Die Bayerischen Alpen - Michael W. Weithmann - E-Book

Die Bayerischen Alpen E-Book

Michael W. Weithmann

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Beschreibung

Die Bayerischen Alpen – das sind die Gebirge zwischen Salzach und Lech, die Ammergauer Berge mit den Königsschlössern, der Wetterstein mit der Zugspitze, das zerklüftete Karwendel und die Berchtesgadener Alpen mit Watzmann und Königssee. Die Geschichte menschlicher Besiedlung der Bayerischen Alpen setzte ein mit den Rätern und Römern. Im 10. Jahrhundert umfasste Bayern den Ostalpenraum bis zur Adria. Später traten die Gegenspieler Salzburg, Tirol und das Haus Habsburg auf, was immer wieder zu Grenzverschiebungen führte, bis sich im 19. Jahrhundert die tirolisch-bayerische Grenze verfestigte. Holz, Salz, Erz und Milch bildeten die wirtschaftliche Basis, im 19. Jahrhundert hielt schließlich der Tourismus Einzug. Einerseits bemächtigten sich Romantik, Literatur, Musik und Malerei der Alpenthematik, andererseits wurden die Berge militarisiert und zur "Alpenfestung" erklärt. In großen Linien ordnet der Autor die Ereignis- und Kulturgeschichte der Bayerischen Alpen von den Anfängen bis in die Gegenwart in den europäischen Kontext ein.

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Michael W. Weithmann

DIE BAYERISCHEN ALPEN

Landschaft, Geschichte und Kultur zwischen Salzach und Lech

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2022 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | [email protected]

ISBN 978-3-7917-3317-3

Umschlaggestaltung und Layout: www.martinveicht.de

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2022

eISBN 978-3-7917-6217-3 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie unter www.verlag-pustet.de

INHALT

Einleitung

Burg, Kirche, Wirtshaus – wo die Kulturgeschichte der Bayerischen Alpen sichtbar ist

I. Die Bayerischen Alpen: Begriff, Naturraum, Grenzen

Grenzen: Natürliche, räumliche, historische und politische

Offizielle Definitionen der Bayerischen Alpen / Bayerische Hochalpen und Bayerische Voralpen / Bayerisches Hochland und Bayerisches Oberland

Im Flug über die Bayerischen Alpen

Am Rande: Das Ammergebirge / Karstblock Estergebirge / Rund um den Walchensee / Isarwinkel und „Benewand“ / Der Wetterstein: Bayerns echtes Hochgebirge / Das Werdenfelser Land / Das Karwendel: Über hundert Zweitausender, Ahornwälder und Isarquellen / Der (oder das) Rofan: Erinnerungsort an die Vorzeit / Die Tegernseer Berge: Terra Benedictina und „Immobilien-Hotspot“ / Spitzingsee, Wendelstein und Sudelfeld: Lockruf des Skisports / Die Chiemgauer Alpen: Freundliche Aussichtsberge / Zahmer und Wilder Kaiser: Geschichtlich gesehen eigentlich bayerisch / Reit im Winkl, Ruhpolding und Inzell: Das touristische Dreigestirn / Die Berchtesgadener Alpen: Geschichtlich gesehen eigentlich salzburgisch / Bayerische Ikonen: Untersberg, Ramsau, Watzmann und Königssee

Die Bayerischen Alpen aus der Nähe betrachtet

Gletscher und Ferner / Alpenländische Flussläufe Oberbayerns / Der Föhn

Der Mensch in den Bayerischen Alpen

Wege übers bayerische Gebirge: Pässe, Joche, Scharten / Alpenländische Nachbarschaften

Eine kurze Erdgeschichte

Zeugen der Erdgeschichte: Kalk, Fossilien und Eis / Die letzte Eiszeit

II. Geschichte von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert

Vor- und Frühgeschichte: Der frühe Mensch im bayerischen Alpenraum

Feuersteinwege durchziehen die Alpen / Ackerbauern pflanzen Getreide, Wanderhirten gehen ins Bergland / Auf der Suche nach Salz und Kupfer / Urwege und Höhensiedlungen / Bergstürze formen die Landschaft / Die Jahrhunderte der Kelten: Bergbau, Erz- und Salzgewinnung / Keltensiedlungen am Alpenrand / Keltische Karrenwege / Felsritzungen und Schalensteine / Rätselhafte Räter: Inschriften am Schneidjoch / Römerschlacht am Döttenbichl / Das Tropaeum Alpium

Einbindung ins Imperium Romanum

Raetia Latina, Raetia Romana / Via Claudia und Via Raetia / Pax Romana: Friedliches Landleben / Pilger und Heilige / Unruhige Völkerbewegungen / Was die Römer hinterlassen haben

Auftritt der Bajuwaren

Erfolgreiche christliche Heidenmission / Ortsnamen geben Hinweise auf die Besiedlungsgeschichte / Erste Kirchenbauten / Kein Kulturbruch zwischen Römern und Baiern / Baiern und Walchen: Sagen und Mythen / Bergkampf der Titanen: Thyrsus und Haymon

Ein neues Wegenetz des Mittelalters

Die ersten Rodungsklöster / Klöster kontrollieren die Passstraßen / Säumer und Saumtiere / Neue Machtzentren nördlich der Alpen / Neue Wege erschließen das Bergland / Wandel der Almwirtschaft / Die Wiederentdeckung von Erz und Salz / Reiterkrieger durchstreifen das Land / Bayern: Von der Ostalpenmacht zur Randmacht

Die hochmittelalterliche Kolonisation der Bergwelt

Ora et Labora et Lege: Terra Benedictina / Die Via Imperii: Die Reichsstraßen nach Italien / Kaiserliche Romfahrten / Wächter am Alpenrand: Herzöge und Grafen / Welschwein und Orientwaren / Burgenbau auf Bergeshöhen / Bergheld Otto von Wittelsbach / Das hohe Mittelalter: Eine kulturfreundliche Warmzeit

Rivalen an den Südgrenzen

Übergriffiger Gebirgsnachbar: Tirol / Alpine Großmacht Habsburg / Kuntersweg und Kesselbergstraße / Felix Fabri erklärt die Alpenwelt / Etzlaubs Pilgerkarte / Fataler „Bairischer Hausstreit“ / Kaiser Maximilian, „der große Waidmann“ / „Salzirrungen“ mit dem Fürsterzbistum Salzburg / Zankapfel Fürstpropstei Berchtesgaden / Ein Kloster „unerhörter Art“: Ettal / Das Werdenfelser Rottwesen / Das „Goldene Landl“ Werdenfels / Widerständige Bergherrschaften: Tegernsee, Waldeck und Aschau / Pankraz von Freyberg

Reformation und Gegenreformation

Sieg der Katholizität: Heiligenverehrung und Hexenglaube / Gnadenorte und Wallfahrten / Neuzeitlicher Landesausbau / Kohlenmeiler und Hammerwerke / Geheimnisvolle Venediger-Mandln / Saalforste und Soleleitungen / Salzkrieg mit dem Fürsterzbischof

Kriege um Vorherrschaft und Erbfolge

Bau von Festungen im Gebirge / Schwedenkrieg im Isarwinkel / Barocke Baukonjunktur / Aufstand der Oberländer / Patriotische Verklärung: Der Schmied von Kochel / Panduren und Krawatten / Umkämpfte Festungen Ehrenberg und Porta Claudia / Der Blaue Kurfürst erlebt sein Blaues Wunder / Bayerisch-tirolische Raubüberfälle. Rumoranten und Insurgenten / Protestantenverfolgung in Berchtesgaden

Geistliches Rokoko im Pfaffenwinkel

Baumeister, Passionsspieler, Holzschnitzer und Lüftlmaler / Absolutismus und Aufklärer: Die Säkularisation liegt in der Luft

Das Postkutschen-Zeitalter

Chausseen durchziehen die Alpen / Mit der Chaiselongue über alle Berge / Goethe überquert die Bayerischen Alpen / Der „Müllner-Peter von Sachrang“

Verbrechen und Sühne: Kriminalgeschichte der Bayerischen Alpen

Raubritter, unglückliche Gräfinnen und treulose Sennerinnen / Landschädliche, „Grattler“ und Vaganten

III. Drei große überzeitliche Themen: Wald, Jagd und Alm

Wald und Gebirge

Der alpine Urwald – ist eine Rekonstruktion möglich? / Der Naturwald schwindet – der Kulturwald entsteht / Rodung, Reut und Schwende / Nutzholz und Wertholz, Bannwald und Schlagwald / Isar und Loisach als Wasserstraßen / Erste Bayerische Forstordnung 1568 / Wechsel des Waldkleids seit dem 18. Jahrhundert

Die Jagd in den Bayerischen Alpen

Fastenspeise Fisch / Jagdfron der Untertanen / Raubzeug: Wölfe, Bären, Lämmergeier / Adelsjagd und Trophäensammeln / Herzogliche Jagdreviere / Wildschützen und kurfürstliche Jagdpartien / Wilderer belagern Burg Staufeneck / Die Causa Jennerwein – ohne Folklore betrachtet / Wiederansiedlung von alpenländischen Wildtieren

Die Almwirtschaft in den Bayerischen Alpen

Transhumanz, Fernweide und Milchverträglichkeit / Talwirtschaft und Almwirtschaft / Erzeugnisse der Almen / Bergbauernhöfe – Schwaighöfe / Geistliche „Sennerinnen-Wapplung“ / Ein neuer Berufsstand: Der Schweizer / Und wer bewirtschaftete Äcker und Almen? / Ist die Zeit oben stehen geblieben? / Forst und Jagd werden vorrangig / Almwirtschaft dient dem Natur-, Kultur- und Artenschutz

Exkurs: Haushalt, Speis und Trank

Hütten, Häuser, Höfe / Mehl, Milch und Schmalz / Wasser, Bier und Branntwein / Tabak und Schmalzler

IV. Das 19. Jahrhundert – Teil 1

Le Royaume de Bavière

Säkularisation: „Weg mit dem pfäffischen Zierrat“ / 1806: Bayern wird konstitutionelle Monarchie / Tirol – ein Danaergeschenk / Tiroler Adler rupft den Bayernlöwen / Andre Hofer: „Werfts die Baiern den Berg runter“ / Tiroler Sturm ins Bayerland / „Manner s’isch Zeit!“ / Das neue Bayern erhält Werdenfels und Berchtesgaden / Staatsgrenze quer durch die Bayerischen Alpen / Schmuggler und Schwärzer / Die neuen Gebiete: Bayern wird Alpenland / Erst Kloster, dann königlicher Sommersitz: Schloss Tegernsee / Berchtesgaden, bergumrankt

Wirtschaft und Politik im 19. Jahrhundert

Landwirtschaftliche Agrarprodukte / Geigen und Glas / Lehm, Torf und Stein / Salz und Metalle / Lagerstätten und Kohlegruben im Oberland / Münchner Trinkwasser aus dem Oberland / Dampfrösser auf Schienen / Die Mittenwaldbahn durchfährt das Karwendel / Steamer auf den Voralpenseen / Auftrumpfende Großbauern

Das königliche Gebirge

Fremde! Im Gebirg! / Bayerns Könige in den Bergen / Wo König Max und Königin Marie Urlaub machten: Hohenschwangau / Max Zwoa: Königlicher Weitwanderer / Die ersten „Preißen“ entdecken die „Berje“ / Königin Marie geht in die Berge / Des Märchenkönigs Bergwelt / „Adler“ und „Möwe“ auf der Roseninsel / Märchenhafter Baustil-Charivari / Alpenkönig und Menschenfeind: Schloss Linderhof und Hochsitz Schachen / König Ludwigs jährliches Bergwanderprogramm / Das bayerische Montsalwatsch: Neuschwanstein / Des „Märchenkini“ letzter Traum: Falkenstein auf Sturmeshöh / Prinzregent und letzter König: Hirschjäger und „Millibauer“

Der Fremdenverkehr beginnt

Fremde Gäste in den Bergen / Wildbäder und Kurhäuser

V. Das 19. Jahrhundert – Teil 2

Die Entdeckung des bayerischen Hochgebirges

Das Hochgebirge: Mythischer Ort des Schreckens / Hort des Aberglaubens: Zwerge, Drachen und Vampirinnen / Kein Drang nach oben / Die Almer Hochgebirgswallfahrt durchs Steinerne Meer / Eine unbekannte Welt

Bergverklärung der Romantik

Albrecht von Haller, Franz Schubert, Adalbert Stifter, Johann Nepomuk Vogl

Die Entzauberung der Hochalpen

Erste Kartenwerke / Grenzsteine im Gebirge / Gipfelkreuze, Barometer und Höhenmesser / Hochwürden Valentin Stanić / Verwirrende Bergnamen: Palfen, Kampen, Unnütz / Die Erstbesteigung der Zugspitze

Erkundung und Erschließung

Eine neue Spezies in den Alpen: Der Bergsteiger / Die Gründung des Alpenvereins / Erste Wege und Schutzhütten

Hermann von Barth (1845–1876)

Auf die Berchtesgadener Alpen / Hommage an Kederbacher und Punz / Über den Wetterstein / „Schwindelfreier Kopf, elastischer und rascher Tritt“ / Wildheit und Böswilligkeit am Rossloch / „Aus den Nördlichen Kalkalpen“ / Gebrüder Schlagintweit: Vom Karwendel zum Hindukusch

VI. Mit fremden Augen: Ethnografie, Literatur und Kunst

Ethnografische Beschreibungen von Land und Leuten

Völkerkundliche Merkwürdigkeiten / Nikolaus und Krampus / Gespenstische Rauhnächte / Perchten und Buttenmandl / Schellenrührer und Maschkera / Volkstrachten, Dirndl und Lederhosen / Wahrlich kein Witz: Wildschützen und Haberfeldtreiber / Jodeln, Scheibenschießen und Prangerkrachen / Zither, Hackbrett und „Hoagascht“ / Sprache und historische Alpensagen

Die Bayerischen Alpen in der Literatur

Ulrich Hohoffs Bibliografie / Voralpenland und Bayerische Alpen in Erzählungen und Romanen / Alpiner Lesestoff in Millionenauflage / Das Bayerische als wohlfeiles Klischee / Ludwig Ganghofer, allerhöchst gelesen / Ludwig Thoma, ein verbitterter Realist

Die Bayerischen Alpen in der Landschaftsmalerei

Eröffnung des Fremdenverkehrs

Die Fremden aus Norddeutschland kommen / Salontiroler unterwegs / Der „gscherte Hamme(l)“ als touristisches Kunstprodukt / Vermehrung der Gipfelkreuze / Belle Époque in den Bergen: Edward Elgar

VII. Das 20. Jahrhundert in den Bayerischen Alpen

Es beginnt mit Musik, Malerei, Literatur – und Elektrizität!

Strauss’sche Alpensymphonie, „Blauer Reiter“ und „Lady Chatterley“ / Thomas Mann erklimmt den Hirschberg / Lovis Corinth am Walchensee / Kraftquell für die neue Elektrizität: Die Walchensee-Turbinen

Krieg, Revolution und Reaktion

Alpenkrieg und Brennergrenze / Revolutionärer Freistaat / Freikorps Werdenfels marschiert gen München / Rückkehr zur Monarchie? / Antijudaismus und Antisemitismus / Ordnungszelle Bayern / Heimatbewegung und alpenländische Volkslieder

Fremdenverkehr bringt mehr ein als Landwirtschaft

Popularisierung des Fremdenverkehrs / Kurbäder am Alpenrand / Ein neuer Wirtschaftsfaktor: Wintersport / Das neue Freizeitverhalten in den Bergen / Die Anfänge der bayerischen Bergwacht / Marginalisierte Almwirtschaft / Gralssucher im Hochland: Leo Maduschka

An Seil und Haken

Klettermaxen und Bergmädel / Alpinliteratur und Bergfilme / Bayerische Bergsteiger am Nanga Parbat

Technische Erschließung des Hochlandes: Berg- und Seilbahnen

Bergbahn auf den Wendelstein / Auf den Predigtstuhl hinaufschweben / Per Zahnrad auf die Zugspitze

Goldene Zwanzigerjahre?

Oberammergau wird international / Im Flugzeug über die Alpen / Ödön von Horváth über die Zwanzigerjahre in den Bergen

Berg Heil! Die Bayerischen Alpen im „Dritten Reich“

Landtags- und Reichstagswahlen 1932 und 1933 / Machtergreifung und „Gleichschaltung“ im Gau München-Oberbayern / Flucht über die Berge: Wilhelm Hoegner / Bayerische Bergbauern: Rassisch unklar und katholisch „infiziert“ / NS-ideologische Schulungszentren in Oberbayern / Vorkriegs- und Kriegskonjunktur. Reichsautobahn und Alpenstraße / IV. Olympische Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen 1936 / Die Militarisierung der Alpen: Kasernenbau und Gebirgsjägertruppe / 1938: Österreich wird Deutsche Ostmark / NS-Prominenz zieht ins Bergland / „Dieser Ort ist judenrein“ / Anpassung und Emigration

NS-Reichskanzlei in den Bergen

Berghof und Kehlsteinhaus: Der Obersalzberg / Gebirgsjäger im Kriegseinsatz / „Kraft durch Freude“ läuft weiter

Luftkrieg und US-Occupation

NS-Alpenfestung: Wahn und Wirklichkeit / Schicksale am Kriegsende / Liesl Karlstadt wird Gebirgsjäger / Gerüchte übers „Nazi-Gold“ / Sturm auf die Alpenfestung / US-Tiger-Division besetzt Südbayern

Nachkriegsjahre

Die „schlechte Zeit“ / Ruhpolding macht den Wiederanfang / Die Amis entdecken die Berge / Wiederaufleben der Gebirgsjägertruppe

Wirtschaftswunderbergland

Industrielle Weichenstellung nach Süddeutschland / Der ländliche Bereich verändert sich / Ende der bergbäuerlichen Wirtschaft / Fremde werden Touristen / Mit dem Auto in die Berge

Spielplatz des Alpinsports

Neue Massentrends im Winter / Wirkmacht der Outdoor-Industrie / Der Berg als Klettergerüst / Berge als Geschäftsmodell / Die Berge als Freizeitpark / Abriss und Neubau: Die Höllentalangerhütte / Missglückte Olympiabewerbung Münchens 2018 / UNESCO-Weltkulturerbe Garmisch-Partenkirchen? / E-Mobility und „Over-Tourismus“

Die Bayerischen Alpen im Licht wissenschaftlicher Bemühungen

Wissenschaftliche Bewahrung der Tradition / Bayerische Bergwacht im Einsatz / Gebirgsjägerbrigade Bayern / Bemühungen um Natur- und Kulturschutz in den Bergen / Naturwissenschaftliche und technische Einrichtungen in den Bayerischen Alpen / Staatlich geschützte Natur / Energiegewinnung in den Bayerischen Alpen

Ereignisgeschichte der letzten Jahrzehnte

Wiedervereinigung, Braunbär Bruno und Präsident Obama / Das Verkehrswesen in den Bayerischen Alpen

Ausblick

Anhang

Literatur / Register / Bildnachweis

EINLEITUNG

Burg, Kirche, Wirtshaus – wo die Kulturgeschichte der Bayerischen Alpen sichtbar ist

Schnell und heftig rauscht unten der Fluss, nachdem er die Felsenge von Klobenstein überwunden hat, und windet sich weiter durchs bayerische Achental in Richtung Chiemsee. Tiroler Ache heißt der Gebirgsfluss auch hier noch nach seinem Ursprung in Tirol jenseits der alten Grenze. Wir wandern weiter und vor uns öffnet sich der Streichensattel, ein eher sanfter Gebirgspass auf gut 800 Metern Seehöhe. Wie unter einem Brennglas verortet, begegnen uns hier die Geschichte der Bayerischen Alpen sowie die vielen Fragestellungen, die mit ihr verbunden sind. Schon die Nähe zum Tirolischen! Sie begleitet diese Gebirgsregion bis heute. Und der Name Streichen weist in tiefere Zeiten. Mit dem alten römisch-lateinischen Wort Strictus bezeichnete man im Mittelalter den festen Saumweg, der hier über den Berg nach Süden führte und der eine Burg zur Überwachung geradezu herausforderte. Und in der Tat stand im Hochmittelalter hier oben eine Ritterburg. Übrigens ein Zeichen, dass zu dieser Zeit ein Klimaoptimum geherrscht haben muss: wärmer war es als heute, sonst wäre die dauerhafte Bewohnbarkeit auf dem Streichen für zwei Jahrhunderte gar nicht möglich gewesen. Die Ritter lebten auch keineswegs isoliert, der tragische Tod eines Kuno von Streichen auf dem Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas zeugt für internationale Verbindungen.

Die Kirche St. Servatius auf dem Streichen (820 m) am Saumweg von Schleching ins Tirolische war ursprünglich die Kapelle einer Burg. Später entwickelte sich eine Wallfahrt zum heilkräftigen Servatiusbründl.

Die Innenwände der Kirche sind über und über bedeckt mit farbigen gotischen Seccomalereien aus den 1440er Jahren und dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. Gut zu erkennen sind die für das Gebirge besonders zuständigen Heiligen Christophorus, Leonhard und Ägidius mit der Hirschkuh.

Wenn auch die Burg verfiel, ihre Kirche blieb bestehen, die Streichenkirche Sankt Servatius, ein wahres kunstgeschichtliches Kleinod voller Wandbilder und qualitätvoller farbiger Fresken im gotischen Stil. Wieso dieser Aufwand im ausgehenden Mittelalter inmitten der Berge? Waren es die „Bergschätze“ Salz und Erz oder die ringsum liegenden Almen, die dies ermöglicht hatten? Unser erster Blick fällt freilich auf das Wirtshaus, unverkennbar hervorgegangen aus dem ehemaligen Mesnerhäusl, ein typisch gebirgsbayerischer Bau mit hölzernen Obergeschossen, blumengeschmückten Balkonen und einer niederen gemütlichen Stube. Doch auch hier greift die moderne Zeit an. Seit Mai 2021 stand das Anwesen leer und zum Verkauf. Die Gemeinde gerierte sich einem Ankauf unwillig gegenüber, und die Pläne eines Finanzinvestors blieben undurchsichtig. Doch nach drei Monaten erhielt ein Kulturverein den Kaufzuschlag – mit der Maßgabe, das typisch gebirgsbayerische Ensemble aus Burg, Kirche und Wirtshaus zu erhalten. Ein schöner Auftakt für unsere Geschichte der Bayerischen Alpen!

I. DIE BAYERISCHEN ALPEN: BEGRIFF, NATURRAUM, GRENZEN

Grenzen: Natürliche, räumliche, historische und politische

Gebirge einzugrenzen und zu gliedern ist ein problematisches Unternehmen. Moderne Staatsgrenzen sind wohl am ungeeignetsten, beruhen sie doch auf politischen Vorgängen und haben sich im Laufe der Zeiten geändert. Aber finden sich natürliche Grenzen? Bergkämme, Gipfellinien, Tallandschaften? Oder gibt uns die Geologie Hinweise auf verschiedene Gesteinsarten, die Ethnografie auf diverse Sprachen und Lebensstile, oder kennt gar die Biologie Grenzen innerhalb der Pflanzen- und Tierwelt? Alle diese Probleme spielen bei der Definition der „Bayerischen Alpen“ eine Rolle.

Der Freistaat Bayern ist das einzige deutsche Bundesland, das an den Alpen Anteil hat. Mit Recht könnte man den gesamten Alpenbogen zwischen der baden-württembergischen Landesgrenze im Westen und den österreichischen Staatsgrenzen im Süden und Osten als die „Alpen Bayerns“ bezeichnen. Staatsrechtlich gesehen mag das korrekt sein, aber es widerspricht dem historischen Begriff der „Bayerischen Alpen“. Dieser bezieht sich nämlich dezidiert nur auf die Oberbayerischen Alpen, auf die Gebirgszüge zwischen den Flüssen Lech im Westen und der Salzburger Salzach im Osten.

Denn nun kommt die Geschichte ins Spiel. Die längste Zeit seiner Geschichte beschränkte sich das bayerische Herrschaftsgebiet auf das altbayerische Territorium, das sich in den heutigen Regierungsbezirken Oberpfalz, Niederbayern und Oberbayern widerspiegelt. Bayerisch-Schwaben und Franken sind erst Erwerbungen des 19. Jahrhunderts. Die Entwicklung dieser Landesteile ist ganz anders verlaufen als in Altbayern.

Bayerische Alpen, korrekt Baierische Alpen oder Baierisches Gebirge, tauchen aber schon viel früher, im Spätmittelalter auf und beziehen sich auf das damalige Herzogtum Bayern, das aber nicht Schwaben umfasst hatte. Die Allgäuer Alpen gehören also nicht zu den Bayerischen (sprich Oberbayerischen) Alpen. Eine Ungereimtheit fällt natürlich auf: Auch der Wetterstein und die Berchtesgadener Alpen kamen erst Anfang des 19. Jahrhunderts zu Bayern, zählen also genaugenommen nicht zum altbaierischen Kern. Aber trotzdem werden sie zu den Bayerischen Alpen gezählt.

1844 erschien in München das Werk „Topische Geographie von Bayern“. Verfasser war der damalige Oberleutnant Friedrich Wilhelm Walther von Walderstötten (1805–1889). Seine topografische Zusammenfassung des Königreichs Bayern trug offiziellen Charakter, weshalb sie auch dem Thronfolger Maximilian, dem späteren König Max II., gewidmet war. Walther nannte die gesamten Alpen des Königreichs Bayern „Die Kalkalpen Südbayerns“ und unterschied klar 1. die Allgäuer Alpen, 2. die Bayerischen Alpen im engeren Sinne und 3. die Salzburger Alpen, deren bayerischer Anteil.

Der Wiener Geograf August Böhm veröffentlichte 1887 eine Geschichte der „Eintheilung der Ost-Alpen“ und rekurrierte darin auf die Dreiteilung der Bayerischen Alpen in die Allgäuer Alpen, die Altbayerischen Alpen (gemeint sind die Oberbayerischen Alpen) und die Salzburger Alpen. Unser Thema sind demnach die Bayerischen Alpen im engeren Sinne, d. h. die Oberbayerischen Alpen.

Die auf diese Weise zwischen Lech und Saalach eingegrenzten Bayerischen Alpen stoßen im Süden auf das österreichische Bundesland Tirol und im Osten auf das Bundesland Salzburg. Die gegenwärtigen Grenzlinien folgen dabei nicht den Tälern, sondern den Graten und Bergkämmen, welche die Berggipfel verbinden. Völkerrechtler nennen dies „orografische Grenzen“. Wie angedeutet, sind diese modernen Staatsgrenzen das Ergebnis einer in unserem Raum fast 1000-jährigen politischen Entwicklung, der wir in diesem Buch nachgehen werden.

Folglich kann sich eine Geschichte der Bayerischen Alpen nicht auf die oberbayerische Region beschränken, sondern muss auch die Tiroler Bergwelt, das Kaisergebirge und die Salzburger Alpen behandeln. Innsbruck und Salzburg werden häufig genannt werden. Das historische Einflussgebiet Bayerns reichte schließlich über den Reschenpass und den Brennerpass weit nach Süden hinaus und bezog auch die Salzburger Berge mit ein. Bis ins 16. Jahrhundert zählten das Kaisergebirge, Kitzbühel, Kufstein und Rattenberg am Inn zum bayerischen „Land im Gebürg“. Mithin beinhaltet unsere Geschichtsdarstellung ein Terrain, das einen bedeutenden Teil der Ostalpen umfasst.

Denn geografisch wird die Gesamtheit der Alpen in einen West- und einen Ostteil gegliedert. Die Trennlinie verläuft längs einer fiktiven Linie vom Bodensee entlang des Rheins über den Splügenpass zum Comer See. Unsere Bayerischen Alpen gehören somit eindeutig in die Ostalpen, und zwar an deren Nordrand. Für die Geologen sind die Bayerischen Alpen ein Teil der nördlichen Kalkalpen, bestehen sie doch ganz überwiegend aus Kalkgestein, das sich aus 200 Millionen Jahre alten Ablagerungen des Tethys-Meeres gebildet hatte. Gegen Süden treffen die Kalkalpen auf die aus den älteren Gneisen und Granit aufgebauten Zentralalpen.

Offizielle Definitionen der „Bayerischen Alpen“. Die Schwierigkeiten, die Bayerischen Alpen genau zu klassifizieren, demonstrieren auch Versuche mit offiziellem Charakter und internationaler Gültigkeit: Die „Internationale vereinheitlichte orografische Einteilung der Alpen (IVOEA)“ unterstellt die Ammergauer, Wallgauer, Chiemgauer Alpen und das Mangfallgebirge den Bayerischen Alpen, zählt aber den Wetterstein, das Karwendel, die Brandenberger Alpen und das Kaisergebirge zu den Nordtiroler Alpen und die Berchtesgadener Alpen zu den Salzburger Nordalpen.

In der seit 1984 geltenden Systematisierung des Deutschen Alpenvereins (DAV) werden die Bayerischen Alpen ganz allgemein unter die Nördlichen Ostalpen subsummiert und in zwölf Gebirgsgruppen unterteilt. Vom Bayerischen Landesamt für Umwelt werden Wetterstein und Karwendel den Inntaler Riffkalkketten zugerechnet und die Berchtesgadener Alpen den Salzburger Plateau-Kalkalpen.

Bayerische Hochalpen und Bayerische Voralpen

Machen wir uns es etwas einfacher: Naturräumlich ist Oberbayern nämlich sehr übersichtlich von Süd nach Nord in mehrere geologische Regionen gegliedert.

Rechnen wir die innere Bergzone zu den Bayerischen Hochalpen. Es sind felsige Kalkmassive, deren Zacken über 2000 Meter hoch aufragen. Die Gebirgsgruppen werden dabei meist zerteilt und erstrecken sich über bayerisches wie österreichisches Gebiet. Von West nach Ost sind dies das Ammergebirge (Kreuzspitze 2185 m), das Wettersteinmassiv mit den höchsten Bergen der deutschen Alpen, der Zugspitze (2964 m) und des Hochwanners (2744 m) sowie das Karwendelgebirge (Östliche Karwendelspitze 2537 m). Die Chiemgauer Alpen (Sonntagshorn 1961 m) bilden eine sanfte Grenze zum schroffen Tiroler Kaisergebirge. Gegen Salzburg hin steigt die Berchtesgadener Bergwelt dann dramatisch in die Höhe und erreicht im Steinernen Meer eine Durchschnittshöhe von 2500 Metern. Der Watzmann ist mit 2713 Höhenmetern der dritthöchste Berg der deutschen Alpen. Seine Ostwand fährt 1900 Meter über dem Königssee auf und stellt die höchste Felswand der Ostalpen dar. Am sagenumwobenen Untersberg hat Oberbayern noch mit dem Hochthron (1972 m) Anteil. Ein Drittel des 70 Quadratkilometer umfassenden Untersbergmassivs gehört zu Salzburg, zwei Drittel zu Oberbayern.

Seen im Hochland sind der Eibsee, der Spitzingsee, der tirolische Achensee, der Walchsee im Zahmen Kaiser, der Weitsee und der Königssee. Zentrale Ortschaften, die Zugang ins Hochgebirge gewähren, sind Mittenwald, Garmisch-Partenkirchen und Berchtesgaden.

Davor legt sich eine Zone niedrigerer, mit Gras oder Wald bedeckter Berge, die wir als die Bayerischen Voralpen bezeichnen. Sie reichen vom Estergebirge im Westen (Krottenkopf 2086 m) über die Kocheler Berge mit der Benediktenwand zum Isarwinkel und weiter zum Mangfallgebirge mit den Tegernseer Bergen (Halser Spitze 1863 m) und den Schlierseer Bergen. Auch die Chiemgauer Alpen mit Hochgern und Hochfelln rechnen wir eher zu den Voralpen.

Den Münchnern gelten alle diese voralpinen Erhebungen zwischen Loisach, Inn und Tiroler Ache als ihre „Hausberge“ mit den bekannten Landmarken des Hörnles, des Braunecks, des Herzogstands, des Hirschbergs, des Wallbergs, der Rotwand und der schartigen Kampenwand.

Eingesprenkelt in die Voralpen sind die Seen Staffelsee, Kochelsee, Tegernsee und Schliersee. Als zentrale Orte innerhalb der Voralpen sind Kochel, Lenggries, Rottach-Egern, Bayrischzell, Reit im Winkl, Ruhpolding und Bad Reichenhall zu nennen.

Bayerisches Hochland und Bayerisches Oberland

Im Sprachgebrauch, der sich auch in der Literatur niedergeschlagen hat, ist seit dem 19. Jahrhundert für das bayerische Gebirge der allgemeine Regionalbegriff Hochland, Bayerisches Hochland, verbürgt. Es beginnt dort, wo die Berge aus dem Flachland aufzusteigen beginnen, zuerst als Vorberge Gestalt annehmen und dann ins eigentliche Gebirge, ins Hochland übergehen. Nach unserer Einteilung umfasst das Bayerische Hochland demnach die Bayerischen Hochalpen und die Bayerischen Voralpen zusammen.

Das bringt uns zu der Frage, wo die Bayerischen Alpen, von Norden aus gesehen, eigentlich beginnen. Geschickt gemachte Postkarten lassen die Alpen ja unmittelbar hinter der Münchner Frauenkirche aufsteigen, doch liegen zwischen München und der Zugspitze immerhin an die 100 Kilometer Distanz. Denn dazwischen erstreckt sich das bayerische Alpenvorland. Es handelt sich um eine breite Moränenlandschaft. Sie ist entstanden, als sich die Alpengletscher während der Eiszeit nach Norden ausbreiteten und nachher wieder zurückzogen.

Glazialer Herkunft sind auch die Seen, die in das Alpenvorland eingebettet sind: Staffelsee, Ammersee, Starnberger See, Chiemsee (der größte von allen) und Waginger See. In Geschichte und Literatur repräsentieren diese den Alpen vorgelagerte Regionen das Bayerische Oberland zwischen Lech und Inn, den Chiemgau östlich des Inns und den Rupertiwinkel entlang der Salzach.

Wichtige Orte des Oberlands sind Schongau, Penzberg, Bad Tölz und Miesbach, im Chiemgau liegen die Städte Rosenheim und Traunstein, und Tittmoning ist der Hauptort des ehemaligen salzburgischen Rupertiwinkels. Für die Münchner erstreckt sich das Oberland südlich ihrer Stadtgrenzen, ihre eigene Stadt zählen sie nicht zum bäuerlich und landwirtschaftlich geprägten Oberland.

Im Flug über die Bayerischen Alpen

Am Rande: Das Ammergebirge

Ein gedanklicher Flug über die Landschaften der Bayerischen Alpen macht uns vertraut mit den einzelnen Gebirgen, ihren Besonderheiten, Gipfeln und Ortschaften. Beginnen wir am Lech, der die westlich gelegenen Allgäuer Alpen von den östlichen Bayerischen Alpen trennt. Die ersten Gebirgszüge auf oberbayerischer Seite gehören zum Ammergebirge bzw. zu den Ammergauer Alpen. Das Flüsschen Ammer hat ihm seinen Namen gegeben. Auf dem Säuling (2047 m) über Schwangau, der Kreuzspitze (2185 m) und dem Daniel (2340 m) erreicht es seine höchsten Gipfel. Nach Norden flacht es über das Murnauer Moos und den Staffelsee aus.

Seit der Römerzeit durchlaufen wichtige Verkehrswege das Ammergebirge und verbinden das Alpenvorland mit Tirol und Oberitalien. Im Mittelalter herrschten die reichen Klöster Steingaden, Rottenbuch und Ettal über das Ammer-Gebiet. Von der geistlichen Prägung zeugen noch die Passionsspiele in Oberammergau und die Wieskirche. Nach der Säkularisation – dem Übergang an den Staat – wurden die wald- und wildreichen Ammergauer Alpen zum königlich-bayerischen Hofjagdrevier erklärt, was eine ökonomische Erschließung im modernen Sinne während des 19. Jahrhunderts weitgehend verhindert hat. Von der ehemaligen königlichen Anwesenheit künden noch verschiedene Jagd- und Pürsch(Pirsch)hütten und natürlich die Königsschlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein (die von manchen aber den Allgäuer Alpen zugerechnet werden) sowie Linderhof. Noch heute zeigt sich die vom Königshaus eingeforderte Exklusivität in der vergleichsweise dünnen touristischen Infrastruktur des inneren Ammergebirges. Seit 1963 genießt es den Status eines der großflächigsten deutschen Naturschutzgebiete.

Karstblock Estergebirge

Durch die Loisach getrennt, baut sich östlich das Estergebirge auf. Mit dem Krottenkopf erreicht es eine Höhe von 2086 m. Das Estergebirge besteht im Wesentlichen aus einem kompakten Kalkblock, auf dem sich deutliche Karstphänomene wie Dolinen, Schlucklöcher und Höhlen zeigen. Bekannt ist das Angerlloch bzw. die Angerer Höhle, die 600 Meter tief begangen werden kann. Im Winter hängt sie allerdings voller Fledermäuse. Namengebend für das Estergebirge war vermutlich die hochgelegene Esterbergalm, die bereits 1380 urkundlich erwähnt wurde. Auf 1262 m Höhe liegend, bezeichnet sie sich als höchstgelegenen Bergbauernhof Deutschlands, auf dem die Tiere ganzjährig untergebracht sind.

Rund um den Walchensee

Nördlich ans Estergebirge schließen sich die Walchenseeberge an. Heimgarten und Herzogstand sind typische Vertreter der Voralpen. Der 802 Meter hoch gelegene Walchensee ist der oberbayerische Sagensee schlechthin. Seine Tiefe von 193 Metern war in früheren Zeiten wirklich unergründlich. Ertrunkene – von denen es viele gab, denn selbst Fischer und Fergen konnten nicht schwimmen – gab der See nicht mehr her: „Ergründest Du mich, so schluck ich Dich.“ Zahlreiche Legenden handeln von der Furcht, dass der Walchensee einst seine Wassermassen über das Oberland ergießen lassen und auch das sündige München überschwemmen würde. Während des verheerenden Erdbebens in Lissabon im Jahr 1755 soll der See wie ein siedender Topf gebrodelt haben. Bis 1793 wurde in München dagegen täglich eine Messe gelesen. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts hieß es: „200 Meter über Tölz liegt so recht im Herzen des Isarwinkels der dunkle fast schwarze Walchensee in tiefster melancholischer Einsamkeit, ein See so eigenartig düster in seinem Charakter, dass er mit keinem andern der bayerischen Gebirge verglichen werden kann.“

Zwischen Kochel und dem Walchensee windet sich seit dem 15. Jahrhundert die Kesselbergstraße empor. Sie war eine der ersten neuzeitlichen befestigten und für den ganzjährigen Frachtverkehr geeigneten Straßen im gesamten Alpenraum. Seit 1924 wird das natürliche 200-Meter-Gefälle zwischen Walchensee und Kochelsee zur Erzeugung elektrischen Stroms genutzt. Die Verläufe der umliegenden Gebirgsbäche und Flüsse – wie der jungen Isar – wurden deswegen künstlich verändert und umgeleitet. Einen kurzen Medienhype erlangte nach dem Jahr 2000 der Jochberg, weil hier ein Pumpspeicherkraftwerk geplant war, ein mittlerweile aufgegebenes Vorhaben. Von München aus gesehen, vermitteln der Walchensee und seine Berge den ersten Eindruck von „Mountain-Feeling“: Entsprechend stark wirkt sich hier heute der postmoderne „Action“-Tourismus aus.

Isarwinkel und „Benewand“

Als Isarwinkel firmiert die Gebirgszone zwischen dem Walchensee und der Isar – ein treffender Ausdruck auch deshalb, weil die junge Isar hier nach einem fast 90 Grad-Knick senkrecht nach Norden fließt. Aus dem Isarwinkel mit den Hauptorten Bad Tölz und Lenggries sowie dem Seitental der Jachenau wurden bis vor 200 Jahren Baumstämme in großen Mengen über die Isar nach München geflößt. Den Beruf des Gebirgsflößers hat man dort nicht vergessen, wenn auch die Flößerei heute eher dem Touristen-Gaudium dient. Die knapp 20 Kilometer lange Jachenau ist ein typisches Gebirgstal mit weit voneinander liegenden Streusiedlungen. Wegen des rauen Klimas genossen die Jachenauer Bauern besondere Vorrechte in der Forstwirtschaft, die sie sich zum Teil bis heute zu bewahren vermochten.

Das Wettersteinmassiv trennt das bayerische Oberland – das Voralpengebiet – vom bayerischen Hochland, dem Gebirge.

Dominiert wird der Isarwinkel von der 1801 Meter hohen Benediktenwand, einem breiten Felsriegel, der aus dem Voralpengebiet schroff und steil auffährt und jeden Reisenden, der nach Süden unterwegs ist, optisch auf die Alpen vorbereitet. Ihren Namen, der schon im Hochmittelalter als Mons Sancti Benedicti gebräuchlich war, hat sie vom unterhalb der Felswand liegenden Kloster Benediktbeuern erhalten, das in der Kulturgeschichte der Bayerischen Alpen eine Glanzrolle spielt.

Der Wetterstein: Bayerns echtes Hochgebirge

Begeben wir uns nun nach Süden und folgen der Loisach aufwärts Richtung Garmisch-Partenkirchen. Wir treffen auf das Wettersteinmassiv, dessen hohe Gipfel und Spitzen bei guter Wetterlage schon vom Alpenvorland deutlich zu erkennen sind und die bei Föhn quasi bis kurz vor München reichen. Im Wetterstein erlangen die Bayerischen Alpen mit den höchsten deutschen Bergen Zugspitze (2926 m) und Hochwanner (2744 m) echte Hochgebirgsquantität und -qualität. Beide Gipfel sind überdies eingebettet in Gebirgskämme, die mit der Alpspitze, den Plattspitzen, dem Schneefernerkopf und der Dreitorspitze über 2600 Meter Höhe verlaufen. Vom Hochgebirgscharakter zeugen auch noch Reste von Gletschern und ewigem Schnee im Zugspitzplatt, zackige Grate und tief eingefurchte Klammen durchs Partnach- und Höllental.

An 310 Tagen des Jahres herrscht Frost auf der Zugspitze, von Winter zu Sommer gibt es Klimaschwankungen zwischen maximal -35,6° C und +17,9° C. Der Wind erreicht in der Spitze 335 km/h, die Schneehöhe 7,8 Meter. Der Eibsee unterhalb der Zugspitze auf 973 Metern Höhe ist der Rest eines gigantischen vorzeitlichen Bergsturzes.

Das Werdenfelser Land

Das Territorium zwischen unterer Loisach und junger Isar bildete bis ins 18. Jahrhundert die eigenständige Grafschaft Werdenfels, die wiederum dem Hochstift Freising unterstand. In Tracht und Brauchtum vermochten sich die Werdenfelser noch bis ins 20. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Auch das gesamte Wettersteinmassiv gehörte zur freisingischen Grafschaft Werdenfels. Während die Talorte Partenkirchen und Mittenwald ihre Bedeutung als Etappen an den wichtigen Transitstrecken über die Alpen seit der Römerzeit bewahren und ausbauen konnten, verblieb das zwischen ihnen liegende Hochgebirge trotz seiner schieren Größe im Abseits.

Der Name Wetterstein deutet auf gefahrvolle Unwetter hin und auch die Zugspitze war negativ konnotiert, bezieht sie sich doch auf die Züge der Lawinen, die ins Tal donnerten. Deshalb konnte die Staatsgrenze zwischen Bayern und Österreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch relativ problemlos entlang der Grate und Scharten bestimmt werden – mit dem Ergebnis, dass das Zugspitzmassiv bis heute von der Staatsgrenze durchschnitten wird. Immerhin blieb die höchste Erhebung auf bayerischer respektive deutscher Seite.

Dass „der Zugspitz“ bereits zum Ausgang des 19. Jahrhunderts zum alpinen Klassiker avancieren würde und Hunderte, später Tausende „Fremde“ in dieser weltenfernen Bergödnis freiwillig herumklettern und Geld ausgeben würden, das vermochte sich damals niemand vorzustellen. Heute gleicht die Gipfelregion einem Gebiss-Implantat: flachgesprengt, mit Beton übergossen und komplett überbaut. Der schnellste Weg vom Tal führt zur Eibseestation und per Schwebebahn in 10 Minuten auf 1945 Meter Luftlinie über den höchsten Seilbahnmasten (127 Meter) und das längste frei hängende Seilstück der Welt (3213 Meter) steil hinauf zum Gipfel.

Die Orte Garmisch und Partenkirchen, seit den Olympischen Winterspielen von 1936 eine kommunale Einheit bildend und durch die Olympiastraße mit München verknüpft, haben sich zu einem der Zentralorte der Bayerischen Alpen entwickelt, der heute für Internationalität und teure Zweitwohnsitzresidenzen bekannt ist. Die Vision von den Bergen als „Playground for Sports“ und „Hidden Gated Compounds“ nähert sich hier der Realisierung.

Das Karwendel: Über Hundert Zweitausender, Ahornwälder und Isarquellen

Westlich des Isardurchbruchs zwischen Scharnitz und Mittenwald setzt sich das Hochgebirge im Karwendel fort. Auch nördlich umfasst die Isar mit dem Sylvensteinsee das Karwendelgebirge, während im Süden das breite und dicht besiedelte Tiroler Inntal mit der Metropole Innsbruck eine klare natürliche Grenze setzt. Überwiegend – zu vier Fünfteln – liegt das Karwendelgebirge auf österreichischem Staatsgebiet.

Vier mächtige Gebirgskämme durchstreichen parallel die Region, aus der 125 Gipfel über 2000 Meter Höhe herausragen. Im Norden breiten sich die Soierngruppe um den Soiernkessel mit zwei Bergseen und das Vorkarwendel mit dem Schafreuter (2100 m) aus. Unterhalb folgt die (von Bayern aus gesehen) Nördliche Karwendelkette, die ins Rißtal abfällt.

Beeindruckende Landschaften innerhalb dieses Tales sind der Kleine und der Große Ahornboden. Das auf Höhen zwischen 1000 und 1400 Metern liegende Landschafts- und Naturschutzgebiet gehört zu Tirol, ist aber nur vom bayerischen Isarwinkel aus über eine Mautstraße erreichbar. Der Große Ahornboden wird vom Talschluss des Rißbaches gebildet, den Kleinen Ahornboden durchfließt der Johannesbach. Den Namen hat die Region von über 2000 Ahornbäumen erhalten, deren Höchstalter auf 500 Jahre geschätzt wird. Das Rißbachtal wurde nämlich nie als Almweide genutzt, sondern diente in der Frühen Neuzeit diversen Bergwerken und später als hochherrschaftliches Jagdgebiet. So konnte sich die Bewaldung erhalten. Heute allerdings hat sich der Große Ahornboden mit der Ortschaft Eng zum Touristenmagnet und zum größten Parkplatz der Ostalpen verwandelt.

Südlich steigt die Nördliche Karwendelkette ins Karwendeltal ab, das vom Karwendelbach durchflossen wird. Jäh steigt jenseits des Karwendeltals der Karwendel-Hauptkamm auf, der in den Ödkarspitzen und der Birkkarspitze mit 2749 Metern kulminiert. Ein eindrucksvolles Naturschauspiel bieten die bis 900 Meter senkrecht aufsteigenden Laliderer Wände und die Ladiztürme aus schrundigem Kalkgestein. Die Schuttreißen an ihrem Fuß werden immer höher, ein Zeichen für vermehrten Steinschlag aus den Wänden. Unterhalb der Lalidererspitzen liegen die Weiden der Laliderer Alm und der Ladizalm, die vom Hinterrisstal aus bewirtschaftet wurden. Den grandiosen Abschluss des Hauptkamms bildet die 2508 Meter hohe Lamsenspitze. Von ihren Abhängen nach Osten führt das Stallental ins Inntal und das Falzthurntal über die Gramaialm nach Pertisau am Achensee.

Den breitesten Zugang ins Karwendel bietet das von Scharnitz nach Osten ausgehende Hinterautal. Hier sprudelt die junge Isar hindurch, deren Quellen auf dem 1800 Meter hoch gelegenen Halleranger erst zum Lafatscher Bach zusammenlaufen und dann noch vom eiskalten Rossloch gespeist werden. Südlich wird das Hinterautal von der Gebirgskette mit dem Lafatscher (2696 m) und dem Großen Bettelwurf (2726 m) begrenzt, die ins Gleirschtal abfallen. Darüber thront das Hafelekar, einer der Innsbrucker Hausberge. In der Inntalkette findet der Karwendel seinen südlichen Abschluss. An ihrem Fuß liegen die historisch bedeutsamen Orte Zirl, Innsbruck und Hall in Tirol.

Der (oder das) Rofan: Erinnerungsort an die Vorzeit

Die Tegernseer Berge: Terra Benedictina und „Immobilien-Hotspot“

Wir befinden uns im Bereich der Tegernseer Berge wieder in den Voralpen. Das Tegernseer Tal bildete seit jeher eine eigene Kulturlandschaft. Ursprünglich war es klösterlich-benediktinisch geprägt. Der überwiegende Teil der alpenländischen Bauernschaft in Bayern stand in Abhängigkeit von klösterlicher Herrschaft, d. h. die Bauern mussten Zins und Abgaben an ihre monastischen Grundherren leisten. Dafür genossen sie den Schutz der mächtigen Abteien und profitierten auch von den zumindest seit dem 18. Jahrhundert fortschrittlichen landwirtschaftlichen Ideen der gelehrten Mönche. „Unterm Krummstab ist gut leben, wenn man sich auch darunter krümmen muss“, lautete ein geflügeltes Wort, das im bayerischen Alpengebiet durchaus zugetroffen hat. Auch Handwerker und bildende Künstler fanden in den geistlichen Herrschaften ihre Erfüllung, sichtbar in den zahlreichen qualitätsvoll ausgestatteten Kirchen und Kapellen des Alpengebiets.

Am Tegernsee setzte mit dem Übergang der Klosterbauten an das wittelsbachische Königs- und Herzogshaus im 19. Jahrhundert der höhere Tourismus ein, mit Bädern, Ausritten, gelegentlichen Bergpartien und Besuch von kunsthistorischen Stätten. Als Folge zählt das Umfeld des Tegernsees seit Jahrzehnten zu den teuersten Flecken der Bundesrepublik. Von 1973 bis 2015 war Wildbad Kreuth eines der politischen Zentren der Christlich-Sozialen Union (CSU). Heute wirkt sich die Nähe der Autobahnausfahrt Holzkirchen aus und führt gelegentlich zum Phänomen des Overtourism. Neureut, Gindelalmschneid und Wallberg sind die nächsten Hausberge bzw. beliebte Party-Orte der Münchner.

Spitzingsee, Wendelstein und Sudelfeld: Lockruf des Skisports

Dasselbe gilt für die hügelige Umgebung des Schliersees und das 250 Meter höher gelegene bergige Spitzingseeareal. Hier entstand in den 1920er Jahren zu Füßen der Rotwand (1885 m) und der Ruchenköpfe der erste populäre Skizirkus Oberbayerns. Nach 1960 folgte die Erschließung der zahlreichen Spitzing-Hochalmen durch breite Zufahrtsstraßen. Man versucht heute, die allzu autogerechte Lösung durch „Rückbauten“ wieder in den früheren Zustand zu versetzen.

Klotzig tritt der Wendelstein ins Alpenvorland ein. Sein 1838 m hoher Rücken ist nachweislich schon im 18. Jahrhundert von Einheimischen bestiegen worden. Mehrere Gedichte und Lieder handeln davon. Unter Wendelstein verstand man im Spätmittelalter einen Turm mit Wendeltreppe. Ob das für diesen Berg namensgebend war, ist unklar. Häufig wird auch das Sankt Wendelin-Patrozinium seiner Gipfelkapelle angeführt. Denkbar ist auch eine Bezeichnung nach der Sonnwende. Der Sage nach handelt es sich um einen – aufgrund menschlicher Gier – von Edelmetall in Stein „verwandelten Berg“. Jedenfalls hat der weithin sichtbare, kahle Wendelstein die Fantasie der Flachlandbewohner über lange Zeiträume hinweg beflügelt. Heute gehört er zu den technisch und infrastrukturell am höchsten voll erschlossenen Zonen der gesamten Alpenwelt.

Südlich des Wendelsteins breitet sich zwischen Bayrischzell im Leitzachtal und dem Inntal das Sudelfeld aus, eine Hochfläche zwischen 800 und 1560 Metern Höhe. Die vormaligen Almwiesen wurden seit den 1920er Jahren vom Skisport erobert und präsentieren seit den 1960er Jahren den umfangreichsten zusammenhängenden Skizirkus Deutschlands mit Sesselbahnen, Liften und präparierten Pisten. Aufgrund des zunehmenden Schneemangels wird das Gebiet intensiv mit Maschinenschnee bedeckt. Um die Beschneiungsanlagen mit Wasser zu versorgen, musste ein steriler Speichersee ausgehoben werden. Fragen der Naturschützer, ob diese landschaftsverändernden Eingriffe angesichts fehlenden Schnees noch zeitgemäß sind, erscheinen berechtigt.

Die Chiemgauer Alpen: Freundliche Aussichtsberge

Senkrecht durchbricht der Inn in einem tiefen und verhältnismäßig breiten Tal die Bayerischen Alpen von Süd nach Nord und scheidet den Westteil mit den gerade besprochenen Schlierseer Bergen vom Ostteil, der mit den Chiemgauer Alpen beginnt. Aus Tirol kommend, macht der Fluss eine deutliche Biegung bei Kufstein und wendet sich nach Norden. Kurz vor Rosenheim treten die flankierenden Berge vom Inntal zurück, und der Fluss ergießt sich frei ins Voralpenland.

Das Rosenheimer Becken ist seit jeher eine Verkehrslandschaft, in welcher sich die großen West–Ost- und Süd–Nord-Verbindungen Südbayerns kreuzen. Rosenheim ist die drittgrößte Stadt Oberbayerns und die größte Kommune im Bereich der Bayerischen Alpen bzw. der Voralpen. Östlich des Inns breitet sich zu Füßen der Berge der Chiemgau aus, der als karolingische Gaugrafschaft und später als eigenes Bistum lange Zeit zwischen Salzburg und Bayern hin und her lavierte. Namengebend war der Chiemsee, das bayerische Meer mit seinen Inselklöstern.

Mit Höhen unter 2000 Metern gehören die Chiemgauer Berge zu den Voralpen, die weiter bis zur Saalach reichen. Die bis auf die Gipfelregionen bewaldete Bergwelt, unterbrochen durch Matten und Hochweiden, allesamt sichtbar vom Chiemsee aus, waren ertragreiche Almgebiete, die sicher schon in früheren Zeiten begangen worden sind. Hochgelegene Wallfahrtsorte wie die Ölbergkapelle in Sachrang, die Streichenkirche, Maria Klobenstein, die hochgelegene Schnappenkirche und Maria Eck künden von einer halbtausendjährigen Tradition im bäuerlichen Kirchenjahr. Heute sind Kampenwand, Geigelstein, Hochgern und Hochfelln bekannte Aussichtsberge, zum Teil erschlossen durch mechanische Aufstiegshilfen wie z. B. Lifte und Seilbahnen und entsprechend gut besucht. Der mit 1961 Metern höchste Berg der Chiemgauberge erfreut sich des sympathischen Namens Sonntagshorn.

Den Bergen vorgelagert ist der Höhenzug des Samerberges, der von der Hochries (1569 m) überwölbt wird. Er weist auf das historische Transportgewerbe der Säumer hin, die uns in der Geschichte der Bayerischen Alpen mehrfach begegnen werden.

Zahmer und Wilder Kaiser: Geschichtlich gesehen eigentlich bayerisch

Mehrere Übergänge über die Chiemgauer Alpen führen in den tirolischen Kaiserwinkel, der im Süden vom Zahmen Kaiser begrenzt wird. Über dem Kaiserbachtal steigt der Wilde Kaiser auf, eine markante Hochgebirgslandschaft mit berühmten Gipfeln – Ellmauer Halt, Totenkirchl und Fleischbank – deutlich über 2000 Meter hoch. An diesen Felszacken übten um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert deutsche und österreichische Kletterpioniere neuartige Techniken und Stile mit und ohne Seil ein und begründeten die alpinen Schwierigkeitsgrade in Kletterrouten.

Gut zu wissen im geschichtlichen Kontext ist die Tatsache, dass das Kaisergebirge bis ins beginnende 16. Jahrhundert zum bayerischen Herzogtum gehört hat und erst unter Kaiser Maximilian I. an Tirol angeschlossen wurde. Ihm zu Ehren wurde das ursprüngliche nach einem Chaiser (= Käser) genannte Gebirge dann zum Kaisergebirge umgedeutet.

Reit im Winkl, Ruhpolding und Inzell: Das touristische Dreigestirn

Überregional bekannt wurde die Winklmoosalm als Heimat der Skirennläuferin und Olympiasiegerin Rosi Mittermaier (geb. 1950). Erwähnt wurde die Alm aber bereits anno 1474. Seit 1905 wird traditionell an Mariae Himmelfahrt am 15. August in der Marienkapelle eine Bergmesse mit Kräuterweihe gefeiert. Das Hochplateau erstreckt sich östlich von Reit im Winkl auf einer Höhe von etwa 1200 Metern. Im Sommer werden die Wiesen noch almwirtschaftlich genutzt, verwandeln sich aber im Winter in ein stark besuchtes Skigebiet. Seit 2020 trägt die Winklmoosalm den Titel „1. Zertifizierter Sternenpark Deutschlands“. Grund ist die geringe Lichtverschmutzung der Umgebung, die den Sternenhimmel klar erscheinen lässt. Das Seegatterl am Fuß des Almgebiets nimmt Bezug auf die drei kleinen Alpenseen Weitsee, Mittersee und Lödensee.

Östlich der Traun weisen zahlreiche Orts- und Flurnamen auf ehemaligen Bergbau hin, wie Eisenärzt, Schmelz, Hammer oder Zinnkopf. Rauschen nannten die Bergleute ein besonders schweres Gestein, davon hat der Rauschberg (1671 m) seinen Namen. Auf seinem Gipfelgelände hat der Künstler Angerer der Jüngere (geb. 1940) mehrere Skulpturen aufgestellt. Die Ferienorte Reit im Winkl, Ruhpolding und Inzell bilden das Dreigestirn des bayerisch-alpenländischen Tourismus. Zu ihrer Attraktivität trägt auch die Deutsche Alpenstraße bei, die in den Chiemgauer und Berchtesgadener Bergen landschaftliche Höhepunkte erreicht. Der 924 Meter hoch gelegene Frillensee gilt als der winterkälteste See Bayerns. Im Durchschnitt der vergangenen Dezennien vermeldete Ruhpolding 240.000 Gäste und mehr als 600.000 Übernachtungen pro Jahr.

Wie ein Solitär ragt der Doppelgipfel des Zwiesel und des Hochstaufen (1772 m) aus der Saalachniederung empor. Fast aus reinem Kalk bestehen die Gipfelzacken des Hochstaufen. Im Innern des Felsklotzes grollt und wummert es des Öfteren. Innere Bergstürze verursachen dann leichte Erdbeben im weiteren Umland.

Die Berchtesgadener Alpen: Geschichtlich gesehen eigentlich salzburgisch

Jenseits der Saalach nehmen die Bayerischen Alpen wieder Hochgebirgscharakter an. Mit Watzmann (2713 m) und Hochkalter (2607 m) befinden sich die dritt- und vierthöchsten Berge Deutschlands innerhalb der Berchtesgadener Alpen. Eingerahmt werden die Berchtesgadener Berge von der Saalach im Westen und dem breiten Tal der Salzach im Osten. Ihr Kernbereich wird seit 1978 vom Nationalpark Berchtesgaden eingenommen.

Bad Reichenhall an der Saalach und die von der Salzach durchflossene österreichische Landeshauptstadt Salzburg bilden die urbanen Zentren. Historisch und infrastrukturell ist das Gesamtgebiet auf Salzburg, die viertgrößte Stadt Österreichs, ausgerichtet. Sowohl in den Flussnamen Saalach und Salzach, wie in den Ortsnamen Salzburg, Hallein und (Reichen-)Hall steckt die uralte indoeuropäische Bezeichnung für Salz und weist auf die hohe wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung dieses lebenswichtigen Minerals hin. In Hallein und Reichenhall wird seit prähistorischen Zeiten bis heute Salz gewonnen. Gegenwärtig sprudeln 29 tiefgelegene Solequellen unterhalb Reichenhalls. Mit einem Salzgehalt von 29,5 Prozent gehören sie zu den mineralreichsten Quellen Europas.

Inmitten eines allseitig von Bergen umgebenen Kessels wurde im 12. Jahrhundert das Stift Berchtesgaden gegründet, aus dem sich im späten Mittelalter die gefürstete Propstei entwickelt hat. Sie stellte ein reichsunmittelbares geistliches Fürstentum dar, dessen Unabhängigkeit allerdings immer sowohl vom Erzstift Salzburg wie vom Fürstentum Bayern in Frage gestellt worden ist. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Berchtesgadener Land samt seinem Hochgebirge an das Königreich Bayern angeschlossen. „Urbayerisch“ ist es also keineswegs. Dasselbe gilt übrigens auch für den Rupertiwinkel, das Voralpenland in der Salzach-Niederung zwischen Tittmoning und Freilassing. Schon der Name, den er vom salzburgischen Kirchenpatron erhalten hat, weist unmissverständlich auf seine historische Zugehörigkeit zu Salzburg hin.

Bayerische Ikonen: Untersberg, Ramsau, Watzmann und Königssee

Vom Rupertiwinkel aus gesehen, bietet der kastenförmige Riegel des Untersberges den monumentalen nördlichen Auftakt zu den Berchtesgadener Alpen. Auf seiner karstig zerklüfteten Hochfläche sitzen der Salzburger und der Berchtesgadener Hochthron (1972 m). Wechselnde Wetterphänomene und ein Labyrinth von über hundert großen und kleinen, oberflächigen und tief in den Berg reichenden Höhlen haben den Untersberg zum deutschen Sagenberg par excellence werden lassen. Die erst 1996 entdeckte Riesending-Karsthöhle ist die längste und tiefste vermessene Höhle Deutschlands. Nach derzeitigem Forschungsstand ist sie 1149 Meter tief und hat eine Länge von 22,6 Kilometern. Im Juni 2014 war die Schachthöhle Schauplatz einer äußerst schwierigen – geglückten – Rettungsaktion. Zugänglich ist die 1570 Meter hoch gelegene Schellenberger Eishöhle über Marktschellenberg. Von 3600 Meter Tiefe sind 500 Meter als Schauhöhle betretbar. Seit 1876 wurden die Hohlräume nach und nach erforscht.

Weitere Gebirgszüge in südwestlicher Richtung sind das etwas niedrigere Lattengebirge mit bizarren Felsformen wie des Predigtstuhls über Reichenhall und der Montgelas-Nase, sowie der über 2000 Meter hoch aufsteigende Tafelberg der Reiteralm. Die Alm wurde bereits im 16. Jahrhundert erwähnt und liegt heute inmitten eines von der Bundeswehr genutzten Übungsgeländes. Zu Füßen der Reiteralm zieht sich die Ramsau hin, ein langgestrecktes Bergtal mit der Ortschaft Ramsau, die als zertifiziertes Bergsteigerdorf eine gewisse Idylle zu bewahren versucht. Die Sebastianskirche mit dem Brückerl über die Ramsauer Ache im Vordergrund und der Reiteralm im Hintergrund ist eines der bekanntesten Bild- und Fotomotive Bayerns.

Vom Untersberg ausgehend, verläuft die Bergwelt südöstlich weiter über den Obersalzberg zum massigen 2522 Meter Hohen Göll und dessen Vorberg, dem Jenner (1874 m). Ihre Höhepunkte finden die Berchtesgadener Alpen auf der bayerischen Seite im Watzmannstock mit seinen Gipfeln Hocheck, Mittelspitze, Südspitze, Watzmannfrau und Watzmannkinder. Durch das Wimbachgries getrennt erhebt sich westlich gegenüber der Hochkalter. Die Watzmann-Ostwand fällt 1900 Meter lotrecht zum Königssee ab. Der fjordartige See repräsentiert eines der herausragenden touristischen Highlights der Bayerischen Alpen. Überraschend ist seine geringe Höhenlage von 602 Metern, wodurch die dramatische Hochgebirgsumrahmung umso mehr zur Geltung kommt. Geologisch handelt es sich um einen tektonischen Spaltensee, 188 Meter tief, der durch einen Erdbebenriss in der Erdkruste entstanden ist. Anno Domini 1172 teilte dann ein Bergsturz den kleineren Obersee ab.

Auf den über dem See prangenden Hochflächen ist die Almwirtschaft schon früh dokumentiert. Für die Gotzenalm liefert bereits das 8. Jahrhundert einen Hinweis, auch Fischunkelalm, Salettalm, Kührointalm, Wasseralm und Funtenseealm haben mittelalterliche Vorläufer. Am Funtensee wurde an Weihnachten 2001 minus 45,9 Grad Celsius gemessen, angeblich die tiefste Temperatur Deutschlands während des 20. Jahrhunderts.

Nach Süden dehnt sich das Areal der Berchtesgadener Alpen weit über die bayerische Grenze aus und reicht ins österreichische Land Salzburg hinein. Südlich des Watzmann breitet sich über 160 Quadratkilometer das Steinerne Meer aus, ein riesiges gebleichtes Karstfeld auf über 2000 Meter Höhe, unübersichtlich mit Felsblöcken, Erosionstrichtern und Aushöhlungen übersät, eine erstaunliche fast mondartige Szenerie. Hier finden die Bayerischen Alpen ihren pittoresken südöstlichen Abschluss.

Die Bayerischen Alpen aus der Nähe betrachtet

Schauen wir jetzt etwas tiefer in die Bayerischen Alpen hinein. Sehen wir uns die Gletscher an oder was von diesen Eisströmen geblieben ist. Und verfolgen wir die Flüsse, die in den Bayerischen Alpen entspringen und das Alpenvorland durchfließen.

Gletscher und Ferner

Gletscher, in der bairischen Sprache Ferner genannt – fest verbackene, hoch aufgetürmte, sich bergab bewegende Eis- und Schneemassen –, sind die absoluten Sinnbilder des Hochgebirges. Sie entstehen dort, wo mehr Schnee anfällt als abtaut. Innerhalb der Bayerischen Hochalpen erstrecken sich fünf Gletscherregionen. Sie sind die einzig verbliebenen Reste aus der Epoche der Alpen-Vollvergletscherung während der letzten Eiszeit. Über ihre Ausdehnungen und Massivität in den vergangenen Jahrhunderten kann man nur spekulieren, da Eisgletscher vom Menschen gemiedene Hochregionen gewesen waren. Randklüfte, Schrunden und von tückischem Schnee überdeckte Gletscherspalten waren gefürchtet. Während der erdgeschichtlichen Wärmeperioden in der Römerzeit und im Hochmittelalter dürften die Gletscher stark zurückgegangen sein und über weniger Umfang verfügt haben als heute. Doch wuchs ihr Volumen in den markanten Kälteperioden der sogenannten Kleinen Eiszeit im 16. und vom 17. bis ins beginnende 19. Jahrhundert mächtig an. Seit den wissenschaftlichen Landesvermessungen im 19. Jahrhundert können wir die Bewegungen der Ferner verfolgen. Kurz gesagt, handelt es sich um ein kontinuierliches Abschmelzen, das sich seit den 1980er Jahren signifikant beschleunigt.

Die dichteste Vergletscherung zeigte sich im Wettersteingebirge. Der von Spalten durchzogene Zugspitzplatt- oder Plattachferner auf bis zu 2700 Meter Höhe bedeckte um 1800 ein riesiges zusammenhängendes Gebiet und war vom Tal aus als graue, nebelverhangene Szenerie sichtbar, die von den Einheimischen als das „große Leichentuch“ angesehen wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts zerfiel das Zugspitzplatt in den Nördlichen und den Südlichen Schneeferner sowie in mehrere kleine Firnfelder. Der mittlerweile stark abgeschmolzene Nördliche Schneeferner präsentiert heute noch mit 16 Hektar den größten und höchst gelegenen bayerischen Gletscher. Auch der in einer schattigen Mulde sitzende Höllentalgletscher auf 2500 Metern Höhe vermochte seine Konsistenz und Fläche von ca. 16 Hektar bis heute zu bewahren. Von 1993 bis 2012 hatte man versucht, den Schmelzprozess des Nördlichen Schneeferners durch Abdeckung mit Plastikplanen aufzuhalten (ein Verfahren, das man als „Snow-Farming“ beschreibt bzw. beschönigt) – vergeblich.

Unterhalb der Watzmann-Ostwand über dem Königssee erstreckte sich auf 2000 Metern Höhe der Watzmanngletscher, der gegenwärtig langsam vor sich hinschmilzt und unter Fachleuten eigentlich nicht mehr als fließender Gletscher gewertet wird.

Das zwischen Felswänden eingebettete Blaueis ist mit einer Höhenlage von 2370 bis 1940 Metern der am niedrigsten gelegene Gletscher der Alpen und zeichnet sich zugleich durch seine Steilheit aus. Seine Maximalausdehnung von ca. 25 Hektar um das Jahr 1820 ist bis heute auf 7 Hektar geschrumpft. Durch den Höhenverlust teilte sich der Blaueisferner in einen steileren oberen Bereich und – durch einen Felsriegel getrennt – eine flache von Schotter bedeckte Gletscherzunge, aus der Wasser austritt.

Der Vollständigkeit halber sei noch der kleine Gletscher hoch über der Eng im tirolischen Karwendel, unterhalb der Eiskarlspitze, erwähnt. Er ist heute verschwunden, zeigt sich aber noch als ganzjähriges Firnfeld. Und das „Herzl“ inmitten der Nordwand der Alpspitze im Wetterstein war kein Gletscher, sondern ein ganzjähriges Schneefeld. Auch dieses ist mittlerweile verschwunden.

Gletscher sind wichtige Indikatoren für den Klimawandel. Sie beeinflussen den Wasserkreislauf und haben Auswirkungen auf die umliegenden Bergregionen. Ihr Schmelzen bringt ganze Täler in Gefahr. Wassermangel wird ein großes Thema in den Alpen werden. Je mehr sich die Gletscher zurückziehen, desto mehr taut der alpine Permafrost auf und lässt die Berge in sich zusammensacken. Bergstürze sind die Folge. Im Juli 2021 brach ein Teil des Grünsteins ab und beschädigte die Kunsteis-Bob- und Rodelbahn in Schönau am Königssee schwer. Auch dem im Inneren noch durch Permafrost zusammengebackenen Zugspitzmassiv wird ein solches Szenario vorhergesagt. Vielen höhen- und kältegewohnten Pflanzen- und Tierarten wird es in der abschmelzenden Gletscherregion zu warm werden.

Die Prognosen für die bayerischen Gletscher sehen den Totalverlust des südlichen Schneeferners, des Watzmanngletschers und des Blaueises bis 2030 voraus. Generell erwecken die von Kies, Geröll und dunklem Umweltschmutz bedeckten Ferner der Bayerischen Alpen heutzutage keinen guten Eindruck. Seit 1850 haben sie 88 Prozent ihrer Fläche und 90 Prozent ihres Volumens verloren. Aus historischer Sicht sollte man aber bedenken, dass Gletscher „kommen und gehen“, d. h., dass ihre Existenz von den sich abwechselnden Klimaperioden der Erdgeschichte anhängig war und ist. Dass indes der gegenwärtig zu beobachtende kurzfristig ablaufende alpine Gletscherschwund menschengemacht ist, sei hier nicht angezweifelt.

In früheren Zeiten triftete man Holz aus dem Reintal durch die Partnachklamm zur Loisach. 1912 wurde die Klamm durch Wege und Stege touristisch erschlossen. Felsstürze machten sie 1991 und 2018 für längere Zeit unpassierbar.

Alpenländische Flussläufe Oberbayerns

Treffend ist die Bezeichnung der Alpen als das „Dach Europas“. Hier entladen sich die Wolkengebirge und geben ihre Niederschläge nach unten ab. Die Bayerischen Alpen fangen sie auf und leiten sie über Flusstäler nordwärts ins Alpenvorland weiter, über die Täler, welche die Gletscher vor Zeiten ausgeschabt hatten. Sämtliche Flüsse Oberbayerns entspringen in den Alpen und entwässern in die Donau. Dieser Strom, nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas, fungiert als Regenrinne des Alpenvorlandes und nimmt den Lech, die Isar und den Inn auf. Zu seinem gewaltigen Einzugsgebiet zählt das gesamte südliche Bayern.

Der Lech ist ein Gebirgsfluss, der in Vorarlberg entspringt und über Tirol ins Bayerische gelangt. 256 Kilometer legt er bis zur Mündung in die Donau zurück. Geschichtsträchtige Orte wie Füssen, Steingaden, Schongau und Landsberg säumen sein oberbayerisches Ufer. Der Name wird keltisch als „schnellfließend“ oder „steinig“ gedeutet. Den Römern galt die Licca als Wegweiser von den Alpen ins nördliche Alpenvorland. Augusta – Augsburg am Lech – war die erste römische Stadt in Bayern. Mitte des 19. Jahrhunderts begann man den Wildfluss durch Verbauungen zu zähmen. Von 1951 bis 1954 wurden die kleinen Füssener Seen künstlich zum Forggensee aufgestaut; er repräsentiert den flächenmäßig größten Stausee Deutschlands. Gegenwärtig gewinnen 32 Staustufen und Kraftwerke Energie aus dem Strom. Deutlich scheidet der Lech den bairischen Sprachraum im Osten vom schwäbischen Idiom im Westen.

Die Ammer hat dem Ammergebirge seinen Namen gegeben, wo sich auch ihre Quellen befinden. Zufluss erhält die Ammer durch das Flüsschen Linder im Graswangtal, dessen Name im Schloss Linderhof widerscheint. An ihrem Oberlauf passiert die Ammer historisch wichtige Orte innerhalb der Voralpen, Oberammergau und Ettal und tritt bei Unterammergau ins Alpenvorland über. Beim Felsdurchbruch Scheibum beginnt die 20 Kilometer lange Ammerschlucht. Im weiteren Verlauf durchfließt sie den Ammersee und verlässt ihn als Amper. In einem weiten Bogen umgreift sie München und Freising und geht nach 185 Kilometern bei Moosburg in die Isar ein. Den Römern war die Ammer bereits als die keltische Ambra bekannt.

Die Loisach nimmt ihren Lauf über 120 Kilometer vom Lermooser Becken in Tirol durch das Werdenfelser Land, sie durchfließt den Kochelsee und mündet bei Wolfratshausen in die Isar. Wie die Isar war sie ein typischer Flößerei-Fluss, auf dem Holzstämme und Kalksteine aus den Alpen transportiert wurden. In einer Urkunde aus dem 11. Jahrhundert wird sie Liubasa genannt, was lieber bzw. guter Fluss bedeutet. Bei Wallgau nimmt sie seit 1925 abgeleitetes Isarwasser auf, welches über das Walchenseekraftwerk der Loisach zugeführt wird. Ein wilder Zufluss der Loisach ist die Partnach, eher ein Wildbach von nicht einmal 20 Kilometern Länge. Sie sammelt das Schmelzwasser des Schneeferners im Zugspitzmassiv, durchrinnt das Reintal und sägt sich durch einen Bergstock in der Partnachklamm, bevor sie in Garmisch-Partenkirchen in die Loisach mündet. Seit 1912 ist die bis 80 Meter tief eingekerbte Partnachklamm durch Stege und Treppen erschlossen.

Der Isar müssen wir schon eine bevorzugte Rolle in der oberbayerischen Geschichte zubilligen, hat sie doch dem Land an der „oberen Isar“, nämlich Oberbayern, seinen Namen gegeben. Sie ist ja auch ein besonderer Fluss und misst immerhin 295 Kilometer von ihren 1130 Meter hoch gelegenen Quellen im Karwendel bis zur Mündung in die Donau. Der Flussname kommt in Europa häufiger vor (Isère, Iser, Isarco, in Oberbayern noch die Isen) und soll keltisch „die Reißende“ bedeuten, was ihre Eigenschaft auch heute noch durchaus treffend charakterisiert.

Das kurze Stück zwischen ihren Quellen im Hinterautal oberhalb von Scharnitz und Krün trägt noch echten Wildflusscharakter. Dann stoppt das Krüner Wehr ihren Vortrieb; seit 1924 leitet es den Großteil des Isarwassers durch den Obernachkanal zum Walchensee hinab, um das dortige Wasserkraftwerk zu betreiben. 2030 läuft diese Wassernutzungskonzession aus. Dann ergäbe sich die Möglichkeit, den ursprünglichen Naturzustand wieder herzustellen. Trotz dieser künstlichen Wasserableitung verfügte die obere Isar noch über so viel Kraft, um ihre Ufer durch Überschwemmungen zu bedrohen.

Erst die Anlage des Sylvenstein-Speichers in den Jahren 1952 bis 1959 hat ihre fast alljährlichen Hochwasser, die über Lenggries, Tölz und bis über München hinaus schwappten, einzuschränken vermocht. Durchs Oberland hindurch hat sie sich tief ins Isartal eingegraben, verliert aber in der Münchner Schotterebene ihre Kraft, was die Gründung und Ausbreitung Münchens begünstigt hat.

Holz und nochmals Holz wurden auf der Isar Richtung München transportiert. Die Flößer kamen aus Lenggries und Bad Tölz. Was früher harte Arbeit war – eine Floßfahrt auf der Isar –, ist heute eine Touristenattraktion. Auch für den Transithandel aus dem Süden hatte die Isar große Bedeutung: Mittenwald war der Umschlagplatz für Waren aus Italien, die über den Brenner kamen.

Die 20 Kilometer lange Weißach entspringt in der Nähe des Achenpasses, durchfließt das Tal von Kreuth und mündet in den Tegernsee. Ein weiterer Fluss, der den Tegernsee bewässert, ist die nur 10 Kilometer lange Rottach. Das Flüsschen durchfließt den Suttensee und bildet bei Enterrottach Wasserfälle.

Die Mangfall ist der Abfluss des Tegernsees. Ihre 60 Flusskilometer führen sie erst nach Norden, und dann in einer charakteristischen Schleife nach Osten zum Inn, den sie bei Rosenheim erreicht. Nebenflüsse der Mangfall sind die in den Voralpen entspringende Leitzach und die Schlierach. Alle drei Flüsse wurden bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts industriell verbaut und zur Gewinnung hydroelektrischer Energie genutzt. Den Spitzingsee entwässert die Rote Valepp. Sie vereinigt sich mit der Weißen Valepp zur Brandenberger Ache, die mehrere Schluchten bildet und nach 28 Kilometern bei Kramsach in den Inn mündet.

Der Inn ist der größte und volumenstärkste Fluss der Ostalpen. Er durchfließt unser Gebiet vom bayerischen Unterinntal durch das Rosenheimer Becken und die Wasserburger Jungmoränenlandschaft, bis er beim Papstort Marktl die Salzach aufnimmt und damit seine Wassermenge fast verdoppelt. Er ist – neben der Donau – der zweite internationale Fluss Oberbayerns und mit 510 Kilometern Länge auch einer der größeren Flüsse Europas. Sein Quellgebiet liegt am schweizerischen Maloja-Pass, er durchfließt Nordtirol und wird kurz hinter Kufstein bayerisch. Kiefersfelden, Brannenburg und Rosenheim sind seine nächsten Stationen im bayerischen Alpenvorland. Für die Geschichte Tirols ist der Inn und das Inntal seit 2000 Jahren von größter Bedeutung – als Verkehrsweg und als Siedlungsplatz mit der Hauptstadt Innsbruck und den bedeutenden Orten Rattenberg, Schwaz und Hall. Als Aenus hatten ihn bereits die Römer bezeichnet.

In den Chiemgauer Alpen entspringen Prien und Tiroler Ache und münden in den Chiemsee. Die Prien gilt als unberechenbarer Wildbach, der auf nur 45 Kilometern Länge ein starkes Gefälle überwindet. Immerhin berührt er die bekannten Orte Sachrang, Aschau und Prien. Keltisch soll Brigesna Bergbach bedeuten. Die Tiroler Ache bildet sich aus einem Geflecht verschiedener Gebirgsflüsschen, die alle den Namen Ache tragen. Ache, verwandt mit Lateinisch Aqua, ist die uralte Bezeichnung für Wasser. Vor Schleching durchbricht die Ache einen Gebirgsriegel im Entenloch, einer ursprünglich nur dreieinhalb Meter schmalen Klamm. 1906 wurde sie auf 11 Meter Breite freigesprengt, um Treibholzansammlungen zu verhindern. Im Chiemsee schwemmt die Tiroler Ache ein stetig wachsendes Mündungsdelta an.

Der Föhn. Nach althergebrachter Meinung ist der Inn auch verantwortlich für den Föhn, ein typisches Wetterphänomen des Alpenvorlandes. Angeblich reißt der Fluss die von Süden kommende Warmluft mit sich und lässt dann das bayerische Oberland und den Chiemgau wie unter einer durchsichtigen Glasglocke schmoren. Bekanntlich pflegt man an solchen extrem warmen Tagen sämtliche menschlichen Unzulänglichkeiten auf den Einfluss des Föhns abzuwälzen. Im Gebirge entstehen dann Wetterkapriolen. Föhnstürme erreichen Windgeschwindigkeiten von 140 Kilometern pro Stunde. Schon die Römer beschrieben den warmen Fallwind und nannten ihn Favonius.

Bei Seebruck verlässt die Alz den Chiemsee und verstärkt nach 63 Kilometern den Inn. Sie gehört zu den Alpenflüssen, die bereits im 19. Jahrhundert durch Kraftwerke und Kanalableitungen industriell genutzt worden sind. Ihr wichtigster Seitenfluss ist die oberbayerische Traun, die Traunstein ihren Namen gegeben hat. Aus den Chiemgauer Alpen kommend, ergießt sie sich nach 45 Kilometern bei Altenmarkt in die Alz. Ihre Quellflüsse sind die Weiße und die Rote Traun, die sich bei Siegsdorf vereinigen. Die Weiße Traun entspringt in der Region der Winklmoosalm und bewässert Ruhpolding. Die Rote Traun nimmt im Ortsgebiet von Inzell ihren Anfang. Truna ist ein uralter Name, der Wasserlauf bedeutet.

Die 225 Kilometer lange Salzach trägt ihre enorme wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung bereits im Namen, heißt sie doch „Salz-Fluss“. Seit vorgeschichtlicher Zeit wurde in den Salzburger und Berchtesgadener Alpen das lebenswichtige Salz gewonnen und per Schiff über die Salzach Richtung Donau und Inn exportiert. Typische Salz-Städte sind Salzburg, Laufen, Tittmoning und Burghausen. Der „Machtkampf ums Salz“ trug nicht unerheblich zur staatlichen Herausbildung Oberbayerns und besonders zur Stadtgründung Münchens bei. 1820 begann man mit der Flussbegradigung, doch der Fluss lässt sich nicht bändigen. Auch die 103 Kilometer lange Saalach trägt den Namen Salz in sich. Sie durchfließt Bad Reichenhall und mündet bei Freilassing in die Salzach. In diesem Abschnitt bildet sie die Staatsgrenze zum österreichischen Bundesland und zur Stadt Salzburg.

Technikgeschichtlich ist die Saalach von Bedeutung, weil beim Ort Kirchberg durch die „Elektricitäts-Werke Reichenhall“ im Jahr 1889 das erste deutsche hydroelektrische Wechselstromkraftwerk in Betrieb genommen worden ist.

Die Salzach und ihr Nebenfluss Saalach waren aber nie eine echte Grenze. Hüben wie drüben leb(t)en Menschen gleicher Sprache und Kultur. Bis ins 18. Jahrhundert durchflossen sie das Fürstbistum Salzburg, zu dem das gesamte linksufrige Gebiet – der Rupertiwinkel – zählte. Der (ober-)bayerische Löwe tappte hier erst nach 1815 herein. Politische Grenzfunktion kam der Salzach nur von 1815 (Wiener Kongress) bis 1995 (Österreichischer EU-Beitritt) zu.

Zuletzt sei noch der Larosbach im Grenzgebiet des Berchtesgadener Landes gegen Salzburg genannt, weil er das lateinische lutum für Lehm in sich trägt. Er mündet in die Berchtesgadener Ache, die wiederum der Saalach zufließt.

Der Mensch in den Bayerischen Alpen

Bevor wir in den folgenden Kapiteln ins Detail der Geschichte gehen, betrachten wir die Bayerischen Alpen unter dem Aspekt ihrer Begehbarkeit und ihrer Überwindbarkeit. Wo hat die Natur für den Menschen Möglichkeiten geschaffen, die Bergwelt zu betreten und zu überschreiten? Die Flusstäler haben wir schon erwähnt. Sie reichen zwar tief in die Berge hinein, enden aber an Steilabhängen, Karen und Hochmooren. Nur natürliche Einsenkungen oder Pässe erlauben den Übergang von einem Tal ins andere.

Wege übers bayerische Gebirge: Pässe, Joche, Scharten

Viele Gebirgspässe ermöglichen Übergänge innerhalb der Bayerischen Alpen. Zumeist trennen Bergkämme zwei Flusstäler voneinander. Wo sie das Überschreiten begünstigen, entstand ein begehbarer Pass. Naturgemäß stellen Pässe auch Wasserscheiden dar. Erst in der Neuzeit wurde der Begriff Pass – von Lateinisch Passus „Schritt“, „Schreiten“ – gebräuchlich. Im alpenländischen Bairisch lauten die Entsprechungen dafür das Joch, der Sattel, der Scheitel oder die Schart.