar und spülte das geronnene Blut fort, und Krok sagte, es werde sich dereinst lohnen, diese Narbe an der Stirn Frauen zu zeigen. Nun kam Toke mit einem alten eisengeschienten Lederhelm herbei und sagte, heutzutage sei der wohl kaum mehr ein Helm zu nennen, aber er habe ihn einmal bei den Wenden erwischt, wo nichts Besseres zu holen gewesen sei. Gegen Axthieb, sagte er, tauge er wenig, sei aber doch besser als gar nichts. Orm probierte ihn, und es zeigte sich, daß er passen werde, wenn erst die Beule verschwunden war.

Sie kamen mit gutem Winde um Skagen herum und brachten dort nach alter Sitte Ägir und seinem ganzen Geschlecht ein Blutopfer: Schaffleisch und Schweinefleisch und Schwachbier; und lange folgten ihnen schreiende Möwen, was ein gutes Zeichen war. Sie fuhren nun die jütländische Küste entlang, wo das Land öde war und wo man häufig die Rippen gestrandeter Schiffe aus dem Sande aufragen sah; weiter südwärts gingen sie bei einigen kleinen Inseln an Land und fanden dort Wasser und auch Nahrung, sonst aber nichts. Während sie nun längs der Küste dahinfuhren, hatten sie mit dem Winde meist Glück, so daß die Männer, da sie nun nicht zu rudern brauchten, guter Laune blieben. Toke sagte, Orm habe vielleicht auch Wetterglück, und etwas Besseres könne man überhaupt nicht haben; dann dürfe Orm wahrhaftig auf eine gute Zukunft hoffen. Orm meinte, daß Toke damit recht haben möge, aber Krok wollte in dieser Sache nicht mithalten.

»Unser Glück mit dem Wetter liegt an mir«, sagte er, »denn von Anfang an, lange bevor Orm mit dabei war, haben wir das beste Wetter und den besten Wind gehabt, und könnte ich mich nicht auf mein Wetterglück verlassen, so hätte ich mich nie auf diese Fahrt gewagt. Aber Orm hat wahrhaftig Glück, wenn auch in anderer Art als ich, und je mehr Glücksmänner wir an Bord haben, desto besser ist es für uns alle.«

Der kluge Berse war gleicher Ansicht und sagte, daß Leute ohne Glück es am allerschlimmsten hätten, »denn Männer siegen über Männer und Waffen über Waffen; für die Götter hat man Opfer und wider Zauber Gegenzauber, aber gegen Mißgeschick gibt es kein Mittel.«

Toke sagte, er wisse nicht, ob er für seinen Teil viel Glück habe, es sei denn beim Fischen. Wo er etwas mit Männern habe ins reine bringen müssen, sei er allerdings immer gut zurechtgekommen, aber das möge mehr an Kraft und Geschicklichkeit gelegen haben als am Glück. »Aber nun«, sagte er, »bin ich neugierig, ob ich auf dieser Reise Glück haben werde, was Gold und Frauen angeht; denn ich habe viel von all dem Schönen gehört, das es weiter nach Westen zu geben soll; und es ist nun schon recht lange her, daß ich nach einem Goldring greifen konnte oder nach einer Frau. Und selbst wenn es zumeist auch nur Silber statt Gold sein sollte, und wenn ich nicht gerade eine Grafentochter erwische, wie Berse sich das vorgenommen hat, sondern bloß ein einfaches Frankenmädchen, so werde ich nicht klagen; denn ich bin kein hochmütiger Mann.«

Krok meinte, wenn er auch noch so begierig nach dem einen oder anderen sei, so werde er sich doch noch einige Zeit gedulden müssen; und auch Toke selbst hielt das für wahrscheinlich, denn ihm sah es nicht so aus, wie wenn Gold und Frauen rings umher reichlich vorhanden wären.

Sie fuhren an flachen Küsten entlang, wo nichts als Sand und Sümpfe und hie und da eine Fischerhütte zu sehen war. Sie kamen an Landzungen vorbei, wo hohe Kreuze aufgerichtet standen, und da wußten sie, daß sie nun das Land der Christen und die fränkischen Küsten erreicht hatten. Kundige Leute an Bord berichteten, daß diese Kreuze zuerst vom großen Kaiser Karl, dem Stammvater aller Kaiser, aufgerichtet worden seien, um nordische Seefahrer dem Lande fern zu halten; aber die Götter der Nordmänner seien stärker gewesen als sein Gott. Sie fuhren, wenn stürmische See drohte oder auch nur um zu übernachten, in Sunde und Buchten hinein, und salzigere und grünere Wasser, als sie bis dahin gekannt hatten, sahen sie dort steigen und fallen bei Ebbe und Flut. Da waren keine Schiffe zu sehen und keine Menschen, mitunter aber Anzeichen alter Besiedlung; denn früher, bevor die Nordmänner hierher gekommen waren, hatte es hier viele Dörfer gegeben. Nun aber war alles längst ausgeplündert und verödet, und erst weit südwärts konnten Seefahrer auf Gewinn rechnen.

Sie kamen dorthin, wo das Meer zwischen England und dem Festlande schmal wird, und man sprach von einem Abstecher nach England. Denn man wußte, daß König Edgar kürzlich gestorben war und nur unmündige Söhne zu Nachfolgern hatte; dadurch war das Land bei Wikingern in guten Ruf gekommen. Aber Krok und Berse und andere von den Klügsten hielten dafür, daß das Land der Franken noch immer am meisten lohne, sobald man nur weit genug nach Süden gekommen sei; denn der König von Frankreich und der Kaiser von Deutschland lagen miteinander ihrer Grenzländer wegen im Streit, und wenn dergleichen in Gang war, pflegte die Küstengegend von alters her einen ausgezeichneten Boden für Nordmänner abzugeben.

Deshalb blieben sie auf der fränkischen Seite, doch in größerem Abstand zur Küste, und hielten scharf Ausguck nach allen Seiten; denn nun hatten sie das Land erreicht, das die Nordmänner dem König von Frankreich abgewonnen hatten; und gewiß erblickte man hier noch immer auf Landzungen und an den Mündungen der Flüsse das eine oder andere alte Kreuz, aber noch häufiger waren Pfähle, auf denen bärtige Köpfe steckten zum Zeichen, daß die Herren des Landes nur ungern Seefahrer aus der Heimat an diesen Küsten sahen. Krok und seine Leute meinten, daß solche Mißgunst gegen Stammesbrüder eine Schande sei für die, die nun hier im Lande mitten im Reichtum säßen; aber, sagten sie, von Leuten, die aus Schonen und Själland gekommen waren, könne man es nicht anders erwarten; und sie fragten Orm, ob er hier im Lande etwa Verwandte habe? Orm sagte, er glaube das nicht, denn sein Geschlecht sei immer nach Irland gesegelt; aber das Aufsetzen der Köpfe auf Pfähle sei etwas, woran er denken werde, wenn er heimkomme, denn dergleichen könne sich als nützlich für Schafzucht erweisen. Darüber lachten alle und meinten, er verstehe gute Antworten zu geben.

An einer Flußmündung legten sie sich in Hinterhalt und nahmen einige Fischerboote weg, fanden dabei aber wenig von Wert. Auf ihre Fragen, wo in der Nähe es reiche Dörfer gebe, konnten sie von den Leuten in den Booten nichts herausbekommen. Nachdem sie einige von ihnen erschlagen hatten und die anderen trotzdem nichts Verständliches vorbringen konnten, ließen sie sie los, denn sie sahen kläglich aus und taugten weder zum Rudern noch zum Verkauftwerden. Mehr als einmal gingen sie nachts an Land, gewannen aber dabei nicht viel; denn man lebte hier in allzu großen und wohlverteidigten Dörfern, und sie mußten zu den Schiffen zurückeilen, um von der Übermacht nicht abgeschnitten zu werden. Jetzt blieb nur zu hoffen, daß es mit den Landstrichen, in denen Nordmänner regierten, bald ein Ende haben werde.

Eines Abends begegneten sie vier von Süden heranrudernden Langschiffen; es sah aus, als führten sie schwere Ladung, und Krok ließ seine Schiffe nahe an sie herankommen, um zu sehen, wie sie bemannt waren. Der Abend war ruhig, und langsam näherten sich die Boote einander. Die Fremden setzten am Mast ihres vordersten Schiffes einen Langschild mit aufwärts gerichteter Spitze, zum Zeichen, daß sie als Freunde nahten, und Kroks Männer sprachen mit ihnen auf Speerwurfweite, während sie beiderseits versuchten, die Stärke des anderen zu berechnen. Die Fremden sagten, sie seien aus Jütland und nun, nach einer langwierigen Reise, auf der Heimfahrt begriffen. Mit sieben Schiffen hätten sie im vorigen Sommer in der Bretagne und dann weiter im Süden geplündert; darauf hätten sie auf einer Insel vor der Mündung der Loire überwintert und seien den Fluß hinaufgefahren; da aber sei eine schwere Seuche unter ihnen ausgebrochen, und nun seien sie auf dem Heimwege mit so viel Schiffen, als sie hätten bemannen können. Über ihre Beute gaben sie die Auskunft, daß der kluge Seefahrer nie seinen Gewinn preise, bevor er ihn sicher an Land gebracht habe; aber soviel könnten sie sagen – da sie bei dieser Begegnung sich stark genug wüßten, um das ihre zu schützen – daß sie für ihren Teil nicht zu klagen brauchten. Verglichen mit ehedem seien die Zeiten schlecht, und damit müsse auch künftighin gerechnet werden, wie weit man auch komme; wer aber das Glück habe, in der Bretagne oder noch weiter südwärts eine noch unberührte, nicht verwüstete Gegend zu entdecken, der finde noch immer den Lohn seiner Mühen.

Krok fragte, ob sie Wein oder Bier hätten, das gegen Schweinefleisch oder getrocknete Fische getauscht werden könnte, und zugleich versuchte er, näher an sie heranzukommen; denn er war stark versucht, es mit ihnen aufzunehmen und damit auf einen Schlag für die ganze Reise guten Lohn zu gewinnen. Doch der Häuptling der Jüten legte sogleich seine Schiffe nebeneinander, mit dem Vordersteven gegen Krok und gab zur Antwort, daß sie Wein und Bier zu eigenem Verbrauch zu behalten gedächten, »aber wenn du etwas anderes schmecken willst, so magst du gern näher kommen«.

Während Krok einen Speer in der Hand wog und im Ungewissen zu sein schien, was er tun sollte, entstand Unruhe auf einem der fremden Schiffe. Man sah dort zwei Männer miteinander ringen und schließlich in fester gegenseitiger Umschlingung ins Wasser taumeln. Beide sanken, und den einen sah man nicht wieder, aber der andere kam ein Stück von den Schiffen entfernt zum Vorschein, tauchte jedoch gleich wieder, als ihm von denen, die er verlassen hatte, ein Speer nachgesandt wurde. Nun gab es auf den jütländischen Schiffen viel Rufen hin und her, und als Kroks Leute fragten, was denn vor sich gehe, bekamen sie keine Antwort. Die Dämmerung brach herein; und nachdem man eine gute Weile Worte gewechselt hatte, setzten die Fremden ihr Rudern fort, noch bevor Krok sich für einen Kampf entschieden hatte. Toke, der auf Kroks eigenem Schiff an seinem Backbordruder Orm zunächst saß, rief nun Krok zu: »Komm her und schau! Mein Glück beim Fischen nimmt ständig zu!«

Eine Hand hielt sich an Orms Ruder und eine an Tokes Ruder fest, und auf der Wasserfläche zwischen den Händen lag ein Gesicht und sah zum Schiff empor. Es war sehr bleich, mit großen Augen, schwarzem Haar und schwarzem Bart.

»Das muß ein tüchtiger Bursche sein und dazu ein guter Schwimmer«, sagte einer der Männer, »er ist unter dem Schiff weg getaucht, um den Jüten zu entgehen.«

»Und klug ist er gewiß auch«, sagte ein anderer, »denn er hält sich an uns als an die besseren Leute.«

»Er ist schwarz wie ein Kobold und gelblich-weiß wie ein Halbtoter«, sagte ein dritter, »und er sieht nicht gerade aus wie jemand, der Glück hat; einen solchen aufzunehmen kann gefährlich sein.«

Nun wurde allerlei für und wider geredet, und einige riefen den Mann im Wasser an und stellten ihm Fragen; aber er lag unbeweglich da und hielt sich an den Rudern fest und klappte mit den Augenlidern. Schließlich befahl Krok, ihn an Bord zu nehmen; man könne, sagte er, ihn nachher totschlagen, wenn sich das als das Bessere erweisen sollte.

Toke und Orm zogen ihre Ruder ein und nahmen den Mann an Bord. Er war von gelber Hautfarbe und kräftig gebaut, war nackt bis zu den Hüften und hatte nur einige Fetzen am Leibe. Er schwankte und konnte kaum auf den Füßen stehen, aber er ballte die Faust hinter den verschwindenden jütländischen Schiffen und spuckte in ihre Richtung und knirschte mit den Zähnen und schrie irgend etwas. Darauf fiel er um, denn das Boot rollte in der Dünung; aber er kam gleich wieder auf die Beine und schlug sich vor die Brust und streckte die Arme gen Himmel und schrie nun laut mit veränderter Stimme, doch mit Worten, die niemand verstehen konnte. Orm pflegte später in seinen alten Tagen, beim Erzählen seiner Erinnerungen zu sagen, daß er nie ein wütenderes Zähneknirschen gehört habe und nie eine so traurige und so wohllautende Stimme wie die des Fremdlings, der da zum Himmel rief.

Er erschien ihnen allen recht seltsam. Sie fragten ihn viel: wer er sei und was ihm widerfahren sei. Einiges von dem, was sie ihn fragten, begriff er und konnte es in gebrochenem Nordisch beantworten; und sie glaubten zu verstehen, daß er Jüte sei und an Samstagen nicht rudern wolle, und sie hielten dies für den Grund seiner Gehässigkeit gegen die, denen er soeben entflohen war. Aber einen Sinn konnten sie in alledem nicht finden, und einige glaubten, er sei mit Verrücktheit geschlagen. Sie gaben ihm zu essen und zu trinken, und er aß gierig von Bohnen und Fisch, aber gesalzenes Schweinefleisch wies er mit Abscheu von sich. Krok sagte, er könne sich als Ruderer nützlich machen, und wenn die Reise zu Ende sei, könne man ihn für gutes Geld verkaufen. Und der kluge Berse möge versuchen, ihn zu verstehen und herauszubekommen, ob er über die Gegenden, aus denen er komme, etwas, das von Nutzen sein könnte, zu berichten hätte.