Die Chroniken von Sandarion - Sabrina Mai - E-Book
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Die Chroniken von Sandarion E-Book

Sabrina Mai

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Beschreibung

»Ein erneutes Knacken und ein Stück der Schale brach ab. Eine Kralle kam zum Vorschein. Der Fuß trat einmal in der Luft und die gesamte Schale ging entzwei. Sie gab den Blick auf ein geschupptes Wesen frei.« Der Krieg tobt seit zwei Jahren in Sandarion und fordert seine Opfer. Schmerz und Verlust bestimmen Kaylas Alltag. Raguuns Dämonenarmee rückt an die Landesgrenzen vor, bereit, die Drachenkrieger zu vernichten. Menschen verschwinden und auch Kayla gerät in Gefangenschaft. Sie kennt ihre Peiniger. Mit Erschrecken stellt Kayla nach ihrer Flucht fest, dass Raguun nicht nur ihre Freunde, sondern auch Drachen kontrolliert. Während sie und ihr Seelengefährte Kieran eine letzte Bastion gegen den Feind errichten, überfallen die Dämonen die wichtigste Handelsstadt im Norden. Gegen diese Übermacht erscheint der Kampf in der entscheidenden Schlacht aussichtlos. Doch ein fremdes Mädchen bringt neue Hoffnung - drei Dracheneier, die noch voller Leben sind. Können sie gemeinsam die Apokalypse aus Cassandras Vision verhindern? Ein Fantasyroman um die Themen Liebe, Freundschaft und Magie.

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@Susanne Heiker

Über die Autorin:

Sabrina Mai, geboren 1988 lebt zusammen mit ihrem Mann in München. Bereits früh lernte Sabrina Geschichten zu lieben. Stundenlang kann sie sich in einem Buch vertiefen und begann bereits in jungen Jahren damit Geschichten zu schreiben. Als gelernte Erzieherin kann Sie ihre Freude am lesen und erzählen von Geschichten auch im Alltag freien Lauf lassen.

»Die Chroniken von Sandarion - Feuer & Herz« ist ihr erster Roman.

Für Patrick,

meinen Duine Anam,

mein schärfster Kritiker,

bester Motivator

und fleißigster Unterstützer

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Epilog

Prolog

Schwarze Aschewölkchen stoben auf, als ich mich von Kairens Rücken gleiten ließ und auf dem Boden landete. Staub wirbelte auf und legte sich auf meine Kleidung. Meine Schritte knirschten auf dem schwarzen Kies, der den gesamten Bergrücken bedeckte. Während ich den Hang hinauflief, ließ ich meinen Blick über die verkohlte Ebene schweifen. Tot. Anders ließ es sich nicht beschreiben. Vor nicht allzu langer Zeit war diese Ebene im Beanntangebirge von einem saftigen Grün und voller Leben gewesen. Jetzt war sie schwarz und grau, durchzogen von einer Dunkelheit und einer Boshaftigkeit, die jedes Leben auslöschte, das ihr in die Quere kam. Ein leichter Wind fuhr mir in die Haare und trug den Geruch von Tod und Asche mit sich.

Je höher ich stieg, umso deutlicher wurden die beiden Gestalten, die nah am Abgrund standen.

Kairen stieß ein Brüllen aus, das kurz darauf beantwortet wurde. Ein Schatten huschte über mich hinweg und ich konnte Cyras Schaudern bis in die Knochen spüren. Selbst die Drachen wollten sich nicht länger als nötig hier aufhalten.

Neben dem jungen Krieger blieb ich stehen und sah in die Tiefe. Einst von Geröll und Steinen bedeckt, war die Schlucht von Beanntan ein Naturschauspiel aus Gesteinsplatten gewesen. Jetzt bestand die Schlucht nur noch aus Finsternis. Ölige, rauchende Schwärze, die sich auf jede unbedeckte Stelle meines Körpers legen wollte. Ein Gedanke genügte und ein feiner Schild legte sich um mich, der meine Haut vor der schmierigen Dunkelheit schützte.

»Wir haben versagt«, sagte Elias. Seine Stimme war vom tagelangen Brüllen auf dem Schlachtfeld rau. Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass der junge König innerlich gebrochen war. Zu viele waren inden letzten Wochen gestorben. Der weiße Drache neben ihm schien ein Stückchen näher zu rücken.

»Wir haben alle versagt«, sagte ich. »Jetzt liegt es an der nachfolgenden Generation, sich der Dunkelheit zu stellen.«

»Wie kann ich mit diesem Wissen leben?«, fragte Elias. »Mit dem Wissen, dass ich das irgendjemandem aufgebürdet habe?«

»Du musst. Du bist der König. Es war nie an dir, An Ugur zu besiegen.«

Elias ballte die Hände zu Fäusten. Seine blasse Gesichtsfarbe bekam rote Flecken. »Ich hasse das. Wie lange wird es dauern?«

Ich antwortete nicht darauf, denn es war nicht nötig. Jeder Mensch hatte seine Rolle in der Welt. Selbst die Götter hatten eine. Auch wenn sie dies gerne vergaßen.

Nachdem ich nicht antwortete, blickte Elias auf. »Werden sie ihn besiegen können?«

»Die Zukunft ist ein Fluss«, sagte ich. »Mit jeder Entscheidung ändert sich das Leben eines Menschen und dessen Zukunft. Nicht mal ich kann mit Sicherheit behaupten, was geschehen wird.«

Elias schnaubte. »Wofür lohnt es sich dann noch zu kämpfen? Wenn nicht einmal die Götter alles wissen?«

Ich wandte mich ihm zu. »Für das Leben.«

Elias stieß einen verzweifelten Laut aus und der weiße Drache neigte seinen Kopf zu Elias hin. Der junge König schloss einen Moment die Augen und legte dann eine Hand auf die Schnauze des Drachen. »Wie wird es weitergehen?«

»Das könnt nur ihr Menschen selbst entscheiden. Dies ist euer Leben«, sagte ich und begann mich zurückzuziehen. Meine Aufgabe hier war erledigt. Zeit, nach Hause zurückzukehren und den Menschen die Möglichkeit zu geben, zu Leben.

»Wirst du Kajun mitnehmen?« Elias Blick richtete sich auf mich. Genau wie der Blick seines Drachen. Ich schüttelte meinen Kopf. »Die Welt wird sich wandeln. Drachen und Menschen werden gemeinsam herrschen und diesem Land Frieden schenken. Die Drachen habenselbst entschieden, ihr Leben mit dem euren zu verknüpfen. Ich habe es ihnen nur ermöglicht.«

Kairen senkte den Kopf, als ich zu ihm stieß. »Soll ich wirklich glauben, dass wir uns komplett zurückziehen?«, brummte er und sah mich aus seinen gelben Augen an. Ich ließ ein letztes Mal meinen Blick zurück zu dem jungen König gleiten, ehe ich Anlauf nahm und mich über Kairens Bein auf seinen Rücken schwang. »Fürs erste werden wir uns zurückziehen. Was danach kommt, werden wir sehen.«

Kairen unter mir schnaubte belustigt, faltete seine riesigen Flügel auseinander und erhob sich in die Luft. Erneut fiel ein Schatten auf mich. Cyra streifte mit ihren Flügeln sanft die von Kairen, ehe sie neben uns herflog. »Keine Sorge, Liebster. Es wird nicht lange dauern, da wird ihm wieder langweilig werden. Er kann gar nicht anders, als sich in die Belange der Menschen einzumischen.«

Ich lachte und der Drache unter mir antwortete mit einem Brummen. Wir stiegen über die letzten Gipfel des Beanntangebirges und mit einem Gedanken umhüllte ich uns mit goldenem Schimmer. Wurde unsichtbar für die Augen der Menschen. Wurde zu einer Erinnerung.

1

Kieran fluchte, als er erneut in einer der zahlreichen Matschpfützen stecken blieb. Der Regen in den letzten Tagen hatte sämtliche Wege aufgeweicht.

Es war noch früh am Morgen, nur ein paar Krieger waren auf den Beinen. Er selbst war vor einer halben Stunde von einer Mission zurückgekommen. Er seufzte. Das Treffen mit Caleb und seinen Leuten hatte sich länger hingezogen, als die zwei geplanten Wochen. Schuld daran waren die ständigen Überfälle an der Grenze zu den schwarzen Landen im Norden.

Nach seinem Angriff vor zwei Jahren hatte Raguun die ganze Anverninische Ebene im Norden für sich beansprucht. Die Curaidhean Dubha und eine Einheit Drachenkrieger waren an der neuen Grenze stationiert. Noch immer hatte Raguun seine Legionen, wie viele es auch sein mochten, nicht geschickt. In den letzten zwei Jahren war eine Menge geschehen, sodass er oft das Gefühl hatte, nicht mehr hinterherzukommen.

Zwei Jahre waren eine lange Zeit. Vierundzwanzig Monate, in denen sie sämtliche Dörfer und Städte Sandarions gesichert hatten, in denen sie Ernten verloren hatten, weil feindliche Krieger sie niederbrannten. Siebenhundertdreißig Tage, in denen sie alles Erdenkliche getan hatten, um herauszufinden, wo Raguun sich aufhielt oder wann er zuschlagen würde.

Und was hatten sie geschafft? Nichts. Der Krieg dauerte schon so lange, und es war ihnen nicht gelungen, ihren Widersacher zu stellen oder herauszufinden, wo er seinen Stützpunkt hatte. Sicherlich, es gab genügend Hinweise. Doch entweder sie stellten sich als falsch heraus, oder sie kamen erst gar nicht so weit, um die Wahrheit dahinterherauszufinden. Der komplette Norden war innerhalb weniger Monate überrannt worden und derzeit in den Händen ihrer Feinde. Was sie auch versuchten, sie waren nicht in der Lage gewesen, die Menschen dort zu beschützen und zu befreien. Ob sie noch lebten? Das wusste keiner.

Kieran war sich nicht sicher, was ihm lieber wäre. Leben würde bedeuten, sie wären in den Händen ihrer Feinde. Er mochte sich kaum ausmalen, in den Fängen Raguuns zu sein. Es wäre kein Leben, sondern der langsame Tod. Noch immer plagte ihn die Vergangenheit. Dass Raguun sein Vater war, beschäftigte ihn nach wie vor. Und obwohl Derek damit seinen Frieden gemacht zu haben schien und Hektor es ihm nie vorgeworfen hatte, kämpfte er selbst mit diesem Wissen. Aber es war egal, wie er darüber dachte, es blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Bestes zu geben. Sie hatten keine Möglichkeit, weiter in den Norden vorzurücken. Sämtliche Krieger, die sie ausgesandt hatten, waren nicht zurückgekehrt. Irgendwann hatte Hektor eine schwere Entscheidung treffen müssen. Erkundungen würden die Zahl der Drachenkrieger und Soldaten, die ihnen zur Verfügung standen, nur unnötig verringern. Sie zogen sich in den Schutz des Eldanorawaldes zurück. Aktuell hatten sie keine andere Möglichkeit, als ihre Posten zu verteidigen. Und das taten sie jeden Tag. Und jeder weitere, der verging und an dem Raguun nicht vorrückte, war ein guter Tag.

Gemeinsam mit Kayla, Hektor und den Drachenkriegern war es ihnen gelungen, um Kalian, Daria und fünf weitere Städte in Sandarion einen Schutzwall zu errichten, der alle Menschen vor der dunklen Macht schützte, die über das Land rollte. Hier um den Eldanorawald war ebenfalls ein solcher Wall errichtet worden. Chronos selbst hatte seine Stärke miteinfließen lassen, deshalb war es Schergen Raguuns nicht möglich, diese Grenze zu überschreiten. Der Wall ließ niemanden mit Dunkelheit im Herzen und der Seele durch. Hier waren sie sicher. Zumindest solange es ihnen vergönnt war.

Er wich einem Karren aus, der mit Heu beladen war. Sie hatten das Dorf kurz nach dem Überfall auf den Daritaswald gegründet. Zuerst war es als Stützpunkt gedacht gewesen. Ein Ort, an dem sich Kriegerversammelten und neue Befehle erhielten. Mittlerweile war es ein Zufluchtsort für all jene geworden, die ihr Heim verloren hatten. Eldan war Hoffnung. Eine Hoffnung auf Sicherheit, ein Zuhause und eine Zukunft.

Im Dorf lebten Handwerker, Krieger und Familien. Etwa zweitausend Krieger waren aktuell hier stationiert. Die restlichen Drachenkrieger kamen und gingen, je nachdem wohin sie geschickt wurden.

Immer wieder verschwanden Krieger nach einem Auftrag spurlos. Entführt von den dunklen Soldaten. Keiner wusste, wohin sie gebracht wurden.

Der Rest der Einheiten war im ganzen Land verteilt, in den Städten oder auf dem Land. Hektor sandte sie aus, damit sie sich um die Überlebenden kümmerten und die Grenzen bewachten. Er sah Hektor jeden Tag an, dass ihn seine Hilflosigkeit schmerzte. Er dachte an seine Freunde Marila und Doran. Vor zwei Jahren hatten sie den Kontakt zur Clach a tuath verloren. Zeitgleich mit dem Angriff auf das Kriegslager wurde die nördliche Draknerei angegriffen. Seine beiden Freunde waren seitdem unauffindbar. Jegliche Suche verlief im Sand. Sie konnten nichts tun, außer zu den Göttern zu beten, dass sie noch am Leben waren.

Kieran kam an der großen Halle vorbei. Die Tische davor waren nur spärlich besetzt und Marlin scheuchte ihre Mädchen hin und her, damit jeder etwas zu essen bekam. Als sie ihn erkannte, winkte sie ihm zu. »Schön, dass du wieder da bist. Möchtest du etwas essen?«

Kieran schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, aber nein. Ich komme später. Ich bin auf der Suche nach Kayla. Weißt du, wo sie ist?«

Marlin schüttelte den Kopf. »Ich hab sie heute noch nicht gesehen. Wahrscheinlich ist sie schon auf dem Trainingsplatz.«

»Von dort komme ich gerade.«

»Dann schläft sie vermutlich noch. Das würde ihr zumindest nicht schaden. Diese Frau arbeitet rund um die Uhr und gönnt sich keinerlei Pause.«

Kieran schmunzelte. Marlin hatte recht. Seit Kayla damals aus dem Koma erwacht war, schien sie rastlos zu sein. Sie war morgens meist die Erste auf dem Trainingsplatz und abends die Letzte. Sie war immer für andere da. Für die Menschen und für Hektor. Auf dem König lastete eine große Verantwortung, die ihn manchmal zu erdrücken schien. Kayla und er selbst unterstützten ihn, so gut es ging. Sie hielten ihm den Rücken frei, damit er sich auf die politischen Dinge konzentrieren konnte.

Deshalb war es ungewöhnlich, dass Kayla bisher nirgends aufgetaucht war. Er verabschiedete sich von Marlin, der guten Seele des Dorfes, und machte sich auf den Weg zu ihrer Hütte.

Als sie Eldan gegründet hatten, war hier nichts als Wald gewesen, doch mit der Zeit entstanden viele verschiedene Hütten. Manche waren in die Bäume hineingebaut worden, andere standen auf Pfählen, da der Regen den Untergrund aufweichte. Die meisten der Krieger schliefen in den Soldatenunterkünften. Große Bauten, in denen viele Menschen Platz fanden. Nur Krieger und Soldaten, welche eine eigene Familie hatten, bewohnten die kleinen Hütten. Jeder hier hatte seinen Platz.

In dem Moment, als er einen Fuß auf die Treppe setzte, die zu ihrer Hütte hinaufführte, erblickte er Junia, ein junges, mageres Mädchen, das Kayla von der Straße geholt hatte. Sie stand neben der Treppe und sah sich schüchtern um.

»Junia, guten Morgen. Wo ist dein Bruder?«, fragte Kieran. Mit großen Augen starrte sie ihn an. Sie und ihr Zwillingsbruder Mika waren nach wie vor eingeschüchtert, wenn sie ihn oder einen der anderen Krieger antrafen. Die beiden waren vierzehn Jahre alt und seitdem der Krieg tobte Waisenkinder. Sie waren lange Zeit auf sich allein gestellt gewesen. Seit ihrer Ankunft in Eldan wichen sie Kayla kaum von der Seite. Für sie war sie eine Art Ersatzmutter. Und Kayla ließ sich gerne in diese Rolle drängen. Denn obwohl sie nie darüber sprach, so wusste er, dass ihr Cassy fehlte. Er hatte nicht gewusst, was der Verlust eines Kindes mit einem anstellen würde. Zwei Jahre. Zwei Jahre war es her, dass sie ihre Tochter das letzte Mal gesehen hatten.

»Er wollte was essen gehen«, murmelte Junia und riss ihn aus seinen Gedanken. »Und was ist mit dir? Hast du keinen Hunger?«, fragte Kieran und schaute auf ihre schmale Figur. Sie hatten so lange auf der Straße und von der Hand in den Mund gelebt, dass es ihm schier das Herz zerbrach, wenn er sie sah.

»Doch, aber … ich wollte Meisterin Kayla fragen, ob…« Sie verstummte. Er zog eine Augenbraue hoch. Er hoffte, dass sie die Angst ihm gegenüber irgendwann verlieren würde. Er deutete auf eine der Türen. »Ist sie noch zuhause?«, fragte er. Das Mädchen nickte.

»Dann lass uns klopfen und sie fragen, ob sie frühstücken möchte.«

»Nein, schon gut«, piepste Junia. Kieran sah sie verwirrt an. »Ich werde bei Marlin auf sie warten.« Mit gesenktem Kopf und roten Wangen lief sie an ihm vorbei. Kieran schüttelte den Kopf. Dieses Mädchen hatte Angst vor ihm.

Er lief die letzten Stufen hinauf und öffnete leise die Tür zu ihrem kleinen Zuhause.

2

Als die ersten Sonnenstrahlen zum Fenster hereinfielen, erwachte Kayla aus ihrem Traum. Ein Gefühl der Geborgenheit begleitete sie. Einen Moment lag sie still da, ehe sie sich streckte und sich nach links drehte, um ihr Gesicht im Kissen zu vergraben. Sie schlang die Arme darum und wollte sich ein paar Sekunden Zeit lassen, ehe sie sich den endlosen Besprechungen und Herausforderungen des Tages stellen musste.

Ein leises Lachen drang an ihre Ohren und riss sie aus ihrem Schlummer. Sie schoss in eine aufrechte Position. Ihr Feuer erwachte schlagartig aus seinem Schlaf. Adrenalin pumpte durch ihre Adern, in Erwartung eines Feindes, als sie in vertraute Augen blickte. Ihr morgendliches Hirn brauchte einen Moment, um die Person nicht als Gefahr abzustempeln. Kieran saß angezogen neben ihr auf der Bettkante und grinste sie an. Die Narbe, die sich über seine rechte Gesichtshälfte zog, war in den letzten Wochen blasser geworden. Seine Haare waren etwas länger als üblich, was aber seinem Anblick nichts abtat. Ihr Puls beruhigte sich.

»Hätte ich gewusst, dass du dir während meiner Abwesenheit meine Seite des Bettes eroberst, wäre ich schon viel früher zurückgekommen.« Kaylas Herz klopfte rasend, während sie sich zurück in die Kissen lehnte und lächelte. »Tja, was soll ich sagen. Selber schuld, wenn du deine Frau sieben Wochen allein lässt. Da hätte dir von vornherein klar sein müssen, dass du Verluste zu verzeichnen hast.«

Kieran grinste. »Ich glaube, damit kann ich leben. Denn die Vorstellung, dass du mich so sehr vermisst hast und auf meiner Seite des Bettes geschlafen hast, erfüllt mich mit purem männlichem Stolz.«

Kayla schnaubte und verdrehte die Augen. »Du bist ein Idiot. Als ob ich das nötig hätte.«

Kieran beugte sich zu ihr. Hielt sie mit einem Blick gefangen. »Mo Chridhe, wir wissen beide, dass es so ist.« Und ehe sie antworten konnte, eroberte er ihren Mund mit einer Heftigkeit, die sie aufstöhnen ließ. Ein Kribbeln erfasste sie und fuhr durch ihren ganzen Körper. Er hatte vollkommen recht. Sie hatte ihn vermisst. Jeden wachen und nicht wachen Augenblick. Sie erwiderte den Kuss mit derselben Intensität. Sieben Wochen waren zwar im Vergleich zu den Jahren ihrer Trennung ein Wimpernschlag, doch es änderte ihre Gefühle nicht. Sie gehörten zusammen. Brauchten den anderen wie Luft zum Atmen. In der heutigen Zeit waren sie oft genug gezwungen, getrennt zu agieren. Ihre Positionen verlangten es von ihnen, aber immer wieder fanden sie ihren Weg zueinander. Doch leicht fiel es keinem von ihnen. Ein Stöhnen verließ erneut ihre Lippen, als Kieran sie mit seinem Gewicht in die Kissen drückte. Genau diese Momente waren es, in denen sie beide daran erinnert wurden, dass sie am Leben waren.

Einige Zeit später lag Kayla angekuschelt an Kierans Brust und sog seinen Duft nach Sonnenaufgang und Wasser tief ein. »Wie geht es Caleb und den anderen?«, fragte sie.

Kieran strich sich eine Strähne aus der Stirn. Er hatte sie in den letzten zwei Jahren wachsen lassen, was sein Gesicht weniger hart wirken ließ. »Relativ gut. Caleb hat es geschafft, die Verluste vom letzten Jahr wieder auszugleichen. Er hat drei neue Leute rekrutiert.«

»Drei Stück? Wo hat er die denn aufgetrieben?« Sie schnaubte ungläubig. Als Kieran schwieg, sah sie ihn an. »Was?«

»Es waren viel mehr, die sich den Curaidhean Dubha anschließen wollten.« Fragend zog Kayla eine Augenbraue hoch. »Viel mehr? Wie viel mehr?«

»Ungefähr fünfzehn.«

Jetzt richtete sie sich vollkommen auf und sah auf ihn herunter. »Fünfzehn Menschen wollten sich den Curaidhean Dubha anschließen?Warum denn das? Bis vor kurzem wurdet ihr noch mit Missachtung bestraft.«

Kieran setzte sich auf und lehnte sich ans Kopfteil des Bettes. »Ich war selbst überrascht. Caleb hat mir zwar geschrieben, dass sie genügend Anfragen hätten, aber dass es so viele sind… Manche Menschen sind unzufrieden. Sie glauben, Hektor würde nichts für sie tun. Sie wissen, dass Caleb und die anderen an der nördlichen Grenze patrouillieren. Viele wollen ihrer Wut nun selbst Ausdruck verleihen.«

»Das ist gar nicht gut«, murmelte Kayla. Kieran schüttelte den Kopf. »Nein, ist es nicht. Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, waren voller Zorn. Einen Teil konnte ich davon überzeugen, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Aber ein paar Vereinzelte waren sehr überzeugt von ihrer Meinung. Das Problem ist, dass viele noch immer glauben, die Curaidhean Dubha agieren auf eigene Faust. Von Zeit zu Zeit mag das durchaus gut sein, aber ich denke, Hektor muss an der Grenze präsenter werden. Es reicht schon eine Weile nicht mehr, nur die Curaidhean Dubha dort patrouillieren zu lassen.«

»Was ist mit den Drachenkriegern, die wir hingeschickt haben?«

»Viele glauben, dass sie uns nur kontrollieren, statt zu helfen.«

»Wer glaubt das?«, fragte Kayla und zog ihre Augenbrauen zusammen. Das letzte Mal, als die Curaidhean Dubha in Eldan gewesen waren, hatten sie sich mit Dastan und den anderen Kriegern verstanden. Deswegen hatten sie Dastans Truppe mit ihnen mitgeschickt. Als Kieran nicht antwortete, fragte sie erneut. »Wer glaubt, dass Dastan und seine Leute nur dafür da sind, die Curaidhean zu kontrollieren?«

»Ein paar Bewohner des Grenzdorfes, Kurt, Melana, Eric…«

»Anna?«, half Kayla nach. Kieran seufzte. »Ja, auch Anna.«

Sie schnaubte. »Als ob das etwas Neues wäre.«

»Werdet ihr beide euch eigentlich immer ankeifen müssen?«, fragte Kieran und richtete sich auf.

»Oh, ich weiß nicht. Wird sie immer so eine bo gorach sein?« Sie lächelte süffisant. Kieran schüttelte den Kopf. Er wusste, was sie von Anna hielt und dass diese Diskussion zu nichts führte. Kayla würde sichniemals mit Anna verstehen, dazu waren beide zu unterschiedlich. Und zu stur. Aber das würde sie vor ihm nie zugeben.

»Wir sollten mit Hektor reden. Vielleicht hat er eine Idee, wie wir weiter vorgehen«, sagte Kieran und Kayla verdrehte die Augen bei dem offensichtlichen Versuch, das Thema zu wechseln, beließ es aber dabei. »Ich habe bereits mit ihm darüber gesprochen, während du unterwegs warst. Aber was bringt es, weitere Krieger zu schicken, wenn deine Leute derselben Meinung sind wie manche Bewohner?«

»Mach dir mal darüber keine Sorgen. Ich habe mit ihnen geredet. Außerdem sieht Caleb es zum Glück wie ich. Wir können diesen Krieg nicht gewinnen, wenn wir uns gegenseitig bekämpfen. Die anderen werden das auch einsehen.«

»Ach wirklich? Und warum sollten sie das tun?«

»Weil ich dafür gesorgt habe«, meinte Kieran nur und glitt aus dem Bett. Während er nach seinem Hemd griff, das auf dem Boden lag, fragte Kayla: »Was soll das heißen?«

Erst, als er sich sein Hemd überstreifte, sah er sie wieder an. »Du vergisst, dass ich immer noch ihr Anführer bin, auch wenn Caleb aktuell das Kommando hat. Aber sie müssen immer noch mir Rede und Antwort stehen. Und auch wenn eine Handvoll es vielleicht nicht gerne sieht, dass sich Drachenkrieger unter ihnen befinden, so werden sie sich arrangieren.«

»Trotzdem verstehe ich immer noch nicht, was das damit zu tun hat, dass du ihr Anführer bist.« Kayla stand auf der anderen Seite des Bettes auf und griff nach ihrem Hemd. Herausfordernd sah sie ihren Mann an.

Kieran schloss seine Hose und sah einen Augenblick seine Frau an. »Willst du das wirklich wissen?«, fragte er dann.

Kayla zog die Augenbraue nach oben. »Ich weiß nicht genau. Will ich?«

Sein Blick sprach Bände. Kayla seufzte. »In Ordnung. Aber eines will ich noch wissen.« Sie ging um das Bett herum zu ihm. Sie schnappte sich seinen noch offenen Gürtel und begann ihn zuzumachen. Kokettgrinste sie ihn an. Kieran beobachtete sie, zog dabei aber die Stirn in Falten. »Hat Anna wenigstens beleidigt den Schwanz eingezogen?«

Kieran schüttelte den Kopf. »Du bist unmöglich.«

»Aber deshalb liebst du mich doch.« Sie lachte und wandte sich ab. Jetzt wanderten seine Augenbrauen skeptisch nach oben. »Manchmal bin ich mir da nicht so sicher.« Er lachte laut, als die Haarbürste geflogen kam und nur knapp seinen Kopf verfehlte.

Ein paar Stunden später herrschte gedrückte Stimmung, als Kayla und Kieran den Besprechungsraum verließen. Der König hatte dieselben Bedenken geäußert wie sie. Kieran blieb aber bei seiner Meinung, dass es sinnvoll wäre, weitere Truppen zu entsenden, und dass die Curaidhean Dubha sich schon damit abfinden würden.

Also hatten sie sich geeinigt und würden weitere Unterstützung ins Grenzgebiet schicken.

Kayla lehnte am Zaun, der den Trainingsplatz umgab, und sah den Kriegern beim Training zu. Es war kurz vor Mittag und sie bereits erschöpft. Ein Zustand, der seit zwei Jahren auf allen lastete. Sie war so in ihre Gedanken versunken, dass sie Kieran nicht kommen sah. Sie erschrak, als er sie von hinten umarmte und ihr einen Kuss auf den Nacken drückte. »Ein Goldstück für deine Gedanken«, murmelte er.

»Ich hoffe, dass diese Mission reibungslos verläuft.«

Er gab ihr einen Kuss auf den Hals. Kayla erschauderte. »Hab Vertrauen. Das wird schon.«

Kayla schnaubte. »Vertrauen? Sei mir nicht böse, aber einige deiner Männer laden nicht gerade dazu ein.«

»Vertraust du mir?«, fragte er und sie sah ihn an. »Natürlich vertraue ich dir. Darum geht es ja nicht.« Er drehte sie in seinen Armen herum, um ihr in die Augen zu sehen.

»Doch, genau darum geht es«, sagte Kieran. »Ich habe euch mein Wort gegeben, dass es funktionieren wird. Und das wird es auch. Ich bin schon sehr lange Anführer der Curaidhean Dubha. Wir haben unseren Ruf, ja, aber schon lange akzeptieren wir keine korrupten Mitglieder. Wir kämpfen für unser Land und die Menschen, die in ihm leben. Nicht immer nach Anweisung des Königs, aber immer so, dass kein Unschuldiger zu Schaden kommt.« Er strich ihr über den Rücken. »Nicht jeder mag mit unseren Methoden einverstanden sein, aber du weißt, dass es oft einfacher ist, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, als sie unendlich zu diskutieren. Meine Leute sind keine schlechten Menschen. Manchmal mag es den Anschein haben, aber ich und Caleb haben dafür gesorgt, dass jedem bewusst ist, für wen und wofür wir arbeiten. Wir sind nicht ohne Moral. Auch wir haben Prinzipien.«

»Das habe ich euch auch nie unterstellt. Ich weiß aber auch, dass einige … vorschnell handeln, ohne nachzudenken.«

»Soweit ich weiß, gibt es diese Menschen nicht nur bei den Curaidhean Dubha«, entgegnete Kieran.

Kayla verdrehte die Augen und hob ergeben die Hände. »Ist ja in Ordnung. Ich habe es verstanden.«

Kieran schloss sie schmunzelnd in seine Arme und legte sein Kinn auf ihrem Kopf ab. »Das wird schon werden. Ich verspreche es dir.«

Und weil sie in den letzten Jahren gelernt hatte, jeden Augenblick, und sollte er auch noch so klein sein, zu genießen, kuschelte sie sich in seine Arme, während sie den Kriegern beim Training zusahen.

»Wie sieht der Plan für heute Nachmittag aus?«, fragte Kieran.

»Da es keine weiteren Besprechungen gibt, wollte ich Marlin und ihre Truppe nach Daros begleiten. Dort ist heute Markt und sie brauchen Vorräte. Ich dachte, rauszukommen, würde mich davor bewahren, Jorek Balka den Kopf von seinen arroganten Schultern zu reißen.«

Kieran schmunzelte. »Klingt gut. Darf ich mich anschließen?«

Kayla lächelte. »Aber klar. Can war sowieso nicht begeistert, dass ich ihn dazu verdonnert habe.«

Kieran lachte. »Wie kamst du auch darauf, ausgerechnet ihn zu fragen? Er würde sich lieber in ein Nest voller Deamhain hineinwerfen, als mit einem Haufen Frauen einkaufen zu gehen.«

Kayla schmunzelte. »Da gebe ich dir vollkommen recht und genaudeshalb habe ich ihn ausgewählt. Es wird Zeit, dass er mal unter Leute kommt. Mir gefällt nicht, wie seine Prioritäten sich entwickeln. Immer nur Trainieren und Kämpfen ist auf Dauer nicht gesund.«

Kieran schüttelte amüsiert den Kopf, legte den Arm um die Schultern seiner Frau. »Du willst ihn verkuppeln.«

»Nein, will ich nicht. Wie käme ich denn dazu?«

»Weil ich dich kenne, mo Chridhe. Du kannst keiner Romanze aus dem Weg gehen. Auch wenn du behauptest, das würde dich nicht interessieren. Ich weiß es besser.«

Kayla verzog den Mund und zuckte mit den Schultern. »Es könnte zumindest nicht schaden.«

3

In Daros herrschte reges Treiben. Die Straßen waren überfüllt. Kayla und die anderen wurden immer wieder angerempelt, doch keinen schien es zu stören. Jeder ihres kleinen Trupps schien glücklich, mal unter Leute zu kommen. Die Luft war erfüllt vom Stimmengewirr. Die Händler priesen ihre Waren an, egal, ob Lebensmittel oder Stoffe, Schmuck oder Schuhe. Sie riefen durcheinander, um auf sich aufmerksam zu machen. Männer, Frauen und Kinder liefen über den Marktplatz und die Gassen von Daros. Sie begrüßten sich oder feilschten miteinander. Aus jeder Ecke ertönte Lachen. Kinder rannten zwischen den Erwachsenen hin und her. Gelegentliche Schimpftiraden ignorierten sie und flitzten weiter.

Marlin und ein paar Frauen aus Eldan standen seit mehreren Minuten an einem Stand mit Keramik und anderen Waren. Marlin war tief in ein Verhandlungsgespräch mit dem glatzköpfigen Händler vertieft.

Kayla schmunzelte. Die Wangen des Mannes färbten sich von Minute zu Minute mehr. Leichte Schweißtropfen standen ihm im Gesicht und immer wieder sah er hektisch zur Seite. Doch niemand war da, um ihm zu helfen. Marlin hatte ihn vollkommen in der Hand. Die Köchin stemmte die Arme in die Hüften und sah ihn streng an.

»Wie lange er wohl noch durchhält?«, fragte Kieran grinsend.

»Ich gebe ihm vielleicht noch fünf Minuten. Aber nicht mehr.« Kayla sah belustigt dem Schauspiel zu.

»Der arme Mann ist völlig am Ende mit den Nerven«, lachte Kieran. In dieser Sekunde nickte der Händler ergeben. Marlin konnte sich ein selbstzufriedenes Lächeln nicht verkneifen.

»Jedes Mal wieder sehenswert«, grinste Kieran, als der Händler damit begann, die Waren zusammenzuräumen. Marlin trat auf sie zu.

»Ich würde gerne noch zum Kräuterhändler, wenn ihr nichts dagegen habt.«

»Willst du den auch zum Weinen bringen?«, fragte Kayla.

»Ach rede nicht so einen Quatsch. Ich bringe niemanden zum Weinen. Kieran kommst du? Ich brauche jemanden, der die Kisten tragen kann.« Mit diesen Worten stapfte sie los. Kayla und Kieran sahen ihr nach und brachen in Gelächter aus. Kayla tätschelte seine Schulter. »Ich wünsche dir viel Spaß, großer, starker Mann. Pass nur auf, dass sie nicht den ganzen Markt leerkauft.«

»Glaubst du wirklich, ich könnte sie aufhalten, wenn sie das vorhätte?«

Kayla überlegte einen Augenblick. »Ich fürchte, diese Person ist noch nicht geboren. Aber ich wünsche dir viel Erfolg bei dem Versuch. Hat mich gefreut, dich gekannt zu haben.« Sie kicherte.

Kieran schüttelte den Kopf und folgte Marlin. Dabei murmelte er: »Vielleicht hätte doch besser Can mitkommen sollen.« Kayla lachte so laut, dass einige Umstehende sie verwirrt ansahen. Sie wandte sich lächelnd ab und half den anderen dabei, den Wagen zu befüllen, der ein wenig abseits des Marktes stand.

Sie hievte einen der Getreidesäcke auf den Wagen, als ein Zupfen an ihrer Tunika sie innehalten ließ. Sie blickte an sich herab und sah in die braunen Augen eines kleinen Mädchens. Es schien nicht älter als acht Jahre zu sein.

»Kann ich dir helfen?«, fragte Kayla.

Das Mädchen hatte abgetragene Kleidung an. Ihr Körper war zu mager für ihr Alter. Ihr Gesicht wirkte eingefallen, die Schatten unter ihren Augen waren deutlich zu sehen. Sie nickte und deutete hinter sich. »Mein Bruder braucht Hilfe«, sagte sie mit piepsiger Stimme. Kayla legte den Sack zur Seite und wandte sich ihr zu. »Wo ist dein Bruder?«

Das Mädchen nahm ihre Hand und zog sie mit. Sie rannten bis zur nächsten Seitengasse. Dort bog es rechts ab.

Die Gasse war lediglich etwa dreißig Meter lang und drei Meter breit. Die Sonne, die erbarmungslos vom Himmel schien, lugte kaum hinein. Allerlei Unrat stapelte sich entlang der Wände.

»Da hinten«, sagte das Mädchen und deutet nach vorne. Durch die Schatten der Hauswände wurde es mit jedem Schritt dunkler. Kayla kniff die Augen zusammen, um im Halbdunkel der Hauswände etwas zu sehen. Nicht weit von ihr entfernt lag auf dem Boden eine kleine Gestalt. Das Mädchen ließ ihre Hand los und rannte in die Gasse hinein. Kayla folgte ihr. Als sie näherkam, erkannte sie, dass es ein kleiner Junge war, der reglos mit dem Gesicht zur Wand lag. Kayla ging in die Hocke und legte vorsichtig ihre Hand auf seine Schulter. »Hey, Kleiner, alles in Ordnung bei dir?« Sie schüttelte sanft die Schulter des Jungen, doch er rührte sich nicht. »Was ist passiert?«, fragte sie das Mädchen, aber als keine Antwort kam drehte Kayla sich herum. Das Mädchen war verschwunden. Die Gasse hinter ihr war leer. Verwirrt sah sie sich um und wandte sich dem am Boden liegenden Jungen zu.

Braune, abgekämpfte Augen blickten ihr entgegen. Ein dunkler Blick aus einem verhärmten Gesicht. Er hatte seine Hand erhoben. Ehe Kayla reagieren konnte, pustete er ihr einen feinen Staub in die Augen. Sie wich zurück und stolperte. Es brannte und ihre Sicht verschwamm. »Was zum…?« Eine schattenhafte Bewegung rechts von ihr ließ sie herumfahren. Mit einem Mal trübte sich ihr Blickfeld und alles verschwamm vor ihren Augen, sodass sie nicht schnell genug reagierte. Etwas Hartes traf sie an der linken Schläfe und sie taumelte. Sie versuchte auszuweichen, als ihr schwindelte und der Boden unter ihr schwankte. Den nächsten Schlag sah sie nicht kommen. Dieses Mal traf er sie am Hinterkopf. Sie stolperte auf die Knie und Dunkelheit kam über sie herein und sie verlor das Bewusstsein.

4

Sie wusste nicht, wie lange sie durch die Dunkelheit trieb. Sie wusste aber, als die Schatten sich nach und nach lichteten, dass Feuer durch ihren Körper brandete. Nicht das Feuer, das tief in ihr wurzelte und sie wärmte, sondern von der Art, die Schmerzen verursachte. Sie schluckte gegen das Brennen in ihrem Hals an. Ihre Kehle war staubtrocken, ihr Gesicht schmerzte wie tausend heiße Nadelstiche. Schleppend lichtete sich die Dunkelheit und Licht drang durch ihre geschlossenen Lider. Behutsam bewegte sie sich, erst die Beine, dann die Arme. Sie stellte fest, dass ihre Hände gefesselt waren. Und sie brannten ebenfalls. Sie versuchte, ihren Puls zu beruhigen, indem sie vorsichtig ein- und ausatmete. Bis auf die Schmerzen in ihrem Gesicht und den Handgelenken schien sie keine weiteren Verletzungen zu haben.

Blinzelnd öffnete Kayla die Augen. Ein paar Sekunden sah sie alles verschwommen, doch je mehr Zeit verging, umso klarer wurde ihr Sichtfeld. Ihr Blick fiel auf ihre gefesselten Hände. Kayla testete die Festigkeit der Ketten, die um ihre Handgelenke geschlossen waren, und zuckte zusammen. Ein Brennen wie von einem glühenden Schürhaken legte sich über die Stelle, an der das Metall ihre Haut berührte. Es bildeten sich dort Blasen. Scharf sog sie die Luft ein, als der Schmerz erneut aufflammte. Was war hier los?

»Na sieh mal, wer da endlich aufgewacht ist«, riss sie eine krächzende Stimme aus ihrer Starre. Kaylas Blick schoss zur Seite. Ein Dämon mit grünen Schuppen auf dem gesamten Körper und einem Horn auf der Stirn grinste verzerrt zu ihr herein.

Sie erschrak und sprang in eine aufrechte Position, zuckte dabei schmerzerfüllt zusammen. Es dauerte eine Sekunde, ehe sie gegen den Schmerz angekommen war. Sie sah sich um. Ihr Herz pochte wild inihrer Brust. Wieso war ihr der Dämon nicht schon eher aufgefallen? Mit einem schnellen Blick erfasste sie ihre Umgebung. Sie waren auf einer Lichtung, umgeben von Kiefern und verschiedenen Laubbäumen. Auf der linken Seite des provisorischen Lagers stand ein Holzkarren mit allerlei Kisten und Säcken darauf. In der Mitte der Lichtung brannte ein Feuer. Nicht weit davon entfernt ragten zwei Stempen aus dem Boden, an denen ebenfalls Metallketten hingen. Sie selbst stand in einem Käfig mit dicken Gitterstangen. Nicht größer als drei Meter breit. Sie war gefangen wie ein Tier.

Der Dämon schob seine Fratze ein Stück näher an sie heran. »Was schaust du denn so verschreckt, Drachenkriegerin? Hast du etwas anderes erwartet?« Er lachte und wandte sich um. Eine weitere Gestalt kam in Sicht. Auf den ersten Blick war sie ein Mensch, doch ihre Haut war … blau.

»Sieh sie dir an. Dieser geschockte Blick erinnert mich immer an ein Kaninchen, bevor ich es fresse«, lachte der geschuppte Dämon.

Kaylas Blick huschte durch das Lager. Auf der rechten Seite erfasste sie drei weitere Käfige. Zu ihrer Erleichterung waren sie leer. Das Lager war nicht erst vor kurzem entstanden. Diese Deamhain schienen hier schon länger zu kampieren.

»Wer seid ihr?«, fragte sie in die stichelnden Witze der beiden hinein.

Der blaue Mann, oder Dämon, sah sie grinsend an. »Ich glaube kaum, dass du in der Position bist, Fragen zu stellen.«

»Und ich glaube, du bist einfach nur hässlich, aber trotzdem muss ich dich ansehen«, entgegnete Kayla. Sie versuchte einen sicheren Stand zu bekommen, doch jedes Mal, wenn sie sich bewegte, hinterließen die Ketten einen brennenden Schmerz in ihren Handgelenken. Was waren das für Eisen? Solch eine Qual hatte sie nie zuvor gespürt.

»Noch hast du bissige Sprüche drauf, Drachenkriegerin. Doch schon bald werden die dir auch vergehen. Wenn unsere Meister erst einmal hier sind, wirst du dir wünschen, niemals geboren worden zu sein«, sagte der Grüne.

Also doch ein Deamhain, ging es Kayla durch den Kopf und sie besah sich die beiden. Trotz der Schuppen und Hörner waren ihre Gesichtszüge fast menschlich, was sie als Vollstrecker auswies.

In den letzten Jahren hatten sie die Deamhains in vier Kategorien unterteilt. Beobachter- und Wächterdämonen, die kleinen, widerlichen Kriechtieren ähnelten, und Aufklärer, eine Mischung aus diversen Tierarten, die nicht zu unterschätzen waren. Und dann waren da die gefährlicheren Deamhain, die Vollstrecker. Diese Art ähnelte oft den Menschen und doch waren sie keine. Das Gefährliche an ihnen war nicht ihre Anpassungsfähigkeit, sondern dass sie schlauer waren als alle anderen. Diese Dämonen waren nicht nur in der Lage zu agieren, sondern zu planen und zu denken. Was erklärte, warum sie noch am Leben war. Ein Grinsen verzog Kaylas Lippen. »Eure Meister? Ihr meint, es gibt noch mehr solch stinkendes Ungeziefer wie euch? Wenn die auch so hässlich sind, dann könnt ihr mir nur leidtun.« Sie konnte keine weiteren Dämonen in der Nähe wahrnehmen. Sicher war sie sich aber nicht, da ihr jedes Mal, wenn sie ihre Macht aussandte, schwindelte. Sie konzentrierte sich auf ihr Feuer. Sie wollte es in ihre Handgelenke leiten, um die Ketten zu schmelzen. Doch es tat sich nichts. Sie sah auf ihre Hände und konzentrierte sich erneut, doch mehr als ein paar Funken bekam sie nicht zustande. »Was zum…?« Sie machte einen Schritt zurück und stieß gegen die Gitterstäbe des Käfigs. Dort, wo die Gitterstäbe ihre Haut berührten schoss Schmerz durch ihre Nervenenden. Sie schrie auf und trat hastig einen Schritt zurück.

Erneut erklang höhnisches Gelächter. Sie versuchte, über ihre Schulter zu sehen, riss dabei ihre Hände hoch und stöhnte, als brennender Schmerz ihre Haut überzog. Instinktiv rief sie ihr Feuer, doch nichts geschah. Nicht ein einziger Funke regte sich in ihrem Inneren. Erneuter Schwindel erfasste sie und ließ sie in die Knie gehen. Schweiß trat ihr auf die Stirn und ihr Puls raste. Kayla hob den Blick. Der grüne Dämon grinste sie breit an. »Das ist mein Lieblingsmoment. Wenn ihr Drachenkrieger bemerkt, dass ihr keine Ahnung habt, warum ihr nicht mehr auf eure Macht zugreifen könnt.« Er trat einen Schrittnäher. Seine Krallen legten sich um die Stäbe des Käfigs. Es schien ihm nichts auszumachen. »Ich verrate dir ein Geheimnis: Das Dämonenmetall ist schuld daran, dass du dich fühlst wie ein Lamm auf der Schlachtbank.«

Dämonenmetall? Während sie immer wieder versuchte, ihr Feuer zu entzünden, sah sie dem Dämon wütend ins Gesicht. »Was bitte soll das sein?«

»Oh, das wirst du schon noch früh genug herausfinden. Und je mehr du versuchst, dich dagegen zu wehren, umso schwächer wirst du werden.« Er trat einen Schritt von dem Käfig weg. Sein Grinsen wurde breiter. »Also bitte, tu dir keinen Zwang an. Ich sehe gerne dabei zu, wie deinesgleichen immer verzweifelter wird.« Ein zustimmendes Brummen kam von seinem Partner.

Immer wieder rief Kayla ihre Kraft, doch es war, als wäre die Verbindung gekappt worden. Sie saß im Schneidersitz, in aufgerichteter Haltung in der Mitte des Käfigs und beobachtete die zwei Dämonen. Sämtliche ihrer Waffen waren ihr abgenommen worden, selbst der Dolch in ihrem Schuh. Ihr Schwert, Narthan, lehnte an einer der Kisten, die überall herumstanden. Die zwei Dämonen schienen sie vollkommen vergessen zu haben. Sie ließ ihre Hände vor sich ruhen, doch dort, wo das Metall auf ihre Haut traf, brannte es. Sie besah sich ihre Handgelenke. Sie waren wund und an vereinzelten Stellen hatten sich Blasen gebildet. So lange sie sich allerdings ruhig verhielt, schienen ihre Selbstheilungskräfte zu funktionieren.

Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen konnte es nur ein paar Stunden gewesen sein -oder ein ganzer Tag. Immer wieder ließ sie sich die Worte des Dämons durch den Kopf gehen. Das Metall ihrer Ketten und des Käfigs schien sämtliche Energie von Drachenkriegern zu blockieren. Nie in ihrem Leben hatte sie davon gehört, dass so etwas existierte. Es schien zu erklären, warum immer mehr von ihren Leuten wie vom Erdboden verschluckt verschwanden. Sie vermutete, dass es wie ein Schild funktionierte und sie vor anderen Drachenkriegern abschirmte. Während sie ihre beiden Wärter beobachtete, suchte sie nach dem Band, das sie mit Kieran verband. Erstaunlicherweise war es so leuchtend wie eh und je. Kayla atmete erleichtert auf. Das Metall schien nur ihre Kräfte zu dämmen, aber nicht ihr Seelenband. Sie konzentrierte sich darauf, Kieran ein Bild von ihrer Situation zu schicken. Hoffentlich würde er ihre Warnung verstehen. Sie wusste nicht, wie das Metall all das beeinträchtigte.

Ihre Gedanken schweiften zu dem Moment in der Gasse zurück. Dass es eine Falle gewesen war, war offensichtlich, aber was sie schockierte, war die Tatsache, dass Raguun Kinder mit in seine Machenschaften hineinzog. Es war ein kluger Schachzug, das musste sie ihm lassen. Kindern traute man im Allgemeinen. Sie waren die perfekte Waffe, um nichtsahnende Drachenkrieger in die Falle zu locken.

Sie selbst war völlig schutzlos in diese Gasse gelaufen. Sie dachte an den Moment, als der Junge ihr etwas ins Gesicht gepustet hatte. So wie es gebrannt hatte, war er vermutlich pulverisiertes Dämonenmetall. Sie fluchte. Was hatte Raguun noch alles erschaffen, von dem sie nichts ahnten?

Das Metall allein war schlimm genug. Ein Drachenkrieger ohne Kräfte war immer noch ein Krieger, doch die wenigsten würden dieser Folter lange standhalten. Die wenigsten Drachenkrieger waren wie sie. Es gab nur eine Handvoll Krieger, die ähnliche Kräfte besaßen.

Nachdem sie sich von dem ersten Schreck erholt hatte, war es ihr gelungen, ihr Feuer zu spüren. Schwach und fast nicht greifbar, aber es war immer noch da. Seit sie nicht mehr verzweifelt versuchte, ihre Kräfte zu rufen, merkte sie, wie das Metall unsichtbare Wellen absonderte. Sie legten sich auf ihre Haut wie ein klebriger Film, der langsam in sämtliche Poren drang.

Etwa eine Stunde später, als die Sonne bereits untergegangen war, war der grüne Dämon, Nürge, wie sie aus den Gesprächen der beiden erfahren hatte, aufgesprungen und im Wald verschwunden. Der blaue, Uelra, hatte sich eines der aufgespießten Tiere geschnappt, die nebendem Feuer drapiert waren. Seit mehreren Minuten war das Malmen von Zähnen auf Knochen zu hören. Gänsehaut überzog Kaylas Haut. Dieses Geräusch würde sie ihr Leben lang nicht vergessen.

Da sie dazu verdammt war, ruhig sitzenzubleiben, versuchte sie, sich jedes Detail einzuprägen. Sie würde hier herauskommen und dafür sorgen, dass dieses Lager dem Erdboden gleichgemacht wurde. Sie würde nicht zulassen, dass hier jemals wieder jemand gefangen gehalten wurde.

Nach einer halben Stunde kam Nürge wieder und ließ sich mit einem Knurren neben seinen Gefährten fallen. Sie knurrten sich eine Weile an, ehe sie beide loslachten.

Ein leises Rascheln hinter ihr ließ sie aufhorchen. Sie hatte sich so auf die beiden konzentriert, dass sie nicht auf ihre Umgebung geachtet hatte. Sie wandte leicht den Kopf und beobachtete unauffällig das Dunkel hinter sich. Ein sanfter Stups in ihrem Inneren ließ sie aufatmen. Kieran. Er hatte sie gefunden. Sie schloss einen Augenblick erleichtert die Augen.

Ihr Blick heftete sich erneut auf die beiden Dämonen. Sie hatten mittlerweile eine Flasche in den Händen und tranken fröhlich daraus.

»Bist du verletzt?«, drang Kierans leise Stimme an ihr Ohr.

»Berühre nicht das Metall«, zischte sie. »Es verbrennt einem die Haut.«

Sie hörte ihn fluchen. »Sind hier noch mehr?«

»Ich habe keine weiteren gesehen. Aber sie haben von einem Meister erzählt. Ich weiß es nicht genau.«

»Ich werde mich mal umsehen.« Erneut erklang leises Rascheln und Kieran war verschwunden.

Kaylas Körper spannte sich an. Sie nahm ihre Umgebung jetzt klarer wahr, als würde die Anwesenheit ihres Duine Anam, ihres Seelenverwandten, ihre Sinne schärfen. Als würde Kierans Energie auch auf sie übergehen. Nürge und Uelras Energie zuckte vom Feuer zu ihr her. Schwach spürte sie weitere Leute in der Nähe. Es fühlte sichvertraut an, aber sie konnte ihren Sinnen nicht hundertprozentig trauen. Die seltsamen Wellen des Käfigs beeinträchtigten ihre Wahrnehmung.

Ein Brüllen ließ sie aufschrecken. Genauso wie Nürge und Uelra. Die zwei Dämonen sprangen auf und fletschten ihre Zähne. Uelra verließ das Lager. Kayla konzentrierte sich auf Nürge, der nah am Feuer stand. Sie konzentrierte sich auf ihre ruhende Macht und versuchte, die Flammen des Lagerfeuers zu manipulieren. Die Flammen flackerten, doch einen Augenblick, ehe Kayla ihnen den Befehl erteilen konnte, auf den Dämon zu springen, flog Kieran aus der Dunkelheit in eine der gestapelten Kisten.

Ihre Konzentration flackerte und sie sah zu ihrem Seelengefährten.

5

Kieran erhob sich blitzschnell. Seine Schulter schmerzte, weil er gegen eine der Kisten geknallt war, doch er konnte sich nicht länger damit beschäftigen, denn er glaubte, in einem Traum zu stecken. Einem Alptraum. Adrenalin rauschte durch seinen Körper. Zuerst war es leicht gewesen. Die zwei Deamhain am Lagerfeuer waren kein Problem, ebenso der dritte, der im Wald Wache gehalten hatte. Mit einem einzigen Streich hatte er ihn erledigt. Aber die Gestalt, die ihm anschließend plötzlich gegenüberstand, hatte ihn für eine Sekunde erstarren lassen. Sein Blick weitete sich und sein Puls schnellte in ungeahnte Höhen, als er einem Mann entgegenblickte, den er seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er hatte sich kaum verändert. Das Haar war nach wie vor kurz geschnitten und er trug eine Drachenkriegerrüstung. Braune Augen blickten ihn an. Doran. Sein Freund und Gefährte. Sein bester Freund, der seit dem Angriff vor zwei Jahren vermisst wurde. Er lebte. Den Göttern sei Dank.

Doch etwas in seinem Blick hatte sich verändert. Seine einst schalkhaften Gesichtszüge waren ernst. Innerhalb von zwei Sekunden wandelte sich sein Ausdruck. Ein bösartiges Grinsen legte sich auf seine Lippen und ließ ihn wie einen Deamhain aussehen. Er hob die Hand und ehe Kieran reagieren konnte, wurde er von einer Druckwelle erfasst und durch die Luft geworfen.

Jetzt hob sich sein Blick auf seinen Freund. Gemächlich schritt er aus der Dunkelheit, der Deamhain dicht hinter ihm.

»Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen, alter Caraid«, sagte Doran. Gehässigkeit schwang in dem Wort Freund mit.

Doran verzog seine Lippen zu einem Lächeln. »Bekomme ich denn keine Umarmung? Immerhin ist es eine ganze Weile her.« Er hob die Arme, als würde er es ernst meinen, ehe er hell auflachte. »Bei den schwarzen Feuersäulen, du solltest dein Gesicht sehen.«

Kieran hielt seinen Blick auf den Krieger gerichtet. Er kannte diesen Mann fast schon sein ganzes Leben und doch schien er nicht mehr der zu sein, den er kannte. Etwas war anders. Er konnte die Drachenmagie um ihn herum spüren, doch da war noch etwas anderes, ein Schatten, der sich seiner bemächtigt hatte. Etwas Dunkles, das vorher nicht da gewesen war. Etwas, das ihn verändert hatte.

»Was ist mit dir passiert?«, fragte Kieran. Mittlerweile hatte sich der zweite Dämon zu seinem Gefährten gesellt. Beide standen hinter Doran. Sie flankierten ihn, so als ob sie auf seine Befehle warteten.

»Was mit mir passiert ist?«, fragte Doran. »Ich bin erleuchtet worden.«

»Was soll das heißen?«

»Das wirst du schon bald herausfinden.« Sein Blick wandte sich Kayla zu, die mit weit aufgerissenen Augen in dem Käfig saß und sie beobachtete. »Ihr beide.«

Kieran trat einen Schritt auf seinen Freund zu. »Komm mit uns. Wir bringen dich nach Hause.«

Doran lachte. »Nach Hause? Ich bin zuhause.« Mit einem Schlag wallte die Magie um ihn herum auf und verdichtete sich zu schwarzen Schatten.

***

Kayla sog scharf die Luft ein. Selbst in ihrem betäubten Zustand spürte sie die dunkle Magie, die sich in einem wilden Strudel um Doran manifestierte. »Du hast aufgegeben«, hörte sie Kieran murmeln.

»Oh nein, ich bin wiedergeboren. Ich habe endlich eingesehen, dass wir all die Jahre falschlagen. Raguun ist nicht das Übel, sondern die Erlösung.« Dorans Gesicht strahlte pure Verehrung aus. Zorn wallte in ihr auf. Fast hätte sie die Stäbe ihres Gefängnisses umfasst, konnte sich aber im letzten Moment bremsen. »Raguun ist der Dorn in diesem Landund das ändert sich auch nicht, nur weil du dich der Dunkelheit ergeben hast.«

Doran schüttelte belustigt den Kopf. »Oh Kayla, du warst schon immer sehr engstirnig. Aber auch du wirst einsehen, dass es nur eine Wahrheit geben kann. Ihr werdet einsehen, dass nur der eine Weg der richtige ist.«

»Die Götter werden das nicht zulassen.«

Doran wandte sich ihr zu. »Die Götter«, spuckte er aus, »wissen gar nichts. Die Götter mischen sich nicht in Angelegenheiten der Menschen ein. Sie sehen uns als Insekten an, die sie verehren sollen.«

»Du irrst dich.« Sie knirschte mit den Zähnen, so sehr musste Kayla sich zurückhalten.

»Ach ja? Na dann, meine liebe Kayla, erzähle mir doch, was die Götter jemals für uns getan haben?«

»Du selbst bist einem Gott doch schon begegnet. Warum zweifelst du an ihnen?«, fragte Kieran.

»Diese Farce? Ha, dass ich nicht lache. Das Ganze hat nur bewiesen, was für ein Weichei Chronos ist. Was für ein Gott der Drachenkrieger lässt sich nur blicken, wenn er zwei Verliebte trauen kann? Die Götter sind schuld daran, dass ihr nun in einem Krieg steckt, den ihr nicht gewinnen könnt.«

»Wenn du dich da mal nicht täuschst«, entgegnete Kieran.

»Du wirst sehen, Caraid, schon bald werden wir wieder gemeinsam für dieselbe Sache kämpfen.«

»Ich werde mich niemals diesem Abschaum anschließen«, knurrte Kieran und festigte seinen Stand. Bereit, sich zu verteidigen oder anzugreifen.

Höhnisch verzog sich Dorans Gesicht. »Was sagt es wohl über dich aus, dass dieser Abschaum, wie du ihn nennst, dein eigener Vater ist?«

Als hätte man ihm eine Ohrfeige verpasst, taumelte Kieran einen Schritt zurück.

»Hast du etwa geglaubt, wir finden das nicht heraus? Wir wissen alles über dich, Kieran. Der dunkle Prinz. Dein Vater wird sehr erfreut sein,wenn ich ihm das bringe, was er schon seit so vielen Jahren begehrt. Du warst ein Narr, als du dich geweigert hast, mit ihm zu gehen. Du hättest an der Seite deines Vaters herrschen können. Deine Macht wäre ungehemmt.«

»Du hast recht, ich hätte mich damals anders entscheiden müssen«, entgegnete Kieran.

Interessiert horchte Doran auf. Kierans Gesichtszüge verhärteten sich. »Ich hätte ihn damals töten sollen. Das wird mir sicher nicht noch einmal passieren.«

Doran knurrte. »Du bist ein selbstsüchtiger Bastard, Kieran. Doch auch wenn du der Sohn meines Meisters bist, werde ich eine große Freude daran haben, dich zu brechen.«

»So weit wird es nicht kommen.« Kieran zog sein Schwert. Es waren genug Worte gesprochen worden. Kayla wusste nicht, was mit Doran geschehen war, aber egal, was es war, er würde nicht auf sie hören. Sie mussten dem Ganzen ein Ende setzen und sich dann überlegen, wie die Dunkelheit aus ihm vertrieben werden konnte.

Doran zog ebenfalls sein Schwert. »Ich freue mich schon darauf, dich eines Besseren zu belehren.«

Ein Windhauch wehte durch das Lager und brachte ein Kichern mit. Kaylas Aufmerksamkeit heftete sich auf eine Gestalt, die hinter Doran und den Dämonen aus den Schatten trat.

Bevor sie komplett sichtbar wurde, wusste Kayla instinktiv, wer es war. »Nein.« Das konnte doch nicht wahr sein. Erst Doran und jetzt sie.

»Aber, aber, meine Lieben. Wer wird sich denn hier streiten?« Gemächlich schritt sie an den beiden Dämonen vorbei und blieb neben Doran stehen. Sie lächelte. »Hallo Kieran. Schön, dich wiederzusehen. Du siehst noch besser aus als das letzte Mal.« Genüsslich leckte sie sich über die Lippen und ließ ihren Blick über Kierans Körper wandern. »Ich persönlich fand es ja immer schade, dass du nicht mich als Gefährtin erwählt hast. Ich hätte so viel besser zu dir gepasst.« Sie hob eine Hand und lächelte verträumt. »Hallo, Kayla. Wie ist es dir ergangen?«

Kayla verengte die Augen. »Kann mich nicht beklagen«, knurrte sie. Marila schmiegte sich eng an Dorans Seite. Ihre Hand hatte sie auf seine breite Brust gelegt. Ihr Blick haftete noch immer auf Kieran. Marila war die kleinste von ihnen gewesen, doch was ihr an Größe fehlte, machte sie durch ihren Geist wett. Doch der einst so sanfte Blick ihrer Freundin war verschwunden und nichts als Überheblichkeit war an seine Stelle getreten. Wie ein Stück Vieh betatschte sie Doran, dem das auch noch zu gefallen schien, und zog Kieran mit den Augen förmlich aus.

Wut ballte sich in Kaylas Eingeweiden. Wut auf Raguun und seine schwarze Magie. Darauf, was er ihren Freunden angetan hatte.

»Wie wäre es denn, wenn du das Schwert zur Seite legst und wir uns ein wenig unterhalten, Kieran?«, säuselte Marila.

»Ich glaube nicht, dass dabei etwas Produktives herauskommen würde«, schnaubte Kieran.

Sinnlich verzogen sich Marilas Lippen zu einem Lächeln. Kayla wurde schlecht. Ihre Freundin war immer zurückhaltend gewesen. Die Person, die jetzt vor ihr stand, war nur ein Abklatsch ihrer einstigen Schönheit, eine leere Hülle. »Mir würden da durchaus einige … produktive Dinge einfallen, die wir machen könnten.«

»Wir werden das ganze hier und jetzt beenden. Mich langweilt es langsam«, antwortete Doran und wischte wütend Marilas Hand von seinem Körper. Es schien, als wäre er eifersüchtig. Oh Götter, bitte lasst die beiden nicht den gleichen Fehler begangen haben wie Mara und Liran, dachte Kayla.

»Kieran, lass dein Schwert fallen und ergib dich uns«, sagte Doran. Kayla schnaubte. »Träum weiter.«

Wie ein Geier wandte Doran ihr seinen Kopf zu. »Mit dir beschäftige ich mich später noch.«

Innerhalb einer Sekunde stürmte er auf Kieran zu und hieb mit rasanten Schlägen auf ihn ein.

Kieran zögerte eine Sekunde, ehe er seine Überraschung abschüttelte und den Angriff parierte. Schon in der Dragan Lair warenbeide Männer gleichstark und die vergangenen Jahre hatten daran nichts geändert. Jeder hatte seinen eigenen Weg bestritten, war stärker und pfiffiger geworden, doch nach wie vor waren sie sich ebenbürtig. Zumindest was den Schwertkampf anging.

Kayla verfolgte den Kampf, ließ aber Marila nicht aus den Augen. Nach wie vor lächelnd, gab diese Uelra und Nürge einen Befehl und die beiden Dämonen näherten sich ihrem Käfig.

Sie war im Nachteil, in diesem Käfig, mit den Fesseln an ihren Handgelenken, und Marila wusste das. Fieberhaft überlegte sie, was ihre Möglichkeiten waren. Selbst wenn sie den Schmerz, den das Dämonenmetall verursachte, lange genug ignorieren konnte, so war ihre Bewegungsfreiheit beschränkt.

Sie saß in der Falle. Sie konnte Kierans Resignation durch ihr Band spüren. Er suchte verzweifelt nach einem Ausweg, war aber zu sehr auf seinen Gegner konzentriert.

Uelra und Nürge waren bei ihr angelangt und fletschten siegessicher die Zähne. Sie trugen Schwerter bei sich und stellten sich rechts und links neben ihrem Gefängnis auf.

Marila besah sich gelangweilt ihre Nägel. »Hört auf, ihr beiden. Dieser Kampf ödet mich an.«

»Ich weiß nicht, ich finde gerade Gefallen daran«, antwortete Doran und hieb nach Kieran.

»Kieran, wenn du nicht möchtest, dass ich Uelra und Nürge auf deine geliebte Seelengefährtin loslasse, würde ich das Schwert fallen lassen«, sagte sie süffisant.

»Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals feige gewesen wärst, Marila«, meinte Kayla. Gelangweilt hob diese ihren Blick. »Wie kommst du darauf, ich wäre feige?«

»Du gehst einem Kampf aus dem Weg, weil du dir deine Nägel nicht schmutzig machen möchtest. Das nenne ich feige.«

Marila lachte. »Wieso sollte ich mich in den Kampf einmischen, wenn ich sowieso weiß, dass wir bereits gewonnen haben?«

»Du könntest dich mir stellen. Aber stattdessen siehst du nur zu.«

Marila wandte sich vollständig Kayla zu. »Glaubst du ernsthaft, ich würde dich aus diesem Käfig lassen? Mir ist durchaus bewusst, wozu du fähig bist. Kieran ist stark, keine Frage, aber jeder von uns hier weiß, du bist stärker. Du würdest uns mit einem Streich in Flammen aufgehen lassen, sobald du diese Ketten los wärst. So blöd bin ich nicht. Ich hänge nämlich an meinem Leben.«

Kayla knirschte mit den Zähnen. Was sollte man von einem Feind halten, der einen in- und auswendig kannte?

Der Kampf dauerte weiter an, ehe Marila dem Ganzen ein Ende setzte. Sie zog ebenfalls ihr Schwert, doch anstatt sich einzumischen, trat sie an den Käfig heran und hielt es auf Kayla gerichtet. »Ich sage es nicht noch einmal. Leg deine Waffen weg, Kieran, oder ich verschönere Kaylas Gesicht.«

Kayla wich einen Schritt zurück. Sie wollte sich außer Reichweite begeben, doch der Kontakt mit den Gitterstäben ließ sie zusammenzucken. Sie fluchte und Kieran hielt inne. Sein Blick streifte ihren. Die harte Erkenntnis spiegelte sich auf ihrer beider Gesichtern. Sie hatten keine Chance. Kieran könnte flüchten, doch ihr war klar, dass er sie niemals in den Händen ihrer ehemaligen Freunde lassen würde.

Es war frustrierend. Sie hatten sich in vielen aussichtslosen Situationen befunden, doch dieses Mal übertraf alles. Sie waren geschlagen. Hatten keine Chance auf ein Entkommen. Nicht ohne massives Blutvergießen.

Kieran schloss einen Moment die Augen. Das hier war geplant gewesen. Kein Drachenkrieger war heutzutage allein unterwegs. Und genau das hatten sie sich zunutze gemacht. Warum nur einen Krieger fangen, wenn es zwei werden könnten. Mit einem letzten Blick auf Doran ließ er die Waffe fallen. Er ballte die Fäuste. Der salzige Geschmack von Wut waberte durch ihre Verbindung. Eine Wut, die sie selbst nur zu gut kannte.

»Ich wusste ja, dass du schlau genug bist und einsiehst, wie idiotisch das hier war«, sagte Marila.

Kayla sah rot. In der einen Sekunde versuchte sie, dem Schwert nicht zu nah zu kommen, im nächsten hatte sie die Klinge mit beiden Händen gepackt und an sich gerissen.

Die Klinge schnitt ihr in die Handfläche, doch das interessierte sie nicht. Sie hatte Marila, die nicht damit gerechnet hatte, dass Kayla das Schwert ergreifen würde, aus dem Gleichgewicht gebracht. Während Marila gegen den Käfig prallte, nutze Kayla den Schwung, um ihr den Griff des Schwertes ins Gesicht zu rammen. Genugtuung erfasste sie, als sie Marilas Nase traf und diese zu bluten anfing. Ehe sie weiteren Schaden anrichten konnte, hieben die beiden Dämonen mit ihren Waffen in den Käfig und sie musste das Schwert loslassen. Marila riss es sofort an sich und trat wutschnaubend einen Schritt zurück. »Du elendiges Miststück.«

Kayla grinste. »Was ist? Tut dir etwa die Nase weh?«

Zornentbrannt hielt Marila sich die blutende Nase. »Das wirst du bereuen.«

»Ich freue mich schon darauf.«

***

»Meisterin, kann ich Euch helfen?«, fragte Uelra, der blaugeschuppte Dämon. Sofort ließ ihn eine Energiewelle einige Meter durch die Luft segeln. »Kümmere dich besser darum, dass der Prinz Handschellen bekommt, du Wurm.«

Schnell rappelte er sich wieder auf und brachte hastig ein weiteres paar Handschellen zu Doran. Dieser hielt sein Schwert bedenklich nahe an Kierans Kehle. Stoisch ließ Kieran es über sich ergehen, zuckte nur kurz bei der Berührung des Metalls zusammen. Eine gewisse Genugtuung hatte ihn ergriffen, als Kayla Marila die Nase gebrochen hatte. Das war seine Frau. Stolz und kämpferisch.

Er wehrte sich nicht, denn er spürte weitere Deamhain in der Nähe. Allein hätte er keine Chance gegen sie. Nicht, wenn sie Kaylas Leben inder Hand hatten. Sie mussten abwarten und hoffen, dass ihnen etwas einfallen würde.

Nachdem die Ketten um seine Handgelenke lagen, durchsuchte der Dämon Uelra ihn nach weiteren Waffen und fand alle versteckten Messer. Genau wie das in seinem Stiefel. Wenn der Feind dein ehemaliger Freund war, wurde das zum Problem. Doran packte ihn am Oberarm und zerrte ihn in den Käfig rechts neben Kayla. Von einem Moment auf den nächsten war es, als würde jemand einen Stöpsel in seine Sinne stecken. Sobald er im Käfig war, verschwanden sämtliche Dämonenenergien, sowie die der beiden Krieger vor ihnen.

Marila hatte sich abgewandt und fluchte. Anscheinend hatte Kayla mit ihrem Angriff ziemlichen Schaden angerichtet. »Wie geht es deiner Hand?«, fragte er seine Frau, mit Blick auf ihre beiden Freunde.

»Das wird schon wieder. Hast du irgendeinen Plan, wie wir hier wieder rauskommen?«

»Nicht im Geringsten«, murmelte er, legte vorsichtig einen Finger an die Gitterstäbe, nur um in der nächsten Sekunde zischend einzuatmen. »Das hier könnte uns durchaus etwas aufhalten.«

Kayla schnaubte. »Schön, dass dir das auch schon aufgefallen ist.« Vorsichtig setzte sie sich wieder hin, um ihre Handgelenke zu entlasten. Sie beobachteten Marila und Doran, die etwas abseitsstanden und versuchten, die Blutung ihrer Nase zu stoppen. Immer wieder schoss Marila Kayla einen zornigen Blick entgegen.

»Hast du sie jemals so zornig erlebt?«, fragte Kayla nach einer Weile.

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Aber wir haben immer vermutet, dass Raguun sie nach dem Angriff auf die Clach a tuath gefangen genommen hat. Wer weiß, was er ihnen angetan hat, dass sie so geworden sind.«

»Ich werde ihn dafür büßen lassen. Für all das Leid. Für all das, was er unserem Land und den Menschen angetan hat«, knurrte Kayla und er glaubte ihr. Denn er würde das Gleiche tun.

6

Es dauerte nicht lange und Marila und Doran verschwanden im Wald. Zurück blieben die beiden Dämonen. Sie ließen sich an ihrem Lagerfeuer nieder, als wäre nichts gewesen. Stille senkte sich über das Lager.

Kayla wusste, ohne auf ihre Kräfte zuzugreifen, dass ihre beiden Freunde nicht verschwunden waren. Sie wollten sie verunsichern, indem sie ihnen weismachten, sie wären gegangen. Doch Kayla war klar, dass Marila diesen Schlag nicht auf sich sitzen lassen würde. In ihren Augen hatte solch ein Hass auf sie gelegen, dass sie sich wundern würde, wenn es das schon gewesen wäre.

Sie machten sich beide nicht die Mühe, Uelra und Nürge anzusprechen. Keiner würde ihre Fragen beantworten.

Sie sprachen nicht viel miteinander. Während Kieran ihre Umgebung und die beiden Dämonen im Blick behielt, versuchte Kayla sich nicht allzu zu viel zu bewegen. Die Schnitte in ihren Handflächen schmerzten. Das Dämonenmetall verhinderte, dass sie heilten. Eine tiefe Müdigkeit drang in ihre Knochen. Ihr Körper kämpfte gegen das Metall an. Nach einer Weile fiel sie in einen leichten Dämmerschlaf.