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Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. »Nein! Nein!!!« Roswitha Gräfin von Sternheim bäumte sich auf und krallte die Finger in unbeherrschtem Schmerz in den Arm ihres blaß und erschrocken neben ihr sitzenden Mannes. »Roswitha…«, flüsterte der Graf und sah sie besorgt und angstvoll an. Als er sich über sie beugte, wandte sie ihm den Kopf zu. Die Wehe klang ab, und je mehr der Schmerz von ihr wich, um so haßerfüllter wurde der Ausdruck ihrer schönen, großen Augen. »Liebling…«, flüsterte Robert Sternheim und strich ihr über das schweißfeuchte Haar. Das schöne, sogar jetzt noch klassische Gesicht der jungen Gräfin verzerrte sich, sie ließ seinen Arm los und stieß ihn von sich. »Nie wieder will ich ein Kind! Nie wieder!« zischte sie. »Ihr müßt es ja nicht aushalten! Aber ich bin nun mal keine breithüftige Bäuerin, die ihre Kinder bekommt, wie die Hühner Eier legen!« Sie fühlte, wie die nächste Wehe nahte, auf ihrer blassen Haut zeigten sich rote Flecken, und sie begann zu schreien. »Kann man denn nichts machen?« Der Graf sah flehend zur Hebamme und dem Arzt hin, die beide stumm neben dem Bett standen. Sie wechselten einen Blick. Dann räusperte sich der Arzt.
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Seitenzahl: 120
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»Nein! Nein!!!« Roswitha Gräfin von Sternheim bäumte sich auf und krallte die Finger in unbeherrschtem Schmerz in den Arm ihres blaß und erschrocken neben ihr sitzenden Mannes.
»Roswitha…«, flüsterte der Graf und sah sie besorgt und angstvoll an. Als er sich über sie beugte, wandte sie ihm den Kopf zu. Die Wehe klang ab, und je mehr der Schmerz von ihr wich, um so haßerfüllter wurde der Ausdruck ihrer schönen, großen Augen. »Liebling…«, flüsterte Robert Sternheim und strich ihr über das schweißfeuchte Haar.
Das schöne, sogar jetzt noch klassische Gesicht der jungen Gräfin verzerrte sich, sie ließ seinen Arm los und stieß ihn von sich.
»Nie wieder will ich ein Kind! Nie wieder!« zischte sie. »Ihr müßt es ja nicht aushalten! Aber ich bin nun mal keine breithüftige Bäuerin, die ihre Kinder bekommt, wie die Hühner Eier legen!« Sie fühlte, wie die nächste Wehe nahte, auf ihrer blassen Haut zeigten sich rote Flecken, und sie begann zu schreien.
»Kann man denn nichts machen?« Der Graf sah flehend zur Hebamme und dem Arzt hin, die beide stumm neben dem Bett standen. Sie wechselten einen Blick. Dann räusperte sich der Arzt.
»Die Wehen sind noch nicht stark, Graf Sternheim – aber wenn Sie meinen, kann ich ihr etwas spritzen, eine Lumbalanästhesie…«
»Ist das gefährlich?« erkundigte sich Graf Sternheim.
»Mir ist alles egal – wenn nur die Schmerzen aufhören!« schrie Roswitha und bäumte sich wieder auf.
»Frau Gräfin – versuchen Sie, ruhig durchzuatmen!« wollte die Hebamme sie an das erinnern, was sie in der Schwangerschaftsgymnastik gelernt hatte.
»Halten Sie den Mund!« kreischte Roswitha wütend. »Sie spüren es ja nicht!«
»Sie meint es nicht so«, entschuldigte sich Graf Sternheim leise. »Die Schmerzen – sie weiß nicht, was sie sagt.«
Die Hebamme preßte die Lippen aufeinander und gab keine Antwort. So wie die Gräfin sich aufführte, das hatte sie in ihrer langen Praxis noch nie erlebt. Und was man so von ihr hörte, wußte sie recht gut, was sie tat und sagte!
Sie war für ihren Hochmut bekannt, die schöne Gräfin Roswitha Sternheim, die mit zweiundzwanzig Jahren den steinreichen, um vieles älteren Grafen Robert geheiratet hatte. Er hatte sich in ihre hochgewachsene, schlanke Gestalt verliebt, ihren stolzen Gang, ihr herrliches honigblondes Haar und ihre durchsichtig blauen Augen. Er war so blind verliebt, daß er ihren Hochmut für Stolz und ihre Kälte für Zurückhaltung hielt.
Und er war einsam nach dem Unfalltod seiner ersten Frau, mit der er, obgleich die Ehe kinderlos geblieben war, sehr glücklich gelebt hatte. Es hatte lange gedauert, bis er den Schmerz über den Verlust einigermaßen überwunden hatte, und noch länger, bis er sich überwinden konnte, nochmals zu heiraten.
Aber dann traf er auf einem Adelsball die schöne Baroneß Roswitha und war vom ersten Augenblick an von ihr fasziniert. Er fürchtete, zu alt für sie zu sein mit seinen neununddreißig Jahren, aber sie lachte nur: Sie mache sich nichts aus diesen jungen, unfertigen Burschen! sagte sie. Was sie nicht sagte, war, daß ein entsprechendes Vermögen auch einen noch größeren Altersunterschied ausgleichen würde. Sie drängte auf eine baldige Hochzeit – er sollte es sich nicht überlegen können. Und Robert Sternheim, blind und verzückt, heiratete sie gerade zwei Monate nach ihrer ersten Begegnung.
Sehr bald stellte er fest, daß sie mit seiner ersten Frau nichts gemeinsam hatte. Er hoffte, daß es daran lag, daß sie sofort schwanger geworden war.
Außer sich darüber hatte sie ihn beschimpft, daß er ihr nicht noch ein paar Jahre gegönnt habe, bis sie sich mit irgendwelchen Fratzen herumärgern müsse.
Er wollte nicht sehen, wie sie war, und schrieb alles ihrem Zustand zu, der bekanntermaßen den Charakter vieler Frauen veränderte. Er ertrug ihre aggressiven Launen und hoffte darauf, daß, wenn das Kind erst da wäre, sie entspannt, sanft und glücklich sein würde.
Er jedenfalls konnte es kaum erwarten, endlich ein Kind zu haben.
»Einen Erben…«, sagte Roswitha. Doch er wollte nicht nur einen Erben, er wollte Kinder.
Der Arzt hatte ihn vorgewarnt. Die junge Gräfin war sehr schmal gebaut, die Geburt würde nicht leicht werden. Trotzdem wollte Roswitha den ›Erben‹ auf Schloß Sternheim zur Welt bringen. Sie legte sich nicht zwischen irgendwelche gewöhnlichen Weiber in den Kreißsaal eines Krankenhauses.
Sternheim gab ihr in allem nach und richtete ein Zimmer im Schloß nach Angaben des Arztes ein. Nichts war ihm zu teuer. Und wenn Roswitha erst einmal sah, wie lieb so kleine Kinder waren, würde sie bestimmt auch ihre Meinung ändern und bereit sein, noch ein oder zwei Babys zu bekommen.
Jetzt nahm ihn der Arzt besorgt zur Seite.
»Es war keine gute Idee der Gräfin, zu Hause entbinden zu wollen. Es sieht nach Komplikationen aus. In der Klinik wäre man besser darauf eingestellt.«
Robert Sternheim sah ihn erschrocken an.
»Das Kind?«
»Nein, nein, keine Lebensgefahr, aber es könnte sein, daß es bei der Gräfin zu inneren Verletzungen kommt, die…«, er räusperte sich, »… unangenehme Folgen haben könnten.«
Roswitha hatte die letzten Worte mitbekommen.
»Was für Folgen?« herrschte sie den Arzt an.
»Daß Sie keine weiteren Kinder mehr haben können«, gab er ihr, verärgert über ihren Ton, der jetzt nicht mehr mit Schmerzen zu entschuldigen war, da die Anästhesie bereits wirkte, zur Antwort.
Sie lachte nur auf.
»Das ist schon in Ordnung. Nochmals mache ich das nicht durch.«
»Roswitha – wenn ich einen Krankenwagen bestelle –«
»Kommt nicht in Frage!« fuhr sie ihren Mann an. »Dann kriege ich das Baby womöglich mit Hilfe von ein paar unfähigen Sanitätern.«
»Da ist keine Gefahr. Durch die Anästhesie verzögert sich die Geburt«, erklärte der Arzt. »Außerdem würden die Hebamme und ich selbstverständlich mitfahren.«
»Nein«, sagte Roswitha. Und als alle betreten schwiegen, richtete sie sich halb auf und schrie wütend: »Nein, habe ich gesagt!« Dann ließ sie sich zurückfallen und begann, hysterisch zu weinen.
»Schon gut, Liebling«, sagte Robert Sternheim unglücklich. »Wir machen alles so, wie du es willst.«
Wieder wechselten der Arzt und die Hebamme einen Blick: Was hatte diesen ruhigen, sympathischen Mann dazu gebracht, diese Frau zu heiraten? Wenn man an die erste Gräfin dachte…
Am Abend kam das Baby. Es war ein Mädchen.
Graf Robert hielt es im Arm. In seinen Augen standen Freudentränen. So ein wunderhübsches, kleines Wesen. Der Arzt nahm ihn zur Seite.
»Ich muß Sie leider darauf aufmerksam machen, Graf: Das linke Bein des Kindes – es ist etwas kürzer. Doch vielleicht verwächst es sich noch.«
»Sie ist bezaubernd, und ich liebe sie«, war die Antwort des glücklichen Vaters. »Und bestimmt gibt es eine Möglichkeit, dies zu beheben. Und wenn nicht – es ist ja wirklich nur sehr geringfügig. Sehen Sie doch nur, Herr Doktor, was für wunderschöne, große Augen und lange Wimpern sie hat!«
Der Arzt war gerührt, und sein Mitleid mit dem Grafen wuchs.
Dieser wandte sich nun seiner Frau zu, die mit steinernem Gesicht dalag.
»Liebes, willst du nicht deine kleine Tochter sehen?«
Sie schloß für einen Moment die Augen, bevor sie mit leiser Stimme zu sprechen begann, immer lauter wurde und schließlich in einem haßerfüllten Kreischen endete, so daß ihre Stimme sich überschlug und der Graf unwillkürlich entsetzt einen Schritt zurücktrat.
»Ich will es nicht sehen! Ein Mädchen! Kein Erbe für den Namen und Besitz! Und dazu – ein Krüppel! Ein häßlicher Krüppel! Weg! Mir ekelt vor ihr! Weg!«
»Tut mir leid, Frau Gräfin«, die Hebamme war empört und dachte nicht daran, nachzugeben, »wir müssen das Kleine anlegen, damit die Milch bei Ihnen einschießt.«
Roswitha lachte höhnisch auf.
»Das können Sie sich sparen. Ich denke nicht daran, diesen Wechselbalg zu stillen. Weg, sage ich!«
Hilfesuchend sah der Graf den Arzt an. Der hob die Schultern. Um den Vater zu trösten, sagte er schließlich:
»Bis auf diesen kleinen, bedauerlichen Fehler ist es ein besonders hübsches Kind. Vielleicht, nachdem die Wöchnerinnendepression sich gelegt hat…«
»Ich habe keine Depressionen – ich will dieses verkrüppelte Kind nur nicht stillen!« schrie Roswitha.
»Was soll man tun?« fragte Sternheim verzweifelt.
»Ich kenne eine ausgezeichnete Kinderschwester, die wird sich um die Kleine kümmern. Heute kann man Gott sei Dank Kinder auch ohne Muttermilch aufziehen. In diesem Fall ist es bestimmt besser«, erklärte der Arzt und warf einen Blick voller Abneigung zur Gräfin hin.
Sternheim nickte bekümmert. Vielleicht würde ja noch alles gut werden…
*
Doch es wurde nicht gut.
Wie der Arzt befürchtet hatte, waren durch die Geburt bei Gräfin Roswitha innere Verletzungen aufgetreten, die eine weitere Schwangerschaft unmöglich machten. Der Graf versuchte sie zu beruhigen, doch sie war voller Vorwürfe gegen ihn und das kleine Mädchen. Sie beide wären schuld daran! Niemand konnte sie vom Gegenteil überzeugen. Ihrem Mann gegenüber nahm sie sich noch zusammen, schließlich hatte er das Geld. Um sie freundlicher zu stimmen, überschüttete er sie mit Geschenken und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Doch ihre Dankbarkeit und Freude über seine Großzügigkeit hielt nie lange an.
Das kleine Mädchen jedoch durfte ihr nicht einmal unter die Augen kommen. Sie haßte es und fand es widerlich und abstoßend. Oft sah sie es wochenlang überhaupt nicht. Die kleine Angelina, wie ihr Vater sie voller Zärtlichkeit genannt hatte, wuchs bei Kinderfrauen auf.
Sosehr Robert sein einziges Kind auch liebte, er wagte kaum, es zu zeigen. Nur, wenn er mit ihr allein war, küßte und streichelte er das kleine Mädchen und erzählte ihm Geschichten. Angelina betete ihren schwachen Vater an – und fürchtete ihre Mutter, wie die schönen Prinzessinnen im Märchen ihre Stiefmütter fürchteten. Im Innersten war sie fest davon überzeugt, daß Roswitha nicht ihre leibliche Mutter war!
Als sie sechs wurde, erklärte die Gräfin, nicht länger den Anblick des behinderten Kindes ertragen zu können.
»Wenn ich schon ihren unregelmäßigen Schritt höre, möchte ich wahnsinnig werden«, behauptete sie und bestand darauf, daß Angelina in eine Klosterschule kam.
Graf Robert gab nach, wie er um des lieben Friedens willen immer nachgab. Er selbst brachte Angelina zu den Schwestern. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn sie hier unter Kindern aufwuchs, tröstete er sich und sie. Die Schwestern waren unvoreingenommen, während zu Hause das Personal, um sich mit der Herrin gut zu stellen, auf der armen Angelina herumhackte und ihr immer wieder zu verstehen gab, daß sie nicht nur ein Krüppel, sondern auch bloß ein Mädchen sei – kein Erbe für den armen Grafen und die arme Gräfin.
Kein Wunder, daß der Kleinen von Anfang an Minderwertigkeitskomplexe eingeimpft wurden.
Dabei war Angelina, bis auf ihr kleines Gebrechen, ein wunderschönes Kind. Sie sah aus wie Schneewittchen mit einer zarten weißen Haut, schwarzen üppigen Locken und großen veilchenblauen Augen, umrahmt von dichten, langen dunklen Wimpern. Ihr feines Gesichtchen war etwas schmal für ein Kind ihres Alters. Und sie war ernst und schüchtern.
»Das gibt sich bald«, tröstete die Mutter Oberin, die das Internat leitete. Der Graf hatte ihr vorsichtig angedeutet, daß die Mutter das Kind ablehnte. »Bei uns hast du viele Spielgefährten, und wir alle haben dich lieb.«
Angelina sah sie ungläubig an, doch als die Nonne sie in den Arm nahm und an sich drückte, stahl sich ein schüchternes, kleines Lächeln auf ihre Lippen und ihre Wangen färbten sich rosig.
Trotzdem wurde der Abschied von ihrem Vater sehr schwer. Sie vergoß bittere Tränen. Er versprach, sie einmal in der Woche anzurufen. »Und in den Ferien kommst du natürlich heim.«
*
Die ersten Wochen weinte sich Angelina jeden Abend in den Schlaf. Doch allmählich merkte sie, daß es hier wirklich fröhlich zuging. Die Schwestern waren liebevoll, und die anderen kleinen Mädchen, von den Lehrern ermahnt, lachten sie nicht wegen ihres Hinkens aus, sondern bewunderten ihre Haare und die schönen Kleider. Angelina war so dankbar dafür, daß sie alles herschenkte – bis die Schwestern Einhalt geboten.
Wirklich wurden ihre Wangen bald rund und rosig, und auch wenn nach jedem Gespräch mit ihrem Vater Tränen flossen – sie war im Grunde gerne in dem Internat. Die Ferien verbrachte sie zu Hause – zumeist verreiste Roswitha in dieser Zeit, um ihre Nerven zu schonen, wie sie dem Grafen gegenüber erklärte. Und wenn sie selbst nicht wegfahren konnte, dann sorgte sie dafür, daß sie Angelina so wenig wie nur möglich zu sehen bekam.
Der Umstand, daß diese ein auffallend schönes Kind war, bestärkte sie nur in ihrem Haß.
Angelina war eine sehr gute und unkomplizierte Schülerin. Kein Wunder, daß sie allseits beliebt war – außer auf Schloß Sternheim, das doch ihr Zuhause war.
Als sie vierzehn Jahre alt war, rief die Mutter Oberin sie zu sich. Sie sah sie liebevoll besorgt durch ihre dicke Brille an. Das Mädchen fühlte, daß sie eine schlechte Nachricht für sie hatte.
»Setz dich, Angelina«, forderte die Nonne sie in sanftem Ton auf. Sie gehorchte zögernd. »Ich muß dir etwas sehr Trauriges sagen.«
Angelinas Augen wurden groß und angsterfüllt.
»Du mußt jetzt sehr tapfer sein, Liebes. Und ich möchte dir vorher versichern, daß du hier bei uns immer eine Heimat haben wirst. Vielleicht willst du ja einmal ganz bei uns bleiben.« Sie lächelte sie an. Angelina schluckte. Sie konnte vor Angst nicht sprechen.
»Dein Vater – hatte einen Herzinfarkt – er – ist tot.«
Angelina saß wie erstarrt, dann sank sie mit einem leisen Seufzer in sich zusammen.
Angelina lag mehrere Wochen schwerkrank auf der Krankenstation des Internats. Sie weinte und jammerte in ihrem Fieberwahn, und die Schwestern erfuhren in dieser Zeit mehr über das Unglück des armen Mädchens, als sie in den Jahren zuvor erraten konnten. Sie waren erschüttert und sehr besorgt um Angelinas Zukunft.
*
Auf Schloß Sternheim ging Gräfin Roswitha ganz in der Rolle der schönen, reichen, jungen Witwe auf. Natürlich würde sie die vorgeschriebene Trauerzeit einhalten, aber dann würde sie endlich anfangen, ihr Leben zu genießen, ohne einen langweiligen, zu alten Mann an ihrer Seite.
Die Testamentseröffnung brachte allerdings eine Überraschung mit sich, mit der Roswitha nicht gerechnet hatte. Zu sicher hatte sie sich der Liebe des verstorbenen Grafen gewähnt. Dieser hatte ihr zwar eine hohe Apanage ausgesetzt und bis zur Verheiratung Angelinas das Wohnrecht im Schloß, dann stand ihr bis zu ihrem Tode das Stadtpalais zur Verfügung – aber Haupterbin würde eines Tages Angelina sein. Nach Abschluß einer für die Führung des Betriebes entsprechenden Berufsausbildung, mit frühestens fünfundzwanzig Jahren.
Roswitha war außer sich vor Wut. Dieses Kind hatte ihr nur Unglück gebracht. Was sollte sie nur tun, um sie um ihre Rechte zu betrügen? Natürlich fand sie nicht, daß es ein Betrug war, was sie vorhatte – im Gegenteil. Sie war der Ansicht, daß Robert und Angelina sie betrogen hätten. Da hatte er immer so liebevoll und freundlich getan, um sie hinter ihrem Rücken aller ihrer Rechte zu berauben…