Die Chronik der Verdammten - Claudia Wendt - E-Book

Die Chronik der Verdammten E-Book

Claudia Wendt

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Beschreibung

Verdammt ist, wer seine Seele verliert? Verdammt ist, wer eine unglückliche Liebe erlebt? Oder ist es der, welcher sich selbst ins Unglück stürzt? In 12 fantastischen Erzählungen treffen Liebe, Unglück und Hoffnung aufeinander. So wie der Vampir Liebe empfindet, spürt die Gefangene Hoffnungslosigkeit. Und in manchen Momenten überwindet die Liebe alle Grenzen.

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Claudia Wendt

Die Chronik der Verdammten

Fantasygeschichten

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Chronik der Verdammten

Der Dolch

Das Nebelvolk

Das Ritual

Das Opfer

Der Biss

Der Hörsaal

Der Raum der Finsternis

Die Statue

Ein dreifacher Tod

Konsequenzen

Zoo

Schutzgeist

Impressum neobooks

Die Chronik der Verdammten

Andere Bücher der Autorin: Gedichte über Wesenheiten

Der Dolch

Ihr starrer erschrockener Blick war auf ihn gerichtet. Laura lag auf dem Boden und starrte ihn an.

Er war sich nicht im Klaren, wie so etwas geschehen konnte. Die Welt war aus den Fugen geraten. Er hatte seine Zähne hatten in ihren Hals geschlagen, um ihr Blut zu trinken. Der Dolch war bis zum Anschlag durch sein Herz gebohrt worden. Vorher noch hatte er in ihrem eigenen Hals gesteckt.

Schmerz verschlang sie. Leblos lag er da. Und er bewegte sich nicht. Vlad, der junge Vampir starb, während er ihr Blut trank, denn der Dolch, welcher ihn durchbohrte, war aus reinstem Silber. Sie weinte. Was war geschehen, dass sie so enden mussten?

Er hatte sie in der Stadt kennen gelernt. Laura war ihm besonders aufgefallen: jung, schlank, kurzes blondes Haar. Sie hatten sich öfter getroffen. Immer abends. Er war von ihr zum Essen eingeladen worden. Kopfschüttelnd hatte er abgelehnt. Sie verstand nicht, wieso er sich mit ihr treffen, aber nie mit ihr Essen gehen wollte, bis sie ihn eines Tages im Park sah.

Er hatte eine andere junge Frau getroffen. Der Anblick hatte ihr einen Stich ins Herz versetzt. Dann war sie von Neugier übermannt worden. Laura war hinter einen Busch getreten und beobachtete die beiden von dort aus. Einen Moment lang unterhielten sie sich. Dann beugte er sich hinunter um sie zu küssen. Sie sah, wie sich sein Mund langsam ihrem Hals näherte. Er küsste sie nicht, sondern biss genüsslich zu. Sie versuchte sich einen Moment lang zu wehren. Sie schrie nicht. Ein armseliges Jammern entrang sich ihrer Kehle. Kurz darauf sackte sie leblos zusammen. Vlad fing sie auf und legte sie sanft auf den Boden. Sie starb.

Laura trat aus dem Schatten ins Licht. Mit blutverschmiertem Mund sah er sie erschrocken an und wollte etwas sagen. Doch was? Etwa: „Sorry Schatz, ich bin ein blutsaugender, schrecklicher Vampir?“

Laura war entsetzt. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Was ging in ihr vor? Was sollte sie sagen? Erst hatte sie Entsetzen gepackt. Er eine Andere getroffen hatte, doch nannte man das „Hauptgericht“ wirklich „eine Andere?“ Das Einzige, was sie machen konnte, war sich umzudrehen und mit Tränen in den Augen davonzulaufen. Er folgte ihr nicht.

Seit dem hatten sie sich eine Woche nicht gesehen. Er saß abends allein auf der Bank. Ab und zu jagte er, um nicht zu verdursten, aber sie kam nicht wieder. Er dachte, es war sicher zu erschreckend für sie gewesen. Sie hatte gesehen was für ein Monster er war. Er war sich ziemlich sicher, dass sie nichts mehr von ihm wissen wollte. Dann stand sie vor ihm. In sicherer Entfernung setzte sich ans andere Bankende.

„Ich habe viel nachgedacht, aber ich weiß nicht, wie ich über so etwas überhaupt logisch denken kann. Denn es widerspricht aller Logik. Du bist so anders. Doch ich weiß nicht, ob ich dir nur als Nachspeise dienen sollte.“ Dann herrschte Stille. Sie stand wieder auf und ging. Noch eine Woche später saß sie wieder auf der Bank, bei ihm.

Ihre Treffen waren nicht unbeobachtet geblieben. Ein anderer Vampir hatte sie beobachtet. Es war eine Vampirin, die sich nach Vlad regelrecht verzehrte. Sie konnte nicht verstehen, wie er sich mit seiner Nahrung einlassen konnte, wenn er doch eine Unsterbliche haben konnte. Sie war traurig und wütend zugleich. Irgendwann stellte sie ihn zur Rede, aber er meinte, sie solle sich da raushalten. Das machte sie noch wütender.

Mit der Zeit staute sich ihr Hass auf Laura immer mehr auf. Sie beschloss, dem ein Ende zu machen.

Eines Tages fand sie einen Zettel in ihrem Briefkasten: „Ich warte auf dich im Park, wie immer.“

Laura vermutete, dass Vlad der Verfasser des Briefes war, aber etwas verwirrt war sie schon, denn er hatte ihr niemals bisher eine Nachricht hinterlassen. Laura schüttelte die Zweifel ab und ging in den Park. Es war dunkel. Die Sonne war bereits untergegangen und der Mond stand leuchtend voll am Himmel.

„Du bist also diejenige, die Vlad den Kopf verdreht“, stellte die Vampirin Klara nüchtern fest. Sie sah sie durchdringend an. Eifersucht hatte sich in ihrem Herzen ausgebreitet. Was wenn er sie eines Tages zu sich holte, um mit ihr zu leben? Die Vampirin wollte, dass er dem Menschenkind selbst den Todesstoß bereitete. Sie wollte, dass er das Mädchen sterben ließ, wie einen gewöhnlichen Menschen.

„Ich kann nichts dafür, dass er sich nicht für dich entschieden hat“, entgegnete Laura, etwas verunsichert und ängstlich. Sie wich einige Schritte weiter zurück.

„Du wirst schon noch den Richtigen für dich finden.“ Klara, die Vampirin, war wütend. Sie zog mit ihrer Hand, die sie in einen schwarzen Handschuh gehüllt hatte, einen Dolch heraus. „Silber“, sprach sie und umkreiste Laura Schritt für Schritt. „Es ist für Vampire tödlich. Aber der Dolch an sich kann auch für dich tödlich sein.“

Laura wich verängstigt noch weiter zurück. Wo war Vlad, wenn sie ihn brauchte? Warum war er ausgerechnet jetzt nicht im Park, wo er sich doch sonst hier aufhielt?

Klara näherte sich ihr langsam in leicht geduckter Haltung, wie eine Raubkatze und umkreiste sie langsam. Dann holte sie mit dem Dolch aus und versetzte ihr einen Schnitt am Arm. Laura konnte gar nicht schnell genug reagieren, denn mit dem Schwung, den sie von diesem Hieb noch im Arm hatte, stieß Klara ihr die Klinge in den Hals; sie knurrte wie ein Hund und stürzte sich auf Laura um ihr Blut zu trinken.

Vlad war bis jetzt mit seinem „Abendessen“ beschäftigt gewesen, völlig versunken in den Geschmack süßlichen roten Blutes vertieft, als er die Kampfgeräusche hörte. Sofort suchte er den Ort des Geschehens. Ein Stück weiter im Park, hinter einigen Büschen sah er, wie sich Klara auf Laura stürzte. Unverzüglich rannte er hinüber und riss Klara zurück. Wie in Trance nahm Laura den heruntergefallenen Dolch in die Hand. Ihr Hals schmerzte und sie war dabei das Bewusstsein zu verlieren, die rechte Hand auf die Wunde gepresst. Sie konnte nicht sprechen. Ein Blutrinnsaal lief von ihrem Hals hinunter und hinterließ einen großen Blutfleck, der sich vom Kragen her ausbreitete. Sie klammerte den Dolch fest in ihre Hand und sah aus, als würde sie etwas sagen wollen und es nicht konnte. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebte. Laura fiel.

Vlad ließ von Klara ab, mit der er gerungen hatte, um sie zur Rede zu stellen. Er rannte zu Laura, die am Boden lag. Erst sah er ihr Blut. Dann drang der Geruch zu ihm vor und verlor die Kontrolle. Es war zu viel. Wie ein Tier sprang er auf sie los, mit Augen voller Zorn. Er verbiss sich in ihrem Hals und fing an, ihr Blut zu trinken; der Zwang war so stark, dass er den Dolch nicht bemerkte, den das Mädchen von sich gestreckt hielt. Er hatte sich damit in eben diesem Moment, versehentlich durchbohrt. Laura schloss langsam die Augen. Sie war kreidebleich geworden und ihre Hand ließ kraftlos den Dolch los, den sie bis eben umklammert hatte. Vlad schrie schmerzerfüllt auf und sackte auf ihrem toten Körper zusammen.

Klara stand wie festgefroren da, schockiert den Blick auf die beiden gerichtet. Erst jetzt realisierte sie, was geschehen war.

„Vlad?“, fragte sie. „Vlad? Was ist mit dir? Ich wollte nur sie umbringen, nicht dich!“, schrie sie ihn an und rüttelte an seinem toten Körper, der in dem Moment zu Staub zerfiel. Klirrend fiel der Silberdolch zu Boden. Wie in Trance berührte sie ihn mit bloßer Hand und zerfiel in eben diesem Moment auch zu Staub.

Das Nebelvolk

Elisa sog mit geschlossenen Augen begierig die Luft ein. Der Duft erfüllte sie ganz und gar. Es war ein alter Duft. Ein Duft von altem Papier, gebunden. Es war der Duft alter Bücher. Sie öffnete die Augen und blickte sich um. Dann schlenderte sie, mit der Hand immer die Buchrücken streichelnd, zwischen den langen großen Regalen der Bibliothek entlang. Ab und zu blieb sie stehen und las die Titel auf den Buchrücken. Sie mochte die Bibliothek. In ihr waren so viele Geschichten verborgen. Sie enthielten so viele Schicksale, so viele Leben, und immer, wenn man eines von ihnen nahm und darin las, erlebte man es wie sein eigenes Leben. Man tauchte hinein und erlebte ein Geschehen, wahrhaftig und wirklich, wenn man sich vorstellte, wie man selber solche Gefahren und Geschichten erleben konnte. Elisa ging um die Ecke in die nächste Reihe. Es waren Holzregale von einem dunklen polierten Braun, in welchen die Bücher aufbewahrt wurden.

„Elisa! Wir müssen gleich zumachen! Bitte beeile dich! Ich habe keine Lust, deinetwegen Überstunden zu machen!“, rief Flora ihr von der Theke aus zu. Sie wusste, wie gerne Elisa in der Bibliothek stöberte.

In der Bibliothek waren nicht nur alte Bücher, sondern auch neue zu finden. Aktuelle Krimis, Thriller, Fantasy und Abenteuerromane. Natürlich auch vieles mehr. Auch sie hatten ihren ganz besonderen Duft. Ein neues Buch zu bestellen und darin zu blättern, war ebenfalls etwas ganz Besonderes. Es war der Geruch von neu Gedrucktem. Jedes Buch hatte sein eigenes Aroma. Elisa hätte sich stundenlang hinsetzen und in einem Buch herumschnüffeln können, bevor sie es las, aber auch währenddessen.

„Ich komme gleich!“, rief sie Flora zu. Diese grummelte etwas, sagte aber nichts weiter.

Wieder sog Elisa den Duft der Bücher ein, als ihr ein ganz besonderer Duft in die Nase stieg. Er war wie frisch gemähtes Gras und Blumen. Sie konnte sich nicht vorstellen, was für ein Buch solch einen Duft aussenden konnte. Sofort blieb sie stehen und sah sich um. Sie stand zwischen zwei Regalen, in denen dicke alte Lederwälzer standen. Es waren richtig große, schwere Bücher. Elisas Blick fiel auf eine Spalte, die zwischen zwei großen Büchern aufklaffte. Dazwischen stand ein Buch, welches nur halb so groß war wie die anderen. Sie legte ihren Kopf schief: „Das Nebelvolk“, las sie auf seinem Buchrücken. Sofort griff sie danach.

„Elisa! Bitte!“, rief es von vorne. „Ja, ja, ich komme schon!“ Elisa behielt das Buch in der Hand und eilte nach vorn zur Theke. „Entschuldige, ich habe noch etwas gefunden, was ich ausleihen möchte.“ Flora nahm den Scanner und schlug das Buch auf. „Komisch.“ Sie war verwundert. „Was ist denn?“, fragte Elisa neugierig. „Das Buch hat keine Bibliotheksmarkierung. Ob wir vergessen haben, es aufzunehmen?“, antwortete Flora ihr. Elisa nahm das Buch und blätterte darin. Es hatte weder Bibliotheksstempel noch sonst irgendwelche Anzeichen darauf, dass es hierher gehörte. „Vielleicht hat es jemand vergessen?“, spekulierte Elisa. Flora zuckte mit den Schultern. „Nimm es erst mal mit. Ich mag den PC jetzt nicht einschalten. Bring es einfach wieder her, wenn du es gelesen hast, und dann schauen wir mal.“ Elisa lächelt. „Danke!“ Sie freute sich darüber, denn normalerweise war Flora selbst bei so etwas als Bibliothekarin recht engstirnig. Sie winkte Flora zum Abschied zu und verließ die Bibliothek freudestrahlend.