Die beiden Dianen: Historischer Kriminalroman - Alexandre Dumas - E-Book

Die beiden Dianen: Historischer Kriminalroman E-Book

Dumas Alexandre

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Beschreibung

Alexandre Dumas' Werk 'Die beiden Dianen' ist ein faszinierender historischer Kriminalroman, der im Paris des 16. Jahrhunderts spielt. Der Roman ist geprägt von Dumas' detailreicher Beschreibung der Stadt sowie seiner meisterhaften Verwebung von historischen Fakten mit fiktiven Elementen. Mit seinem packenden Schreibstil entführt der Autor die Leser in eine Welt aus Intrigen, Geheimnissen und Verrat. 'Die beiden Dianen' ist ein einzigartiges Werk, das sowohl Liebhaber historischer Romane als auch Krimifans begeistern wird. Dumas gelingt es, eine spannende Handlung mit historischer Genauigkeit zu verbinden und dadurch eine einzigartige Leseerfahrung zu schaffen. Alexandre Dumas, ein bekannter französischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, war für seine Abenteuerromane und historischen Romane berühmt. Sein umfassendes Wissen über die französische Geschichte und seine Fähigkeit, komplexe Geschichten zu erzählen, machen ihn zu einem der bedeutendsten Autoren seiner Zeit. 'Die beiden Dianen' ist ein weiteres Beispiel für Dumas' Talent, historische Ereignisse mit fesselnden Handlungen zu verknüpfen und den Lesern ein unvergessliches Leseerlebnis zu bieten. Für alle Leser, die sich für historische Romane und packende Kriminalgeschichten interessieren, ist 'Die beiden Dianen' ein absolutes Muss. Dumas' Meisterwerk bietet eine gelungene Mischung aus Spannung, Historie und Intrigen und wird Leser jeden Alters in seinen Bann ziehen. Tauchen Sie ein in die Welt von Alexandre Dumas und lassen Sie sich von 'Die beiden Dianen' auf eine fesselnde Reise in das Paris der Renaissance entführen.

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Alexandre Dumas

Die beiden Dianen: Historischer Kriminalroman

Translator: Dr. August Zoller
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Inhaltsverzeichnis

Band 1
Erstes bis drittes Bändchen
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
Viertes bis siebentes Bändchen
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
XXII
XXIII
XXIV
XXV
XXVI
XXVII
XXVIII
Band 2
Achtes bis elftes Bändchen
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
XXII
XXIII
XXIV
XXV
XXVI
Zwölftes bis sechzehntes Bändchen
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
XXII
XXIII
XXIV
XXV
XXVI
XXVII
XXVIII
XXIX
XXX
XXXI
XXXII
Schluß

Band 1

Inhaltsverzeichnis

Erstes bis drittes Bändchen

Inhaltsverzeichnis

I

Inhaltsverzeichnis

Ein Grafensohn und eine Königstochter.

Es war am 5. Mai des Jahres 1551. Ein junger Mensch von achtzehn Jahren und eine Frau von vierzig kamen aus einem kleinen Hause von einfachem Aussehen und durchschritten nebeneinander das Dorf Montgommery, das in der Landschaft Auge lag.

Der junge Mann war von der schönen normannischen; Race mit kastanienbraunen Haaren, blauen Augen, weißen Zähnen und rosenfarbigen Lippen. Er hatte den frischen, sammetartigen Teint der Bewohner des Norden, der ihrer Schönheit vielleicht einwenig das Kräftige benimmt und sie beinahe zu einer weiblichen Schönheit macht. Er war übrigens bewunderungswürdig gestaltet in seinem zugleich starken und biegsamen Wuchse, durch den er sich ebenso zur Eiche als zum Rohr hinneigte. Sein Anzug war einfach aber zierlich; er trug ein Wamms von dunkel veilchenblauem Tuch mit Stickereien von derselben Farbe. Seine Beinkleider waren von demselben Tuch und hatten dieselben Stickereien, wie sein Wamms; lange Stiefeln von schwarzem Leder, wie sie die Edelknechte trugen, gingen ihm bis über das Knie und ein leicht auf die Seite geneigtes, von einer weißen Feder beschattetes Toquet bedeckte eine Stirne, worauf sich die Anzeichen der Ruhe und der Festigkeit erkennen« ließen.

Sein Pferd, dessen Zügel er um seinen Arm geschlungen hielt, folgte ihm, hob von Zeit zu Zeit den Kopf in die Hohe, um die Luft einzuatmen, und wieherte bei den Strömungen, die ihm der Wind brachte.

Die Frau schien, wenn nicht der untersten Klasse der Gesellschaft, doch wenigstens derjenigen anzugehören, welche zwischen diese und die bürgerliche gestellt ist. Ihre Tracht war einfach, aber von einer solchen Reinlichkeit, daß ihr gerade diese außerordentliche Reinlichkeit eine gewisse Eleganz verlieh. Wiederholt forderte sie der junge Mann auf, sich auf seinen Arm zu stützen, doch sie weigerte sich beständig, als ob diese Ehre über ihrer Stellung gewesen wäre.

Während sie so fortschritten und dem äußersten Ende der Straße zugingen, welche nach dem Schlosse führte, dessen massige Thürme man den unansehnlichen Flecken beherrschen sah, war Eines zu bemerken: daß nicht nur die jungen Leute und die Männer, sondern auch die Greise sich bei seinem Vorübergehen tief verbeugten vor dem Jüngling, der ihnen mit einem freundschaftlichen Nicken des Kopfes antwortete. Jeder schien ihn, der, wie man bald sehen wird, sich selbst nicht kannte, als seinen Gebietet und Herrn anzuerkennen.

Als sie das Dorf verließen, schlugen Beide den Weg oder vielmehr den Fußpfad ein, der sich jähe an der Seite des Berges aufwärts zog und kaum für zwei Personen neben einander Raum bot. Nach einigen Schwierigkeiten und auf die Bemerkung des jungen Cavaliers gegen seine Gefährtin, es wäre gefährlich für sie hinten zu gehen, da er sein Pferd am Zügel fuhren müsse, entschloß sich auch die gute Frau, voranzuschreiten.

Der junge Mann folgte ihr, ohne ein Wort zu spreche. Man sah, daß sieh seine nachdenkende Stirne unter dem Gewichte einer mächtigen inneren Beschäftigung neigte.

Es war ein schönes, furchtbares Schloß, das Schloß, dem die beiden an Alter und Lebenslage so verschiedenen Pilger zuwanderten. Vier Jahrhunderte und zehn Generationen waren nöthig gewesen, damit sich diese Steinmasse von ihren Grundfesten bis zu den Zinnen erhob, und, selbst ein Berg, den Berg beherrschte, auf dem man sie erbaut hatte.

Wie alle Gebäude jener Zeit, bot das Schloß der Grafen von Montgommery keine Regelmäßigkeit. Die Väter vermachten es den Söhnen und jeder Eigenthümer fügte, nach seiner Laune oder nach seinem Bedürfnis, dem steinernen Riesen etwas bei. Der viereckige Thurm, die Hauptburg, wurde unter den Herzogen der Normandie erbaut. Dann fügten sich die Thürmchen mit den zierlichen Zinnen und ausgemeißelten Fenstern dem ernsten Thurme bei, ihre steinernen Zierraten im Verlaufe der Zeit vermehrend, als befruchtete die Zeit diese Granitvegetation. Gegen das Ende der Regierung von Ludwig II. und am Anfang der von Franz I. vervollständigte endlich eine lange Galerie mit Bogenfenstern die secularische Zusammenballung.

Von dieser Gallerie oder vielmehr von der Höhe des Hauptthurmes erstreckte sich der Blick an mehren Stellen über die reichen, grünen Ebenen der Normandie. Denn die Grafschaft Montgommery lag, wie gesagt, im Lande Auge, und ihre acht bis zehn Baronien, so wie ihre hundert und fünfzig Lehen gehörten zu den Gerichtsbezirken Argentan, Caen und Alençon.

Endlich kam man vor die große Pforte des Schlosses.

Seltsamer Weise war die mächtige Burg seit mehr als fünfzehn Jahren ohne Herrn. Ein alter Vogt zog die Pachtzinse ein; Diener, welche auch in dieser Einsamkeit ergraut waren, unterhielten die Burg, die man jeden Tag öffnete, als ob jeden Tag der Herr hätte zurückkommen sollen, die man jeden Abend schloß, als ob der Gebieter am andern Tag erwartet würde.

Der Vogt empfing die zwei Besuche mit derselben Freundschaft, welche Jeder gegen die Frau offenbarte, mit derselben Ehrfurcht, die Jeder dem jungen Mann zu zollen schien.

»Meister Elyot,« sagte die Frau, welche, wie wir gesehen, voranging, »wollt Ihr uns wohl Eintritt in das Schloß gewähren? Ich habe Herrn Gabriel (sie deute auf den jungen Mann) etwas mitzutheilen und kann dies nur im Ehrensaale thun.«

»Tretet ein, Dame Aloyse,« erwiderte Elyot, »sagt, wo Ihr wollt, was Ihr diesem jungen Herrn zu sagen habt. Ihr wißt, daß Euch leider Niemand stören wird.«

Man durchschritt den Saal der Wachen. Früher wachten zwölf Männer von den Ländereien der Grafschaft beständig in diesem Saale. Seit fünfzehn Jahren waren sieben von diesen Männern gestorben, ohne daß man sie wieder ersetzt hatte. Fünf blieben und lebten hier, thaten denselben Dienst, den sie zur Zeit des Grafen gethan hatten, und warteten, bis die Reihe des Sterbens auch an sie käme.

Man ging durch die Gallerie und trat in den Ehrensaal.

Er war ausgestattet und geschmückt wie am Tage, wo ihn der letzte Graf verlassen hatte. Nur war in diesen Saal, wo sich früher, wie in den Gemächern eines obersten Lehensherrn, der ganze Adel der Normandie versammelte, seit fünfzehn Jahren Niemand mehr gekommen, als die mit der Unterhaltung desselben beauftragten. Diener, und ein Hund, der Lieblingshund des letzten Grafen, der, so oft er eintrat, kläglich nach seinem Herrn schrie, eines Tags nicht mehr hinausgehen wollte und sich Vor dem Prachthimmel niederlegte, wo man ihn am andern Tag todt fand.

Nicht ohne eine gewisse Bewegung seines Gemüths trat Gabriel, —— man erinnert sich, daß man dem Jüngling diesen Namen gegeben hatte, —— trat Gabriel, sagen wir in diesen Saal mit den alten Erinnerungen. Doch der Eindruck, den er von diesen düsteren Wänden, von diesem majestätischen Prachthimmel, von diesen Fenstern empfing, welche so tief in die Mauer einschnitten, daß der Tag, obgleich es zehn Uhr Morgens war, außen stille zu stehen schien, dieser Eindruck war nicht mächtig genug, um ihn auch nur einen Augenblick Von der Ursache abzuziehen, die ihn hierher geführt hatte, und sobald man die Thüre hinter ihm geschlossen, sagte er:

»Nun, meine gute Aloyse, meine liebe Amme, in der That, obgleich Du mehr bewegt scheinst als ich selbst, hast Du doch keinen Vorwand, das Bekenntniß zu verschieben, das Du mir versprochen. Du mußt nun ohne Furcht und besonders ohne Verzug sprechen, Aloyse. Hast Du nicht lange genug gezögert, gute Amme, und habe ich nicht als gehorsamer Sohn lange genug gewartet? Wenn ich Dich fragte, welchen Namen ich zu fuhren berechtigt, welche Familie die meinige, welcher Edelmann mein Vater wäre, da antwortetest Du mir: »Gabriel, ich werde Euch dies Alles an dem Tage sagen, wo Ihr achtzehn Jahre alt seid, und damit das Alter der Volljährigkeit für Jeden, der den Degen zu führen berechtigt ist erreicht habt.« Heute, am 5. Mai 1551 habe ich mein achtzehntes Jahr zurückgelegt, ich bin gekommen, meine gute Aloyse, um Dich aufzufordern, Dein Versprechen zu halten, doch mit einer Feierlichkeit, die mich beinahe erschreckte, antwortetest Du mir: »Nicht im Hause der Witwe eines armen Stallmeisters darf ich Euch Euch selbst entdecken; es muß in dem Schloß des Grafen von Montgommery, und zwar im Ehrensaale dieses Schlosses geschehen.« Wir haben den Berg erstiegen, gute Aloyse, wir haben die Schwelle des Schlosses der edlen Grafen überschritten, wir sind in dem Ehrensaale, sprich also.«

»Setzt Euch, Gabriel, denn Ihr werdet mir erlauben, Euch noch einmal diesen Namen zu geben.«

Der junge Mann ergriff ihre Hände mit einer Bewegung tiefer Zärtlichkeit.

»Setzt Euch,« fuhr sie fort, »nicht auf diesen Sessel, nicht aus diesen Lehnstuhl.«

»Wohin soll ich mich denn setzen, gute Amme?« unterbrach sie der junge Mann.

»Unter diesen Prachthimmel,« antwortete Aloyse mit einer Stimme, der es nicht an einer gewissen Feierlichkeit gebrach.

Der junge Mann gehorcht.

Aloyse machte ein Zeichen mit dem Kopf.

»Nun hört mich,« sprach sie.

»Aber setze Dich doch wenigstens,« sagte Gabriel.

»Ihr erlaubt mir?.«

»Spottest Du, Amme?«

Die gute Frau setzte sich auf die Stufen des Thronhimmels, zu den Füßen des jungen Mannes, der aufmerksam einen Blick voll Wohlwollen und Neugierde auf sie heftete.

»Gabriel,« sagte die Amme, endlich entschlossen, zu sprechen, »Ihr waret kaum sechs Jahre alt, als Ihr Euren Vater verloret und ich meinen Mann; Ihr waret mein Säugling gewesen, denn Eure Mutter starb, als sie Euch zur Welt brachte. Die Milchschwester Eurer Mutter, liebte ich Euch von jenem Tage an wie mein eigenes Kind. Die Witwe weihte ihr Leben der Waise. Wie sie Euch ihre Milch gegeben, so gab sie Euch auch ihre Seele, und Ihr werdet mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, nicht Wahr Gabriel, daß nach Eurer Ueberzeugung mein Geist nie aufgehört hat, über Euch zu wachen.«

»Theure Aloyse,« erwiderte der junge Mann, viele, wahre Mütter hätten weniger gethan, als Du, das schwöre ich, und keine einzige, das schwöre ich ebenfalls, hätte mehr gethan.«

»Übrigens beeiferte sich Jeder um Euch, wie ich mich zuerst beeifert hatte,« fuhr die Amme fort. »Dom Jamet von Croisic der würdige Kaplan dieses Schlosses, lehrte Euch die Buchstaben und die Wissenschaften, und Keiner, wie er sagte, vermöchte Euch einen Vorwurf in dem zu machen, was Lesen und Schreiben und Kenntniß der Geschichte der vergangenen Zeit und besonders der großen Häuser Frankreichs betrifft. Enguerrand Lorien, der vertraute Freund meines verstorbenen Mannes, Perrot Travigny und der ehemalige Stallmeister der Grafen von Vimoutiers, unserer Nachbarn, unterrichteten Euch in den Waffen, in der Handhabung der Lanze und des Schwertes, im Reiten, kurz, in allen Dingen des Ritterthums, und bei den Festen und Spielen, welche in Allencon bei der Vermählung und Krönung unseres gnädigsten Herrn Heinrich II. gehalten wurden, habt Ihr schon vor zwei Jahren bewiesen, daß Ihr die guten Lectionen von Enguerrand benützt. Ich eine arme Unwissende, konnte Euch nur lieben und Gott dienen lehren. Dies zu thun, war ich stets bemüht. Die gute Jungfrau unterstützte mich, und heute mit achtzehn Jahren seid Ihr ein frommer Christ, ein gelehrter Herr und ein vollkommener Waffenmann, und ich hoffe, mit Gottes Hilfe werdet Ihr nicht unwürdig sein Eurer Ahnen, erlauchtester Gabriel, Herr von Lorge, Graf von Montgommery.«

Gabriel stand auf und stieß einen Schrei aus.

»Graf von Montgommery, ich!«

Dann sprach er mit einem stolzen Lächeln:

»Wohl! ich hoffte es und vermuthete es beinahe; höre, Aloyse, in meinen kindischen Träumen sagte ich es einmal zu meiner kleinen Diana. Aber was machst Du denn da zu meinen Füßen, gute Aloyse? Stehe auf und komm in meine Arme, fromme Frau. Willst Du mich nicht mehr als Dein Kind anerkennen, weil ich der Erbe der Montgommery bin? Der Erbe der Montgommery!« wiederholte er unwillkührlich zitternd vor Stolz, während er seine gute Amme umarmte. »Der Erbe der Montgommery! ich führe nun einen der ältesten und glorreichsten Namen von Frankreich. Ja, Dom Jamet hat mich, Reich für Reich, Geschlecht für Geschlecht, die Geschichte meiner edlen Ahnen, —— meiner Ahnen gelehrt. Umarme mich noch einmal, Aloyse! Was wird denn Diana zu Allem dem sagen? Der heilige Godegrand, Bischof von Suez, und die heilige Opportuna, seine Schwester, welche unter Karl dem Großen lebten, gehörten zu unserem Haus. Roger von Montgommery befehligte eines der Heere von Wilhelm dem Eroberer. Wilhelm von Montgommery machte einen Kreuzzug auf seine Kosten. Wir waren mehr als einmal verwandt mit den königlichen Häusern von Schottland und Frankreich, und die ersten Lords von London, die vornehmsten Edelleute von Paris werden mich: Mein Vetter, nennen; mein Vater endlich . . .«

Der junge Mann hielt inne, als ob er plötzlich traurig würde. Doch bald fuhr er fort:

»Ach! bei Allem dem bin, ich allein in der Welt, Aloyse. Dieser hohe Herr ist eine arme Waise, dieser Abkömmling von so vielen königlichen Ahnen hat keinen Vater! Mein armer Vater! ich muß weinen, Aloyse. Und meine Mutter! Beide todt. O sprich mir von ihnen, damit ich erfahre, wie sie waren, nun, da ich weiß, daß ich ihr Sohn bin. Laß hören, fangen wir bei meinem Vater an: Wie ist er gestorben? Erzähle mir das.«

Aloyse schwieg. Gabriel schaute sie erstaunt an.

»Ich frage Dich, wie mein Vater gestorben sei,« wiederholte er.

»Gnädigster Herr, nur Gott allein weiß es,« antwortete sie. »Eines Tags verließ der Graf Jacques von Montgommery das Hotel, das er in der Rue des Jardins Saint-Paul in Paris bewohnte . . . er ist nicht mehr dahin zurückgekehrt. Seine Freunde seine Vettern haben ihn seitdem vergebens gesucht. Verschwunden, gnädigster Herr! Der König Franz I. gab Befehl zu einer Nachforschung, welche ohne Erfolg blieb. Seine Feinde, wenn er als Opfer eines Verraths umgekommen ist, waren sehr geschickt oder sehr mächtig. Ihr habt keinen Vater mehr, gnädigster Herr, und dennoch fehlt das Grab von Jacques von Montgommery in der Kapelle Eures Schlosses; denn man hat ihn weder, lebendig noch todt wiedergefunden.«

»Weil es nicht sein Sohn war, der ihn suchte!« rief Gabriel. »Ach, Amme! warum hast Du so lange stille geschwiegen? Verbargst Du mir meine Geburt, weil ich meinen Vater zu rächen oder zu retten hatte?«

»Nein, sondern weil ich Euch selbst retten mußte, gnädigster Herr. Wißt Ihr, was die letzten Worte meines Mannes, des braven Perrot Travigny, waren, der eine wahrhaft religiöse Verehrung für Euer Haus im Herzen trug? »Frau,« sagte er zu mir einige Minuten, ehe er den letzten Seufzer von sich gab, »Du wirst nicht warten, bis ich beerdigt bin, Du schließest mir nur die Augen und verlässest auf der Stelle Paris mit dem Kinde. Du gehst nach Montgommery, nicht in das Schloß, sondern in das Haus, das wir durch die Güte des gnädigen Herrn erhalten haben. Dort erziehst Du den Erben unserer Gebieter ohne Geheimniß, aber auch ohne Geräusch. Die guten Leute in unserem Lande werden ihn ehren und nicht verraten. Verbirg besonders ihm selbst seinen Ursprung; er würde sich zeigen und ins Verderben stürzen. Er soll nur erfahren, daß er Edelmann ist, das genügt für seine Würde und für das Gewissen. Hat ihn das Alter klug und ernst gemacht, wie ihn das Blut brav und rechtschaffen machen wird, hat er zum Beispiel achtzehn Jahre erreicht, so nenne ihm seinen Namen und seine Abstammung, Aloyse. Er wird dann selbst beurtheilen, was er thun soll und was er thun kann. Doch nimm Dich bis dahin in Acht, furchtbare Feindschaft, unüberwindlicher Haß würden ihn verfolgen, wenn er entdeckt wäre, und diejenigen, welche den Adler erreicht und berührt haben, würden seine Brut nicht verschonen.«

Er sagte mir das und starb, gnädigster Herr, und ich nahm, gehorsam seinen Befehlen, Euch meine arme Waise, Euch, der Ihr kaum Euren Vater gesehen, und brachte Euch hierher. Man wußte bereits das Verschwinden des Grafen, und man vermuthete, daß furchtbare, unversöhnliche Feinde Jeden bedrohten, der seinen Namen führte. Man sah Euch, man erkannte Euch ohne Zweifel im Dorfe, doch in Folge eines stillschweigenden Vertrags befragte mich Niemand, erstaunte Niemand über mein Geheimhalten. Kurze Zeit nachher wurde mir mein einziger Sohn, Euer Milchbruder, mein armer Robert durch das Fieber entrissen. Gott wollte offenbar, daß ich ganz Euch gehöre. Der Wille Gottes sei gesegnet! Alle gaben sich den Anschein, als glaubten sie, mein Sohn wäre der Ueberlebende, und dennoch behandelten Euch Alle mit frommer Ehrfurcht, mit rührendem Gehorsam. Dies geschah, weil Ihr schon dem Gesichte und dem Herzen nach Eurem Vater glichet. Der Instinkt des Löwen enthüllte sich in Euch, und man sah wohl, daß Ihr als Herr und Meister geboren waret. Die Kinder der Umgegend nahmen schon die Gewohnheit an, sich unter Eurem Befehl in Truppen zu bilden. Bei allen ihren Spielen marschiertet Ihr an ihrer Spitze, und keiner hätte es gewagt, Euch seine Huldigung zu verweigern. Als den jungen König des Landes hat Euch das Land aufgezogen, und es bewunderte Euch, als es sah, wie Ihr stolz und schön heranwachset. Die Güte der schönsten Früchte, der Zehnten der Ernte kamen in das Haus, ohne daß ich etwas verlangte. Das schönste Pferd der Weide ward immer Euch vorbehalten. Dom Jamet, Enguerrand und alle Knappen und Knechte des Schlosses leisteten Euch ihre Dienste als eine natürliche Schuld, und Ihr nahmt sie an als Euer Recht. Nichts an Euch, als kühnes, Muthiges, Hochherziges. In den geringsten Dingen ließet Ihr sehen, von welchem Geschlecht Ihr abstammtet. Man erzählt sich noch in den Abendstunden, wie Ihr eines Tags an einen Edelknaben meine zwei Kühe gegen einen Falken vertauschtet. Doch diese Instinkte, diese Aufschwingungen vertiethen Euch nur für die Getreuen, und Ihr bliebet verborgen und unbekannt für die Böswilligen. Der gewaltige Lärm der Kriege in Italien, Spanien und Flandern gegen Kaiser Karl V. trug, Gott sei Dank! nicht wenig zu Eurer Beschützung bei, und Ihr habt endlich gesund und wohlbehalten das Alter erlangt, wo mir Perrot mich Eurer Vernunft und Eurer Weisheit anzuvertrauen gestattete. Doch Ihr, der Ihr gewöhnlich so ernst und so klug, Ihr sprecht nun mit dem ersten Worte für die Verwegenheit und das Geräusch, für die Rache und den Lärmen.«

»Für die Rache, ja; für den Lärmen, nein, Aloyse! Du glaubst also, daß die Feinde meines armen Vaters noch leben?«

»Ich weiß es nicht, gnädigster Herr; nur wäre es sicherer, dies anzunehmen, und gesetzt, Ihr kämet an den Hof, noch unbekannt, doch mit Eurem glänzenden Namen, der die Blicke auf Euch ziehen wird, brav, aber unerfahren, stark durch Euer gutes Verlangen und die Gerechtigkeit Eurer Sache, doch ohne Freunde, ohne Verbündete, sogar ohne persönlichen Ruf, was wird dann geschehen? Diejenigen, welche Euch hassen, werden Euch kommen sehen und Ihr werdet sie nicht sehen; sie werden Euch schlagen und Ihr werdet nicht wissen, von wo der Schlag ausgeht; und Euer Vater wird nicht nur nicht gerächt sein, sondern Ihr habt Euch ins Verderben gestürzt.«

»Gerade deshalb, Aloyse, bedaure ich es, daß ich nicht Zeit hatte, mir Freunde und ein wenig Ruhm zu verschaffen. Ah! wenn ich zum Beispiel vor zwei Jahren Mittheilung erhalten hätte! . . . Gleichviel! das ist nur eine Verzögerung und ich werde die verlorenen Tage wieder einbringen. Auch aus anderen Gründen wünsche ich mir Glück, daß ich die letzten zwei Jahre in Montgommery geblieben bin. Ich gleiche es dadurch aus, daß ich nun den Schritt verdopple. Ich gehe nach Paris, Aloyse, und zwar ohne zu verbergen, daß ich ein Montgommery bin. Ich kann wohl nicht sagen, daß ich der Sohn des Grafen Jacques bin; die Lehen und Titel fehlen eben so wenig in unserem Hause, als im Hause Frankreich, und unsere Verwandtschaft in Frankreich und England ist zahlreich genug, daß ein Gleichgültiger sich nicht auszukennen vermag. Ich kann den Namen eines Vicomte d’Ermés annehmen, Aloyse, und dadurch verberge ich mich weder, noch zeige ich mich. Dann suche ich. . . wen suche ich am Hofe auf? Wende ich mich an den Connetable von Montmorency, an diesen grausamen Paternostersprecher? nein, ich, bin derselben Meinung wie Deine Grimasse, Aloyse... An den Marschall von Saint-Andre? er ist nicht jung und unternehmend genug... Eher an Franz von Guise? Ja, das ist es. M0ntmercy, Saint-Dizier, Bologna haben schon bewiesen, daß er etwas zu thun vermag. Zu ihm werde ich gehen, unter seinen Befehlen werde ich meine Sporen verdienen. Im Schatten seines Namens werde ich den meinigen erobern.«

»Der gnädige Herr wird mir die Bemerkung erlauben, daß der ehrliche und rechtschaffene Elyot Zeit gehabt hat, beträchtliche Summen für den Erben seiner Gebieter zurückzulegen. Ihr könnt ein königliches Feldgeräth führen, und die jungen Männer, Eure Grundholden, sind verpflichtet und werden sich eine Freude daraus machen, Euch in den Krieg zu folgen. Es ist Euer Recht, sie in Eure Nähe zu berufen, wie Ihr wißt, gnädigster Herr.«

»Und wir werden von diesem Rechte Gebrauch machen, Aloyse.«

»Will der gnädigste Herr alle Diener, Knechte und Leute seiner Lehen und Baronien, welche vor Verlangen, ihn zu begrüßen, glühen, nunmehr empfangen?«

»Noch nicht, meine gute Aloyse; doch sage Martin-Guerre, er möge ein Pferd satteln, um mich zu begleiten, habe vor Allem einen Ritt in der Gegend zu machen.«

»Vielleicht gegen Vimoutiers,« sagte die gute Aloyse, mit einer gewissen Bosheit lächelnd.

»Ja vielleicht. Bin ich nicht meinem alten Enguerrand einen Besuch und meinen Dank schuldig?«

»Und der gnädigste Herr wird sehr erfreut sein, mit den Glückwünschen von Enguerrand die eines hübschen kleinen Mädchens Namens Diana zu empfangen; nicht wahr?«

»Dieses hübsche kleine Mädchens« erwiderte Gabriel lachend, »ist meine Frau, und ich bin ihr Mann seit drei Jahren, das heißt seit meinem fünfzehnten und ihrem neunten Jahr.«

Aloyse wurde träumerisch.

»Gnädiger Herr,« sprach sie, »wenn ich nicht wüßte, wie gesetzt und aufrichtig Ihr trotz Eurer Jugend seid, wie ernst und tief jedes Gefühl bei Euch ist, so würde ich mich wohl vor den Worten hüten, die ich Euch zu sagen habe. Doch was für Andere ein Spiel ist, wird für Euch oft eine ernste Sache. Bedenkt wohl, gnädigster Herr, daß man nicht weiß, wessen Tochter Diana ist. Die Frau von Enguerrand, welcher damals seinem Herrn, dem Grafen von Vimoutiers, nach Fontainebleau gefolgt war, fand, nach Hause zurückkehrend, ein Kind in einer Wiege und eine schwere Goldbörse auf einem Tische; in der Börse war nebst einer sehr beträchtlichen Summe die Hälfte eines gravierten Ringes und ein Papier mit dem einzigen Worte: Diana. Bertha, die Frau von Enguerrand hatte kein Kind aus ihrer Ehe und nahm mit Freuden diese andere Mutterschaft an, welche man von ihr verlangte. Als sie jedoch wieder nach Vimoutiers kam, starb sie, wie mein Mann gestorben ist, dem sein Gebieter Euch anvertraut hatte, gnädigster Herr, und eine Frau erzog den verwaisten Knaben, während ein Mann das verwaiste Mädchen aufzog. Doch Beide mit einer ähnlichen Aufgabe betraut, tauschten wir unsere Fürsorge aus, und ich suchte Diana gut und fromm zu machen, wie Enguerrand Euch geschickt und gelehrt gemacht hat. Ihr habt natürlich Diana kennen lernen und seid natürlich an sie anhänglich geworden. Doch Ihr seid der Graf von Montgommery, durch authentische Papiere und öffentliche, unumstößliche Zeugschaft anerkannt, während man Diana noch nicht mit der andern Hälfte des goldenen Ringes zurückgefordert hat. Nehmt Euch in Acht, gnädigster Herr, ich weiß wohl, daß Diana ein Kind von kaum zwölf Jahren ist; doch sie wird größer werden, sie wird von einer reizenden Schönheit sein, und ich wiederhole, bei einer Natur, wie die Eurige ist, wird Alles ernst. Nehmt Euch in Acht; es ist möglich, daß sie stets bleibt, was sie noch ist, ein Findelkind, und Ihr seid zu vornehmer Herr, um sie zu heirathen, und zu sehr Edelmanm um sie zu verführen.«

»Aber meine liebe Amme, da ich abreisen, Dich verlassen und Diana verlassen werde...« sagte Gabriel nachdenkend.

»Gerade das ist es; verzeiht Eurer alten Aloyse ihre zu ängstliche Vorsicht und besucht, wenn es Euch beliebt, das sanfte, niedliche Kind, das Ihr Eure kleine Frau nennt. Doch bedenkt, daß man Euch ungeduldig hier erwartet. Auf baldiges Wiedersehen, nicht wahr, gnädiger Herr Graf.«

»Auf baldiges Wiedersehen und umarme mich noch einmal, Aloyse; nenne mich immerhin Dein Kind, und sei tausendmal bedankt, meine gute Amme.«

»Seid tausendmal gesegnet, mein Kind und mein Herr.«

Meister Martin-Guerre erwartete Gabriel vor der Thüre und Beide stiegen zu Pferde.

II

Inhaltsverzeichnis

Eine Vermählte, welche noch mit der Puppe spielt.

Um schneller fortzukommen, wählte Gabriel ihm wohl bekannte Fußpfade.

Und dennoch ließ er sein Pferd zuweilen langsamer gehen, und man kann sogar sagen, daß er das schöne Thier den Gang seiner Träumerei nehmen ließ. In der That, sehr verschiedenartige Gefühle, bald leidenschaftlich, bald traurig, bald stolz und bald niedergeschlagen, durchzogen abwechselnd das Herz des jungen Mannes. Bedachte er, daß er der Graf von Montgommery war, so funkelte sein Blick und er gab seinem Pferde den Sporn, als wollte er sich in der Luft berauschen, die um seine Schläfe her pfiff, und dann sagte er sich wieder:

»Mein Vater ist getödtet worden und noch nicht gerächt.«

Und er ließ die Zügel in seiner Hand sinken. Doch plötzlich dachte er daran, daß er sich schlagen, daß er sich einen furchtbaren und gefürchteten Namen machen, daß er alle seine Ehren« und Blutschulden bezahlen sollte, und er jagte im Galopp fort, als ob er in der That dem Ruhm entgegen reiten würde, bis er, bedenkend, daß er deshalb seine kleine, so liebenswürdige und so hübsche Diana verlassen müßte, wieder in Schwermuth versank und allmälig nur noch im Schritt ritt, als hätte er dadurch den grausamen Augenblick der Trennung verzögern können. Doch er würde wiederkommen, er hatte die Feinde seines Vaters und die Eltern von Diana gefunden . . . Und Gabriel gab seinem Pferde beide Sporen und flog so rasch als seine Hoffnung. Als er an Ort und Stelle kam, hatte in dieser jungen, ganz für das Glück geöffneten Seele die Freude offenbar die Traurigkeit verjagt.

Ueber die Decke, die den Obstgarten des alten Enguerrand umgab, erblickte Gabriel unter den Bäumen das weiße Gewand von Diana. Bald hatte er sein Pferd an einen Weidenstamm gebunden, bald hatte er mit einem Sprunge über die Hecke gesetzt; strahlend und triumphierend fiel er dem jungen Mädchen zu Füßen.

Doch Diana weinte.

»Was gibt es, liebe kleine Frau,« sagte Gabriel, »und woher rührt dieser bittere Kummer? Sollte uns etwa Enguerrand gezankt haben, weil wir ein Kleid zerrissen, oder unser Gebet schlecht gesprochen? Oder ist etwa unser Dompfaff entflogen? Sprich, Diana, meine Geliebte, Dein treuer Ritter ist hier, um Dich zu trösten.«

»Ach! nein, Gabriel, Ihr könnt nicht mehr mein Ritter sein,« sprach Diana, »und gerade deshalb bin ich traurig, weine ich.«

Gabriel glaubte, Diana sei durch Enguerrand Von dem Namen ihres Spielgefährten unterrichtet worden und wolle ihn vielleicht prüfen.

»Und welches Unglück,« erwiderte er, »oder welches, Glück, Diana, könnte mich je bewegen, auf den süßen Titel zu verzichten, den Du mich hast annehmen lassen und den ich so freudig und so stolz führe? Siehst Du, ich liege vor Dir auf den Knieen.«

Doch Diana schien nicht zu begreifen, und heftiger weinend als je verbarg sie ihre Stirne an der Brust von Gabriel und rief schluchzend:

»Gabriel! Gabriel! wir dürfen uns fortan nicht mehr sehen.«

»Und wer wird uns daran hindern?« versetzte er rasch.

Sie erhob ihr blondes, reizendes Haupt und schlug ihre blauen, in Thränen gebadeten Augen auf; dann sprach; sie mit einer ganz feierlichen und ernsten Miene und mit einem tiefen Seufzer:

»Die Pflicht.«

Ihr reizendes Antlitz hatte einen so trostlosen und zugleich so komischen Ausdruck, daß Gabriel, darüber entzückt, sich eines Lachens nicht erwehren konnte; er nahm zwischen seine Hände die reine Stirne des Kindes und küßte sie wiederholt; doch sie entfernte sich lebhaft und rief:

»Nein, mein Freund, keine Schäkereien mehr. Mein Gott! mein Gott! sie sind mir nun verboten.«

»Was wird Enguerrand ihr Alles erzählt haben?« sagte Gabriel, in seinem Irrthum verharrend, zu sich selbst. »Liebst Du mich denn nicht mehr, meine theure Diana?« fügte er bei.«

»Ich Dich nicht mehr lieben!« rief Diana. »Wie kannst Du solche Dinge annehmen und sagen, Gabriel? Bist Du nicht der Freund meiner Kindheit und der Bruder meines ganzen Lebens? Hast Du mich nicht stets mit der Güte und Zärtlichkeit einer Mutter beandelt? Wenn ich lachte und wenn ich weinte, wen fand ich da unabläßig an meiner Seite, um meine Heiterkeit oder meinen Kummer zu theilen? Dich, Gabriel! . . . Wer trug mich, wenn ich müde war? wer half, mir meine Lectionen lernen? wer schrieb sich meine Fehler zu und theilte meine Strafe, wenn er sie nicht auf sich allein nehmen konnte? abermals Du! Wer erfand tausend Spiele für mich? wer machte mir schöne Sträuße auf den Wiesen? wer nahm mir Stieglitznester aus? immer Du! ich habe Dich aller Orten und jeder Zeit gut, freundlich und mir ergeben gefunden. Gabriel, Gabriel, ich werde Dich nie vergessen, und so lange ich lebe, wirst Du in meinem Herzen leben; ich hätte Dir gern mein Dasein und meine Seele gegeben, und ich träumte nie von Glück, als indem ich von Dir träumte: doch dessen ungeachtet müssen wir uns leider trennen, um uns ohne Zweifel nie wiederzusehen.«

»Und warum? Um Dich dafür zu bestrafen, daß Du boshafter Weise den Hund Phylar in den Hühnerhof geführt hast?« fragte Gabriel.

»Oh! aus einem ganz andern Grunde.«

»Und warum denn?«

Sie erhob sich und ließ ihren Arm an ihrem Kleide herab und ihren Kopf auf die Brust fallen und sprach:

»Weil ich die Frau eines Andern bin.«

Gabriel lachte nicht mehr und eine seltsame Unruhe schnürte ihm das Herz zusammen; mit bewegter Stimme fragte er:

»Was soll das bedeuten, Diana?«

»Ich heiße nicht mehr Diana,« erwiderte sie, »ich heiße Frau Herzogin von Castro, denn mein Gemahl heißt Horazio Farnese, Herzog von Castro.«

Und das kleine Mädchen konnte nicht umhin, ein wenig durch ihre Thränen zu lächeln, als es sagte: Mein Gemahl, mit zwölf Jahren! In der That, es war glorreich, Frau Herzogin! Doch ihr Schmerz erfaßte sie wieder, als sie den Schmerz von Gabriel wahrnahm.

Der Jüngling stand vor ihr, bleich und mit erschrockenen Augen.

»Ist es ein Spiel? Ist es ein Traum?« sagte er.

»Nein, mein armer Freund, es ist die traurige Wirklichkeit,« versetzte Diana. »Hast Du nicht auf dem Wege Enguerrand begegnet, der vor einer halben Stunde nach Montgommery abgegangen ist?«

»Ich habe kürzere Pfade gewählt. Doch vollende.«

»Warum bist Du auch vier Tage lang nicht gekommen, Gabriel? Das ist nie geschehen, und bat uns Unglück gebracht, wie Du siehst. Vorgestern Abend konnte ich kaum einschlafen. Ich hatte Dich zwei Tage lang nicht gesehen, war unruhig, und ließ mir von Enguerrand Versprechen, wenn Du am andern Tage nicht kämest, so würden wir an dem darauffolgenden Morgen nach Montgommery gehen. Und dann hatten wir, Enguerrand und ich, wie in einem Vorgefühl, von der Zukunft, von der Vergangenheit, von meinen Eltern gesprochen, die mich vergessen zu haben schienen. Es ist schlimm, was ich Dir sagen werde, aber ich wäre vielleicht glücklicher gewesen, wenn sie mich in der That vergessen hätten. Diese ganze ernste Unterredung hatte mich, wie sich von selbst versteht, ein wenig betrübt und angegriffen, und ich brauchte, wie gesagt, lange, um einzuschärfen, weshalb ich gestern Morgen etwas später erwachte als gewöhnlich. Ich kleidete mich in aller Eile an, verrichtete mein Gebet und wollte eben hinabgehen, als ich ein gewaltiges Geräusch unter meinem Fenster vor der Hausthüre hörte. Es waren herrliche Cavaliere, Gabriel, gefolgt von Stallmeistern und Edelknaben, und hinter dem Reiterzug eine glänzende, vergoldete Carrosse. Als ich neugierig den Zug anschaute und mich wunderte, daß er vor unserer armseligen Wohnung hielt, klopfte Antoine an meine Thüre und bat mich, auf Befehl von Herrn Enguerrand, sogleich hinabzukommen. Ich weiß nicht, warum ich bange hatte, doch ich mußte gehorchen und gehorchte. Als ich in den großen Saal trat, war er voll von den prächtigen Herren, die ich von meinem Fenster aus gesehen. Ich erröthete und zitterte erschrockener als je, Du begreifst das, Gabriel?«

»Ja« antwortete Gabriel mit Bitterkeit. »Fahre nur fort, denn die Sache wird in der That interessant.«

»Bei meinem Eintritt,« fuhr Diana fort, »kam einer der gesticktesten Herren auf mich zu, reichte mir seine behandschuhte Hand und führte mich vor einen andern Edelmann, oer nicht minder reich geschmückt war als er; dann sich verbeugend, sprach er:

»Durchlauchtigster Herr Herzog von Castro, ich habe die Ehre, Euch Eure Frau vorzustellen. Madame,« fügte er sich gegen mich umwendend bei, »Herr Horazio Farnese, Herzog von Castro, Euer Gemahl.«

Der Herzog grüßte mich mit einem Lächeln. Ich aber warf mich ganz verwirrt und in Thränen ausbrechend in die Arme von Enguerrand, den ich in einem Winkel erblickt hatte.

»Enguerrand! Enguerrand! Dieser Prinz ist nicht mein Gemahl, ich habe keinen andern Gemahl als Gabriel. Enguerrand, sage es doch diesen Herren, ich bitte Dich.«

Derjenige, welcher mich dem Herzog vorgestellt hatte, runzelte die Stirne und fragte Enguerrand mit strengem Tone:

»Was soll diese Kinderei?«

»Nichts, gnädiger Herr; in der That eine Kinderei,« antwortete Enguerrand ganz bleich.

»Und leise sieh an mich wendend: »Seid Ihr toll, Diana! was soll eine solche Widerspenstigkeit? Wie könnt Ihr Euch so weigern, Euren Eltern zu gehorchen, die Euch wieder gefunden haben und Euch zurückfordern!«

»Wo sind sie, meine Eltern?« sagte ich laut. »Mit ihnen will ich sprechen.«

»In ihrem Namen kommen wir, mein Fräulein,« erwiderte der strenge Herr. »Ich bin hier ihr Stellvertreter; wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so seht den Befehl unterzeichnet von König Heinrich lI., unserem Gebieter, und leset.«

»Er reichte mir ein Pergament, versehen mit einem rothen Siegel, und ich las oben auf der Seite: »Wir Heinrich, von Gottes Gnaden;« und unten die königliche Unterschrift: Heinrich. Ich war geblendet, betäupt, vernichtet. ich bekam den Schwindel und das Delirium. Alle diese Menschen hatten die Augen auf mich gerichtet! Enguerrand selbst verließ mich! Der Gedanke an meine Eltern! der Name des Königs! dies Alles war zu viel für meinen armen Kopf. Und Du warst nicht da, Gabriel!«

»Doch mir scheint, meine Gegenwart konnte Euch nicht nothwendig sein,« versetzte Gabriel.

»Oh! doch Gabriel; wärest Du gegenwärtig gewesen, so würde ich noch widerstanden haben; als aber der Edelmann, der Alles zu leiten schien, zu mir sagte:

»Vorwärts, schon genug der Säumniß; Frau von Leviston, Eurer Sorge vertraue ich Frau von Castro; wir erwarten Euch, um in die Kapelle hinauf zu gehen;« da kam mir seine Stimme so gebieterisch vor, er schien so wenig Widerstand zu gestatten, daß ich mich fortführen ließ. Gabriel, verzeihe mir, ich war verwirrt, gelähmt, und hatte keinen Gedanken mehr. . . .«

»Wie! das begreift sich vortrefflich,« erwiderte Gabriel mit einem höhnischen Gelächter.

»Man führte mich in ein Zimmer,« sagte Diana. »Da nahm Frau von Leviston, unterstützt von zwei oder drei Zofen, aus großen Kisten ein weißes seidenes Kleid. Dann zogen sie mich, so sehr ich mich schämte, aus und wieder an. Ich wagte es kaum, in diesen schönen Gewändern zu gehen. Hernach befestigten sie mir Perlen an den Ohren und ein Collier von Perlen am Hals; meine Thränen rollten auf die Perlen. Doch diese Damen lachten unaufhörlich, ohne Zweifel über meine Verlegenheit und vielleicht auch über meinen Kammer. Nach Verlauf einer halben Stunde war ich bereit, und sie mochten immerhin sagen, ich wäre reizend so geschmückt, ich glaube, sie logen nicht, Gabriel, doch ich weinte nichtsdestoweniger. Endlich überredete ich mich, ich handle in einem blendenden furchtbaren Traume. Ich schritt ohne Willen vorwärts, ich ging maschinenmäßig hin und her. Die Pferde stampften indessen vor der Thüre, Stallmeister und Edelknaben warteten stehend. Wir stiegen hinab. Die ausdrucksvollen Blicke dieser ganzen Versammlung fingen an auf mir zu lasten. Der Herr mit der rauhen Stimme bot mir abermals seinen, Arm und führte mich zu einer Sänfte ganz von Gold und Atlaß, in der ich mich auf Kissen setzen mußte, welche beinahe so schön waren als mein Kleid. Der-Herzog von Castro ritt am Schlage, und so zog der Cortege langsam zur Kapelle des Schlosses Vimoutiers hinauf. Der Priester war schon am Altar. Ich weiß nicht, welche Worte man um mich her sprach, welche Worte man mir dictirte; ich fühlte nur, wie in einem Augenblick in diesem seltsamen Traume der Herzog mir einen Ring an den Finger schob. Dann nach Verlauf von zwanzig Minuten oder von zwanzig Jahren, ich habe kein Bewußtsein davon, traf mich eine frischere Luft ins Gesicht. Wir verließen die Kapelle; man nannte mich Frau Herzogin, ich war verheirathet! Hörst Du wohl, Gabriel? ich war verheirathet!«

Gabriel antwortete nur durch ein wildes Gelächter.

»O Gabriel,« sprach Diana, »ich war wirklich so außer mir, daß ich zum ersten Male, als ich nach Hause zurückkehrte, nachdem ich mich etwas erholt, daran dachte, den Gemahl anzuschauen, den alle diese Fremden mir aufgenöthigt hatten. Bis dahin hatte ich ihn gesehen, aber nicht angeschaut, Gabriel. Ah! mein armer Gabriel, er ist viel weniger schön als Du! Vor Allem ist sein Wuchs mittelmäßig, und in seinen reichen Kleidern erscheint er bei Weitem nicht so zierlich als Du in Deinem einfachen braunen Wamms. Und dann hat er eine eben so unverschämte, hochmüthige Miene, als Du sanft und artig aussiehst. Füge dem brennend blonde Haare und einen eben solchen Bart bei. Ich bin geopfert, Gabriel. Nachdem er sich eine Zeit lang mit demjenigen besprochen hatte, welcher sich für den Stellvertreter des Königs ausgab, näherte sich mir der Herzog, nahm mich bei der Hand und sagte mit einem sehr feinen Lächeln:

»Frau Herzogin, verzeiht, daß ich in die harte Nothwendigkeit versetzt bin, Euch so bald zu verlassen. Doch Ihr wißt, oder Ihr wißt nicht, daß wir im heftigsten Kriege mit Spanien begriffen sind, und meine Gewappneten fordern auf der Stelle meine Gegenwart. Ich hoffe die Freude zu haben, Euch in einiger Zeit am Hofe wiederzusehen, wo Ihr von dieser Woche an in der Nähe Seiner Majestät wohnen werdet. Ich bitte Euch, einige Geschenke anzunehmen, die ich für Euch hier zurückzulassen mir erlaubt habe. Auf Wiedersehen, Madame. Erhaltet Euch heiter und reizend, wie man es in Eurem Alter ist, und lebt nach Eures Herzens Gelüste, während ich mich schlagen werde.«

»So sprechend, küßte er mich vertraulich auf die Stirne, und sein langer Bart hat mich sogar gestochen; das ist nicht wie bei dem Deinigen, Gabriel. Und dann grüßten mich alle diese Herren und Damen, und gingen nach und nach weg und ließen mich allein mit meinem Vater Enguerrand. Er verstand nicht viel mehr als ich von diesem ganzen Abenteuer. Man hatte ihm das Pergament des Königs zu lesen gegeben, der mir, wie es scheint, den Herzog von Castro zu heirathen befahl. Der Herr, der Seine Majestät vertrat, heißt Graf d’Humieres. Enguerrand, der ihn früher bei Herrn von Vimoutiers gesehen, hat ihn wiedererkannt. Alles, was Enguerrand mehr als ich wußte, war die traurige Nachricht, daß die Dame von Leviston, welche mich angekleidet hat und in Caen wohnt, in einem der nächsten Tage kommen würde, um mich an den Hof zu führen, und daß ich mich hierzu beständig bereit halten sollte. Das ist meine seltsame und schmerzliche Geschichte,« sagte Diana. »Ah! ich vergaß. Als ich in mein Zimmer zurückkam, fand ich in einer großen Schachtel, Du würdest nicht erraten was? eine herrliche Puppe, mit einer völligen Ausstattung an Weißzeug und mit drei Kleidern: weiße Seide, rother Damast und grüner Brocat, Alles zum Gebrauch der genannten Puppe. Ich fühlte mich im höchsten Maaße verletzt, Gabriel, dies waren also die Geschenke meines Gemahls! mich wie ein kleines Mädchen behandeln! Das Rothe steht indessen der Puppe am Besten, weil sie von Natur eine sehr lebhafte Gesichtsfarbe hat. Die kleinen Schuhe sind auch reizend, doch dieses Verfahren ist unwürdig, denn mir dünkt im Ganzen, daß ich kein Kind mehr bin.«

»Doch! Ihr seid ein Kind, Diana,« erwiderte Gabriel, bei dem der Zorn unmerklich der Traurigkeit Platz gemacht hatte, »ein wahres Kind! ich grolle Euch nicht, daß Ihr erst zwölf Jahre zählt, das wäre albern und unbillig. Ich sehe nur, daß ich Unrecht gehabt habe, an ein so junges und leichtes Gemüth eine so glühende und tiefe Leidenschaft zu heften. Denn ich fühle zu meinem Schmerz, wie sehr ich Euch liebte, Diana. Ich wiederhole Euch jedoch, daß ich Euch nicht grolle. Doch wenn Ihr stärker gewesen wäret, wenn Ihr in Euch die nothwendige Energie gehabt hättet, um einem ungerechten Befehle zu widerstehen, wenn Ihr nur ein wenig Zeit zu gewinnen vermocht hättet, Diana, so hätten wir glücklich sein können, da Ihr Eure Eltern gefunden habt und diese von vornehmem Geschlechte zu sein scheinen. Auch ich kam, um Euch ein großes Geheimniß mitzutheilen, das man mir diesen Morgen geoffenbart hat. Doch wozu soll es jetzt nützen? es ist zu spät. Eure Schwäche hat es zugelassen, daß der Faden meines Geschickes zerrissen ist, während ich glaubte, er würde endlich halten. Warum ihn je wieder anknüpfen? Ich sehe vorher, daß sich mein ganes Leben Eurer erinnern, Diana, und daß meine junge Liebe stets den größten Platz in meinem Herzen einnehmen wird. Ihr jedoch, Diana, im Glanz des Hofes, im Geräusch der Feste, werdet schnell denjenigen aus dem Gesicht verlieren, der Euch in den Tagen Eurer Dunkelheit so sehr geliebt hat.«

»Nie!« rief Diana. »Und höre, Gabriel, nun, da Du hier bist und mich ermuthigen, unterstützen kannst, willst Du, daß ich mich weigere, abzureisen, wenn man kommt, um mich zu holen, daß ich den Bitten, dem Drangen, den Befehlen widerstehe, um immer bei Dir zu bleiben?«

»Ich danke, liebe Diana, doch fortan, siehst Du, gehörst Du vor Gott und den Menschen einem Andern. Wir müssen unsere Pflicht und unser Geschick erfüllen, wir müssen, wie der Herzog von Castro gesagt hat, jedes seines Wegs gehen, Du zu den Genüssen und zum Hofe, ich in die Lager und Schlachten; Gott gebe nur, daß ich Dich eines Tags wiedersehe.«

»Ja, Gabriel, ich werde Dich wiedersehen, ich werde Dich immer lieben,« rief Diana, und warf sich, in Thränen zerfließend, in die Arme ihres Freundes.

In diesem Augenblick erschien Enguerrand mit Frau von Leviston in einer nahen Allen.

»Hier ist sie, Madame,« sagte er, auf Diana deutend. »Ah! Ihr seid es, Gabriel?« rief er, als er den jungen Grafen erblickte; »ich war im Begriff, nach Montgommery zu gehen um Euch zu besuchen, als ich dem Pagen von Frau von Leviston begegnete und wieder umkehren mußte.«

»Ja, Madam,« sprach Frau von Leviston zu Diana, »der König hat meinem Gatten zu wissen gethan, es dränge ihn, Euch zu sehen, und ich beschleunigte deshalb unsere Abreise. Brechen wir, wenn es Euch gefällig ist, in einer Stunde aus. Eure Vorbereitungen werden, denke ich, nicht lange dauern, und Ihr seid wohl geneigt, mir zu folgen?«

Diana schaute Gabriel an.

»Muth gefaßt,« sprach dieser mit ernstem Tone.

»Ich habe die Freude, Euch anzukündigen,« fuhr Frau von Leviston fort, »daß Euer braver Nährvater uns nach Paris begleiten kann und will, und uns morgen in Alençon einholen wird, wenn es Euch genehm ist.«

»Ob es mir genehm ist?« rief Diana. »Ah! Madame, man hat mir meine Eltern noch nicht genannt, doch ich werde ihn stets meinen Vater nennen.«

Und sie reichte ihre Hand Enguerrand, der sie mit Küssen bedeckte, um das Recht zu haben, noch ein wenig durch den Schleier ihrer Thränen Gabriel anzuschauen, der nachdenkend und traurig, aber ergeben und entschlossen aussah.

»Vorwärts, Madame,« sagte Frau von Leviston, welche diese Abschiede und Zögerungen vielleicht ungeduldig machten, »bedenkt, daß wir vor Einbruch der Nacht in Caen sein müssen.«

Beinahe erstickt durch Schluchzen, entfernte sich Diana hastig, um in ihr Zimmer hinauf zu gehen, jedoch nicht ohne zuvor Gabriel durch ein Zeichen bedeutet zu haben, er möge warten.

Nach Verlauf einer Stunde, während der man in den Wagen die Gegenstände packte, weiche Diana mitnehmen wollte, erschien diese wieder ganz reisefertig. Sie bat Frau von Leviston, die ihr wie ihr Schatten folgte, um Erlaubniß, noch einmal in dem Garten umhergehen zu dürfen, wo sie zwölf Jahre lang so sorglos und glücklich gespielt hatte. Gabriel und Engnerrand gingen während dieses Besuches hinter ihr. Diana blieb vor einem Rosenstock mit weißen Blüthen stehen, den Gabriel und sie im vorhergehenden Jahre gepflanzt hatten. Sie pflückte zwei Rosen, befestigte eine an ihrem Kleid, roch an der andern und reichte sie Gabriel. Der junge Mann fühlte, daß ihm zu gleicher Zeit ein Papier in die Hand schlüpfte das er hastig in seinem Wamms verbarg. Nachdem Diana von allen Gängen, von allen Gebüschen, von allen Blumen Abschied genommen hatte, mußte sie sich endlich zur Abreise entschließen. Als sie vor den Wagen kam, der sie wegführen sollte, gab sie die Hand den Dienern des Hauses und sogar den guten Leuten vom Flecken, welche sie alle kannten und liebten. Die Arme hatte nicht die Kraft, zu sprechen, sie machte nur Jedem ein freundschaftliches Zeichen mit dem Kopf. Dann umarmte sie Enguerrand, und endlich Gabriel, ohne sich im Geringsten um die Gegenwart von Frau von Leviston zu bekümmern. Inden Armen ihres Freundes gewann sie sogar ihre Stimme wieder, und als dieser zu ihr sagte: »Fahre wohl! fahre wohl!« da sprach sie:

»Nein, auf Wiedersehen!«

hiernach stieg sie in den Wagen, und da die Kindheit im Ganzen ihr Recht nicht völlig auf sie verlor, so hörte sie Gabriel mit jener kleinen Mundverziehung, die ihr so gut stand, Frau von Leviston fragen:

»Man hat doch wenigstens meine große Puppe oben aufgepackt?«

Der Wagen entfernte sich im Galopp.

Gabriel öffnete das Papier, das ihm Diana gegeben hatte, und fand darin eine Locke von ihren schönen, aschblonden Haaren, die er so gern küßte.

Einen Monat nachher ließ sich Gabriel, in Paris angelangt, im Hotel Guise bei dem Herzog von Guise unter dem Namen eines Vicomte d’Ermés melden.

III

Inhaltsverzeichnis

Im Lager.

»Ja, meine Herren,« sprach, in sein Zelt eintretend der Herzog von Guise zu den Edelleuten, die ihn umgaben, »ja, heute am 24. April 1557 Abends, nachdem wir am 15. auf das Gebiet von Neapel zurückgekehrt sind, nachdem wir Campli in vier Tagen genommen, beginnen wir die Belagerung von Civitetta; Herren von Civitetta, schlagen wir am 1. Mai unser Lager vor Aquila auf. Am 10. Mai sind wir in Arpino, am 21. in Capua, wo wir nicht einschlafen werden, wie Hannibal. Am 1. Juni, meine Herren, will ich Euch Neapel sehen lassen, wenn es Gott gefällt«

»Und wie steht es mit dem Papst, mein lieber Bruder?« fragte der Herzog von Aumale. »Seine Heiligkeit, die mir so sehr die Unterstützung der päpstlichen Truppen versprochen, läßt uns bis jetzt, wie mir scheint, auf uns selbst beschränkt, und unsere Armee ist kaum stark genug, um sich so auf ein feindliches Gebiet zu wagen.«

»Paul II.,« sagte Franz, »ist zu sehr betheiligt bei dem Erfolge unserer Waffen, um uns ohne Hilfe zu lassen. Wie durchsichtig und erleuchtet ist diese Nacht, meine Herren! Byron, wißt Ihr, ob die Parteigänger, von deren Aufgebot in den Abruzzen Caraffa uns gesprochen, einigen Lärmen zu machen anfangen?«

»Sie rühren sich nicht, gnädigster Herr, ich habe ganz frische und sichere Nachrichten.«

»Unsere Musketenschüsse werden sie erwecken,« sagte der Herzog von Guise. »Herr Marquis d’Elboeuf,« fuhr er fort, »habt Ihr von den Zufuhren an Lebensmitteln und Munition sprechen hören, welche wir in Ascoli erhalten sollten, und die uns nun, denke ich, hier zukommen werden?«

»Ja, ich habe davon sprechen hören, doch in Rom, gnädigster Herr, und leider schon vor langer Zeit! . . .«

»Eine einfache Zögerung,« unterbrach ihn der Herzog von Guise, »sicherlich nur eine Zögerung, und wir sind Allem nach noch nicht völlig entblößt. Die Einnahme von Campli hat uns ein wenig wiederbelebt, und wenn ich in einer Stunde von jetzt an in das Zelt eines Jeden von Euch träte, meine Herren, so wette ich, ich würde ein gutes Abendbrod aufgetragen, und bei Tische mit Euch eine arme Witwe oder eine hübsche Waise von Campli finden, die Ihr zu trösten im Zuge wäret. Es läßt sich nichts Besseres denken, meine Herren. Ueberdies sind dies die Pflichten von Siegern, weiche die Gewohnheit des Sieges süß finden lassen, nicht wahr? Entsprecht also Eurem Geschmack, ich halte Euch nicht zurück; morgen früh bei Tagesanbruch werde ich Euch auffordern, mit mir die Mittel zu suchen, diesen Zuckerhut Civitetta anzugreifen; bis dahin, meine Herren, guten Appetit und gute Nacht.«

Der Herzog begleitete lachend die Führer des Heeres bis zur Thüre seines Zeltes zurück. Als aber der Vorhang, der dasselbe schloß, hinter dem letzten gefallen war und Franz von Guise sich allein fand, nahm plötzlich seine männliche Physiognomie einen sorgenvollen Ausdruck an; er setzte sich an einen Tisch, legte sein Haupt in seine Hände, und murmelte voll Unruhe:

»Hätte ich besser daran gethan, auf jeden persönlichen Ehrgeiz Verzicht zu leisten, nur General von Heinrich II. zu bleiben, und mich auf die Wiedereroberung von Mailand und die Befreiung von Siena zu beschränken? Nun bin ich auf dem Gebiet von Neapel, wohin mich alle meine Träume als König beriefen; doch ich bin ohne Verbündete, bald ohne Lebensmittel, und alle diese Anführer meiner Truppen, mein Bruder zuerst, Geister ohne Thatkraft und ohne Gewicht, geben sich schon der Entmuthigung hin wie ich sehe.«

In diesem Augenblick hörte der Herzog von Guise, daß Jemand hinter ihm ging. Er wandte sich rasch und ganz entrüstet gegen den verwegenen Unterbrecher um; als er ihn aber gesehen, reichte er ihm, statt ihm einen Vorwurf zu machen, die Hand und sprach:

»Nicht wahr, Ihr, Vicomte d’Ermés, nicht wahr, Ihr, mein lieber Gabriel, würdet nie zögern vorwärts zu gehen, weil das Brod zu selten und der Feind zu zahlreich ist, Ihr, der Ihr zuletzt Metz verlassen, und zuerst in Valenza und in Campli eingedrungen seid? Doch, Ihr kommt, um mir etwas Neues zu melden, Freund?«

»Ja, gnädigster Herr, ein Eilbote ist aus Frankreich eingetroffen,« antwortete Gabriel; »er bringt, wie ich glaube, Briefe von Eurem Bruder, dem hochwürdigsten Cardinal von Lothringen. Darf ich ihn bei Euch einführen?«

»Nein, doch er mag Euch die Sendung mit der er beauftragt ist, übergeben, Vicomte, und ich bitte Euch, sie mir selbst zu überbringen.«

Gabriel verbeugte sich ging hinaus, kam bald wieder zurück und überbrachte einen Brief, der mit dem Wappen des Hauses Lothringen versiegelt war.

Die sechs abgelaufenen Jahre waren an unserem alten Freund Gabriel beinahe spurlos vorübergegangen; seine Züge hatten nur einen männlicheren, entschiedeneren Charakter angenommen; man errieth nun in ihm einen Mann, der seinen eigenen Werth geprüft und kennen gelernt hat. Doch es war immer dieselbe reine, ernste Stirne, derselbe redliche, offene Blick, und, sagen wir es sogleich, dasselbe Herz voll Jugend und Illusion. Er war auch kaum erst vierundzwanzig Jahre alt.

Der Herzog von Guise zählte siebenunddreißig, und obgleich er eine edle, großherzige Natur besaß, war doch sein Gemüth von vielen Orten zurückgekommen, wohin das von Gabriel noch nie gegangen, und mehr als ein gescheitertes Aufstreben, mehr als ein vergeblicher Kampf hatten sein Auge vertieft und seine Schlafe entblößt. Dennoch begriff und liebte er den ritterlichen und ergebenen Charakter von Gabriel, und eine unwiderstehliche Sympathie zog den erfahrenen Mann zu dem vertrauensvollen Jüngling hin.

Er nahm aus seinen Händen den Brief seines Bruders und sprach, ehe er ihn öffnete:

»Hört, Vicomte d’Ermés, Herve von Thelen, mein Geheimschreiber, den Ihr kanntet, ist unter den Mauern von Valenza gestorben; mein Bruder Aumale ist nur ein muthiger Soldat, aber unfähig; ich bedarf eines tüchtigen Armes und eines Vertrautem Gabriel. Seitdem Ihr mich in Paris in meinem Hause vor fünf oder sechs Jahren aufgesucht, habe ich mich, wie ich glaube, überzeugen können, daß ihr ein erhabener Geist und, was noch besser ist, ein treues Herz seid. Ich kannte Euch nur dem Namen nach, und jeder Montgommery ist brav; doch Ihr waret mir durch Niemand empfohlen, und dennoch habt Ihr mir sogleich gefallen; ich nahm Euch mit mir zur Vertheidigung von Metz, und wenn diese Vertheidigung eines der schönsten Blätter meiner Geschichte sein soll, wenn es uns nach einem fünfundsechzig Tage lang anhaltenden Angriff gelungen ist, von den Mauern von Metz ein Heer, das hunderttausend Soldaten zählte, und einen General zu vertreiben, der sich Carl V. nannte, so erinnere ich mich, daß Eure stets gegenwärtige Unerschrockenheit und Euer stets wacher Verstand nicht wenig zu diesem glorreichen Erfolg beigetragen haben. Ein Jahr nachher waret Ihr abermals mit mir bei dem Siege von Renty, und wenn dieser Esel von Montmorency den man mit Recht so nennt. .. doch ich habe nicht meinen Feind zu schmähen, ich habe meinen Freund und guten Kameraden, Gabriel, Vicomte d’Ermés, d’Ermés, den würdigen Verwandten der würdigen Montgommery zu loben. Ich habe Euch zu sagen, Gabriel, daß ich in Euch bei jeder Gelegenheit, und zwar seitdem wir in Italien eingerückt sind mehr als je guten Beistand, gute Freundschaft und guten Rath gefunden, und daß ich Euch nur Eines zum Vorwurf machen kann: daß Ihr gegen Euern General zu zurückhaltend und zu verschwiegen seid. Ja, es liegt sicherlich im Grunde Eures Lebens ein Gefühl oder ein Gedanke, den Ihr mir verbergt, Gabriel. Doch, bah! Ihr werdet mir das eines Tags anvertrauen; die Hauptsache ist, daß ich weiß, Ihr habt Etwas zu thun. Ei! bei Gott! ich habe auch Etwas zu thun, Gabriel, und wenn Ihr wollt, so verbinden wir unsere Geschicke, Ihr helft mir und ich helfe Euch. Habe ich irgend eine wichtige, schwierige Unternehmung einem andern Ich zu übertragen, so rufe ich Euch. Bedürft Ihr sür Eure Pläne eines mächtigen Beschützers, so bin ich da. Ist das abgemacht?«

»Oh! gnädigster Herr,« erwiderte Gabriel, »ich gehöre Euch mit Leib und Seele. Was ich vor Allem wünschte, wäre, daß Ihr an mich glaubtet und die Andern an mich glauben machen würdet. Ich habe ein wenig Selbstvertrauen erlangt und Ihr habt die Gnade, ein wenig Achtung für mich zu hegen; bis jetzt habe ich also mein Ziel erreicht; daß sich in der Zukunft ein anderes meinen Bestrebungen bieten kann, leugne ich nicht, gnädigster Herr, und dann, da Ihr die Güte hattet, mir einen so schönen Antrag zu machen, werde ich zu Euch meine Zuflucht nehmen, wie Ihr bis dahin für Leben und Tod auf mich rechnen könnt.«

»So ist es gut! per Bacco, wie diese trunkenen Heiden von Cardinälen sagen; sei unbesorgt, Gabriel, Franz von Lothringen, Herzog von Guise, wird Dir warm in Beziehung auf Deine Liebe oder Deinen Haß dienen, denn nicht wahr, es ist bei uns das eine oder das andere dieser Gefühle im Spiel, mein Meister?«

»Das eine und das andere vielleicht, gnädigster Herr.«

»Ah! alle Wetter! und warum, wenn man die Seele so voll hat, warum sie nicht in die eines Freundes ergießen?«

»Ach! gnädigster Herr, ieh weiß nicht einmal, ob ich liebe, und weiß gar nicht, daß ich hasse.«

»Wahrhaftig! sage mir doch, Gabriel, wenn Deine Feinde zufällig die meinigen wären, wenn der alte Unzüchter von einem Montmorency darunter sein sollte?«

»Das könnte wohl sein, gnädigster Herr, und wenn meine Zweifel begründet sind . . . . doch es handelt sich zur Stunde nicht um mich, sondern um Euch und Eure großen Pläne. Wozu kann ich Euch dienlich sein?«

»Vor Allem dazu, daß Ihr mir den Brief meines Bruders, des Cardinals von Lothringen, vorlest, Gabriel.«

Gabriel entsiegelte und entfaltete den Brief, warf einen Blick darauf, reichte ihn dem Herzog und sprach:

»Verzeiht, gnädigster Herr, dieser Brief ist in besonderen Charakteren geschrieben, und ich kann ihn nicht lesen.«

»Ah!« versetzte der Herzog, »der Eilbote von Jean Panquet hat ihn also gebracht? es ist ein vertraulicher Brief, wie ich sehe, ein Gitterbrief; warte, Gabriel.«

Er öffnete ein Kistchen von ziseliertem Eisen, zog ein regelmäßig dnrchbrochenes ausgeschnittenes Papier daraus hervor, legte es auf den Brief des Cardinals, reichte diesen Gabriel zum Lesen und sprach:

»Nun leset.«

Gabriel schien zu zögern; Franz nahm seine Hand, drückte sie, und sagte mit einem Tone voll Vertrauen und Treuherzigkeit:

»Leset, mein Freund.«

Der Vicomte d’Ermés las:

»Mein sehr geehrter, sehr erhabener Bruder (wann werde ich Euch mit einem einzigen Worte von vier Buchstaben,mit dem Worte: Sire nennen können...)«

Gabriel hielt abermals inne; der Herzog lächelte und sprach:

»Ihr staunt, Gabriel, doch ich hoffe, Ihr werdet keinen Verdacht gegen mich haben. Der Herzog von Guise ist kein Connetable von Bourbon, mein Freund; Gott erhalte unserem König Heinrich II. die Krone und das Leben! Doch es gibt in der Welt nicht nur den Thron von Frankreich. Da mich der Zufall mit Euch auf die Bahn eines vollen Vertrauens gebracht hat, so will ich Euch nichts verhehlen, Gabriel, ich will Euch in alle meine Pläne und in alle meine Träume einweihen; sie sind, wie ich glaube, nicht die einer geringen Seele.«

Der Herzog war aufgestanden, und ging mit großen Schritten in seinem Zelte auf und ab.

»Unser Haus, Gabriel, das so manche Königswürde berührt, kann meiner Ansicht nach auf jede Größe Anspruch machen. Doch Anspruch machen ist nichts, es soll erreichen. Unsere Schwester ist Königin von Schottland; unsere Nichte, Maria Stuard ist mit dem Dauphin Franz verlobt; unser Großneffe, der Herzog von Lothringen ist zum Schwiegersohn des Königs bezeichnet. Das ist noch nicht Alles, wir vermögen auch noch das zweite Haus Anjou zu repräsentieren, von dem wir durch die Frauen abstammen. Wir haben also Ansprüche oder Rechte auf die Provence und auf Neapel. Begnügen wir uns für den Augenblick mit Neapel. Würde die Krone einem Franzosen nicht besser stehen, als einem Spanier? Warum bin ich nach Italien gekommen? Um sie zu nehmen. Wir sind Verbündete des Herzogs von Ferrara, verwandt mit den Caraffa, Neffen des Papstes, Paul IV. ist alt: mein Bruder der Cardinal von Lothringen, wird sein Nachfolger. Der Thron von Neapel wankt, ich besteige ihn. Mein Gott, deshalb habe ich Siena und die Mailänder hinter mir gelassen, um bis zu den Abruzzen zu springen. Der Traum war glänzend doch ich befürchte sehr, er bleibt bis jetzt ein Traum. Bedenkt, Gabriel, ich hatte nicht zwölftausend Mann, als ich die Alpen überschritt. Doch der Herzog von Ferrara hatte mir siebentausend Mann versprochen; er behielt sie in seinen Staaten. Doch Paul IV. und die Caraffa hatten sich gerühmt, sie würden in dem Königreich Neapel eine mächtige Faction auf die Beine bringen, und sie machten sich anheischig, Soldaten, Geld und Proviant zu liefern; sie haben nicht einen Mann, nicht einen Fourgon, nicht einen Thaler geschickt. Meine Officiere zaudern, meine Truppen murren; gleichviel! ich werde bis zum Ende gehen ich werde nur, wenn es zum Aeußersten gekommen ist, dieses gelobte Land, auf dessen Boden ich trete, verlassen, und wenn ich es verlasse, so komme ich zurück.«

Der Herzog trat mit dem Fuß auf den Boden, als wollte er davon Besitz ergreifen, sein Blick funkelte, er war groß und schön.

»Gnädigster Herr,« rief Gabriel, »wie stolz bin ich, daß ich mit Euch, so schwach auch mein Antheil sein mag, zu so glorreichen Bestrebungen mich habe verbinden können.«

»Und nun,« sprach der Herzog. »nun da ich Euch zweimal den Schlüsse! zu diesem Briefe meines Bruders gegeben habe, Gabriel, könnt Ihr ihn auch lesen und verstehen. Vollendet also, ich höre.«

»Sire! . . .« Hier bin ich geblieben,« sagte Gabriel. »Ich habe Euch zwei schlimme Nachrichten und eine gute mitzutheilen. Die gute ist die, daß man die Hochzeit unserer Nichte, Maria Stuart, auf den zwanzigsten des nächsten Monats anberaumt hat, und daß sie an genanntem Tage in Paris mit allem Gepränge vollzogen werden wird. Eine von den schlimmen Nachrichten ist aus England gekommen; Philipp II. von Spanien hat dort gelandet, und hetzt täglich die Königin Maria Tudor, seine Frau, welche ihm so leidenschaftlich gehorcht, auf, Frankreich den Krieg anzukündigen. Niemand zweifelt daran, daß es ihm gelingt, trotz der Interessen und des Wunsches der englischen Nation. Man spricht schon von einer Armee, welche sich auf den Grenzen der Niederlande versammeln soll, und für deren Commando man den Herzog Emanuel Philibert von Savoyen bezeichnet. Bei dem Mangel an Mannschaft, woran wir hier leiden mein vielgeliebter Bruder, würde Euch dann König Heinrich U. nothwendig aus Italien zurückberufen, unsere Pläne auf dieser Seite wären hernach wenigstens vertagt. Doch bedenkt wohl, Franz, daß es besser ist, sie zu verschieben, als zu gefährden . . . keine Verwegenheit, und nicht mit dein Kopf durch die Wand. Unsere Schwester, die Königin Regentin von Schottland, mag immerhin drohen, sie werde mit dem Engländer brechen, glaubt mir, ganz verliebt in ihren jungen Gemahl, würde Maria von England keine Rücksicht darauf nehmen, und richtet Euch danach.«