Die Dramen - Christian Friedrich Hebbel - E-Book

Die Dramen E-Book

Christian Friedrich Hebbel

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Beschreibung

Dieser Sammelband beinhaltet die bekanntesten Dramen des 1863 in Wien verstorbenen Schriftstellers: Demetrius Agnes Bernauer Der Diamant Genoveva Gyges und sein Ring Herodes und Mariamne Judith Maria Magdalene Die Nibelungen Der Rubin

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Die Dramen

Christian Friedrich Hebbel

Inhalt:

Friedrich Hebbel – Biografie und Bibliografie

Demetrius

Vorspiel

Personen des Vorspiels:

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Siebente Szene.

Achte Szene.

Neunte Szene.

Zehnte Szene.

Elfte Szene.

Zwölfte Szene.

Dreizehnte Szene.

Vierzehnte Szene.

Demetrius

Personen:

Erster Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Zweiter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Siebente Szene.

Achte Szene.

Neunte Szene.

Zehnte Szene.

Elfte Szene.

Zwölfte Szene.

Dreizehnte Szene.

Vierzehnte Szene.

Dritter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Siebente Szene.

Achte Szene.

Neunte Szene.

Zehnte Szene.

Elfte Szene.

Zwölfte Szene.

Dreizehnte Szene.

Vierzehnte Szene.

Fünfzehnte Szene.

Sechzehnte Szene.

Siebzehnte Szene.

Achtzehnte Szene.

Neunzehnte Szene.

Zwanzigste Szene.

Einundzwanzigste Szene.

Zweiundzwanzigste Szene.

Dreiundzwanzigste Szene.

Vierter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Siebente Szene.

Achte Szene.

Neunte Szene.

Zehnte Szene.

Elfte Szene.

Zwölfte Szene.

Dreizehnte Szene.

Fünfter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Siebente Szene.

Achte Szene.

Agnes Bernauer

Personen:

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt

Der Diamant

Vorbemerkung

Vorwort

Prolog

Personen des Prologs

Personen.

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt

Genoveva

Personen:

Erster Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Zweiter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Dritter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Siebente Szene.

Achte Szene.

Neunte Szene.

Zehnte Szene.

Elfte Szene.

Zwölfte Szene.

Dreizehnte Szene.

Vierzehnte Szene.

Fünfzehnte Szene.

Sechzehnte Szene.

Vierter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Fünfter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Siebente Szene.

Achte Szene.

Neunte Szene.

Nachspiel zu Genoveva

Personen:

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Gyges und sein Ring

Personen:

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt

Herodes und Mariamne

Personen:

Erster Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Zweiter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Dritter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Vierter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Fünfter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Judith

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt

Maria Magdalene

Widmungsgedicht

Personen.

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Die Nibelungen

Erste Abteilung - Der gehörnte Siegfried

Personen:

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Zweite Abteilung - Siegfrieds Tod

Personen:

Erster Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Zweiter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Dritter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Eilfte Szene

Vierter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Eilfte Szene

Zwölfte Szene

Dreizehnte Szene

Vierzehnte Szene

Funfzehnte Szene

Sechzehnte Szene

Fünfter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Dritte Abteilung - Kriemhilds Rache

Personen:

Erster Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zweiter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Eilfte Szene

Dritter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Eilfte Szene

Zwölfte Szene

Dreizehnte Szene

Vierzehnte Szene

Funfzehnte Szene

Vierter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Eilfte Szene

Zwölfte Szene

Dreizehnte Szene

Vierzehnte Szene

Sechzehnte Szene

Siebzehnte Szene

Achtzehnte Szene

Neunzehnte Szene

Zwanzigste Szene

Einundzwanzigste Szene

Zweiundzwanzigste Szene

Dreiundzwanzigste Szene

Fünfter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Elfte Szene

Zwölfte Szene

Dreizehnte Szene

Vierzehnte Szene

Der Rubin

Personen:

Erster Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Siebente Szene.

Achte Szene.

Neunte Szene.

Zehnte Szene.

Elfte Szene.

Zweiter Akt.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene.

Fünfte Szene.

Dritter Akt.

Erste Szene.

Zweite Szene.

Dritte Szene.

Vierte Szene,

Fünfte Szene.

Sechste Szene.

Siebente Szene.

Die Dramen, C. F. Hebbel

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849627324

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

Friedrich Hebbel – Biografie und Bibliografie

Hervorragender Dichter, geb. 18. März 1813 zu Wesselburen in Dithmarschen, gest. 13. Dez. 1863 in Wien, verlebte seine Jugend in den Marschen und Meeresumgebungen seiner Heimat, nährte eine früh erwachte gestaltenreiche Phantasie an wenigen Büchern, wurde mit 14 Jahren Schreiber des Kirchspielvogts Mohr in Wesselburen und erhielt 1834 durch Gönner die Mittel, sich nach Hamburg zu begeben, um die Lücken seiner Bildung auszufüllen. Hier rang sich sein Genius in heftiger, schmerzenreicher Gärung empor und seinem leidenschaftlichen Liebesbedürfnis begegnete die aufopfernde Treue seiner hingebenden Freundin Elise Lensing. Die innern Kämpfe setzten sich in den eindrucksreichen, aber oft durch bitterste Notgetrübten Universitätsjahren fort. H. studierte im Sommer 1836 in Heidelberg, von da an bis Ostern 1839 in München, gewann hier namentlich durch Schelling tiefe Eindrücke und erkannte seine unzweifelhafte Bestimmung zum Dichter. 1839 nach Hamburg zurückgekehrt, dichtete er hier seine Erstlingstragödie: »Judith« (Hamb. 1841, 2. Aufl. 1873), der wenig später »Genoveva« (das. 1843) folgte. In beiden Tragödien zeigte sich eine ungewöhnliche dramatische Dichterkraft, namentlich eine Gewalt der Charakteristik, eine Unmittelbarkeit und Glut der Leidenschaft, die H. auf der Stelle als ein Talent ersten Ranges erkennen ließen. Daneben mußte freilich die Neigung des Dichters zum Krassen und Bizarren und mehr noch die dicht neben seiner natürlichen Leidenschaft stehende Neigung zu einer zersetzenden Reflexion erschrecken. Eine Sammlung seiner »Gedichte« (Hamb. 1842; »Neue Gedichte«, Leipz. 1848; vervollständigte Gesamtausgabe, Stuttg. 1857) bewies indes, daß dem Dichter auch die zarten und innigen Töne der Lyrik zu Gebote standen. 1843 kam er nach Kopenhagen, wurde hier vom König-Herzog seines Heimatlandes Holstein mit einem mehrjährigen Reisestipendium bedacht, ging zuerst nach Paris, wo er das bürgerliche Trauerspiel »Maria Magdalene« (Hamb. 1844) dichtete, mit Heine und Ruge bekannt wurde und in Bamberg einen treuergebenen Freund für das Leben gewann. »Maria Magdalene«, obwohl schroff, herb und in der Voraussetzung peinlich, wirkte dennoch durch meisterhafte Charakteristik und Entwickelung und war das reifste Produkt der ersten Periode Hebbels. Tiefen Schmerz bereitete ihm die Nachricht von dem Tode seines Söhnchens Max; im Mai 1844 schenkte Elise Lensing, die vergeblich um eheliche Sanktionierung des Liebesbundes bat, einem zweiten Knaben das Leben. Vom September 1844 bis Oktober 1845 weilte H. in Italien, kehrte auf der Rückreise in Wien ein und ließ sich durch das Entgegenkommen begeisterter Verehrer bewegen, hier dauernd seinen Wohnsitz zu nehmen. Insbesondere fesselte ihn die geistvolle Schauspielerin des Burgtheaters Christine Enghaus, der H. 26. Mai 1846 die Hand am Altar reichte, ein Schritt, der zugleich das Lebensglück seiner treuen Jugendfreundin Elise Lensing vernichtete. Äußern Sorgen nunmehr enthoben, fand H. an der Seite seiner ebenso edlen wie gebildeten Gattin, die mit den Jahren immer tiefer auf ihn einwirkte, den Frieden der Seele, den er zuvor vergebens erstrebt hatte, wenn auch bereits in den lyrischen Dichtungen seiner italienischen Wandertage eine gewisse Lösung von der dunkelpessimistischen Weltanschauung seiner Jugend zu bemerken war. Eine schmerzliche Reaktion erlebte er jedoch wieder durch die Eindrücke der Revolution von 1848 und der nächstfolgenden Jahre. Die dramatischen Dichtungen dieser zweiten Periode: »Der Diamant«, Komödie (Hamb. 1847), »Herodes und Mariamne« (Wien 1850), »Julia«, Trauerspiel (Leipz. 1851), »Der Rubin«, Märchenlustspiel (das. 1851), »Ein Trauerspiel in Sizilien«, Tragikomödie (das. 1851), zeigten wohl im Ausdruck weniger Überschwenglichkeit, waren aber dafür bizarrer, herber, kälter als die Werke der Jugendzeit Hebbels; sie konnten die Bühne nicht zum Aufgeben ihres spröden Widerstandes gegen Hebbels starre Originalität veranlassen. Im Verlauf der 1850er Jahre begann sich dann der Dichter in bemerkenswerter Weise zu läutern und neben der Erhabenheit auch Schönheit der Darstellung zu erstreben. Diese dritte Periode begann mit dem kleinen Drama »Michel Angelo« (Wien 1855), einer anmutigen poetischen Selbstverteidigung, und mit der Tragödie »Agnes Bernauer« (das. 1855), bis auf die menschlich widerstrebende Staatsidee ein Werk voll Frische, Kraft und anmutigen Reizes; sie setzte sich fort in dem formell schönen, aber im Konflikt unversöhnlich herben Trauerspiel »Gyges und sein Ring« (das. 1856) und gipfelte in den lyrischen Dichtungen dieser Jahre, in der prächtigen epischen Dichtung »Mutter und Kind« (Hamb. 1859) und im Meisterwerk des Dichters, der dramatischen Trilogie »Die Nibelungen« (das. 1862, 3. Aufl. 1874), in der H. den gewaltigen epischen Stoff als den großen Konflikt zwischen der heidnischen und christlichen Weltanschauung vollständig dramatisierte. Die Früchte seines endlichen Erfolgs zu pflücken, war aber dem Dichter so wenig beschieden wie die Beendigung seiner letzten bedeutenden Tragödie »Demetrius« (Hamb. 1864). Nach seinem Tod erschienen seine »Sämtlichen Werke« (hrsg. von Emil Kuh und A. Glaser, Hamb. 1866–68, 12 Bde.); eine andre Ausgabe besorgte Krumm (das. 1892, 12 Bde.), die beste Gesamtausgabe R. M. Werner (Berl. 1901–03, 12 Bde.); eine gut kommentierte Auswahl K. Zeiß für Meyers Klassiker-Bibliothek (Leipz. 1899, 4 Bde.), eine andre R. Specht (Stuttg. 1903, 6 Bde.). Seine gedankenreichen »Tagebücher« gab zuerst Felix Bamberg heraus (Berl. 1885–86, 2 Bde.), neuerdings besser (als 2. Abteilung der »Sämtlichen Werke«) R. M. Werner (das. 1903, 4 Bde.; 3. Aufl. 1904), den »Briefwechsel mit Freunden und berühmten Zeitgenossen« (das. 1890–92, 2 Bde.) ebenfalls Bamberg und dazu eine »Nachlese« R. M. Werner (das. 1900, 2 Bde.). Vgl. E. Kuh, Biographie F. Hebbels (Wien 1877, 2 Bde.); Kulke, Erinnerungen an Fr. H. (Wien 1878); Ad. Stern, Zur Literatur der Gegenwart (Leipz. 1880); A. Bartels, Friedrich H. (in Reclams Universal-Bibliothek); A. Neumann, Aus Friedrich Hebbels Werdezeit (Zitt. 1899); J. Krumm, Friedrich H. (Flensb. 1899); K. Böhrig, Die Probleme der Hebbelschen Tragödie (Leipz. 1899); Th. Popp, Friedrich H. und sein Drama (Berl. 1899); R. Graf von Schwerin, Hebbels tragische Theorie (Rost. 1903); A. Scheunert, Der Pantragismus als System der Weltanschauung und Ästhetik F. Hebbels (Hamb. 1903); W. Waetzoldt, H. und die Philosophie seiner Zeit (Berl. 1903); E. A. Georgy, Die Tragödie F. Hebbels nach ihrem Ideengehalt (Leipz. 1904); F. Zinkernagel, Die Grundlagen der Hebbelschen Tragödie (Berl. 1904); R. M. Werner, H., ein Lebensbild (das. 1904).

Demetrius

Vorspiel

Personen des Vorspiels:

 Der Kardinal-Legat.

Mniczek, Woiwod von Sendomir.

Marina, dessen Tochter.

Demetrius.

Odowalsky und Poniatowsky, polnische Edelleute.

Gregory, ein Mönch.

Maschinka, Marinas Amme.

Woiwoden. Gefolge des Mniczek.

Ort der Handlung: Sendomir Zeit: 1605.

Erste Szene.

OdowalskyundPoniatowskytreten auf.

Odowalsky. Da geht er wieder hin und grüßt uns nicht.

Poniatowsky. Ist das was neues? Doch, gerecht zu sein, Er sah uns diesmal nicht.

Odowalsky. Das eben ist's, Was mich an ihm verdreußt. Er soll uns sehn. Für einen heimatlosen Vagabunden Geziemt sich's nicht, daß er uns nicht bemerkt. Die Augen auf, mein Herr von Habenichts, Den Hut herabgezogen, eh' ich huste, Und dann den Blick zur Erde hübsch gekehrt, Um aufzuheben, was ich fallen ließ! So sichert sich ein Bettler vor der Knute Und mehrt dabei im stillen seinen Schatz.

Poniatowsky. Da kannst du lange warten. Falle selbst Und ruf' ihn an, er reicht dir nicht die Hand, Er sieht sich höchstens um nach deinem Diener Und das nur, wenn du ihm im Wege liegst. Schau dort den Mönch! Vor dem Gekreuzigten In der Kapelle bückt er sich nicht tiefer, Wie vor dem Junker mit dem Federhut. Woher es ihm auch immer kommen mag, Er hat die Art, die manchem König fehlt, Den Mantel gleich so feierlich zu falten, Daß er die Stirn nicht mehr zu falten braucht.

Odowalsky. Das wüste Erbteil einer wilden Nacht, Das einz'ge, was ihm blieb von seinem Vater, Und diesen respektier' ich gern in ihm, Wenn ich nur auch die Mutter peitschen darf.

Poniatowsky. Gleichviel, mein Freund! Man sieht nur, daß er's hat, Und nicht, woher es stammt. Ich glaube selbst, Daß seine Eltern ohne Papst und Kaiser Die Hochzeit hielten und am nächsten Morgen Verschwören konnten, daß sie sich gesehn! Allein, was gilt die Wette? Tritt mit ihm In eine Schenke, wo man euch nicht kennt, Und ruf nach Wein! Mit Diamanten lass' ich Dir die Schabracke sticken, wenn man ihm Das Glas nicht bringt, das du für dich bestellt!

Odowalsky. Ich zweifle doch!

Poniatowsky. Was auch geschehen mag: Er schaut darein, als hätte er's befohlen! Teil' Münzen aus, wirf Perlen auf die Straße, Steht er dabei, so fliegen ihm die Mützen, Du bist der Marschall, er dein gnäd'ger Herr! Sieh doch den Mönch nur an! Noch immer blickt er Ihm nach!

Odowalsky. Wer weiß, warum! Er wird vielleicht An ein Gesicht erinnert, das er sich Gemerkt hat, weil es doppelt gibt.

Poniatowsky. Er kommt!

Zweite Szene.

Gregory(tritt auf). Gelobt sei Jesus Christ!

Poniatowsky. In Ewigkeit!

Gregory. Ihr Herrn, verzeiht! Wer war der feine Junker?

Odowalsky. Und wer seid Ihr?

Gregory. Dies sagt Euch mein Gewand: Ein armer Mönch, der milde Gaben sammelt!

Odowalsky. Und warum fragt Ihr nach dem jungen Fant, Anstatt vor uns die Büchse gleich zu schütteln?

Gregory. Ei nun, ich möchte wissen, wer er ist.

Odowalsky. Das weiß er selber nicht.

Gregory. Ihr spottet mein.

Odowalsky. So viele Namen im Kalender stehn: Ich zweifle, ob ein einz'ger ihm gehört.

Poniatowsky. Da schält' ihn deine Zunge doch zu scharf, Das geht ja über Hemd und Haut hinaus! – Man nennt ihn Dmitri.

Odowalsky. Doch mit welchem Recht? Warum nicht Iwan oder Feodor? Er kennt den Priester nicht, der ihn getauft, Die Kirche nicht, an der der Priester dient, Und selbst das Dorf nicht, drin die Kirche steht.

Gregory. Der feine Junker!

Odowalsky. Ja, mein guter Vater! Ihr habt, wie's scheint, das Sprichwort nicht erdacht, Mit dem der Pole einem schlauen Russen Das Katzenfell zurückgibt auf der Messe, Wenn er's als Hermelin verkaufen will, Es heißt: Der Schein betrügt!

Gregory. Das Wort ist wahr!

Odowalsky. Von unserm Junker ist nur das gewiß, Daß er kein Mohr ist, das bezeugt die Farbe, Doch selbst sein Christentum beschwör' ich nicht.

Gregory. Wie kommt er denn auf dieses stolze Schloß, Das, irr' ich nicht, dem edlen Woiwoden Von Sendomir gehört?

Poniatowsky. Bei Nacht und Sturm Hat ihn ein Mönch als Kind durchs Tor geschmuggelt! Der hatte ihn, Gott weiß, auf welchem Mist, Dem Hungertode nah, sich aufgeladen, Und bat bei allen Wunden unsers Herrn Für ihn um eine Streu im Pferdestall.

Gregory. Unmöglich!

Odowalsky. Mniczek hatte kurz zuvor Zufällig einen Judenbalg erschossen, Als er durchs Fenster sein Gewehr entlud, Und da er überdies betrunken war, Sprach er aus Reu': Hm! Ja! ich nehm' ihn auf.

Gregory. Nein! Nein!

Odowalsky. So ist's! Marina, seine Tochter, Bedurft' auch just zum Glück des Spielgefährten, Der auf sich reiten und sich schlagen ließ, Denn sie war klein und wild!

Gregory. Allmächt'ger Gott!

Odowalsky. Man prüft' ihn dann, wie einen jungen Hund, Den man behält, wenn er schon Künste kann, Und betteln konnte er in sieben Sprachen, Ob auch in einer beten, weiß ich nicht.

Gregory. Der Mönch, Ihr Herren –

Poniatowsky. Was ist's das Euch bewegt?

Gregory. Nicht ich! Nicht ich! Ein Höhrer sag' Euch das! (Ab.)

Odowalsky. Was hat der alte Narr?

Poniatowsky. Ich weiß es nicht, Doch er bestätigt alles, was ich sagte! Wenn er von unserm König Sigismund Erführe, daß er ein Zigeuner sei, Er könnte kaum so seltsam sich gebärden, Als da er hörte, wer der Junker ist.

Odowalsky. Da wird es Zeit, die Münze umzuprägen, Und heut noch soll's geschehn!

Poniatowsky. Was hast du vor?

Odowalsky. Beschimpfen will ich ihn!

Poniatowsky. Doch wie und wo?

Odowalsky. Was er auch tut, – ich packe ihn dabei, Und ob er betet, mir genügt's als Grund!

(Beide ab.)

Dritte Szene.

Maschinka(tritt auf). Heut pass' ich ihm zum letzten Male auf! Man glaubt schon von den Kindern Last zu haben, Wenn man sie füttert und vor Beulen schützt, Doch das ist alles eitel Zeitvertreib, Die Plage kommt erst, wenn sie älter werden. »Ich bitt' dich, Mutter, sag' ihm, ich sei krank, Wenn er dich fragt, warum man mich nicht sieht, Und merk' auf sein Gesicht, ich stick' indes Für ihn die Schärpe fertig, die du kennst, Und geh' nicht vor die Tür.« Ja, wenn er fragt! Doch wenn er schweigt? Es sind nun sieben Tage, Und er verlor kein Wort an mich, ihm sitzt Der dumme Falke immer noch im Kopf, Der sich verflogen hat. Nun hat sie mich Behängt mit ihren Kleidern, weil sie glaubt, Daß er sie kennen wird. Ich glaub's zwar nicht, Allein, sie bat mit Tränen in den Augen Und schwur mir, daß sie, wenn er noch nicht frage, Sein Roß mit ihrer Schärpe schmücken wolle, So ließ ich's denn geschehn. Da kommt er her.

Vierte Szene.

Demetriustritt im Jagdkleid auf, er will vorübergehen und bemerktMaschinkanicht.

Maschinka(tritt ihm in den Weg). Ei, guten Morgen!

Demetrius. Guten Morgen, Mutter! Ist deine Herrin auf?

Maschinka. Was geht's dich an? Dir wird sie ihren Traum wohl nicht erzählen, Wenn sie sich ihn nicht selber deuten kann!

Demetrius. Wie unwirsch! Aber sprich!

Maschinka. Hat sie vielleicht Ein Roß bestellt, das du ihr bringen sollst?

Demetrius. Das ist der Diener Sache.

Maschinka. Guter Gott, Wir dienen alle, und der Federbusch Macht keinen Unterschied, der wird zur Ehre Des Herrn getragen, nicht zur eignen Zier!

Demetrius. Wir setzen's morgen fort!

Maschinka. Warum nicht heut? Was sagt' ich doch? Ja! Diener sind wir alle, Und Diener müssen fein zusammenhalten Und es nicht treiben, wie das dumme Vieh, Das sich im Stall beständig stößt und beißt Und eins das andere zur Schlachtbank hetzt. Es ist kein Zufall, daß der Kellermeister Den Koch am liebsten zu Gevatter bittet, Das macht die Taufe billig.

Demetrius. Alte Hexe, Was soll das mir?

Maschinka. Schmeckt dir mein Wermut nicht? Nimm ihn nur ein, der Kranke kennt das Fieber Nur selten, das in seinen Knochen nagt, Allein, er traut dem Arzt und wird gesund. So höre auf mein Wort, ich mein' es gut. Du frugst mich eben nach der Palatina, Und machst dir mehr, als not, mit ihr zu schaffen, Nimm dich in acht!

Demetrius. Warum?

Maschinka. Ich weiß gar wohl, Warum du's tust, du denkst schon an den Tag, An dem sie sich vermählt und willst dir zeitig Durch sie die Gunst des edlen Gatten sichern –

Demetrius. Weib, Weib, du denkst doch, wie ein Spatz!

Maschinka. Das ist Auch richtig, wen die Braut zuerst empfiehlt, Dem wird das reichlichste Geschenk zuteil, Und du mußt deine eigne Hochzeit einst Von dem bestreiten, was dir ihre trägt, Doch treibst du's unvorsichtig!

Demetrius. Weiter! Weiter! Der Spaß wird lustig!

Maschinka. Deine Blicke sind Zuweilen etwas kühner, als ein Freier Gestatten dürfte!

Demetrius. Meine Blicke gelten Der Spielgefährtin, die's noch nicht vergaß, Wie oft ich sie durchs Wasser trug.

Maschinka. Ich weiß! Doch solch ein stolzer, hochgeborner Herr Ist ungestüm und rasch in seinem Zorn Und fragt nicht erst beim Geometer an, Ob du die Grenze eingehalten hast.

Demetrius. Was folgt daraus?

Maschinka. Im besten Fall ein Stoß, Der einen reinen Degen schmutzig macht, Im schlimmsten – (Sie macht die Bewegung des Schlagens.)

Demetrius. Vettel, du wirst unverschämt.

Maschinka. Wie nennst du mich?

Demetrius. Wie du's verdienst! Ich griffe Zur Peitsche, wärst du nicht so alt!

Maschinka. Zur Peitsche?

Fünfte Szene.

Marina(tritt auf). Was gibt's? Du bist erhitzt, mein Mütterchen, Wer hat dich so in Zorn gebracht? Der Marder? Hat er dein bestes Huhn gewürgt und schiltst du Den Imker, daß er keine Fallen stellt? Das ist auch wirklich schlecht!

Maschinka. Der Fallen stellen! Der Marder jagen!

Marina. Ist die Zeit vorbei? Ei wohl, die Bären laufen jetzt vor ihm! Doch denk' ich, wird er dir noch immer helfen, Das Ei, das dir ein böses Huhn verlegt, Für deine magre Küche beizutreiben, Und wenn auch nicht aus Dank für deine Bissen, So doch, weil man in einer alten Scheune, Die man durchkriecht, so leicht den Hals sich bricht. Nicht wahr, Demetrius? Wenn alles kracht Und unten jemand steht, der für uns zittert, Das ist so gut, wie eine Bärenhatz.

Demetrius. Es zittert keiner mehr für mich!

Maschinka. Der Lügner! Er weiß recht wohl!

Marina. Ja, das ist undankbar! Maschinka läßt den Eierkuchen fallen, Wenn ihre Katze einen Sprung versucht, Und soll nicht zittern, wenn ihr Pflegling klettert. Mein Mütterchen, jetzt seh' ich endlich ein, Wie recht du hast, die Welt so arg zu finden Und dich zu sehnen nach dem jüngsten Tag.

Maschinka. Ach!

Marina. Gilt es Ernst? Da halt' ich gleich Gericht. Wo ist ein Stuhl? Verklagter hole einen, Das sei die Strafe seines bösen Leumunds,Praesumptioist immer gegen ihn. Ja, ja, ich kann Latein! Auch hab' ich mir Die Miene wohl gemerkt, womit mein Vater Am weitsten bei mir kam, wenn er mich schalt, Und werde Reu' und Leid zu wecken wissen! Das Leugnen hilft dem Sünder hier zu nichts, Er ist bekannt, er hat sich einst sogar An unsrer eigenen Person vergriffen Und uns an unserm langen Haar gezupft. Es war den Tag, wir merkten's uns genau, An dem wir unsre vielgeliebte Puppe Verstießen, und wir nahmen's gleich als Strafe Der Grausamkeit und haben's still verziehn. Doch immer zeigte es ein arges Herz, Und Klägerin wird gläub'ge Ohren finden, Wenn der Beweis ihr auch nur halb gelingt. So sprich, was gibt's? Mit Olga steht's doch wohl?

Maschinka. Du fragst doch noch! Der sah sie sieben Tage Schon nicht und hat es nicht einmal bemerkt.

Marina. Ich auch nicht, Mütterchen!

Maschinka. Du hast das Recht, Du bist des ersten Woiwoden Tochter Und zeigst dich uns schon gnädig, wenn du nicht Den Küster schiltst, der dich im Schlummer stört, Weil er uns in der Früh zu Grabe läutet, Und wenn du dem, der uns verscharren will, Die Zeit vergönnst, die dazu nötig ist.

Marina. Maschinka!

Maschinka. Willst du beide überdies Für ihre Müh' durch einen Trunk belohnen, So sollst du doppelt mir gesegnet sein. Doch dieser, der im nächsten Türkenkrieg Erst Arm und Bein gelassen haben muß, Bevor dein Vater einen Kastellan Und einen Torwart aus ihm machen kann, Ja, dieser, dacht' ich, könnt' es wohl bemerken, Wenn meine Olga sieben Tage fehlt. Das arme Kind hat täglich nachgefragt Und wird zuletzt noch wirklich krank. Was red' ich? Zuletzt wird's noch gefährlich, wollt' ich sagen, Weil sie sich ärgert, daß der Hochmut hier Den Falken gleich vermißt, der sich verfliegt, Doch sie in sieben langen Tagen nicht! Heut Morgen zog ich Kleider von ihr an, Als hätt' ich sie beerbt, dies Tuch hier ist Von ihr, und auch die Schürze! Doch, was half's?

Marina. Verteidigt Euch, Demetrius!

Demetrius. Sie sagt Die Wahrheit. Ja, ich habe ihre Olga In diesen sieben Tagen nicht vermißt Und kann auch sieben Jahre sie entbehren!

Maschinka. Kannst du? Ei wohl! Hier steht die Palatina Und die ist freilich vorzuziehn. Darf ich Sogleich die Werbung machen? Fürstin, schau, Du hast die Huld und Gunst so vieler Jahre An diesen Edelmann nicht weggeworfen, Er reicht dir jetzt zum Dank dafür die Hand! (Ab.)

Sechste Szene.

Marina(ihr nach). Nicht doch! Er hält durch mich um Olga an!

Demetrius. Marina, keinen Hohn! Ich kenne mich Und kenne dich und werd' in meinem Traum Viel eher noch an einem Regenbogen Den Sternenhimmel zu erklettern suchen, Als mir aus eitlen Hoffnungen die Brücke Erbaun, die mich hinüberführt zu dir!

Marina. Wie feierlich für einen halben Bruder!

Demetrius(zieht eine Schleife hervor). Hier ist die Schleife, die dir jüngst entfiel, Du hast es nicht bemerkt, ich hob sie auf, Damit sie nicht im Staub zertreten würde, Doch fürchte nichts, sie wurde nicht befleckt, Ich habe keinen Kuß darauf gedrückt, Ich hab' sie nicht auf meiner Brust verwahrt, Denn ich bin viel zu stolz in meinem Sinn, Mir gegen deine Schleife zu erlauben, Was ich nicht wagen dürfte gegen dich!(reicht sie ihr.)

Marina. Behalt sie nur!

Demetrius. Als rotes Band, nicht wahr? Es sei! Sowie ich dir den Hänfling fange, Bringt er es dir an seinem Hals zurück, Das hab' ich gleich beschlossen, als ich's fand, Doch sind die Sprenkel auch noch heute leer.

Marina. Du wunderlicher Mensch!

Demetrius. Ich bin nun so! Ich setz' mich lieber auf die nackte Erde, Als auf den Stuhl des Bauern, trinke lieber Aus hohler Hand, als aus dem Napf des Knechts, Und such' mir lieber Beeren für den Hunger, Als daß ich schwelge, wo der Bettler zecht! Marina, laß mich deine Locken küssen!(Er tritt auf Marina zu.)

Marina(weicht zurück). Du meinst, sie zürnen noch von ehmals dir? Nicht doch, sie haben keinen eignen Willen, Sie mußten mit verzeih'n, als ich verzieh.

Demetrius. Was mahnst du mich an diesen Knabenstreich! Und doch, ich danke dir's. Wer mich verklagt, Gibt mir das Recht mich zu verteidigen. So hör' denn, was ich dir zu sagen habe, Du kennst die Missetat, doch nicht den Grund.

Marina. Ich bin bereit, den strengen Spruch zu mildern, Wenn dieser Grund die Schuld verringern kann.

Demetrius. Als ich an jenem Morgen bei dir stand –

Marina. Was für ein Morgen war's? Was sichert ihm Den Platz in unserm christlichen Kalender? Ich weiß nun schon! Mein Abschied von der Puppe, Wir zeigten unser mannhaft starkes Herz.

Demetrius. Ich weiß nicht, wie mir ward –

Marina. Es ist zu lange!

Demetrius. Mich faßte die unsäglichste Begier, Dich zu berühren, doch mir fehlte plötzlich Der Mut, die Hand noch einmal zu ergreifen, Die ich im Spiel schon tausendmal ergriff –

Marina. Natürlich! Wenn ein Mädchen seine Puppe Verschenkt, gebietet's auch Respekt! Du konntest Nicht ahnen, daß ich's gleich nachher bereute Und mich noch sehnte nach dem letzten Kuß.

Demetrius. Ich schlich mich hinter dich und wickelte Die Hand in deine Locken –

Marina. Damals nanntest Du sie noch Haare, oder wurden sie An jenem großen Morgen umgetauft?

Demetrius. Ich drückte sie und hatte ein Gefühl, Als könnten sie, wie Finger, wieder drücken –

Marina. Und ich, ich stand geduldig still?

Demetrius. Du blicktest Dem Kinde nach, das fröhlich mit der Puppe Von dannen hüpfte –

Marina. Voll von Reu' und Schmerz.

Demetrius. Auf einmal flog von einer Rosenhecke Ein Schmetterling empor –

Marina. Weiß oder rot?

Demetrius. Dem sprangst du plötzlich nach, bevor ich's ahnte Und deine Locken ließ, und tatst dir weh.

Marina. Und warum wird mir alles dies erst heute Vertraut und nicht in jener schweren Stunde, Wo ich Maschinka rief und sie dich schalt?

Demetrius. Die Scham verschloß des Knaben Mund, ich hätte Mich eher zücht'gen lassen, als bekannt.

Marina. Es kam nicht ganz so weit!

Demetrius. Vergib mir denn, Daß ich der ersten Probe halb erlag, Die andre hab' ich rühmlicher bestanden Und gestern in der letzten ganz gesiegt! Du siehst mich lächelnd und verwundert an? Du weißt nicht, was ich meine? Gestern abend Gingst du noch spät allein hinab zum Garten –

Marina. Mich abzukühlen! Ja, ich leugn' es nicht.

Demetrius. Ich schlich dir nach –

Marina. Gewiß mit einem Messer Bewaffnet, um vor Wölfen mich zu schützen! Ich danke dir! Sie sind im Wonnemond Bei uns so häufig, als im Winter selten!

Demetrius. Und du erschienst mir schön wie nie zuvor, Als du den dunklen Lindengang durchschwebtest, Bald hell vom Mond bestrahlt und bald vom Schatten Der breiten Bäume wieder eingeschluckt. Leuchtkäfer tanzten gaukelnd um dich her, Sie hüpften auf dein Kleid und hüpften ab, Es war, als ob du selbst die Funken sprühtest, Und hubst du deine Augen auf zum Himmel, So tauchten alle Sterne sich hinein.

Marina. Wie gut, daß man sich selbst bei Nacht nicht sieht, Sonst hielt' ich mich vielleicht schon für ein Bild, Womit man keine Spatzen scheuchen kann, Wenn man es in die Erbsenfelder stellt.

Demetrius. Marina, frevle nicht! Du weißt recht wohl, Daß Könige sich eher um dein Lächeln, Als um das Reich der Polen schlagen werden

Marina. Halt ein! Sonst höre ich zu lächeln auf.

Demetrius. Ich schlich dir leise nach von Baum zu Baum –

Marina. Welch Glück, daß ich nicht mit mir selber sprach.

Demetrius. Und mich ergriff, wie einst den armen Knaben, Unsägliche Begier, dich zu berühren! Da fiel, von einem milden Lindenzweig, Der dich im Fluge streifte, losgenestelt, Und dann vom Hauch des Abends fortgetragen, Die Schleife dicht vor meine Füße hin. Ich griff nach ihr und führte sie zum Munde, Doch eh' ich sie noch küßte, rief ich aus: Die kann sich ja nicht wehren! und gelobte Sie durch den Vogel an dich heimzusenden, Um den du mich denselben Tag ersucht!(Nach einer Pause.) Marina, laß mich deine Locken küssen!

Marina(weicht wieder zurück). Ernst?

Demetrius. Doch! O doch! Ich fordre nichts von dir, Als was du geben kannst, und wenn du auch Als Braut schon morgen zum Altare trätest –

Marina. Wann sagt' ich Nein und nahm das Wort zurück?

Demetrius. So küsse deine Hand und reich' sie mir!

Marina. Das tat ich nie und darum tu' ich's heut!(Sie küßt ihre Hand.)

Demetrius(ergreift ihre Hand und drückt einen Kuß darauf) Nun lebe wohl! Nun leb' auf ewig wohl!

Siebente Szene.

Odowalskyund Poniatowsky sind während dessen wieder aufgetreten.

Poniatowsky. Schau hin!

Odowalsky. Gut! Gut.(Er tritt rasch hervor.) Verzeiht, erlauchte Dame, Daß wir den Knecht nicht besser unterwiesen!(Zu Demetrius.) Man küßt die Schleppe, Freund, doch nicht die Hand.

Demetrius(reißt seinen Degen heraus). Verzeiht, erlauchte Dame, daß ich's wage –(Zu Odowalsky.) Zieh oder stirb!

Odowalsky(zu Poniatowsky). Was fällt dem Burschen ein?

Demetrius. Du säumst?

Odowalsky(zu Poniatowsky). Bedeut' ihn doch!

Demetrius(ersticht ihn). So fahre hin!

Poniatowsky. Das ist ein Mord!

Demetrius. Und darauf steht der Tod.

Marina. Helft! Helft! O helft!

Achte Szene.

Mniczekmit Gefolge tritt auf, Gesinde strömt zusammen, auchGregorywird eine Weile sichtbar.

Mniczek. Was gibt's? Was ging hier vor?

Demetrius. Mein Fürst, ich habe diesen Mann erschlagen, Doch möge mir sein eigner Freund bezeugen, Wie schwer er mich gereizt, wie hart beschimpft.

Poniatowsky. Er hat dich bloß für deinen Übermut, Der keine Grenzen kannte, leicht gezüchtigt Und du verfielst dem rächenden Gesetz.

Demetrius. Mein Übermut bestand in einem Kuß, Den ich auf diese weiße Hand gedrückt, Doch nur, um ein Gelübde abzulegen, Das längst in meiner Seele still gereift.(Halb zu Marina, halb zu den übrigen.) Wie ich nicht sitze auf dem Stuhl des Bauern, Wie ich nicht trinke aus dem Napf des Knechts, Wie ich nicht schwelge, wo der Bettler schmaust, So will ich auch die niedre Magd nicht küssen, Die mir bestimmt ist, denn ich weiß gar wohl, Daß ich mit nichten euresgleichen bin!(Zu Marina.) Dies schwur ich dir, du wirst mich nicht verdammen, Und nun, ihr hohen Herrn, auch euren Spruch! Je rascher ihr ihn fällt, je besser ist's, Und schickt ihr mich vor Mittag noch zu Bette, So lob' ich euch mit meinem letzten Hauch.

(Er geht, Marina will ihm die Hand reichen, er lehnt sie mit ehrerbietiger Gebärde ab. Alle folgen.)

Neunte Szene.

(Palast des Legaten.)DerLegattritt mit Schriften und Briefen auf.

Legat. Man kann es wagen, und man muß es wagen., Wenn man es jemals wagen will! Er hat Das Ohr an eines jeden Mund, die Hand In eines jeden Tasche. Alles murrt Und flucht, daß gar kein Wechsel möglich scheint, Weil Ruriks Stamm für ausgestorben gilt. Der Schatten Iwans würde Boris stürzen, Wenn er in einer Mitternacht erschiene Und nur den Finger gegen ihn erhübe; Sein Sohn wird alle Völker um sich sammeln, Die das gewalt'ge Russenreich bewohnen, Sobald er sie zu seiner Fahne ruft! Jedwede Vorbereitung ist getroffen: Man hat ihn allerorten schon gesehn Und allerorten schon von ihm gehört! Hier fuhr er über einen Strom und ließ Anstatt des Fährgelds ein Papier zurück, Worin er für den armen kleinen Dienst Dem Schiffer eine Million verspricht, Sobald er seiner Väter Thron bestieg. Dort schlief er eine Nacht in einem Kloster, Dem er zum Dank die Glocken schenken will, Die in der Kirche fehlen, seit sie steht, Und Worte, die ich listig ausgedacht, Gehn, wie Kopeken, um von Land zu Lande Und tragen Bild und Überschrift von ihm. Nun gilt's, ihn selbst aus seinem Schlaf zu wecken, Doch so, daß man, wenn er sich störrig zeigt, Noch immer sagen kann: du hast geträumt!

Zehnte Szene.

Gregory(tritt auf). Mein Kardinal, dich bringt ein einz'ger Ruck Vielleicht zum Ziel, und meines Schraubenzugs Bedarf's nicht mehr. Dein Prinz Demetrius Stach eben einen Odowalsky nieder.

Legat. Um nichts, nicht wahr?

Gregory. Ich weiß nicht, wie es kam.

Legat. Das wußte man auch nie bei seinem Vater.

Gregory. Die Polen halten über ihn Gericht, Er selbst bestand darauf.

Legat. Das kann ich denken.

Gregory. Der Tod ist ihm gewiß.

Legat. Wenn du versäumst, Ihm seine letzte Beichte abzunehmen.

Gregory. Doch wenn er um den Hals das Kreuz nicht trägt?

Legat. Dann hättest du den Knaben schlecht gewarnt.

Gregory. Ich sagte ihm, sein Leben hinge dran, Daß er's bewahre und es keinem zeige.

Legat. Ein Kind mit sieben Jahren merkt sich das!

Gregory. Doch wenn es fehlt? Er hat's verlieren können!

Legat. Dann wirst du seinen kurzen Arm entdecken Und schwören, er sei Iwans Sohn.

Gregory. Beteuern!

Legat. Beteuern, wenn's genügt, sonst aber schwören.

Gregory. Doch Iwans Sohn ward vor der Mutter Augen Getötet.

Legat. Iwans Sohn? Wohl nur der Knabe, Den seine Mutter dafür hielt.

Gregory. Ist's möglich?

Legat. Es ist gewiß. Der echte Prinz ist hier.

Gregory. Doch wie!

Legat. Die Kinder wurden umgetauscht, Bevor man noch das Wiegenkissen rückte, Und was ermordet ward, ist Bauernfrucht.

Gregory. Ich weiß, daß du dein Netz als Meister strickst, Ich bin ja selbst die erste Masche drin, Doch darauf war ich nicht gefaßt.

Legat. Es war Vorauszusehn, wie alles kommen mußte, Wenn Iwan starb. Der kranke Feodor, Der neben seinem Wüterich von Vater Als blasser Schatten zitterte, versprach Kein langes Leben, und dem jüngsten Prinzen War seine Krone schon im Mutterleib Gewiß.

Gregory. So dachte alles, das ist wahr.

Legat. Wer Boris aber kannte, wußte auch, Daß dieses Kind dem kaiserlichen Bruder Im Tod vorangehn oder folgen würde, Weil es ihm selbst den Weg zum Thron vertrat. Dies stand so fest, wie der Planetentanz, Sobald ein Knabe kam, und dessen sich Sogleich bemächt'gen, hieß ihn selbst für ewig Zum Schuldner machen, seinen Retter aber Zum Herrn des Zaren und des Zarenreichs.

GregoryEr ist in deiner Hand. Du kannst ihn heben Und stürzen, wie du willst.

Legat. So ist's. Es gilt Das heil'ge Werk, das tausendmal mißlungen, Doch aber tausendmal mit frischen Kräften Begonnen und vollendet werden muß, Und legten wir auch erst am jüngsten Tage Den letzten Stein mit unserm letzten Schweiß. Der Rock des Herrn, zerrissen und zersplissen, Ist immer noch das teure Bild der Kirche, Und ehe wir ihn neu zusammenstückten, Ist nichts geschehn, wie viel wir auch getan. Man muß des Übels Wurzel endlich treffen, Und dazu hab' ich eine Axt geschmiedet, Wie sie der Papst noch nie geschwungen hat. Der Zarewitsch ist unser, seinen Raub Setzt' ich als Preis der Absolution Für einen Mord, der eingebeichtet ward, Und er gelang; er ist bis diesen Tag Noch ungetauft und braucht die Ketzerei Nicht abzuschwören, die ihn nie befleckt. Du rettest ihn noch heut vom zweiten Tode Und öffnest ihm die Augen über sich, Ich aber komme mit dem Fischerring Und sprech' ihm feierlich die Krone zu, Die Boris' sünd'gen Scheitel jetzt bedeckt. Wird er nicht Wachs in meinen Händen sein? Und darf ich, wenn ich das durch ihn vollbringe, Was zwölf Jahrhunderte umsonst versuchten. Nicht ganz so würdig, wie der große Gregor, Der Deutschlands Kaiserzepter einst zerbrach, Mich niedersetzen auf Sankt Peters Stuhl?

Gregory. Wenn du durch ihn das Schisma tilgen kannst, Das Morgenland und Abendland gespalten, So hast du mehr getan, als Hildebrand.

Legat. Und warum sollt' ich nicht? In Deutschland selbst, Wo die verruchte Schlange, welche Adam Zu Fall gebracht, noch spukt bis diesen Tag Und, immer neue Ketzereien brütend, Ihr letztes Gift im Luther ausgeschäumt: In Deutschland selbst ist man der Völker sicher, Wenn man den Fürsten hat, denn diese müssen Ihm in den Himmel, wie zur Hölle, folgen, Und ob er dreimal wechselt mit dem Weg. Wie denn erst hier, wo ein Wassiljewitsch, Der seinen eignen Erben mit dem Hammer Darniederschlug und die Bojaren köpfte, Als wären's Disteln, von der blöden Menge Bis heut beweint wird, ja zurückersehnt? Der Zar von Moskau tut, was ihm gefällt, Und Gott allein ist mächtiger, als er.

Gregory. Der Geist des Herrn sei über dir!

Legat. Er ist's! Ich bin ein armes Bauernkind und habe Die Schweine manches liebe Jahr gehütet, Zufrieden, wenn mir keins im Herbste fehlte, Und glücklich, wenn ich einen Sack erhielt, Um meine Blöße kümmerlich zu decken, Sobald der Winter das Quartier bezog. Jetzt darf ich eines Werks mich unterfangen, Vor dem die Kirche selbst verzweifelnd steht: Wie käme das an mich, wenn nicht durch ihn? Dies Wunder, das ich an mir selbst erfuhr, Wiegt mir die andern alle auf, ich bin, Wie ein beseelter Scherben, sollt' ich staunen, Wenn ich die Lahmen gehn, die Tauben hören, Die Toten aus den Grüften schreiten sähe? Ich selbst war lahm und taub und tot, wie sie.(Nach einer Pause.) Jetzt tu das Deinige! Ich folge nach.

(Beide ab.)

Elfte Szene.

(Halle.)Demetrius,Mniczek,Poniatowskyund viele Woiwoden treten mit Gefolge auf.

Demetrius. Ihr hohen Herrn, ich sag's euch noch einmal: Ich bin bereit und wünsche keine Frist. Das Leben könnt ihr mir ja doch nicht schenken, Soll ich die Furcht des Todes kennen lernen, Und an Minuten in den Abgrund klettern, Den man nur dann nicht fürchtet, wenn man ihn Mit einem einz'gen kühnen Sprung ermißt? Ruft mir den Priester, daß ich beichten kann, Reicht, wenn ihr wollt, mir dann versöhnt die Hände Und laßt mich fahren bis auf Wiedersehn.

Mniczek. Es tut mir weh, Demetrius, du hast So viele Jahre nun mein Brot gegessen –

Demetrius. Und dir zum Dank dafür den Gast erstochen, Der still um deine edle Tochter warb!(Als einige reden wollen.) Entschuldigt's nicht! Er hatte mich beschimpft, Doch hätt's auch ohne das so kommen können, Und sicher war' noch Ärgeres geschehn.

Zwölfte Szene.

Gregoryerscheint.

Demetrius. Dort kommt ein Mönch. Ehrwürd'ger Vater, hört Die letzte Beichte eines armen Sünders Und lest ihm dann die erste Totenmesse, Ich geb' Euch dieses Kreuz dafür!(Er nimmt ein Kreuz vom Halse ab.) Doch wie? Seid Ihr's nicht selbst, der es mir umgehangen?

Gregory. Erkennst du mich?

Demetrius. Mein Leben hinge dran, So sagtet Ihr, nicht wahr?

Gregory. Du wirst es sehn.

Demetrius. Mein Leben ist verwirkt, ehrwürd'ger Vater.

Gregory. Ein Zarewitsch verwirkt sein Leben nicht!

Demetrius. Wie! Ich –

Gregory. Du bist des Zaren Iwan Sohn, Dem sichren Tod durch unsre heil'ge Kirche Entrissen –

Demetrius. Mann, du trägst ein geistlich Kleid, Bedenk' es wohl, und spotte meiner nicht, Ich würde dich zerreißen!

Gregory. Dieses Kreuz Verbürgt es mir, daß du der Knabe bist, Den ich dem edlen Woiwoden einst Ins Haus gebracht.

Dreizehnte Szene.

Legaterscheintin pontificalibus.

Stimmen. Der Kardinal-Legat!

Gregory(deutet auf den Legaten). Das andre wird ein Höhrer dir verkünden.

Legat. Mein Prinz, vergönnt, daß ich der erste sei, Die Huldigung zu Füßen Euch zu legen, Die Euch der ganze Erdkreis schuldig ist.

Demetrius(abwehrend). Herr Kardinal, ich muß auch Euch noch bitten, Mir alle diese Wunder zu erklären, Ihr seht ja, daß ich sie nicht glauben darf! Denn nicht allein ein Reich und einen Thron, Ihr schenkt mir auch ein Recht, das ich nicht hatte, Und das vor mir wohl noch kein Mensch entbehrte, Das Recht, zu sein, wie ich nun einmal bin! Ich ward, solang' ich diese Erde trete, Gescholten und gehaßt, und einen jeden Hab' ich beleidigt, oder doch gekränkt, Und sagt' ich auch nur guten Tag zu ihm. Man ist mit meinen Augen nicht zufrieden, Man möchte, daß ich anders Atem holte, Man tadelt meine Mienen, meine Stimme, Und es ist wahr, ich red' ein wenig laut. Herr Kardinal, bin ich der Zarewitsch, So setzen meine Fehler Kronen auf Und hüllen sich in Purpurmäntel ein: Wenn Moskau, mit den tausend goldnen Türmen, Von denen jeglicher ein Volk bedeutet, Dereinst vor mir die Tore öffnen muß, Wer nennt mich übermütig oder stolz?

Vierzehnte Szene.

Mniczek(hat Marina geholt). Mein Prinz, vergönnt auch mir und meiner Tochter –

Demetrius. Herr Woiwod von Sendomir, verzieht!

Legat. Du hast kein größres Recht auf deinen Kopf, Als auf die Krone, welche Boris trägt.

Demetrius. Dann will ich's auch behaupten oder fallen.

Mniczek. Ich steh' im Leben, wie im Tod, zu dir!

Demetrius. Du warst mir Vater und du sollst es bleiben!

Marina. Da darf auch ich mich wohl noch Schwester nennen? Es soll mich nicht verhindern, der Zaritza Die Hand zu küssen, wenn sie's sonst vergönnt.

Demetrius. So küsse deine eigne noch einmal.

Marina. Du meinst, wer Rußland hat, der hat auch mich. Nun, Moskau wiegt!

Demetrius. Du weißt schon, was ich meine.

Kardinal. Wenn's Euch genehm ist, führ' ich Euch sogleich Zu unserm weisen König Sigismund. Vor ihm und der erlauchten Republik, Zn Eurem Heil im Reichstag jetzt versammelt, Enthüll' ich alles, was noch dunkel ist.

Poniatowsky. Vivat der Zarewitsch Demetrius!

(Alle ab, die Woiwoden mit gezogenen Schwertern.)

Demetrius

Personen:

 Zar Boris Godunow.

Hiob, Patriarch.

Basmanow, Mstislawsky und Fürst Schuiskoi, Bojaren.

Marfa.

Äbtissin.

Laienschwester.

Demetrius.

Mniczek.

Marina.

Poniatowsky.

Gregory.

Otrepiep, Hetman der Saporogischen Kosaken.

Der Bürgermeister von Nowogorod.

Rurik.

Ossip.

Petrowitsch.

Barbara.

Ein Adjutant des Demetrius.

Küster.

Ordenskanzler. Bojaren. Bürger. Soldaten. Kosaken. Volk.

Das Stück spielt in Rußland um 1605.

Erster Akt.

(Moskau. Kreml. Großer Audienzsaal.)

Erste Szene.

Basmanow,Mstislawsky,Schuiskoiund andere Bojaren.

Basmanow. Man kann vom Menschen gar so schlecht nicht denken, Daß man nicht eines Tags sich sagen müßte: Du dachtest noch zu gut.

Mstislawsky. Da hast du recht.

Basmanow. Wer hätt' sich's träumen lassen! Solch ein Märchen! Unsinniger wie eine stumpfe Amme Es je an einem Kinderbett erfunden, Und doch nicht ausgelacht!

Mstislawsky. Die Auferstehung Vorm jüngsten Tag, und ohne unsern Herrn. Und doch geglaubt!

Basmanow. Die Republik der Polen In Waffen für den Schatten eines Knaben, Von dessen Knochen nicht das kleinste Stäubchen Mehr übrig ist!

Mstislawsky. Die treuesten Provinzen Des eignen Reichs bereit, das Ohr zu spitzen, Anstatt die Faust zu ballen.

Basmanow. Moskau selbst – Es ist zu toll, man schämt sich, Mensch zu heißen –

Mstislawsky. Jawohl, es ist zu toll, und doch wohl wahr!

Schuiskoi. Was gibt es denn in Moskau?

Basmanow. Was es gibt? Nichts Neues, Moskau ist vollkommen ruhig, Doch diese Ruhe scheint mir fast zu groß.

Zweite Szene.

BorisundHiobtreten ein.

Boris. Die Krone Polen bricht mit uns den Frieden, Dies ist das einz'ge, was hier wichtig ist, Und das hat seine vorteilhafte Seite! Den Handschlag, den ich nehme, geb' ich auch, Und halt' ich meines Feindes Schwert gefesselt, Wenn unsre Finger sich in Eintracht kreuzen, So er nicht minder auch das meinige.(Zu den Bojaren.) Der Russe, denk' ich, hat mit dem Sarmaten Noch manches abzutun, er wird nicht fluchen, Daß jetzt der Tag der Rechenschaft erscheint!

Basmanow(legt die Hand ans Schwert) Mein Zar!

Boris. Nein, Basmanow, du bleibst daheim. Ich kann nicht jeden Krieg an dich verschenken, Die andern Adler wollen auch ihr Futter.(Zu Schuiskoi.) Schuiskoi, was meinst du, steigst du gern zu Pferd?

Schuiskoi. Mein Fürst!

Boris. Entscheide dich nicht allzu rasch, Lies erst dies Blatt! (Hiob reicht Schuiskoi ein Papier.) Es ist ein Manifest! Laut! Laut!

Schuiskoi. Nicht um die Welt!

Boris. Wenn ich nun bitte!

Schuiskoi(stotternd). Von Gottes Gnaden, Wir Demetrius –

Mstislawsky. Mein Fürst, muß ich das hören?

Boris. Ist's dir neu?

Schuiskoi(liest). Entbieten dem betrognen Volk der Reußen –

Boris. Man hört's ja nicht! Wie willst du kommandieren, Wenn du mit Kugeln Antwort schicken sollst?

Schuiskoi(laut und fest). Als angestammter Zar und letzter Sproß Aus Ruriks Blut den väterlichen Gruß. Wasmaßen ein verwegener Betrüger –(Setzt ab.) Nimm meinen Kopf!

Boris. Ich bat nur um die Zunge.

Schuiskoi. Die reiße ich mir aus, wenn du mich zwingst, Den Herold dieses Buben abzugeben!

Boris. So laß denn sehn, wer besser lesen kann!(Reicht Mstislawsky das Blatt.) Du gingst bei einem Deutschen in die Schule Und wirst dem Meister Ehre machen, Knäs!(Einhelfend.) Wasmaßen ein verwegener Betrüger –

Mstislawsky(liest). Wasmaßen ein verwegener Betrüger, Den Iwan, Unser hocherlauchter Vater, Vom Staube aufgelesen –

Boris. Das ist wahr! Ich bin nur sein Geschöpf und will es bleiben, Solang' ich Atem hole!

Mstislawsky(liest). Klug und schlau –

Boris. Von vorn! Ich hätt's nicht unterbrechen sollen! Noch einmal! Aber so, daß man's versteht!

Mstislawsky(liest). Von Gottes Gnaden! Wir Demetrius Entbieten dem betrognen Volk der Reußen Als angestammter Zar und letzter Sproß Aus Ruriks Blut den väterlichen Gruß! Wasmaßen ein verwegener Betrüger, Den Iwan, Unser hocherlauchter Vater, Vom Staube aufgelesen, klug und schlau Sich alle Würden Unsres Reichs erkrochen Und endlich gar den Thron, der uns gebührt Und der durch Meuchelmord erledigt schien, Bestiegen und bis diesen Tag befleckt: Als tun Wir hiedurch kund, daß Wir noch leben, Durch Gottes ganz besondre Fürsehung Dem Mörder in der Wiege schon entrissen, Und daß Wir kommen, Rechenschaft zu fordern Um Hochverrat von Boris Godunow.(Zerknittert das Blatt.)

Boris(nimmt es ihm aus der Hand). Das tu dem Schreiber, aber nicht dem Blatt! Man muß ein jedes Ding zu Ende bringen!(liest fort.) Ermahnen Unsre Lieben und Getreuen Zugleich, sich Unsren Fahnen anzuschließen, Sobald sie können, und verwarnen jeden, Uns Widerstand zu leisten, wenn er nicht Gezwungen ist durch äußerste Gewalt. Geloben auch bei Unserm Zarenwort So überschwenglich gnädig Unsern Freunden, Als Unsern Feinden fürchterlich zu sein. Zwölf neue Fürsten werden Wir ernennen, Wenn Wir in Moskau sind, und keiner soll So reich und mächtig sein, daß Wir ihn nicht Noch doppelt reicher, doppelt mächt'ger machen, Wenn er sich ein Verdienst um Uns erwarb. Wornach sich männiglich – Gegeben Krakau –(Absetzend.) Wie scheint die Mausefalle euch gebaut? Sehr gut, ihr Herrn, ihr dürft sie ruhig loben, Doch hier ist Gift für diesen süßen Speck!(Hiob reicht ihm auf seinen Wink ein zweites Papier.) Das Protokoll von Uglitsch, aufgenommen, Als Prinz Demetrius so jäh verstarb!(Reicht es Mstislawsky.)

Mstislawsky(sich weigernd es zu nehmen). Mein Zar, wir wissen –

Boris. Was? Noch wißt ihr nichts, Die gute Meinung dank' ich euch von Herzen, Doch wünsch' ich, daß ihr prüft!

(Mstislawsky schaut in das Blatt.)

Boris(zu Schuiskoi). Erschrickst du nicht, Den dräuenden Gebieter zu erzürnen, Wenn du für mich den Degen ziehst?

Schuiskoi. Mein Fürst, Ich wünschte mir, die Sache wäre ernster, Denn diesen Gegner husten wir noch um.

Boris. Meinst du? (Zu Mstislawsky, der gelesen und Basmanow das Blatt gereicht hat.) Was sagst du?

Mstislawsky. Etwas war mir neu, Ich glaubte dieses Kind im Brand erstickt, Und hier –

Boris. Du siehst, es hat sich selbst getötet, In einem Anfall von Epilepsie Mit einem Messer durch den Hals sich fahrend, Das ihm die Amme eben dargereicht, Weil es sich einen Apfel schälen wollte.

Basmanow(der gleichfalls gelesen hat und Schuiskoi das Blatt reicht). So steht es fest durch sieben Zeugen! Plötzlich, Wie das bei diesem Übel stets geschieht, Zusammenzuckend und die Ader treffend, Gab es sich selbst den Tod!

Boris(nimmt das Blatt wieder). Genügt euch das?

Schuiskoi. Schick' dieses Blatt anstatt des Heers nach Polen, So hängen sie den Schurken selber auf!

Boris. Wie? Ist denn keiner offen mehr mit uns? Habt ihr die Fabel noch nicht ganz gehört? So fragt bei eurem Ofenheizer an, Ich steh' dafür, der Mann erzählt sie aus.

Mstislawsky. Du meinst, daß Iwan zwei der Söhne hatte, Die fast zu gleicher Zeit das Licht erblickten, Den einen von der Zarin und den andern Von einer Magd, und daß man sie vertauschte –

Boris. Das mein' ich, ja! Und wenn sich's so verhält, Was nützt dies Blatt?

Schuiskoi. Mein Ofenheizer wird Die plumpe Lüge, wie ich selbst, verlachen, Die ein latein'scher Bischof uns verbürgt.

Boris. Das ist's! Der Bürge ist mir zu verdächtig, Sonst – bei den Wunden des Gekreuzigten, Ich trüg ihm selber Salz und Brot entgegen Und spräche: Habe Dank, daß du erscheinst, Mich abzulösen! Denn ihr alle wißt, Wie schwer ich mich entschloß, die Last der Krone Zu übernehmen, die nur den nicht drückt, Dem's an Verstand gebricht, um sie zu fühlen, Und an Gewissen, ihr genug zu tun. Ehrwürd'ger Patriarch, was sagte ich, Als du sie mir zum neunten Male botst?

Hiob. Du hieltst mir einen Totenkopf entgegen Und sprachst: Verlocke den!

Boris. Bojaren, redet, Griff ich so zu, wie Knaben nach dem Apfel?

Schuiskoi. Nein, schaudernd, wie man eine Schlange faßt.

Boris. War ich zu rasch, und hatten die Provinzen Nicht Zeit, sich zu erklären?

Basmanow. Selbst Archangel Hatt' seine Boten dreimal schicken können, Und liegt am Ende der bewohnten Welt.

Boris. So wurden alle Stimmen denn gehört?

Schuiskoi. Und alle riefen aus: Wir sind verloren, Wenn Boris nicht des Reiches sich erbarmt!

Boris. Auch ihr?

Schuiskoi. Die Mütter warfen ihre Kinder Zu Boden und die Väter setzten ihnen Die Ferse auf den Nacken, als du gar Nicht zu erbitten warst!

Boris. So hörte ich!

Basmanow. Ich sah es selbst.

Hiob. Erlauchter Zar, man wird Verzeichnen in den Büchern der Geschichte Und dich den einz'gen Kronenweigrer nennen, Der unter tausend Kronenräubern steht!

Boris. Verhüte Gott, daß man mir jemals schmeichle. Zwar ist das alles wahr und noch viel mehr, Denn Feodor, mein heil'ger Vorfahr, hatte Nicht, wie ich sagte, um mich selbst zu schützen, Die Zarin-Witwe, meine fromme Schwester, Zur Erbin seines Reiches eingesetzt, Er hat mich selbst ernannt!

Hiob. Mein Fürst, ich weiß! Es war der letzte Schmerz des toten Zaren, Daß du den Schwur auf die Reliquien Verweigertest! Daher der Ungestüm, Mit dem ich später in dich drang! Ich hatt' es Dem Sterbenden gelobt! Bojaren, staunt: In einer Welt, wo Brüder sich ums Erbe Ermorden, eh der Vater noch ganz kalt ist, Wird Boris Godunow ein Reich geschenkt, Und er verhehlt es euch und gibt es weiter!

Boris. Vergeßt nicht, daß ich viel erfahren hatte! Ich stand dabei, als Iwan seinen Sohn Im Zorn mit eigner Faust darnieder schlug. Es war in diesem Saal! (Zu Mstislawsky.) Du sahst es auch, Du warst zum ersten Male hier und wurdest Mit Blut und Hirn bespritzt, die linke Wange Besonders. O, ich seh' es noch. (Zu Basmanow.) Du gleichfalls, Nicht wahr? Jawohl! Zu deinen Füßen fiel Der schwere Hammer nieder, als der Vater Ihn schaudernd von sich warf! Du wagtest nicht, Zn zucken, aber deine Zehen waren Getroffen, denn du hinktest später weg! Nun, Iwan diente Gott, dem Herrn, wie keiner! Wer hat sich so erniedrigt, um so sicher Zn sein, erhöht zu werden? War er nicht Fast lieber Küster, als Regent? Wenn wir Des Nachts in unsern warmen Betten lagen, Zog er den Strang der Glocken stundenlang Und rief uns zum Gebet! Wenn wir des Leibes Im Refektorium pflegten, las er hungernd Und durstend die Vigilien! Und dennoch – Die leidige Gewalt verführte ihn, Und in Verzweiflung fuhr er hin, Gott steh Uns allen bei, daß wir uns unsrer Macht Nicht überheben!

Hiob. Amen!

Boris. Feodor, Der Heilige dagegen, der ihm folgte, Erlag aus Angst vor Sünden, die er nie Beging, doch stets besorgte. Sein Gewissen War allzu zart, er fragte unaufhörlich: Verseh' ich nichts? und wenn auch seine Taten Viel reiner waren, als die edelsten Gedanken von uns allen: ewig blieb Ihm Ruh' und Friede fern, und wie ein Brand, Der keine Asche zeugt, sich zu bedecken, Verglüht' er in der eignen Lauterkeit. Er sprach zu mir auf seinem Totenbett, Den Kopf des heiligen Romanus küssend: Dies ist mein erstes und mein letztes Glück, Auch ist's das erste und das letzte Mal, Daß ich mich meines Zarenrechts bediene, Denn diesen Schädel hat vor meinem noch Kein Mund berührt, er wurde erst entdeckt, Und Gott verzeihe mir's in meiner Schwäche, Daß ich den Gläubigen ihn vorenthalte, Und daß er, statt in Gold und Edelsteinen Zu glänzen, ruht in meiner magern Hand.

Hiob. Er bitte für uns alle!

Boris. Wer das sah, Der greift nicht hastig nach der goldnen Schlange, Die niemals noch, wie sehr sie sich auch krümme, Die widerspenst'ge Welt zusammendrückte, Doch wohl das Haupt des Menschen, der sie trägt. Nein, nicht das Flehen Moskaus, nicht das Drängen Der ängstlichen Provinzen, nicht die Tränen Der Zarin, meiner Schwester, nicht einmal(Zu Hiob.) Der Bann, mit dem du drohtest, hätte mich Bewogen, vom geraden Weg zum Himmel Noch einmal abzubiegen und die Stille Des Klosters mit der Hölle zu vertauschen, Die zu den Füßen eines Thrones gähnt: Der Khan der goldnen Horde zwang mir's ab! Ich konnte Iwans Werk, das neue Rußland, Nicht schmählich den Tartaren überlassen, Die übermütig wurden, als sie hörten, Daß ich die Zügel nicht ergreifen wollte, Die man mir bot, so ward ich euer Zar Weil euch ein guter Hetman nötig schien!

Schuiskoi. Mein Fürst, es ist uns allen unvergessen.

Boris. Der Meister aber hat es nicht gewußt, Der diese Mausefalle aufgerichtet, Sonst hätt' er sie noch schlauer ausgedacht. Nun, Schuiskoi, dir vertrau' ich denn das Heer, Du, Basmanow, magst Tula für mich hüten, Und du, Mstislawsky, kannst mit Schuiskoi gehn. Des neuen Manifests bedarf es nicht. Wir können (Er hebt das des Demetrius in die Höhe) dieses brauchen, wenn wir nur Die Namen ändern, denn wir kommen auch, Um Rechenschaft zu fordern, und ihr werdet