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Weihnachten ohne den Weihnachtsmann? Unvorstellbar. Aber wie ist er eigentlich zu seiner Aufgabe gekommen? Wie ist er aufgewachsen, und wo lebt er heute? Wann hat er das erste Mal seine Geschenke verteilt, und wie hat er das Problem gelöst, dass Häuser heutzutage keine Kamine besitzen? L. Frank Baum beantwortet all diese Fragen mit seinem bezaubernden Märchen über die Kindheit und das Erwachsenwerden des Findelkinds Claus. Eine Geschichte über Magie, Tradition, Freundschaft und Nächstenliebe.
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Seitenzahl: 146
L. Frank Baum
Die abenteuerliche Geschichte des Weihnachtsmannes
Aus dem amerikanischen Englisch von Marion Hertle
Reclam
Amerikanischer Originaltitel: The Life and Adventures of Santa Claus
2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: zero-media.net
Coverabbildung: © mishkom / Getty Images
Für die Abbildungen im Innenteil: © shutterstock / Karolina Madej
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2019
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961521-9
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019612-0
www.reclam.de
Für meinen Sohn
Harry Neal Baum
Habt ihr schon einmal von dem großen Wald von Burzee gehört? Mein Kindermädchen hat immer davon gesungen, als ich noch klein war. Sie sang von den mächtigen Baumstämmen, die so nah beieinanderstanden, dass sich ihre Wurzeln im Erdreich und ihre Äste weit oben in der Höhe miteinander verflochten; von ihrem rauen Rindenmantel und ihren wunderlich knorrigen Zweigen; von dem buschigen Blattwerk, das den gesamten Wald überspannte und nur wenige kleine Flecken ließ, durch die die Sonnenstrahlen den Weg bis zum Boden fanden und das Moos, die Flechten und das verwehte, dürre Laub betupften.
Der Wald von Burzee ist gewaltig und groß und furchterregend für all jene, die sich in seine Schatten stehlen. Tritt man von den sonnenbeschienenen Wiesen in sein Gestrüpp, wirkt er zunächst düster, dann freundlich und schließlich wie von nie enden wollenden Freuden erfüllt.
Jahrhundertelang ist er in all seiner Pracht und Herrlichkeit erblüht, seine eingefriedete Stille nur durchbrochen vom Trillen der Streifenhörnchen, dem Knurren wilder Tiere und dem Gesang der Vögel.
Und dennoch hat der Wald von Burzee seine ganz eigenen Bewohner. Die Natur hat ihn in seinen Anfängen mit Elfen, Knooks, Ryls und Nymphen bevölkert. Solange es diesen Wald gibt, wird er ein Zuhause, ein Zufluchtsort und ein Spielplatz für diese reizenden unsterblichen Wesen sein, die ungestört in seinen Tiefen schwelgen.
Die Zivilisation hat Burzee nie erreicht. Ob das jemals geschehen wird?
Einst, vor so langer Zeit, dass selbst unsere Urgroßväter kaum davon erfahren haben dürften, lebte in dem großen Wald von Burzee eine Waldnymphe namens Necile. Sie war eng verwandt mit der mächtigen Königin Zurline, und ihr Zuhause lag im Schatten einer weit ausladenden Eiche. Einmal im Jahr, am Tag des Knospens, wenn die Bäume ihre neuen Triebe sprießen lassen, hielt Necile der Königin den Goldenen Kelch von Ak an die Lippen, die daraus auf das Wohl des Waldes trank. Wie ihr seht, war sie also keine unbedeutende Nymphe, und darüber hinaus war sie auch ihrer Schönheit und Anmut wegen hoch angesehen.
Wann sie erschaffen worden war, hätte sie nicht zu sagen gewusst; Königin Zurline hätte es nicht zu sagen gewusst; der Große Ak selbst hätte es nicht zu sagen gewusst. Es war vor langer, langer Zeit, als die Welt neu war und die Nymphen gebraucht wurden, um über die Wälder zu wachen und sich um die jungen Bäume zu kümmern. Dann, an einem Tag, den niemand genau benennen kann, erschien Necile der Welt – lieblich, strahlend, schlank und hochgewachsen wie der Schössling, zu dessen Schutz sie erschaffen worden war.
Ihr Haar hatte die Farbe der stacheligen Kastanienschale, ihre Augen waren blau im Sonnenlicht und violett im Schatten, auf ihren Wangen erblühte das zarte Rosa der Wolkenränder bei Sonnenuntergang, ihre roten Lippen waren voll und lieblich. Für ihr Gewand wählte sie das Grün des Eichenblatts – alle Waldnymphen kleiden sich in dieser Farbe und kennen keine begehrenswertere. Ihre zierlichen Füße steckten in Sandalen, ihr Kopf dagegen war nur von ihren seidigen Locken bedeckt.
Neciles wenige Pflichten waren einfach. Sie sorgte dafür, dass kein schädliches Unkraut unter ihren Bäumen wuchs und von der Erdennahrung zehrte, die ihre Schützlinge benötigten. Sie verscheuchte die Gadgols, die ein boshaftes Vergnügen darin fanden, gegen die Baumstämme zu fliegen und sie zu verwunden, so dass sie ermatteten und durch die giftige Berührung zugrunde gingen. In den trockenen Jahreszeiten holte sie Wasser aus Bächen und Tümpeln und befeuchtete die Wurzeln ihrer durstigen Schutzbefohlenen.
Das war zu Anfang. Inzwischen hatte das Unkraut gelernt, den Wald dort zu meiden, wo Nymphen weilten, die abscheulichen Gadgols wagten sich nicht mehr in die Nähe und die Bäume waren alt und robust geworden und ertrugen die Trockenheit besser als in jenen ersten Tagen, als sie frisch aus dem Boden gesprossen waren. Und so wurden Neciles Pflichten weniger, die Zeit ging träger dahin, und die folgenden Jahre wurden langweiliger und eintöniger, als es dem fröhlichen Geist der Nymphe lieb war.
Doch den Waldbewohnern fehlte es wahrlich nicht an Unterhaltung. Zu jedem Vollmond tanzten sie im fürstlichen Kreis der Königin. Darüber hinaus wurde das Fest der Nüsse, der Jubeltag der Herbstfärbung, die feierliche Zeremonie des fallenden Laubs und der rauschende Ball des Knospens gefeiert. Aber all diese vergnüglichen Anlässe lagen weit auseinander, und die Stunden dazwischen waren oft voll des Überdrusses.
Auf den Gedanken, dass eine Waldnymphe unzufrieden werden könnte, kamen Neciles Schwestern nicht. Auch sie selbst wurde erst nach vielen Jahren des Nachdenkens unzufrieden. Aber als sie für sich erkannt hatte, dass sie das Leben verdrießlich fand, verlor sie jegliche Geduld mit ihrer Lage. Sie sehnte sich nach Abwechslung und danach, ihre Tage mit Dingen zu verbringen, von denen Waldnymphen bisher noch nicht einmal geträumt hatten. Allein das Gesetz des Waldes hielt sie davon ab, auf der Suche nach Abenteuern in die Welt hinauszuziehen.
Der Unmut lastete schwer auf der hübschen Necile, doch das Schicksal wollte es, dass der Große Ak den Wald von Burzee genau zu dieser Zeit besuchte und – wie es Brauch war – den Waldnymphen erlaubte, zu seinen Füßen zu sitzen und seinen weisen Worten zu lauschen. Ak ist der Herr aller Waldgeschöpfe der Welt. Er sieht alles und weiß mehr als die Menschenkinder.
An diesem Abend hielt er die Hand der Königin, denn er liebte die Nymphen wie ein Vater seine Kinder; und Necile lag mit ihren vielen Schwestern zu seinen Füßen und lauschte gebannt seinen Worten.
»Wir führen auf unseren Waldlichtungen ein so glückliches Leben, meine Schönen«, sagte Ak und strich sich nachdenklich über seinen angegrauten Bart, »dass wir nichts von dem Kummer und Elend der armen Sterblichen erahnen, die das offene Land dieser Erde bewohnen. Zwar sind sie nicht von unserem Geschlecht, doch für uns, denen das Schicksal so gewogen ist, geziemt sich Mitgefühl. Wenn ich an dem Haus eines leidenden Sterblichen vorübergehe, bin ich oft versucht, stehenzubleiben und dem armen Wesen aus seinem Elend zu helfen. Doch das Leiden – im gerechten Maß – gehört zum Los der Sterblichen, und es steht uns nicht zu, in die Gesetze der Natur einzugreifen.«
»Dennoch«, sagte die schöne Königin und neigte ihr goldenes Haupt dem Herrn aller Waldgeschöpfe zu, »irrt man nicht mit dem Gedanken, dass Ak diesen unglückseligen Sterblichen oftmals zu Hilfe gekommen ist.«
Ak lächelte.
»Manches Mal«, antwortete er, »wenn sie sehr jung sind – ›Kinder‹ nennen die Sterblichen sie – habe ich Halt gemacht, um ihnen in ihrem Elend zu helfen. Bei Männern und Frauen wage ich nicht einzugreifen; sie müssen die Bürden tragen, die die Natur ihnen auferlegt hat. Aber die hilflosen Kleinen, die unschuldigen Menschenkinder, haben ein Recht darauf, glücklich zu sein, bis sie erwachsen sind und es mit den Prüfungen der Menschheit aufnehmen können. So ist es nur gerecht, ihnen beizustehen. Vor nicht allzu langer Zeit – ein Jahr mag es her sein – fand ich in einer Holzhütte vier kleine Kinder zusammengekauert, die zu erfrieren drohten. Ihre Eltern waren in ein Nachbardorf gegangen, um Nahrung zu holen, und hatten ein Feuer brennen lassen, das ihre Kleinen während ihrer Abwesenheit wärmen sollte. Doch ein Sturm war aufgekommen, hatte Schnee auf ihren Weg geweht und ihre Reise verlängert. Indessen erlosch das Feuer, und der Frost kroch den wartenden Kindern in die Knochen.«
»Die armen Menschlein!«, murmelte die Königin leise. »Was hast du getan?«
»Ich rief Nelko, bat ihn, Holz aus meinen Wäldern zu holen und dem Feuer seinen Atem zu schenken, bis es wieder loderte und die kleine Kammer der Kinder wärmte. Sie hörten auf zu zittern und sanken in tiefen Schlaf, bis ihre Eltern heimgekehrt waren.«
»Ich bin froh, dass du so gehandelt hast«, sagte die gütige Königin und strahlte ihn an; und Necile, die aufmerksam jedes Wort verfolgt hatte, wisperte wie ein Echo: »Ich bin auch froh!«
»Und heute Abend«, fuhr Ak fort, »hörte ich am Waldrand von Burzee ein schwaches Weinen, das mir von einem Menschenkind zu kommen schien. Ich sah mich um und fand ein hilfloses Baby, das nackt im Gras in der Nähe des Waldes lag und kläglich wimmerte. Nicht weit entfernt, im Wald versteckt, kauerte die Löwin Shiegra, die nur darauf wartete, das Kind zum Abendessen zu verschlingen.«
»Und was hast du getan, Ak?«, fragte die Königin atemlos.
»Nicht viel, da ich in Eile war, um meine Nymphen zu empfangen. Aber ich befahl Shiegra, sich zu dem Kind zu legen und mit ihrer Milch seinen Hunger zu stillen. Und ich trug ihr auf, im ganzen Wald unter allen Tieren und Reptilien zu verbreiten, dass dem Kind kein Unheil geschehen dürfe.«
»Ich bin froh, dass du das getan hast«, wiederholte die gütige Königin erleichtert. Aber diesmal sprach Necile ihre Worte nicht nach, denn die Nymphe hatte plötzlich einen Entschluss gefasst und sich von der Gruppe entfernt.
Geschwind huschte ihre schlanke Gestalt über die Waldwege hinweg bis zum Rand des mächtigen Burzee, wo sie innehielt und sich neugierig umblickte. Noch nie hatte sie sich so weit vorgewagt, denn nach dem Gesetz des Waldes gehörten die Nymphen in seine innersten Tiefen.
Necile wusste, dass sie gegen das Gesetz verstieß, aber dieser Gedanke hielt ihre zierlichen Füße nicht zurück. Sie hatte beschlossen, sich mit eigenen Augen das Kind aus Aks Erzählung anzusehen, denn noch nie hatte sie ein Menschenkind erblickt. Alle Unsterblichen sind erwachsen, es gibt keine Kinder unter ihnen. Durch die Bäume spähend entdeckte Necile das im Gras liegende Kind. Doch mittlerweile schlief es friedlich, von Shiegras Milch getröstet. Es war nicht alt genug, um zu verstehen, was Gefahr bedeutet; solange es keinen Hunger verspürte, war es zufrieden.
Vorsichtig huschte die Nymphe zu dem Säugling und kniete sich ins Gras. Ihr langes Kleid in der Farbe von Rosenblättern breitete sich wie eine hauchzarte Wolke um sie aus. Ihre anmutige Haltung verriet Neugier und Überraschung, vor allem aber ein zärtliches, mütterliches Mitgefühl. Es war ein Neugeborenes, ein wenig mollig und rosa. Und vollkommen hilflos. Während die Nymphe das Kind betrachtete, schlug es die Augen auf, lächelte sie an und steckte ihr zwei dicke Ärmchen entgegen. Im nächsten Augenblick hatte Necile es an ihre Brust gehoben und eilte mit ihm über die Waldwege davon.
Plötzlich erhob sich der Herr aller Waldgeschöpfe mit gerunzelter Stirn. »Ein fremdes Wesen befindet sich im Wald«, erklärte er. Als die Königin und ihre Nymphen sich umwandten, sahen sie Necile, die das schlafende Baby fest im Arm hielt und sie mit ihren tiefblauen Augen herausfordernd ansah.
So verharrten die Nymphen einen Augenblick lang überrascht und bestürzt. Doch die Stirn des Herrn aller Waldgeschöpfe glättete sich langsam, während er die schöne Unsterbliche aufmerksam ansah, die absichtlich gegen das Gesetz verstoßen hatte. Dann legte der Große Ak zur Überraschung aller seine Hand sanft auf Neciles wallende Locken und küsste ihre helle Stirn.
»Seit ich denken kann«, sagte er leise, »ist dies das erste Mal, dass sich eine Nymphe mir und meinen Gesetzen widersetzt – dennoch kann ich in meinem Herz kein Wort des Tadels finden. Was ist dein Wunsch, Necile?«
»Lass mich das Kind behalten!«, antwortete sie, begann zu zittern und sank flehend auf die Knie.
»Hier, im Wald von Burzee, den das Menschengeschlecht nie betreten hat?«, fragte Ak.
»Hier, im Wald von Burzee«, antwortete die Nymphe beherzt. »Der Wald ist meine Heimat, und ich bin des Müßiggangs müde. Erlaube mir, mich um das Kind zu kümmern! Sieh nur, wie schwach und hilflos es ist. Sicher kann es Burzee und dem Herrn aller Waldgeschöpfe der Welt keinen Schaden zufügen!«
»Aber das Gesetz, Kind, das Gesetz!«, rief Ak streng.
»Das Gesetz wird vom Herrn aller Waldgeschöpfe gemacht«, erwiderte Necile; »wenn er mir aufträgt, für das Kind, das er höchstpersönlich vor dem Tod gerettet hat, zu sorgen, wer in aller Welt wollte sich mir da widersetzen?« Königin Zurline, die dieses Gespräch aufmerksam verfolgt hatte, klatschte bei den Worten der Nymphe vergnügt in die Hände.
»Nun, Ak, du sitzt in der Falle!«, rief sie lachend. »Jetzt ersuche ich dich, Neciles Bitte stattzugeben.«
Der Herr aller Waldgeschöpfe strich sich langsam über den Bart, wie es beim Nachdenken seine Gewohnheit war. Dann sagte er:
»Sie möge den Säugling behalten, und er soll unter meinem Schutz stehen. Aber ich warne euch alle, dies hier wird das erste Mal sein, dass ich das Gesetz lockere, und auch das letzte Mal. Nie wieder, bis ans Ende der Welt, soll ein Sterblicher von einer Unsterblichen adoptiert werden. Sonst würden wir unser glückliches Dasein gegen ein Leben voller Angst und Sorge eintauschen. Gute Nacht, meine Nymphen!«
Damit war Ak aus ihrer Mitte verschwunden, und Necile eilte zurück in ihre Laube, um sich an ihrem neuen Schatz zu erfreuen.
Am nächsten Tag war Neciles schattige Laube die beliebteste im ganzen Wald. Die Nymphen scharten sich um sie und das Kind, das in ihrem Schoß schlief. Sie betrachteten es voller Neugierde und Entzücken. Auch ließen sie es nicht an Lob für die Güte des Großen Ak mangeln, der Necile erlaubte hatte, das Kind zu behalten und zu versorgen. Selbst die Königin kam, um das Gesicht des unschuldigen Kindes zu betrachten und seine hilflose, rundliche kleine Faust in ihrer eigenen zierlichen Hand zu halten.
»Wie wollen wir ihn nennen, Necile?«, fragte sie lächelnd. »Er muss doch einen Namen haben, nicht wahr?«
»Sein Name soll Claus sein«, antwortete Necile, »denn das bedeutet ›der Kleine‹.«
»Dann soll es besser Neclaus heißen«, erwiderte die Königin, »denn das bedeutet ›Neciles Kleiner‹.«1
Die Nymphen klatschten entzückt in die Hände. Der Name des Kindes wurde Neclaus, obwohl Necile ihn am liebsten Claus nannte und viele ihrer Schwestern später diesem Beispiel folgten.
Necile sammelte das weichste Moos des ganzen Waldes, damit Claus darauf liegen konnte, und machte ihm damit ein Bett in ihrer Laube. An Nahrung mangelte es dem Kindchen nicht. Die Nymphen suchten im Wald Glockeneuter, die an den Goa-Bäumen wachsen und mit süßer Milch gefüllt sind, die sanften Rehe gaben zum Wohl des kleinen Fremden bereitwillig einen Teil ihrer Milch ab, und die Löwin Shiegra kroch oft heimlich in Neciles Laube und schnurrte leise, wenn sie neben dem Baby lag und es trinken ließ.
Und so gedieh der Kleine und wurde von Tag zu Tag kräftiger und strammer, während Necile ihn sprechen, laufen und spielen lehrte.
Seine Gedanken und Worte waren sanftmütig, denn die Nymphen kannten nichts Böses und ihre Herzen waren rein und voller Liebe. Er wurde zum Liebling des ganzen Waldes, denn Aks Beschluss hatte allen Tieren, großen wie kleinen, verboten, ihm etwas anzutun, und wohin sein Wille ihn auch führte, war sein Schritt ohne Furcht.
Schon bald erreichte die anderen Unsterblichen die Neuigkeit, dass die Nymphen von Burzee ein Menschenkind adoptiert hatten, und dass diese Tat vom Großen Ak gutgeheißen worden war. Deshalb bekam der kleine Fremde viele Besucher, die ihn mit großem Interesse betrachteten. Als Erstes erschienen die Ryls, Cousins ersten Grades der Waldnymphen, wenn auch von ganz anderer Gestalt, denn die Ryls wachen über die Blumen und Pflanzen, so wie es die Nymphen über die Bäume des Waldes tun. Sie suchen in der weiten Welt nach Nahrung, die die Wurzeln der Blumen benötigen; die strahlenden Farben der Blüten verdanken die Pflanzen den Farbstoffen, die die Ryls in die Erde geben und die sie dann durch die kleinen Äderchen in ihre Wurzeln und Körper ziehen, wenn sie die Blütezeit erreichen. Die Ryls sind ein geschäftiges Völkchen, denn ihre Blumen blühen und welken unaufhörlich, aber sie sind fröhlich und unbeschwert und bei den anderen Unsterblichen sehr beliebt.
Als Nächstes kamen die Knooks, deren Aufgabe es ist, über die Tiere der Welt zu wachen, über die sanften wie auch über die wilden. Die Knooks haben damit ihre liebe Mühe, denn viele der Tiere sind unbändig und widersetzen sich ihren Verboten und Regeln. Aber inzwischen wissen sie, wie sie mit ihnen zurechtkommen, und es gibt Gesetze der Knooks, die selbst von den wildesten Tieren befolgt werden. Wegen ihrer Mühen sehen die Knooks alt, krumm und erschöpft aus, und ihr Wesen ist durch den unablässigen Umgang mit den wilden Kreaturen ein wenig ungehobelt. Doch sind sie den Menschen und der ganzen Welt äußerst nützlich, denn ihre Gesetze sind neben denen des Herrn aller Waldgeschöpfe die einzigen, die die Tiere des Waldes anerkennen.