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WIE FÜHRT MAN DEN BOSS IN VERSUCHUNG? Chadwick Beaumont, Erbe eines mächtigen Imperiums, hat gelernt, Nein zu sagen. Sogar bei ungeheuer erotischen Versuchungen wie der schönen Serena Chase. Denn sie ist seine Assistentin. Da muss er als Boss die Distanz wahren. Oder? WIE ZÄHMT MAN EINEN VERFÜHRER? Versucht Phillip Beaumont etwa, mit ihr zu flirten? Finger weg, befiehlt sich Jo. Sie soll sich als Pferdetrainerin schließlich um den wertvollen Hengst Sun kümmern, und nicht um dessen umwerfend attraktiven Besitzer! Viel zu gefährlich ist Phillips Ruf als gewissenloser Playboy. Aber auf seinem Landsitz scheint er ein anderer Mann zu sein. Oder ist das alles nur raffinierte Tarnung, um Jo in sein Schlafzimmer zu bekommen? WILD ERWACHT DIE BEGIERDE Für seinen Bruder inszeniert Matthew Beaumont die High-Society-Hochzeit des Jahres. Alles muss perfekt werden! Doch dann trifft er die Trauzeugin und beste Freundin der Braut - die skandalumwitterte Whitney Wildz, einen ehemaligen Teeniestar auf Abwegen! Als sie buchstäblich in Matthews Arme stolpert, wird sein Begehren entfacht. Sorgt er nun selbst für den Skandal, den er unbedingt verhindern wollte? EINE UNVERGESSLICHE AFFÄRE Byron Beaumont ist zurück in Denver - Leona ist alarmiert! Denn einerseits lassen seine blauen Augen sie immer noch an ihre unglaublich erotischen Nächte denken … Aber anderseits muss Leona in seiner Nähe um jeden Preis kühl bleiben. Sie soll sein neues Restaurant ausstatten. Eine tolle Chance - solange sie ihm verschweigen kann, dass sie inzwischen einen kleinen Sohn hat, der ihm verhängnisvoll ähnlich sieht … IM BETT MIT DEM RIVALEN Ein Jahr lang soll sie die Frau an seiner Seite spielen, dafür wird Ethan Logan sie fürstlich entlohnen. Frances Beaumont ist entsetzt über den Vorschlag: Ethan ist der Mann, der ihrer Familie eiskalt das Unternehmen gestohlen hat! Ihre finanzielle Not zwingt sie, dem Arrangement zähneknirschend zuzustimmen. Gleichzeitig fragt sie sich, wie sie zwölf Monate den verlockenden Lippen ihres Feindes widerstehen soll … WIE VERFÜHRE ICH DEN BOSS? Niemand hat es bisher gewagt, Zeb Richards, den neuen Besitzer der Beaumont-Brauerei, zur Rede zu stellen. Bis auf diese verführerische Schönheit! Casey Johnson ist seine Braumeisterin, und seine neuen Vorschriften scheinen für sie eine einzige Provokation zu sein. Es könnte der Beginn einer äußerst angespannten Zusammenarbeit sein - oder eines äußerst prickelnden Spiels zwischen Macht, Liebe und Leidenschaft … LIEB MICH UNTERM MISTELZWEIG Ihre Karriere hängt von dieser Sensationsstory ab! In ihrer TV-Show will Natalie unbedingt beweisen, dass CJ Wesley der uneheliche Sohn des skandalumwitterten Hardwick Beaumont ist. Doch als sie bei CJ vorfährt, um ihn zu interviewen, kommt ein mächtiger Blizzard auf. CJ gewährt ihr Unterschlupf. Schon bald ist er nicht mehr der Mann, den Natalie bloßstellen will, sondern ein attraktiver Traummann, der sie am Kaminfeuer küsst und in den eiskalten Nächten wärmt. DAS SINNLICHE VERSPRECHEN DES MILLIARDÄRS Skrupel kennt Milliardär Daniel Lee nicht - bis er die Tränen in den Augen der jungen Christine Murray sieht. Warum hat er sie nur in eine fragwürdige Kampagne hineingezogen, um ihrem Vater zu schaden? Als sie zwei Jahre später wieder gegen ihren Willen im Rampenlicht steht, lädt Daniel sie auf sein Luxusanwesen ein. Hier will er seine Schuld wiedergutmachen ...
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Seitenzahl: 1630
Sarah M. Anderson
Die Beaumont-Dynastie - Nur gewissenlose Playboys & knallharte Unternehmer? (8-teilige Serie)
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2014 by Sarah M. Anderson Originaltitel: „Not The Boss’s Baby“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1944 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Andrea Greul
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733723125
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Miss Chase, kommen Sie bitte in mein Büro?“
Serena zuckte zusammen, als sie die Stimme von Mr. Beaumont hörte, die durch die altmodische Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch drang. Blinzelnd schaute sie sich um. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie einen Moment brauchte, um zu registrieren, wo sie war.
Wie war sie eigentlich hierher ins Büro gekommen? Sie blickte an sich hinunter. Sie trug einen Hosenanzug, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, ihn angezogen zu haben. Vorsichtig berührte sie ihr Haar – es saß perfekt. Alles war also wie immer.
Mit der kleinen Ausnahme, dass sie schwanger war. Insofern war nichts wie immer.
Serena war sich ziemlich sicher, dass es ein Montag war. Die Uhr des Computers zeigte Punkt neun an – genau um diese Zeit traf sie sich für gewöhnlich zur Besprechung mit Chadwick Beaumont, dem Geschäftsführer und Präsidenten der Beaumont-Brauerei.
Seit sieben Jahren arbeitete sie als seine persönliche Assistentin. Davor hatte sie ein einjähriges Praktikum absolviert, dem ein Jahr in der Personalabteilung gefolgt war. Die wenigen Montage, an denen ihre Neun-Uhr-Besprechung ausgefallen war, konnte sie an einer Hand abzählen.
Es gab also keinen Grund, den Termin wegen einer Kleinigkeit wie einer zufälligen Schwangerschaft abzusagen.
An diesem Wochenende war ihr Leben völlig aus den Fugen geraten. Sie war nicht einfach nur ein bisschen müde oder ein bisschen gestresst. Sie hatte sich auch nicht einfach nur ein bisschen erkältet – sie hatte herausgefunden, dass sie seit drei Monaten und zwei Wochen schwanger war. Sicher sein konnte sie sich nicht zuletzt deswegen, weil sie genau wusste, dass sie zu jenem Zeitpunkt das letzte Mal mit Neil geschlafen hatte.
Neil. Sie musste es ihm sagen. Er hatte ein Recht, es zu erfahren. Großer Gott, sie wollte ihn eigentlich nie mehr wiedersehen. Denn sie wollte nicht noch einmal von ihm zurückgewiesen werden. Aber hier ging es nicht darum, was sie wollte.
Was für eine Katastrophe!
„Miss Chase? Gibt es ein Problem?“ Mr. Beaumonts Stimme klang bestimmt, aber freundlich.
Sie drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. „Nein, Mr. Beaumont. Einen Moment bitte, ich bin sofort bei Ihnen.“
Sie saß im Büro und hatte einen Job zu erledigen – den sie gerade jetzt nötiger brauchte denn je.
Serena schickte eine kurze Mail an Neil, um ihn darüber zu informieren, dass sie mit ihm reden müsse. Dann nahm sie ihren Tablet-PC und öffnete die Tür zu Mr. Beaumonts Büro.
Chadwick Beaumont leitete die Brauerei in dritter Generation, und das sah man diesem Büro auch an. Seit den Vierzigerjahren schien die Zeit hier stehengeblieben zu sein. Chadwicks Großvater John hatte das Unternehmen kurz nach dem Ende der Prohibition offiziell gegründet. Drei Wände waren mit auf Hochglanz poliertem Mahagoni getäfelt, und eine eingebaute Bar mit einem riesigen Spiegel nahm fast die gesamte Fläche der vierten Wand ein. Vor der langen Fensterfront waren schwere graue Samtvorhänge drapiert. Das i-Tüpfelchen waren aufwändig geschnitzte Holztafeln, auf denen die Geschichte der Beaumont-Brauerei abgebildet war.
Der riesige Konferenztisch war eine Spezialanfertigung, extra für diesen Raum geschreinert. Serena hatte irgendwann mal gehört, dass man ihn direkt im Büro hatte zusammenbauen müssen, weil er nicht durch die Tür gepasst hätte. Daneben gab es noch eine Sitzecke, bestehend aus zwei ledernen Clubsesseln und einem passenden kleinen Sofa, die um einen Couchtisch gruppiert waren. Angeblich war dieser Tisch aus den Rädern gemacht worden, die Teil des Pferdewagens waren, mit dem Phillipe Beaumont 1880 die Prärie durchquert hatte, um sich in Denver niederzulassen und Bier zu brauen.
Serena liebte dieses Büro – hier war sie von so viel Eleganz und Geschichte umgeben wie sonst nirgendwo. Die wenigen Indizien, die darauf hinwiesen, dass man bereits im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen war, waren ein Flachbildfernseher, das Telefon und der Computer auf dem Schreibtisch. Dahinter befand sich, versteckt zwischen der Bar und einem Bücherregal, eine Tür, durch die man in einen Privatraum gelangte. Dort hatte Chadwick eine Dusche einbauen, ein Laufband und diverse andere Trainingsgeräte aufstellen lassen. Serena wusste das jedoch nur, weil sie die Bestellungen dafür in Auftrag gegeben hatte. Ansonsten hatte sie Chadwicks privates Reich in den gesamten sieben Jahren noch kein einziges Mal betreten.
In diesem Büro hatte sie immer Trost gefunden – es bildete einen wohltuenden Kontrast zu ihrer Kindheit, die von Armut und Entbehrung geprägt gewesen war. Hier fand sie alles, wonach sie sich immer gesehnt hatte: Beständigkeit, Geborgenheit, Sicherheit. Dinge, nach denen es sich zu streben lohnte.
Auch sie konnte ein komfortables Leben führen, weil sie fleißig, engagiert und loyal war. Vielleicht konnte sie sich nicht den gleichen Luxus leisten wie Chadwick Beaumont. Aber sie hatte es heute weit besser als in den heruntergekommenen Wohnwagen, in denen sie aufgewachsen war.
Chadwick saß am Schreibtisch und blickte auf den Monitor seines Computers. Serena wusste sehr wohl, dass sie ihn im Geiste nicht Chadwick nennen sollte – es war viel zu vertraulich. Mr. Beaumont war immerhin ihr Chef. Einer, der nie aufdringlich wurde oder sie zu nächtlichen Überstunden oder dringenden Wochenendschichten nötigte.
Sie war eine gewissenhafte Mitarbeiterin, die durchaus Überstunden machte, wenn es notwendig war. Sie leistete harte Arbeit, und er honorierte das. Für ein Mädchen wie sie, das während der Schulzeit auf die Unterstützung von Wohltätigkeitsorganisationen angewiesen gewesen war, waren eine jährliche Gehaltserhöhung von acht Prozent und eine Eintausend-Dollar-Prämie für gute Leistungen ein Geschenk des Himmels.
Es war kein Geheimnis, dass Serena für ihren Boss durchs Feuer gegangen wäre. Dass sie ihn jedoch über seinen Erfolg und sein Engagement hinaus bewunderte, war eine andere Sache. Denn Chadwick Beaumont war auch ein verdammt gut aussehender Mann. Er war stolze ein Meter neunzig groß, hatte dunkelblondes gepflegtes Haar, und er war einer jener Männer, die wie ein guter Wein mit den Jahren immer attraktiver werden. An manchen Tagen ertappte Serena sich dabei, wie sie ihn verstohlen anhimmelte.
Diese heimliche Schwärmerei behielt sie selbstverständlich für sich. Sie hatte einen wunderbaren Job, den sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen würde, indem sie sich ganz unprofessionell in ihren Chef verliebte. Außerdem war sie fast zehn Jahre lang mit Neil zusammen gewesen, und Chadwick hatte eine Ehefrau. Zwischen ihnen bestand also lediglich eine rein geschäftliche Beziehung.
Sie hatte keinen blassen Schimmer, wie sich die Schwangerschaft auf ihren Job auswirken würde. Aber sie würde ihre Arbeit – und die Leistungen der Krankenkasse – mehr denn je brauchen.
Serena nahm wie immer auf einem der beiden Stühle vor dem Schreibtisch Platz und schaltete das Tablet ein. „Guten Morgen, Mr. Beaumont.“ Oh Gott, hatte sie heute Morgen vor lauter Panik vielleicht vergessen, Make-up aufzulegen? Hoffentlich hatte sie keine Ränder unter den Augen.
„Miss Chase“, begrüßte Chadwick sie und sah sie kurz an. Dann blickte er wieder auf den Monitor und hielt inne. Serena hatte kaum Zeit, Luft zu holen, da fragte Chadwick Beaumont sie auch schon: „Ist alles in Ordnung?“
Nein. In ihrem Leben war alles durcheinander. Nur die Tatsache, dass sie als Kind sehr viel schlimmere Situationen durchgestanden hatte, hielt sie aufrecht.
Sie hoffte, es würde ihr auch diesmal gelingen.
Serena nahm eine gerade Haltung ein und versuchte, so freundlich wie möglich zu lächeln. „Es ist Montag. Mir geht’s gut.“
Chadwick zog eine Braue hoch. „Sind Sie sicher?“
Sie log ihn nur ungern an. Sie log überhaupt nie gerne. Doch dank Neil hatte sie in letzter Zeit viel Übung darin bekommen. „Alles okay.“
Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich selbst zu glauben. Sie hatte sich dank harter Arbeit aus der größten Armut befreit, und ein Stolperstein – winzig wie ein Baby – würde sie nicht aus der Bahn werfen. Jedenfalls hoffte sie das.
Chadwick wandte den Blick seiner haselnussbraunen Augen von ihr ab und schien es dabei zu belassen. „Na gut. Was braut sich denn in dieser Woche zusammen?“
Wie immer, wenn er diesen Witz machte, lächelte sie. Natürlich brauten sie Bier.
Auf seinem Terminkalender standen außerdem eine Verabredung zum Lunch mit seinem Vizepräsidenten und noch ein paar andere Meetings. Er tat wirklich viel für die Firma – er war ein Chef, der mit anpackte. Es war Serenas Aufgabe, dafür zu sorgen, dass seine Termine nicht miteinander kollidierten.
„Sie haben am Dienstagmorgen um zehn Uhr einen Termin mit den Rechtsanwälten wegen der Schlichtung. Deshalb habe ich Ihr Treffen mit Matthew auf den Nachmittag verschoben.“
Mit dieser Formulierung umging sie auf diplomatische Weise die unangenehme Tatsache, dass es sich bei den Anwälten um seine Scheidungsanwälte und bei besagter Schlichtung um die Scheidung von seiner Frau Helen handelte. Das Ganze zog sich schon seit Monaten hin – dreizehn Monate, wenn sie sich nicht täuschte. Die Einzelheiten kannte sie natürlich nicht. Wer konnte schon sagen, was sich hinter den verschlossenen Türen einer Familie abspielte? Alles, was sie sagen konnte, war, dass Chadwick das Ganze ziemlich mitgenommen hatte und dass es ihn langsam zu zermürben schien.
Er seufzte. „Als ob dieses Treffen auf irgendetwas hinauslaufen würde. Die letzten fünf Male ist es auch ergebnislos geblieben. Egal. Was gibt es sonst noch?“, fügte er wieder energischer hinzu.
Serena räusperte sich. Damit waren die persönlichen Angelegenheiten, die sie miteinander teilten, abgehakt. „Am Mittwoch ist das Vorstandstreffen im Hotel Monaco.“ Sie räusperte sich abermals. „Es geht um das Angebot von AllBev. Das Nachmittagsmeeting mit den Produktionsleitern habe ich abgesagt, aber sie werden Ihnen einen Zwischenbericht schicken.“
Beim Thema AllBev wurde ihr plötzlich klar, dass sie gar nicht so sehr Angst davor hatte, ein Kind zu bekommen. Es war vielmehr die Befürchtung, deshalb ihren Job zu verlieren …
AllBev war ein internationaler Konzern, der sich auf die Übernahme von Brauereien spezialisiert hatte. Sie hatten bereits Firmen in England, Südafrika und Australien gekauft und nun die Beaumont-Brauerei im Visier. AllBev war bekannt dafür, die Führungsebene der Betriebe durch eigene Leute zu ersetzen. Die wenigen Mitarbeiter, die sie nicht entließen, mussten dann für mehr Profit als zuvor sorgen.
Chadwick stöhnte auf und ließ sich in seinen Sessel zurückfallen. „Das ist diese Woche?“
„Ja, Sir.“ Als sie Sir sagte, blickte er sie verwundert an. Serena korrigierte sich. „Ja, Mr. Beaumont. Wir haben das Treffen vorgezogen, weil Mr. Harper dabei sein wollte.“
Leon Harper besaß nicht nur eine der größten Banken Colorados, er war auch ein Vorstandsmitglied der Brauerei. Und er drängte darauf, der Übernahme durch AllBev zuzustimmen.
Was würde passieren, wenn Chadwick das Angebot akzeptierte oder wenn sich der Vorstand über seine Wünsche hinwegsetzte? Was, wenn die Beaumont-Brauerei verkauft werden würde? Dann wäre sie ihre Stelle los. Denn das Management von AllBev hatte ganz sicherlich keinen Bedarf an der Assistentin des ehemaligen Geschäftsführers. Man würde sie entlassen, und alles, was ihr von den neun Jahren in dieser Firma bliebe, wäre ein Karton, in dem sie ihre Habseligkeiten mit nach Hause nehmen konnte.
Natürlich wäre das nicht das Ende der Welt. Sie hatte immer äußerst bescheiden gelebt und die Hälfte ihrer Einkünfte angelegt. Sie müsste nicht wieder von der Sozialhilfe leben. Das wollte sie auch nicht.
Wäre sie nicht schwanger, wäre es vermutlich kein Problem, einen neuen Job zu bekommen. Denn sie hatte eine fundierte Ausbildung, und Chadwick würde ihr ein hervorragendes Empfehlungsschreiben mit auf den Weg geben. Selbst einen vorübergehenden Zeitvertrag würde sie annehmen.
Auch … ja, auch wenn sie auf die Zusatzleistungen verzichten müsste. Obwohl sie gerade jetzt dringend eine bezahlbare Krankenversicherung brauchte. Was das betraf, war die Beaumont-Brauerei einer der großzügigsten Arbeitgeber weit und breit.
Doch es ging ja nicht nur darum, die laufenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Sie konnte einfach nicht mehr in das Leben zurückkehren, das sie geführt hatte, bevor sie in der Brauerei angefangen hatte. Sie wollte nie wieder das Gefühl haben, ihr Leben nicht in den Griff zu bekommen. Oder von anderen Menschen wie ein ungebildeter Parasit behandelt zu werden, der auf Kosten der Gesellschaft lebte.
Würde ihr Kind gezwungen sein, so aufzuwachsen wie sie? Angewiesen auf die warmen Mahlzeiten der Suppenküchen und die paar Cents, die seine Mom als Kellnerin in einem Diner verdiente?
Serena erinnerte sich an die Sozialarbeiter, die ihren Eltern oft damit gedroht hatten, ihnen ihre Tochter wegzunehmen, bis sie in der Lage wären, besser für sie zu sorgen. Serena hatte immer geglaubt, weniger wert zu sein als andere Kinder, ohne eigentlich zu wissen, warum. Bis eines Tages Miss Gurgin in der vierten Klasse vor allen Mitschülern verkündet hatte, dass Serena Chase das zerschlissene T-Shirt trug, das sie in den Altkleidersack geworfen hatte. Die Lehrerin wollte es an einem Fleck im Stoff wiedererkannt haben.
Diese Erinnerung schnürte Serena die Kehle zu. Nein, dachte sie und zwang sich durchzuatmen. Das kam gar nicht infrage. Sie hatte genug Geld, um ein, zwei Jahre über die Runden zu kommen – vielleicht sogar noch länger, wenn sie sich eine günstigere Wohnung mieten und ein billigeres Auto kaufen würde. Außerdem würde Chadwick es nicht zulassen, dass das Familienunternehmen verkauft wurde. Er beschützte seine Firma. Er würde sie beschützen.
„Harper, der alte Gockel“, murmelte Chadwick und riss Serena aus ihren Gedanken. „Er ist immer noch auf einem Rachefeldzug gegen meinen Vater. Er kann die Vergangenheit einfach nicht ruhen lassen.“
Es war das erste Mal, dass Serena das hörte. „Will Mr. Harper Sie loswerden?“
Chadwick winkte ab. „Er will sich immer noch an meinem Vater Hardwick rächen, weil der mit seiner Frau im Bett war. Man munkelt, direkt nach Harpers Flitterwochen.“ Er sah sie wieder an. „Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht? Sie sehen blass aus.“
Wäre es doch nur ein bisschen Blässe, dann wäre alles gut. „Ich …“ Verzweifelt suchte sie nach einer Ausrede. „Das höre ich zum ersten Mal.“
„Hardwick Beaumont war ein intoleranter, frauenverachtender Betrüger und Lügner. An guten Tagen.“ Chadwick klang emotionslos, er schien einfach nur die Fakten festzuhalten. „Ich bin mir sicher, dass er es getan hat. Aber das ist Schnee von gestern und schon vierzig Jahre her. Mein alter Herr ist seit fast zehn Jahren tot.“
Chadwick seufzte und sah aus dem Fenster. In der Ferne glänzten die schneebedeckten Spitzen der Rocky Mountains in der Frühlingssonne. „Aber das scheint sich noch nicht bis zu Mr. Harper herumgesprochen zu haben. Es wäre schön, wenn Harper begreifen würde, dass ich nicht Hardwick bin.“
„Ich weiß, dass Sie nicht so sind wie er.“
Chadwick blickte sie an. Da war etwas in seinen Augen, das sie nicht deuten konnte.
„Ist das so? Sind Sie sich da sicher?“
Serena spürte plötzlich, dass sie sich auf dünnes Eis gewagt hatte.
Denn eigentlich war sie sich ganz und gar nicht sicher. Sie hatte keine Ahnung, warum Chadwick sich scheiden ließ oder ob er mit anderen Frauen im Bett gewesen war. Sie wusste nur, dass er niemals versucht hatte, mit ihr zu flirten. Er war ihr immer auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet.
„Ja“, versicherte sie ihm. „Ganz sicher.“
Er kleines Lächeln spielte um seine Lippen. „Das bewundere ich so an Ihnen, Serena. Sie sehen immer das Gute im Menschen. Sie sorgen dafür, dass es allen um Sie herum gut geht. Und Sie machen den Leuten nichts vor.“
Oh. Oh. Ihre Wangen fühlten sich plötzlich so warm an. Lag das an dem Kompliment, das er ihr gemacht hatte, oder daran, dass er sie mit ihrem Vornamen angesprochen hatte? Normalerweise nannte er sie Miss Chase.
Das Eis wurde immer dünner.
Sie sollte das Thema wechseln. Sofort. „Am Samstagabend um neun findet der Wohltätigkeitsball der Brauerei im Denver Art Museum statt.“
Immer noch lächelnd, zog er eine Augenbraue hoch. Auf einmal sah Chadwick Beaumont weder müde noch ausgepowert aus – er sah heiß aus. Eigentlich sah er immer heiß aus, aber in diesem Augenblick sah man ihm weder die Last der Verantwortung noch die Sorge um die Zukunft seiner Firma an.
Serenas Wangen waren immer noch warm. Wieso warf sie ein einziges Kompliment so aus der Bahn? Richtig – sie war ja schwanger. Wahrscheinlich spielten ihre Hormone verrückt.
„Wer wird dieses Jahr noch gleich ausgezeichnet? Eine Essenausgabe?“
„Ja, die Rocky-Mountain-Tafel wird Wohltätigkeitsorganisation des Jahres.“
Jedes Jahr veranstaltete die Beaumont-Brauerei einen aufsehenerregenden Spendenball für eine soziale Einrichtung aus der Region, die sie zwölf Monate lang finanziell unterstützte. Es gehörte zu Serenas Job, die Bewerbungen der Organisationen zu prüfen. Mit den Fördergeldern der Brauerei und den eingenommenen Spenden kamen meistens rund fünfunddreißig Millionen Dollar zusammen – damit konnte eine soziale Einrichtung ihr Budget für die nächsten fünf bis zehn Jahre bestreiten.
Serena fuhr fort. „Diesmal hat Ihr Bruder Matthew die Veranstaltung organisiert. Sie ist der Höhepunkt der ganzen Förderaktion. Es wäre wunderbar, wenn Sie die Zeit fänden.“
Es war eine äußerst diplomatische Formulierung, mit der Serena ihm andeutete, wie wünschenswert sein Erscheinen war. Selbstverständlich fehlte Chadwick bei solchen Veranstaltungen nie. Denn er wusste nur allzu gut, dass es bei diesen Abenden nicht nur um den guten Zweck ging, sondern auch um den Ruf der Beaumont-Brauerei.
Chadwick blickte sie prüfend an. „Sie haben die Tafel für die Förderung ausgewählt, nicht wahr?“
Serena schluckte. Fast schien es, als wüsste er, dass sie und ihre Eltern von solchen Organisationen abhängig gewesen waren. Dass sie ohne ihre wöchentliche Ration an Lebensmitteln und warmen Mahlzeiten hätten hungern müssen. „Ich leite ja auch mehr oder weniger das Auswahlverfahren. Das ist meine Aufgabe.“
„Sie machen das sehr gut.“ Bevor Serena dieses zweite Kompliment auf sich wirken lassen konnte, fuhr er fort. „Kommt Neil auch?“
„Ähm …“ Normalerweise begleitete Neil, der auf Du und Du mit einflussreichen Persönlichkeiten war, sie immer zu diesen Veranstaltungen. Sie selbst nahm aber am liebsten daran teil, um sich in Schale zu schmeißen und Champagner trinken zu können – das war etwas, von dem sie als junges Mädchen nur hatte träumen können.
Doch plötzlich war die Situation anders – ganz anders. Sie spürte, dass sie einen Kloß im Hals hatte. Was für ein Desaster!
„Nein. Er …“ Fang jetzt bloß nicht an zu heulen! Nichtheulen! „Wir haben vor ein paar Monaten im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen, unsere Beziehung zu beenden.“
Chadwick sah sie entgeistert an. „Vor ein paar Monaten? Warum haben Sie mir das nicht erzählt?“
Einatmen, ausatmen.
„Weil ich finde, Mr. Beaumont, dass persönliche Dinge nicht ins Büro gehören.“ Der Satz kam ihr erstaunlich leicht über die Lippen, nur bei dem Wort persönlich geriet ihre Stimme etwas ins Zittern. „Ich wollte Sie damit nicht belasten, und ich komme gut damit klar.“
Sie war eine professionelle, verlässliche und loyale Mitarbeiterin. Hätte sie Chadwick unter die Nase reiben sollen, Neil habe sie sitzengelassen? Und das, nachdem sie ihn in einer SMS aufgefordert hatte, Stellung zu beziehen und ihr mitzuteilen, wie ernst er es mit ihr meinte? Um ihm anzudeuten, dass er sie endlich heiraten und eine Familie mit ihr gründen sollte? Das wäre alles andere als professionell gewesen. Im Büro mochte sie alles im Griff haben, für ihr Liebesleben traf das leider nicht zu.
Chadwick sah sie plötzlich mit einem Blick an, den sie eigentlich nur von ihm kannte, wenn man ihm ein völlig inakzeptables Angebot vorlegte: Es war eine eindrucksvolle Mischung aus Geringschätzung und Entschiedenheit. Mit diesem imposanten Blick brachte er Verhandlungspartner normalerweise dazu, ihm ein neues Angebot zu machen. Eines, das für die Brauerei besonders profitabel war.
Sie hatte er auf diese Art noch nie angesehen. Es war beinahe unheimlich. Hatte er vor, sie zu feuern, weil sie ihm Details ihres Privatlebens vorenthalten hatte? Doch dann beugte er sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch. „Wenn das schon ein paar Monate her ist, was ist dann an diesem Wochenende passiert?“
„Wie bitte?“
„Dieses Wochenende. Irgendetwas hat Sie ganz offensichtlich sehr mitgenommen. Auch wenn Sie sich alle Mühe geben, es zu verbergen. Hat er …“
„Aber nein!“ Neil konnte zwar manchmal ein richtiger Idiot sein … Okay, er war ein Idiot und ein notorischer Fremdgeher, der panische Angst vor festen Beziehungen hatte. Aber Chadwick sollte nicht denken, Neil hätte sie geschlagen. Allerdings wollte sie auch nicht über Einzelheiten sprechen.
Ihr Hals war trocken, und Serena hatte das Gefühl, die ganze Zeit über zu blinzeln. Wenn sie hier auch nur eine Sekunde länger sitzen blieb, würde sie entweder in die Luft gehen oder in Tränen ausbrechen.
Also tat sie das einzig Vernünftige: Sie stand auf und versuchte, das Büro so souverän wie möglich zu verlassen. Gerade als sie ihre Hand an die Türklinke legte, sagte Chadwick: „Serena, warten Sie.“
Sie war nicht imstande, sich umzudrehen und ihn anzuschauen. Diesen Blick hätte sie kein zweites Mal ertragen. Serena schloss die Augen. Sie konnte zwar nicht sehen, wie Chadwick aufstand und um den Tisch herum auf sie zukam, aber sie hörte es: das Knarzen des Sessels, seine Schritte, die von dem dicken Orientteppich gedämpft wurden. Als er schließlich dicht hinter ihr stand, spürte sie die Wärme seines Körpers. So nah war er ihr noch nie gewesen.
Er fasste sie an den Schultern und drehte sie zu sich um. Sie versuchte, sich von ihm abzuwenden, doch das ließ er nicht zu. Er löste zwar seine Hände von ihren Schultern, doch als sie seinem Blick auswich, schob er einen Finger unter ihr Kinn und hob es an.
„Serena, sehen Sie mich an.“
Doch das wollte sie nicht. Ihre Wangen glühten unter seiner Berührung – ja tatsächlich, er berührte sie. Dann strich er ihr mit dem Daumen sanft übers Kinn. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gedacht, er streichle sie. Seit Monaten war sie nicht mehr so zart berührt worden. Oder war es noch länger her?
Serena öffnete die Augen. Chadwicks Gesicht war immer noch unbedenkliche dreißig Zentimeter von ihrem entfernt. Dennoch waren sie sich noch nie so nah gewesen. Er hätte sie küssen können, wenn er es gewollt hätte, und sie hätte ihn nicht davon abgehalten. Weil sie ihn nicht davon abhalten wollte.
Aber er küsste sie nicht. Sie sah ihn wie in einer Nahaufnahme vor sich; seine Augen waren eine Mischung aus Grün und Braun mit goldenen Sprenkeln. Sie spürte, wie ihre Panik langsam verflog, während sie ihn ansah. Nein, sie war nicht in ihren Chef verliebt. Punkt. Und sie war es auch nie gewesen. Und sie würde ihm auch jetzt nicht verfallen, ganz egal, welche Komplimente er ihr noch machen oder auf welche Art er sie noch berühren würde. Nein!
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als er sie ansah. War er genauso nervös wie sie? Sie waren dabei, eine Grenze, die sie immer respektiert hatten, zu überschreiten.
Wollte er das? War er dabei, den ersten Schritt zu machen?
„Serena“, sagte er mit einer tiefen Stimme, die sie vorher noch nie von ihm gehört hatte.
Ein Kribbeln lief ihr den Rücken hinunter und ließ sie erzittern, was Chadwick sicher nicht entging.
Er sah sie ernst an. „Was auch immer das Problem sein mag, Sie können mir alles anvertrauen. Wenn Neil Sie belästigt, werde ich mich darum kümmern. Sollten Sie Hilfe brauchen …“ Als er weiterhin mit dem Finger über ihr Kinn fuhr, erschauerte sie wieder. „Was immer Sie brauchen, ich bin für Sie da.“
Sie musste irgendetwas sagen, etwas Geistreiches, Souveränes. Aber es gelang ihr nicht, den Blick von seinen Lippen abzuwenden. Wie er wohl schmeckte? Würde er ihr den ersten Schritt überlassen? Oder würde er sie gleich an sich ziehen, leidenschaftlich und …
„Wie meinen Sie das?“, fragte sie schnell. Sie wusste nicht mehr, was sie von ihm erwartete. Denn er klang nicht länger wie ein besorgter Chef, dem das Wohlergehen seiner loyalen Mitarbeiterin am Herzen lag. Dabei sollte er das. Wollte er sie etwa nach den ganzen Jahren doch verführen? Nur weil Neil ein Idiot und sie im Augenblick ziemlich wehrlos war? Oder ging es hier um etwas anderes?
Serena hatte das Gefühl, dass der Abstand zwischen ihnen geringer geworden war und Chadwick, ohne es zu bemerken, noch näher an sie herangetreten war. Oder sie war näher an ihn herangetreten.
Er wird mich küssen, schoss es ihr durch den Kopf.
Er wird mich küssen, und genau das soll er auch tun. Weil ich es mir schon immer gewünscht habe!
Doch Chadwick küsste sie nicht. Er fuhr ihr abermals mit dem Finger übers Kinn und die Wange, als wolle er sich die Konturen genau einprägen. Wie gerne hätte sie ihre Finger durch sein dunkelblondes Haar gleiten lassen und sich seinem Mund genähert. Sie wollte den Geschmack dieser Lippen probieren. Sie wollte mehr spüren als nur seine Berührung.
„Serena, Sie sind meine engste Mitarbeiterin. Sie sollen wissen, dass ich mich um Sie kümmern werde. Ganz egal, was bei der Vorstandssitzung herauskommt, ich werde dafür sorgen, dass man Sie nicht mit leeren Händen auf die Straße setzt. Ihre Loyalität wird belohnt werden.“
Serena ließ die Luft, die sie die ganze Zeit über angehalten hatte, mit einem sanften „Oh“ heraus.
Gott, wie gut es tat, das zu hören! Neil war nicht mehr für sie da, aber all die Jahre der harten Arbeit hatten sich letztlich doch ausgezahlt. Sie musste sich nicht länger den Kopf über die Sozialhilfe zerbrechen. Sie musste auch keine Privatinsolvenz anmelden oder sich wieder in einer Suppenküche anstellen.
Langsam klärten sich ihre Gedanken. „Danke, Mr. Beaumont.“
Sein Lächeln verwandelte sich plötzlich in ein freches Grinsen. „Das ist schon besser als Sir. Dennoch, nennen Sie mich einfach Chadwick. Bei Mr. Beaumont muss ich immer an meinen Vater denken.“ Als er das sagte, wirkten seine Augen plötzlich ein wenig müde. Schließlich trat er einen Schritt zurück und räusperte sich. „Fassen wir zusammen: die Anwälte am Dienstag, der Vorstand am Mittwoch und der Wohltätigkeitsball am Samstag?“
Irgendwie gelang es ihr, zu nicken. Nun bewegten sie sich wieder auf gewohntem Terrain. „Ja.“ Sie atmete noch einmal tief durch und wurde ruhiger.
„Ich hole Sie ab.“
Von wegen ruhiger. „Wie bitte?“
Wieder schien er sie herausfordernd anzulächeln. „Ich gehe zu der Gala, Sie gehen zu der Gala. Da wäre es doch Unsinn, zwei Wagen zu nehmen. Ich hole Sie um sieben Uhr ab.“
„Aber … der Ball fängt erst um neun an.“
„Dann sind wir jetzt wohl zum Dinner verabredet.“ Vermutlich sah sie ziemlich entgeistert aus, denn er trat noch einen weiteren Schritt zurück. „Nennen wir es … eine vorgezogene Feier. Anlässlich Ihres feinen Händchens, das Sie bei der diesjährigen Wahl der Wohltätigkeitsorganisation bewiesen haben.“
Mit anderen Worten: Es war kein Date. Selbst, wenn es danach klang.
„Einverstanden, Mr. Beau…“ Er warf ihr einen strengen Blick zu, und sie schluckte. „Einverstanden, Chadwick.“
Auf seinem Gesicht erschien ein herzliches Grinsen, das ihn sofort fünfzehn Jahre jünger aussehen ließ. „Na also. War doch gar nicht so schlimm, oder?“ Er drehte sich um und ging zurück an seinen Schreibtisch. Was auch immer gerade zwischen ihnen geschehen war, nun war es vorbei. „Bob Larsen wollte gegen zehn hier sein. Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn er da ist.“
„Selbstverständlich.“ Serena brachte es nicht fertig, noch einmal seinen Namen auszusprechen. Außerdem war sie viel zu beschäftigt damit, das Geschehen der letzten Minuten zu verarbeiten.
Sie trat gerade aus der Tür und wollte sie hinter sich zuziehen, als sie noch einmal seine Stimme hörte.
„Und Serena, wenn Sie etwas brauchen … Ich meine es ernst.“
„Danke … Chadwick.“
Dann schloss sie die Tür.
Es war Zeit für Chadwicks allmorgendliches Meeting mit Bob Larsen, dem Chef der Marketingabteilung. Er war von Chadwick persönlich auf diesen Posten berufen worden und hatte der Firma sehr geholfen, noch bekannter zu werden.
Obwohl Bob schon auf die fünfzig zuging, machte ihm in Sachen Internet und Social Media niemand etwas vor. Dank seines Know-hows war die Firma erfolgreich im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen und bei Facebook und Twitter vertreten.
Bobs neuestes Baby war das SnappShot-Projekt. Chadwick wusste nur, dass man mittels SnappShot Bilder so bearbeiten konnte, dass sie grobkörnig und zerkratzt aussahen. Aber Bob war überzeugt, dass es das geeignete Marketinginstrument wäre, um der Öffentlichkeit ihr neuestes Bier, das „Percheron Seasonal Ale“, zu präsentieren.
„Damit erreichen wir all die Kochbegeisterten, die Fotos von ihren Mahlzeiten ins Netz stellen!“, hatte Bob wie ein aufgeregtes Kind vor dem Weihnachtsbaum verkündet.
Chadwick hätte sich jetzt ausschließlich auf dieses Gespräch konzentrieren sollen, auf nichts anderes. Normalerweise nahm er die Meetings mit seinen Abteilungsleitern auch sehr ernst. Normalerweise hatte er alles im Griff.
Doch er musste permanent an seine Assistentin denken. Warum nur?
Weil er ein Mann war? Ja, vermutlich war das der Grund.
Er dachte ständig daran, was Serenas ihm erzählt hatte. Und daran, wie sie ihm an diesem Morgen gegenübergetreten war. Sie hatte müde ausgesehen, als hätte sie das ganze Wochenende über geweint. Und sie war seiner Frage nach ihrem Exfreund ausgewichen. Wenn dieser Mistkerl bereits vor Monaten mit ihr Schluss gemacht hatte, was war dann an diesem Wochenende passiert? Und sie konnte noch so sehr betonen, dass es eine gemeinsame Entscheidung gewesen war, Chadwick war sich sicher, dass dieser Neil der Schuldige war.
Der bloße Gedanke, dass Neil Moore – dieser mittelmäßige Golfprofi mit der großen Klappe – Serena in irgendeiner Weise wehgetan haben könnte, machte Chadwick furchtbar wütend. Er hatte Neil noch nie gemocht. Der Typ war ein Blutsauger, der Serena nicht verdient hatte. Sie gehörte nicht in die Hände eines Mannes, der sie auf einer Party stehenließ, um sich an irgendwelche B-Promis heranzuschmeißen, wie es Neil mehrfach getan hatte.
Serena hatte wirklich einen anderen als diesen Schwachkopf verdient, das wusste Chadwick schon seit Jahren. Aber warum beschäftigte ihn das ausgerechnet an diesem Morgen?
Sie hatte … irgendwie anders ausgesehen. Nicht nur mitgenommen.
Serena hatte bisher eigentlich immer den Eindruck erweckt, als könne sie nichts erschüttern. Chadwick hatte sich ihr gegenüber nie unverschämt verhalten, doch er hatte es schon erlebt, dass einige Kerle dachten, Serena sei eine leichte Beute, weil sie als Frau in Hardwick Beaumonts altem Büro arbeitete. Für Chadwick war das ein Grund gewesen, die geschäftliche Verbindung zu diesen Männern augenblicklich abzubrechen. Auch wenn er deshalb finanzielle Einbußen in Kauf genommen und damit gegen die eisernen Prinzipien seines Vaters verstoßen hatte, die besagten, dass nur zählte, welchen Gewinn man erzielte.
Sein Vater war ein Lügner und notorischer Fremdgänger gewesen. Chadwick war jedoch ganz anders, und Serena wusste das auch. Sie hatte es selbst gesagt.
Vermutlich war das die Erklärung dafür, dass Chadwick etwas getan hatte, was er in den acht Jahren zuvor nie gewagt hatte: Er hatte Serenas Haut berührt. Natürlich hatte er schon vorher auf förmliche Art und Weise Körperkontakt mit ihr gehabt. Sie hatte wirklich einen verdammt kräftigen Händedruck, der weder Schwäche noch Furcht verriet und gelegentlich etwas zu selbstbewusst wirkte.
Aber nun hatte er ihr eine Hand auf die Schulter gelegt. Und er war ihr fast zärtlich über die Wange gefahren.
Verdammt!
Dabei hatte er lediglich etwas getan, was er schon seit Jahren hatte tun wollen.
Er war Serena nähergekommen, auf einer Ebene, die nichts mit Meetings und Terminabsprachen zu tun hatte. Er hatte einen Moment lang den Ausdruck genossen, der in ihren dunkelbraunen Augen lag. In ihrem Blick hatte er ein Verlangen erahnt, das sein eigenes widerspiegelte. Und wie ihr Körper auf seine Berührung reagiert hatte!
Es gab Tage, an denen Chadwick das Gefühl hatte, nie das zu bekommen, was er sich wünschte. Er war derjenige, der für alles und jeden die Verantwortung trug. Er war derjenige, der das Familienunternehmen leitete und die Suppe auslöffelte, die andere ihm eingebrockt hatten. Er bezahlte die Rechnungen, während andere Familienmitglieder sich mit Affären und One-Night-Stands vergnügten und das Geld mit vollen Händen ausgaben.
Sein Bruder Phillip zum Beispiel. Am Wochenende zuvor hatte Phillip sich ein Pferd gekauft, für die stolze Summe von einer Million Dollar. Und was tat sein kleiner Bruder, um sich diese Ausgabe leisten zu können? Er ging zu Partys, die von ihrem Unternehmen gegeben wurden, und betrank sich mit Beaumont-Bier. So viel zu Phillips Beitrag zum Erhalt der Firma. Er tat nur das, was er wollte, ohne auch nur im Geringsten darüber nachzudenken, welche Konsequenzen das für andere Menschen oder die Firma haben könnte.
Chadwick war das komplette Gegenteil. Er war der geborene Firmenchef, und zwar buchstäblich. Bei seiner Geburt hatte Hardwick Beaumont noch im Krankenhaus eine Pressekonferenz einberufen, auf der er den rotwangigen und schreienden Säugling in die Höhe gehalten und verkündet hatte, dieser Junge sei die Zukunft der Brauerei. Chadwick besaß noch die entsprechenden Zeitungsartikel.
Er hatte sogar so gute Arbeit geleistet, dass die Brauerei plötzlich Leuten auffiel, die sich eigentlich weder für Bier noch für die Familie Beaumont interessierten, sondern nur das Ziel hatten, Firmen zu schlucken und Gewinne einzufahren. Unternehmer, die lediglich an ihren Profit dachten, den sie durch die Übernahme der Firma Beaumont vergrößern wollten.
Doch heute hatte Chadwick ein einziges Mal das getan, was er wollte. Etwas, was weder mit den Erwartungen und Forderungen seines Vaters noch mit denen der Investoren oder der Wall Street zu tun hatte. Es war etwas gewesen, was er in jenem Moment einfach gewollt hatte.
Er hatte Serena trösten wollen. Und das war im Grunde nichts, wofür er ein schlechtes Gewissen haben musste.
Doch natürlich hatte er wieder an seinen Vater denken müssen. Wenn er jetzt so wie sein Vater seine Mitarbeiterin verführte, wäre er um keinen Deut besser als sein alter Herr, der sich oft an seinen Sekretärinnen vergriffen hatte. Genau deshalb hatte Chadwick sich immer zurückgehalten. Denn er war ein verantwortungsbewusster und engagierter Mann, der sich keinesfalls von seinen animalischen Instinkten leiten ließ. Er war anders als sein Vater.
Dazu kam, dass Treue für Chadwick während seiner Ehe immer eine Rolle gespielt hatte. Außerdem hatte Serena ja eine Beziehung gehabt mit …
Tja, was war Neil eigentlich gewesen? Ihr Lebensgefährte? Ihr Lebensabschnittspartner? Wie auch immer man es heutzutage nannte.
Außerdem war Serena seine Angestellte, rief sich Chadwick in Erinnerung. Das war ebenfalls ein Grund, warum er sich zurückgehalten hatte. Denn auch wenn der Apfel nicht weit vom Stamm fiel, wie man so schön sagte, wollte er seinem Vater in nichts nacheifern.
Doch all diese Gedanken, so richtig sie auch waren, erklärten nicht, warum sein Finger über dem Knopf der Gegensprechanlage schwebte und er versucht war, Serena in sein Büro zu bitten, um sie erneut zu fragen, was am Wochenende passiert war.
Es war ein zutiefst egoistischer Gedanke, aber er wünschte sich, dass sie sich weinend an seine Schulter lehnte, damit er sie in seinen Armen halten konnte.
Er zwang sich, sich wieder auf seine Arbeit und die neuesten Zahlen auf dem Monitor zu konzentrieren. Bob hatte ihm seine Analyse Sonntagabend per E-Mail geschickt.
Chadwick widerstrebte es, sich etwas erklären zu lassen, was er auch allein nachlesen konnte. Schließlich war er kein Idiot. Auch wenn es ihm schleierhaft war, dass manche Menschen ihre Mahlzeiten fotografierten und die ganze Welt im Internet daran teilhaben ließen, hieß das noch lange nicht, dass er nicht nachvollziehen konnte, dass sich sogenannte Nutzergewohnheiten änderten, wie Bob gesagt hatte.
Schon besser, dachte er, als er die Zahlen sah. Arbeit! Arbeit war gut. Arbeit hielt seine Gedanken zusammen. Als er Serena gesagt hatte, er würde sie abholen und mit ihr gemeinsam zur Gala fahren, hatte er ausschließlich geschäftlich reagiert. Es war nicht das erste Mal, dass sie gemeinsam zu solch einer Veranstaltung gingen. Was machte es schon für einen Unterschied, ob sie diesmal gemeinsam in einem Wagen fuhren? Keinen. Denn es war eine rein berufliche Angelegenheit. Keine persönliche.
Auch wenn er natürlich nicht leugnen konnte, dass es auch ein persönliches Interesse gab. Denn es war doch so: Er wollte sie mit seinem Auto abholen und mit ihr essen gehen. Beruflich? Ha! Selbst wenn sie über Berufliches reden sollten, wäre es nicht dasselbe, als wenn er sich mit Bob Larsen zum Essen treffen würde.
Meistens trug Serena bei solchen Anlässen ein schwarzes Kleid mit Flattersaum und herzförmigem Ausschnitt. Chadwick störte es nicht, dass es immer dasselbe war. Denn sie sah einfach umwerfend darin aus. Um ihre unbedeckten Schultern legte sie sich für gewöhnlich einen Pashminaschal, sie trug eine zierliche Perlenkette und steckte sich das Haar zu einer eleganten Frisur hoch.
Das würde kein geschäftliches Abendessen werden, auf gar keinen Fall.
Aber er würde sie zu nichts drängen. Er war nicht wie sein Vater, der an den beruflichen Aufstieg seiner Assistentinnen sexuelle Forderungen geknüpft hatte. Er würde von Serena nichts verlangen, was sie beide später bereuen würden. Er würde sie einfach zum Essen ausführen, dann mit ihr zur Gala gehen und ihre Gesellschaft genießen. Punkt. Seit Jahren war er ein Meister der Zurückhaltung.
Glücklicherweise ertönte das Summen der Gegensprechanlage. Serena teilte ihm mit, Bob sei nun da.
„Schicken Sie ihn bitte herein.“ Chadwick war froh, gedanklich abgelenkt zu werden.
Doch es fiel ihm schwer, sich auf die Sache zu konzentrieren. Er war sich vollkommen bewusst darüber, dass das Vorstandstreffen am Mittwoch eventuell nicht zu seinen Gunsten laufen würde. Dann würde er der Beaumont sein, der die Brauerei verlor. Der Beaumont, der gescheitert war. Denn der Erhalt der Beaumont-Brauerei war das, wofür er in die Welt gesetzt worden war.
Er durfte sich jetzt nicht von Serena Chase ablenken lassen.
Punkt.
Der Montag verstrich, ohne dass Neil sich meldete. Der Dienstag begann mit dem obligatorischen Meeting, bei dem, abgesehen davon, dass Chadwick erneut von ihr wissen wollte, wie es ihr ging, nichts Außergewöhnliches passierte. Keine intensiven Blicke, keine heißen Berührungen, keine Beinah-Küsse. Chadwick war wieder ganz der Alte, und Serena versuchte, sich ebenfalls so normal wie möglich zu verhalten.
Das Ganze war dennoch eine ziemliche Herausforderung. Hatte sie sich vielleicht alles nur eingebildet? Momentan konnte sie vieles den Hormonen in die Schuhe schieben. War Chadwick einen Augenblick lang tatsächlich aus seiner Rolle als ihr Chef gefallen? Oder hatte ihr Verstand ihr einen Streich gespielt? Vermutlich hatte sie sein Verhalten einfach nur falsch interpretiert.
Allerdings musste sie sich eingestehen, dass es sie beschäftigte, was geschehen war. Auch wenn sie es nicht darauf anlegte, dass Chadwick ein Auge auf sie warf. Amouröse Verbindungen unter Kollegen verstießen eindeutig gegen die Firmenpolitik. Sie hatte Chadwick ja sogar dabei geholfen, die entsprechenden Richtlinien zu verfassen. Ein Techtelmechtel zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern würde dem Ruf der Firma erheblich schaden, ganz zu schweigen von den Folgen, den ein Vorwurf der sexuellen Belästigung nach sich ziehen konnte. Deshalb waren Affären strikt untersagt.
Das erklärte aber noch lange nicht, warum sie sich in dem Moment, in dem seine Tür aufging und er sich auf den Weg zu dem Treffen mit den Scheidungsanwälten machte, spontan wünschte, die Scheidung wäre bald durch. Wahrscheinlich nur, weil sie befürchtete, die Sache könnte ihn zu sehr belasten.
Sie seufzte. Glaubte sie das wirklich? Wohl kaum.
Sie versuchte, sich auf die letzten Vorbereitungen für die Gala zu konzentrieren. Nach Chadwicks Rückkehr würde er seinen Bruder Matthew im Büro treffen, der, zumindest offiziell, für die Planung der Gala verantwortlich war. Aber auch sie hatte noch eine Menge zu tun. Schließlich trafen sich an diesem Abend die fünfhundert reichsten Leute Denvers.
Die lange To-do-Liste verlangte ihre volle Aufmerksamkeit. Sie musste Lieferanten anrufen, das Catering planen und die Gästeliste überprüfen.
Sie nahm das Mittagessen kurzerhand am Schreibtisch ein, während sie mit lokalen Pressevertretern telefonierte.
Sie hatte gerade ihren Joghurtbecher ausgekratzt, als Chadwick zurückkam. Er sah niedergeschlagen aus. Serena sah ihm, auch ohne nachzufragen, an, dass das Treffen nicht gut gelaufen war.
Als er vor ihrem Schreibtisch stehenblieb, war sie überrascht, wie deprimiert er wirkte. Es verschlug ihr den Atem.
Sie hätte ihn gerne in den Arm genommen und ihm gesagt, dass alles wieder gut werden würde. Das hatte ihre Mutter immer gemacht, wenn ihr Vater seinen Job verloren hatte oder wenn sie wegen Geldmangels wieder einmal hatten umziehen müssen.
Allerdings hatte sie schon als Kind nicht an diesen Satz geglaubt. Und als erwachsene Frau? Ihre langjährige Beziehung war gerade in die Brüche gegangen, und sie erwartete ein Baby.
Nein, auch heute glaubte sie nicht daran.
Gott, sein niedergeschlagener Blick traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wusste nicht, was sie tun oder sagen sollte. Vielleicht gar nichts? Der Versuch, ihn zu trösten, barg die Gefahr, jene Grenze zu überschreiten, die sie bereits am Montag überschritten hatten.
Chadwick nickte fast unmerklich, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Bitte keine Anrufe“, sagte er und zog sich in sein Büro zurück.
Er hatte gerade eine Niederlage einstecken müssen. Allerdings passierte das einem Chadwick Beaumont normalerweise nicht. Er bekam vielleicht nicht immer hundertprozentig das, was er wollte, aber er war noch nie aus einer Verhandlung oder einer Pressekonferenz als Verlierer hervorgegangen.
Serena blieb für einen Moment wie betäubt an ihrem Schreibtisch sitzen. Was war geschehen? Was in aller Welt hatte ihn so umgehauen?
Sie sprang auf und ging geradewegs und ohne anzuklopfen in sein Büro.
Chadwick saß an seinem Schreibtisch, den Kopf in die Hände gestützt, das Jackett ausgezogen.
Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann er von selbst zu reden, ohne aufzublicken. „Sie verlangt mehr Geld, andernfalls willigt sie nicht ein. Es geht nur noch um die Höhe der Unterhaltszahlungen.“
„Was verlangt sie denn?“ Es ging Serena zwar nichts an, aber sie fragte trotzdem.
„Zweihundertfünfzig.“ Er klang fast wie ein verwundeter Cowboy, dem gerade ein Pfeil aus dem Rücken gezogen wurde.
Serena kniff die Augen zusammen. „Zweihundertfünfzig?“ Zweihundertfünfzig Dollar waren natürlich Unsinn, das wusste sie.
„Tausend. Zweihundertfünfzigtausend Dollar.“
„Pro Jahr?“
„Pro Monat. Sie will drei Millionen pro Jahr. Bis ans Ende ihrer Tage. Sonst willigt sie nicht ein.“
„Aber … das ist doch absurd. Kein Mensch braucht so viel Geld.“ Es war einfach aus ihr herausgeplatzt. Doch es stimmte ja, wer brauchte drei Millionen Dollar im Jahr? Auf Lebenszeit?
Chadwick blickte auf und lächelte finster. „Es geht hier nicht ums Geld. Sie will mich ruinieren. Hätte ich noch mehr, würde sie ihre Forderung verdoppeln, nur um mir zu schaden.“
„Aber warum?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe sie nie betrogen oder versucht, sie zu verletzen. Ich habe immer nur versucht …“ Er verstummte und stützte den Kopf erneut in die Hände.
„Können Sie ihr nicht ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann?“ Serena hatte schon einmal erlebt, wie er jemandem ein solches Angebot gemacht hatte.
Es war damals um eine kleine Brauerei gegangen, die der Beaumont-Brauerei in einem Segment durch niedrigere Preise Probleme bereitet hatte. Chadwick hatte die Verhandlungen immer wieder verzögert und hinausgeschoben, um seinen Konkurrenten zu zermürben. Dann bot er ihm plötzlich eine Summe an, die kein normaler Mensch ausgeschlagen hätte, selbst dann nicht, wenn ihm seine Unabhängigkeit noch so wichtig gewesen wäre. Letztlich hatte alles seinen Preis.
„Ich habe keine hundert Millionen in meinem Nachttisch liegen. Mein Geld ist an Investitionen gebunden, steckt in Immobilien … in Pferden.“ Er meinte die französischen Percheron-Kaltblutpferde, die auch auf dem Firmenwappen zu sehen waren.
„Haben Sie denn keinen Ehevertrag?“
„Selbstverständlich habe ich den“, erklärte er und lehnte sich zurück. „Ich habe erlebt, wie mein Vater vier Mal geheiratet hat und vier Mal geschieden wurde. Glauben Sie, ich wäre eine Ehe ohne Vertrag eingegangen?“
„Wie kann sie dann so viel Geld verlangen?“
„Weil …“ Er fuhr sich nervös durchs Haar. „Weil ich so dumm war zu glauben, dass ich sie liebe. Ich wollte ihr beweisen, dass sie mir vertrauen kann. Dass ich nicht so bin wie mein Vater. Sie bekommt die Hälfte von allem, was ich während unserer Ehe verdient habe. Das sind ungefähr achtundzwanzig Millionen. Der Familienbesitz oder die Immobilien sind für sie zwar tabu, aber …“
Serena war fassungslos. „Achtundzwanzig Millionen?“ Von so viel Geld konnte jemand wie sie nur träumen. „Aber?“
„Meine Anwälte hatten eigentlich eine Klausel in den Vertrag gesetzt, durch die die Unterhaltszahlungen auf fünfzigtausend Dollar für jeden Monat unserer Ehe begrenzt wurden. Aber ich wollte, dass sie die Klausel wieder entfernen. Ich empfand sie als unnötig. Das war dumm.“ Er sagte das in einem derart selbstanklagenden Ton, dass Serena das Gefühl bekam, er gäbe sich allein die Schuld.
Sie überschlug alles im Kopf: Chadwick hatte geheiratet, als sie gerade ein Jahr in der Beaumont-Brauerei beschäftigt gewesen war – als Praktikantin.
Das war vor knapp acht Jahren gewesen. Fünfzigtausend mal zwölf Monate und das mal acht Jahre … Das wären nur fast fünf Millionen, eine ebenfalls absurd hohe Summe. „Können Sie denn wirklich gar nichts tun?“
„Ich habe ihr hundertfünfzigtausend Dollar pro Monat angeboten. Sie hat mich ausgelacht. Ausgelacht!“
Serena konnte sich zwar nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie es sich anfühlen musste, ein solches Vermögen zu verlieren, dennoch hatte auch sie in ihrer Jugend viele scheinbar aussichtslose Situationen durchstehen müssen.
Damals war es allerdings darum gegangen, sich für die nächsten Tage ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit zu organisieren.
Wenn sie ihre Habseligkeiten wieder einmal in Plastiktüten verstauen und weiterziehen mussten, hatte ihre Mutter sie damit getröstet, dass die Welt am nächsten Tag schon wieder anders aussähe. Irgendwann hatten sie dann endlich wieder einen Wohnwagen gefunden. Auch wenn häufig kein Geld für Strom und Wasser da gewesen war.
Wie auch immer, es musste doch einen Weg geben, wie man Chadwicks Frau beschwichtigen konnte. Serena hatte allerdings keine Ahnung, wie. Solcherlei Feindseligkeiten waren ihr fremd. Auch wenn sie nun schon seit sieben Jahren für Chadwick Beaumont arbeitete, endlos viel Zeit in diesem Büro verbracht hatte und zu Bällen und Galaveranstaltungen gegangen war, war das hier nicht ihre Welt. Was sagte man jemandem, der nicht einmal bei so vielen Millionen Ruhe gab?
Sie hatte Mitgefühl mit Menschen, die ihre Rechnungen nicht zahlen konnten, obwohl ihre Mütter als Kellnerin in einem Imbiss arbeiteten oder ihre Väter als Hausmeister schufteten. Selbst als ihre Eltern die Privatinsolvenz angemeldet hatten, mussten sie den Forderungen ihrer Gläubiger nachkommen. Und so blieb einfach nie Geld übrig. Serena liebte ihre Eltern, und ihre Eltern liebten sie. Aber diese nie enden wollende Spirale der Hoffnungslosigkeit …
Dieses Leben hatte sie nie gewollt. Und sie wünschte es auch keinem anderen Menschen, erst recht nicht Chadwick.
Instinktiv ging sie um den großen Schreibtisch herum zu ihm, obwohl sie wusste, dass ihr nur Allgemeinplätze einfallen würden, um ihn zu trösten.
In den vergangenen Jahren war sie so oft in diesem Büro gewesen und hatte vor diesem Schreibtisch gesessen. Doch es war das erste Mal, dass sie sich auf die andere Seite des Tisches wagte.
Sie konnte sehen, wie sich eine leichte Anspannung in ihm breitmachte, als sie an ihn herantrat.
Als sie ihm eine Hand auf die Schulter legte, spürte sie durch den Stoff seines Hemds hindurch die Wärme seines Körpers. Mehr tat sie nicht. Sie ließ ihn einfach nur wissen, dass sie für ihn da war.
Er drehte sich leicht zur Seite und ergriff ihre Hand. Gestern hatte er die Kontrolle gehabt. Aber heute, dachte Serena, sind wir auf Augenhöhe.
Sie verschränkten nur ihre Finger. Anders als er ihr gegenüber konnte sie ihm keine Versprechungen machen. Wie sollte sie sich um ihn kümmern, wenn sie nicht einmal wusste, wie sie ihr Baby versorgen sollte? Doch sie konnte ihn wissen lassen, dass sie für ihn da sein würde, wenn er sie brauchte.
„Serena“, sagte Chadwick und schloss seine Finger enger um ihre.
Sie schluckte. Bevor sie etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür, und Matthew Beaumont trat ein. Er war der stellvertretende Leiter der PR-Abteilung und sah Chadwick ein wenig ähnlich – attraktiv, selbstsicher, und er besaß die für die Beaumonts typische markante Nase. Allerdings hatten Chadwick und Phillip eher blondes Haar, während Matthews mehr goldbraun wirkte.
Serena wollte ihre Hand zurückziehen, doch Chadwick hielt sie fest. Es war fast so, als wollte er, dass Matthew sah, wie sie Händchen hielten.
Aber es war eine Sache, die Grenzen des Geschäftlichen zu überschreiten, wenn man unter sich war. Doch das hier war eine ganz andere Situation, und Matthew war nicht dumm.
„Störe ich?“ Matthews Blick wanderte zwischen Serenas und Chadwicks Gesichtern und ihren Händen hin und her.
Serena war froh, dass es Matthew war und nicht Phillip Beaumont. Phillip, Chadwicks jüngerer Bruder, war ein waschechter Playboy, der seinen Reichtum offen zur Schau stellte und sich ständig auf Partys herumtrieb. Serena war sich sicher, dass er es in einer Situation wie der gestrigen nicht bei einer einfachen Berührung belassen hätte. Und angesichts seines attraktiven Äußeren hätten viele Frauen bestimmt nicht Nein gesagt.
Matthew war ganz anders als seine beiden Brüder. Der Grund dafür, vermutete Serena, war vielleicht der, dass er nicht dieselbe Mutter hatte. Matthews Mutter war erst Hardwicks Geliebte und dann seine zweite Frau gewesen. Matthew arbeitete immer sehr hart, als müsste er ständig beweisen, dass er auch dazugehörte und ein Teil der Brauerei war.
Chadwick drückte noch einmal ihre Hand und ließ sie dann los. „Nein“, sagte er. „Wir sind fertig.“
Auch wenn sie nicht wusste, warum, aus irgendeinem unerklärlichen Grund gaben diese Worte ihr einen Stich. Obwohl es natürlich überflüssig war, ihr Verhältnis zueinander in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Denn sie waren lediglich Chef und Angestellte.
Serena nickte kaum merklich und verließ das Büro.
Minuten vergingen. Chadwick wusste, dass Matthew ihm am Schreibtisch gegenübersaß. Doch er brauchte noch einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen.
Helen hatte es darauf abgesehen, ihn zu ruinieren. Hätte er gewusst, warum sie es tat, hätte er etwas dagegen unternehmen können. Aber war das nicht immer schon so in ihrer Ehe gewesen? Sie war beleidigt, ohne dass er wusste, warum. Trotzdem musste er sein Bestes geben, um es wiedergutzumachen. Weil er wusste, dass sie Schmuck liebte, hatte er versucht, sie mit Diamanten und Rubinen zu besänftigen. Er hatte gedacht, so würde alles besser werden.
Doch das war ein Irrtum gewesen, den er immer wieder verdrängt hatte.
Chadwick ging seine Unterhaltung mit Serena gedanklich noch einmal durch. Er hatte, außer mit seinen Brüdern, mit niemandem über seine Scheidung gesprochen. Aber warum hatte er Serena jetzt ins Vertrauen gezogen?
Wahrscheinlich, weil er mit jemandem hatte sprechen müssen, um sich etwas von der Last von der Seele zu reden.
Doch sie hatte ihn auf eine Weise berührt, wie sie ihn noch nie zuvor berührt hatte. Das war mehr als ein Händedruck gewesen, so viel war sicher.
Wie lange war das überhaupt her, dass er von einer Frau berührt worden war? Helen war schon vor zwei Jahren aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen. Seitdem war er mit keiner anderen Frau zusammen gewesen.
Als Matthew sich räusperte, sah Chadwick auf. „Ja?“
„Ich dachte, du bist anders als unser Vater“, neckte Matthew ihn. „Arbeitest du schon an deiner zweiten Ehe?“
Chadwick sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Sein Halbbruder war nur sechs Monate nach Phillip geboren worden. Ein paar Jahre später war die Ehe von Hardwick und Chadwicks Mutter Eliza endgültig in die Brüche gegangen. Als Eliza von Matthews Mutter Jeannie erfuhr, war ihre Trennung nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Danach hatte Hardwick dann Jeannie geheiratet.
Matthew war der lebende Beweis, dass Hardwick Beaumont schon lange, bevor er seine erste Frau verlassen hatte, an seiner zweiten Ehe gearbeitet hatte.
„Vorher muss ich noch meine erste Frau loswerden.“ Chadwick erschrak über seine Worte, die genauso gut sein Vater hätte sagen können. Dabei hasste er es wie nichts sonst auf der Welt, wie sein Vater zu klingen. Oder wie sein Vater zu sein.
„Das beweist nur, dass du nicht wie unser Vater bist.“ Matthew grinste unbekümmert dieses Grinsen, das alle Beaumonts von ihrem Vater geerbt hatten. „Hardwick wäre das egal gewesen. Ehegelübde bedeuteten ihm nichts.“
Chadwick nickte. Doch Matthews Bemerkung tröstete ihn nicht wirklich.
„Ich nehme an, Helen wird nicht einfach so verschwinden, oder?“ Matthew sah ihn abwartend an.
Manchmal hasste Chadwick seinen Halbbruder, obwohl das ungerecht war. Aber für ihn war Matthew der lebende Beweis für das schamlose Verhalten ihres Vaters.
Wäre er kein so großes PR-Ass, hätte Chadwick seinen Halbbruder womöglich längst auf die Straße gesetzt, um den Verfehlungen seines Vaters nicht jeden Tag ins Gesicht sehen zu müssen.
„Zahl sie aus“, sagte Matthew schlicht.
„Sie will kein Geld. Sie will mich verletzen.“ Was war denn los mit ihm? Seit wann wusch er seine dreckige Wäsche vor anderen Leuten – wie beispielsweise seiner Assistentin oder seinem Halbbruder?
Das war doch nicht normal. Denn seine persönlichen Angelegenheiten gingen niemanden etwas an.
Matthew wurde ernst. „Jeder ist käuflich, Chadwick.“ Und dann fügte er mit noch leiserer Stimme hinzu: „Auch du.“
Chadwick wusste, worum es hier ging. Jeder in der Firma war gereizt wegen des Übernahmeangebotes von AllBev. „Ich bin nicht derjenige, der unsere Firma morgen verkauft.“
Matthew hielt seinem Blick stand. „Weißt du, du bist nicht der Einzige, der käuflich ist. Ein Teil des Vorstands ist es ebenfalls, besitzt aber leider nicht deine Weitsicht.“ Matthew zögerte einen Moment und sah auf seinen Tablet-PC. „Alle anderen hätten den Deal schon längst durchgezogen. Ich habe nie verstanden, warum du so lange an dem Namen der Familie festhältst.“
„Weil ich nur den einen Namen habe. Im Gegensatz zu manchen anderen Leuten.“
Matthew schaute ihn so fassungslos an, dass Chadwick sich schlagartig wie der größte Mistkerl aller Zeiten fühlte.
Er erinnerte sich an die Scheidung seiner Eltern und daran, wie sein Vater kurz darauf Jeannie Billings geheiratet hatte. Und er erinnerte sich an den Tag, als Matthew, der praktisch genau so alt war wie Phillip, plötzlich bei ihnen einzog. Matthew Billings war fünf Jahre alt gewesen, als aus ihm plötzlich Matthew Beaumont wurde.
Chadwick hatte ihn erbarmungslos getriezt und ausgegrenzt. Er hatte Matthew die Schuld am Scheitern der Ehe seiner Eltern gegeben und auch dafür, dass seine Mutter ihre Kinder verlassen hatte. Und es war ganz sicherlich ebenso Matthews Schuld gewesen, dass Hardwick plötzlich keine Zeit mehr für ihn gehabt hatte und ihn darüber hinaus ständig für die kleinste Kleinigkeit angebrüllt hatte.
Chadwick wusste, dass waren nur die Ausflüchte eines Kindes gewesen. Letztlich war es ganz allein die Schuld seines Vaters gewesen, dass seine Mutter begonnen hatte, ihre Kinder zu hassen.
„Ich …“ Er stockte. Jetzt war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort für ein klärendes Gespräch. Fast sein ganzes Leben lang hatte er Matthew Vorwürfe gemacht. Deshalb fiel es ihm auch so schwer, sich bei ihm zu entschuldigen. Chadwick wechselte schnell das Thema. „Ist für die Gala alles in trockenen Tüchern?“
Matthew schaute ihn auf eine Art an, aus der er nicht ganz schlau wurde. Er hatte das Gefühl, als wollte sein Halbbruder ihn zu einem altmodischen Duell herausfordern, hier, in diesem Büro. Doch der Gedanke war schnell wieder verflogen.
„Es kann losgehen. Wie immer hat Miss Chase ganze Arbeit geleistet.“
Diese Bemerkung ging Chadwick von da an nicht mehr aus dem Kopf.
Jeder Mensch war käuflich, es war nur eine Frage des Preises.
Selbst Helen Beaumont. Und Serena Chase.
Er wusste nur noch nicht, wie hoch ihr Preis war.
„Seit über einhundert Jahren steht die Beaumont-Brauerei unter der Führung eines Beaumont“, ereiferte sich Chadwick und schlug mit der Hand auf den Tisch, um seinen Standpunkt klarzumachen.
Serena zuckte zusammen. Chadwick reagierte während der Vorstandssitzungen normalerweise nie so emotional. Andererseits war er bereits die ganze Woche über sehr aufgewühlt gewesen.
„Der Name Beaumont hat einen höheren Wert als zweiundfünfzig Dollar pro Aktie.“ Chadwick war noch nicht fertig. „Sogar einen höheren als zweiundsechzig Dollar. Dies ist eine der letzten Brauereien Amerikas in Familienbesitz. Wir sind ein Teil der amerikanischen Geschichte!“
Serena, die alles fürs Protokoll notierte, war die Stille, die eintrat, unangenehm.
Sie sah sich von ihrem Platz aus im Konferenzsaal des Hotels um. Die Beaumonts besaßen einundfünfzig Prozent der Beaumont-Brauerei und hatten immer die Kontrolle über das Unternehmen gehabt. Sie hatten es verstanden, sowohl feindliche Übernahmeversuche als auch weniger feindliche Fusionsversuche mit Leichtigkeit abzuwehren – dank Chadwick. Seine Geschwister waren lediglich ganz normale Aktionäre, die nur ihre Dividenden in Empfang nahmen.
Serena fiel auf, dass einige Teilnehmer im Saal Chadwick aufmerksam zuhörten – sie nickten zustimmend oder diskutierten mit ihren Sitznachbarn. Es waren die, die bereits unter Hardwick dabei gewesen waren und von ihm höchstpersönlich als Aktionäre ausgesucht worden waren. Sie hatten, abgesehen von ihrem Stimmrecht, zwar keinen großen Einfluss, waren der Firma gegenüber aber außerordentlich loyal eingestellt.
Der alten Garde, die dort saß und nickte, lag viel daran, dass die Firma weiterhin existierte, weil sie befürchtete, dass sonst ein Stück amerikanische Geschichte verschwinden würde.
Es gab aber auch jüngere Vorstandsmitglieder aus der New Economy. Sie saßen im Vorstand, um ein gesundes Gegengewicht zu den Hardwick-Hardlinern zu bilden. Einige von ihnen hatte Chadwick selbst ausgesucht.
Und dann gab es noch eine dritte Gruppe, die sogenannten Trittbrettfahrer. Zu jener Gruppe gehörten der Bankier Leon Harper und seine Schützlinge. Sie hatten absolut kein Interesse an der Kunst des Bierbrauens und der Marke Beaumont, und sie versuchten auch gar nicht so zu tun als ob.
Harper unterbrach schließlich die Stille. „Ich wundere mich doch sehr, Mr. Beaumont. In meiner Version vom amerikanischen Traum wird harte Arbeit mit Geld belohnt. Würden Sie das Unternehmen verkaufen, wären Sie milliardenschwer. Das nenne ich amerikanische Geschichte.“
Serena schmerzte es zu sehen, wie Chadwick um Beherrschung rang. Normalerweise konnten ihm solche Diskussionen nichts anhaben. Aber nach dieser anstrengenden Woche konnte Serena es ihm nicht verübeln, dass er offenbar das Bedürfnis hatte, Harper den Hals umzudrehen. Allerdings besaß Harper zehn Prozent der Firmenanteile, und da wäre es vielleicht doch keine so gute Idee.
„Die Beaumont-Brauerei war mir immer wichtig“, sagte Chadwick mit fester Stimme. „Ich fühle mich verantwortlich für diese Firma und für meine Angestellten …“
Er blickte Serena an, als er das sagte. Sie war wie elektrisiert.
Meinte er sie?
„Es ist meine Pflicht sicherzustellen, dass diejenigen, die für die Beaumont-Brauerei arbeiten, ebenfalls vom amerikanischen Traum profitieren“, fuhr Chadwick fort. „Einige Mitglieder des Managements werden sich ihre Aktien auszahlen lassen. Aber was ist mit den anderen? Mit den Männern und Frauen, die diese Firma erst zu dem gemacht haben, was sie ist? Sie werden leer ausgehen. AllBev wird sie feuern und von unserem Traditionsunternehmen lediglich den Namen übriglassen. Nein, Mr. Harper, so stelle ich mir den amerikanischen Traum nicht vor. Ich lasse meine Mitarbeiter nicht einfach fallen, sobald es unbequem wird. Ich lasse mich nicht auf Kosten derer kaufen, die mir ihre Zeit und Kraft geopfert haben. Und exakt diese Haltung erwarte ich auch von diesem Vorstand.“
Er setzte sich mit erhobenem Kopf und geraden Schultern auf seinen Platz. So sah kein Verlierer aus, sondern jemand, der es mit allen aufnehmen würde. Chadwicks körperliche Ausstrahlung hatte Serena immer nur flüchtig wahrgenommen – bis jetzt. Chadwicks Präsenz und Charisma spiegelten sich in seinem Entschluss wider, bis zum Letzten für die Firma zu kämpfen.
Überall wurden Stimmen laut. Die Alten stritten mit den Jungen, sie wetterten aber gemeinsam gegen Harper und seine Leute. Nach ungefähr fünfzehn Minuten forderte Harper eine Abstimmung.
Danach dachte Serena einen Augenblick lang, dass Chadwick sich durchgesetzt hatte, denn nur vier Mitglieder hatten für den Vorschlag von AllBev gestimmt, zweiundfünfzig Dollar pro Aktie zu zahlen. Das war eine eindeutige Niederlage für die AllBev-Befürworter. Erleichtert atmete sie auf. Ihr Job war sicher – und damit auch ihre Zukunft.
Doch dann plädierte Harper für einen zweiten Abstimmungsgang.
„Wie hoch soll unser Gegenangebot für AllBev sein? Zweiundsechzig Dollar? Mr. Beaumont, sagten Sie nicht, das sei ein zu niedriger Preis? Dann schlage ich vor, dass wir über fünfundsechzig Dollar pro Aktie abstimmen.“
Chadwick rutschte angespannt auf seinem Sitz hin und her, doch es kam erneut zur Abstimmung.
Diesmal stimmten dreizehn Mitglieder für das Gegenangebot von fünfundsechzig Dollar pro Aktie. Chadwick sah aus, als hätte man ihm ein Messer zwischen die Rippen gestoßen. Es war unerträglich, ihn so machtlos zu sehen – und zu wissen, dass dies, neben der Auseinandersetzung mit Helen, der zweite Kampf war, den er verlieren könnte.
Aber vielleicht würde AllBev sich ja gar nicht auf das Angebot einlassen und sich ein billigeres Opfer suchen.