Die drei !!!, 1, 2, 3 Voll Verliebt! (drei Ausrufezeichen) - Maja von Vogel - E-Book

Die drei !!!, 1, 2, 3 Voll Verliebt! (drei Ausrufezeichen) E-Book

Maja von Vogel

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Beschreibung

Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. In diesem Doppelband müssen die drei Freundinnen gleich zwei romantische Fälle lösen! Hochzeitsfieber: Maries Vater will endlich wieder heiraten. Doch bei den Hochzeitsvorbereitungen geht ständig etwas schief. Die drei Detektivinnen ermitteln und kommen dabei Geheimnissen der Vergangenheit auf die Spur. Liebes-Chaos: Franzis Schwarm flirtet mit einer anderen. Zum Glück gibt es einen neuen Fall für die drei !!!: Franzis Lieblingslehrer wird erpresst. Was steckt dahinter? Und wird zwischen Franzi und ihrem Schwarm am Ende wieder alles gut?

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Seitenzahl: 317

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1, 2, 3 Voll Verliebt!

Henriette Wich, Maja von Vogel

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

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Spielen, Experimentierkästen, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2021, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-3-440-50362-1

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Hochzeitsfieber!

Henriette Wich

KOSMOS

Feuerzauber

Das Papier knisterte geheimnisvoll zwischen Maries Fingern. Mit jeder neuen Seite, die sie umblätterte, klopfte ihr Herz schneller. Es war alles so aufregend, wie Weihnachten und Ostern zusammen!

»Das ist wunderschön«, schwärmte sie. »Nein, das hier ist noch besser. Stopp! Vergiss alles, was ich vorher gesagt habe. Jetzt hab ich dein Traumkleid gefunden. Schau mal, Tessa!« Marie schob die Hochzeits-Zeitschrift, die schon oft durchgeblättert worden war, über den Esstisch der Wohnküche. Es war Freitagabend und draußen senkte sich langsam die Dämmerung über die alten Buchen im Garten.

Tessa blickte von ihren Stoffproben auf. »Ja, das ist toll! Der weite Rock mit der langen Schleppe, der Tüll und die Stickereien. Ein richtiges Prinzessinnenkleid, aber das bin nicht ich. Das ist mir viel zu auffällig.« Maries Stiefmutter fuhr sich durch die kurzen braunen Haare. Sie trug eine abgewetzte Jeans und ein grünes T-Shirt aus ihrer eigenen Kleider-Kollektion Think Nature.

»Du hast recht, Schatz«, sagte Helmut Grevenbroich. »Das Kleid erinnert mich übrigens verdächtig an ein Sahne-Baiser.«

Tessas Tochter Lina kicherte. »Hihi, das stimmt!«

Alle mussten lachen. Marie ließ ihren Blick zwischen Tessa und ihrem Vater hin- und herwandern. Wie glücklich und verliebt sie waren! Marie freute sich so, dass die beiden bald heiraten würden. Seit Monaten fieberte sie der Hochzeit entgegen und freute sich auf den wunderbaren Tag. Ein Tag, an dem die Patchworkfamilie noch enger zusammenwachsen würde: Tessa, Maries Vater, Lina und der kleine Finn, das gemeinsame Kind des Brautpaars. Der Umzug in die alte Villa im Ostviertel war genau die richtige Entscheidung gewesen. Dort hatte jeder genug Freiraum für sich. Auch mit Lina verstand sich Marie inzwischen richtig gut.

Tessa hielt ein Stück schimmernde Seide unter das Licht der silbernen Designerlampe. »Ich glaube, ich hab mich entschieden. Die Schneiderin soll mir ein Kleid aus elfenbeinfarbener Seide nähen – schmal und gerade geschnitten, mit kleinen Ärmeln und weißen Knöpfen auf dem Rücken. Wo war doch noch gleich der Schnitt, der mir so gut gefallen hat?« Tessa zog eine Zeitschrift ganz unten aus dem Stapel hervor. »Ah, da ist er ja.« Sie tippte mit dem Zeigefinger auf das Foto.

»Zeig mal.« Marie stand auf und beugte sich neugierig über den Tisch.

Im ersten Augenblick war sie enttäuscht. Das Brautkleid war wirklich sehr schlicht. Aber dann blendete Marie das Model auf dem Foto aus und stellte sich Tessa in dem Kleid vor. Es würde ihre natürliche Schönheit erst richtig zur Geltung bringen. »Das ist absolut perfekt.« Marie nickte.

»Total schön!«, stimmte Lina zu. In Sachen Mode hatte sie normalerweise einen ganz anderen Geschmack als Marie. Was sie nicht daran hinderte, sich manchmal heimlich Sachen aus dem Kleiderschrank ihrer älteren Stiefschwester auszuleihen – zum großen Ärger von Marie.

Herr Grevenbroich nickte. »Super Entscheidung.«

»Danke«, sagte Tessa. Ihre Wangen waren inzwischen vor Aufregung und Vorfreude gerötet. »Für Finn hab ich übrigens auch schon eine Idee. Ich möchte ihm einen Matrosenanzug nähen. Den kann ich dann später in meine Kinderkollektion aufnehmen.«

Marie dachte an ihren 18 Monate alten kleinen Stiefbruder. Finn war vor einer Stunde selig eingeschlafen, nachdem das Au-pair-Mädchen Natascha ihm ein russisches Gute-Nacht-Lied vorgesungen hatte. »Au ja!«, rief Marie. »Ein Matrosenanzug und ein blaues Mützchen dazu, wie süß!«

»Und dann drücken wir ihm noch ein Körbchen mit Blumen in die Hand«, fiel Lina ein. »Er darf uns beim Blumenstreuen helfen.«

Es sollte insgesamt vier Blumenmädchen bei der Hochzeit geben. Neben Lina und Marie würden auch Kim und Franzi dabei sein, Maries Freundinnen und Kolleginnen vom Detektivclub Die drei !!!.

»Ja, so machen wir es«, sagte Tessa. »Die Kleider für euch Blumenmädchen müssen wir übrigens noch auf mein Hochzeitskleid abstimmen. Lasst uns am besten gleich Ideen sammeln, die ich an die Schneiderin weitergeben kann. Welche Farbe hättet ihr denn gerne?«

Marie dachte nach. »Altrosa sieht bestimmt edel aus.«

»Oder hellblau«, meinte Lina.

Marie schüttelte entschieden den Kopf. »Hellblau ist eine schwierige Farbe, besonders zu deinen rotblonden Haaren und hellgrünen Augen.«

»Finde ich gar nicht!«, widersprach Lina trotzig.

»Vertrau mir«, seufzte Marie geduldig. »Ich kenne mich mit Mode besser aus als du.«

»Angeberin!«

»Blöde Kuh!«

Helmut Grevenbroich versuchte zu vermitteln. »Bitte streitet euch nicht. Ihr müsst ja nicht alle dieselbe Farbe tragen.«

»Das sehe ich auch entspannt«, sagte Tessa. »Zwei verschiedene Farben bringen Abwechslung, das ist hübsch. Wie wäre es mit Altrosa und Flieder?«

Lina schmollte. »Hm … weiß nicht.«

Marie verdrehte die Augen. Sie mochte Lina wirklich gern, aber an manchen Tagen hätte sie ihre Stiefschwester am liebsten zum Mond geschossen. »Können wir das nicht ein andermal besprechen?«, schlug Marie vor. »Kim und Franzi sind heute nicht da, die sollten wir auch noch fragen.«

Tessa machte sich eine Notiz auf ihrer Hochzeits-Checkliste. »Kim und Franzi einladen, Blumenkleider-Besprechung«, murmelte sie halblaut. »Oje! Die Liste wird immer länger und die Zeit langsam knapp. Heute ist der 15.April, und die Hochzeit findet schon in sechs Wochen statt. Wie sollen wir das bloß alles schaffen?«

Tessa wirkte nicht mehr ganz so entspannt wie vorher. Dabei hatten Helmut und sie bereits frühzeitig mit der Planung begonnen und Tessa hatte extra ihre Elternzeit verlängert, um in Ruhe die Hochzeit vorbereiten zu können. Doch dann war bei Maries Vater ein wichtiger Dreh dazwischengekommen, eine Extrafolge der Vorabendserie Vorstadtwache, in der er den Hauptkommissar Brockmeier spielte. Außerdem war Tessa ein Großauftrag für ihre T-Shirt-Kollektion angeboten worden, den sie unmöglich ablehnen konnte.

»Ich fürchte, wir haben den Aufwand für die Planung ein bisschen unterschätzt«, sagte Helmut Grevenbroich zerknirscht. »Ich möchte nicht, dass die Vorbereitung in Hektik und Stress ausartet. Wir wollen doch unsere Hochzeit rundum genießen.« Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Wir könnten jemanden engagieren, der uns bei den letzten Vorbereitungen hilft. Was haltet ihr von einem Hochzeits-Planer?«

Tessa zögerte. »Ich fand die Idee, dass wir alles selbst machen und gestalten, so schön.«

Herr Grevenbroich versuchte sie zu überzeugen: »Aber ein Hochzeits-Planer könnte uns ein paar Dinge abnehmen. Vorausgesetzt, wir finden jemanden, der unsere Wünsche gut umsetzen kann.«

Marie hatte sofort einen ihrer Lieblingsfilme vor Augen, eine romantische Liebeskomödie mit einem Hochzeits-Planer. »Das ist cool!«

Lina war auch begeistert.

»Einverstanden«, sagte Tessa und gab Helmut einen Kuss auf die Wange.

Helmut Grevenbroich lächelte. »Ich kümmere mich morgen darum und suche im Internet nach einer Agentur.«

»Danke, du bist der Beste!« Tessa schob die Stoffproben zu einem ordentlichen kleinen Stapel zusammen. »Dann lass uns doch gleich jetzt mit dem Genießen anfangen! Machen wir es uns auf dem Sofa gemütlich?«

»Ein sehr guter Plan.« Helmut Grevenbroich stand auf und reichte seiner zukünftigen Frau lächelnd die Hand. »Darf ich bitten?«

Marie zwinkerte Lina zu. Den kleinen Streit vorhin hatte sie schon wieder vergessen. »Ich glaube, wir stören hier nur. Komm, wir gehen in unsere Zimmer.«

Marie liebte den Freitagabend. Das lange Wochenende lag verheißungsvoll vor ihr, sie konnte länger aufbleiben und am nächsten Tag ausschlafen. Oft nutzte sie den Freitag, um sich ein ausgiebiges Wellness-Programm in ihrem eigenen Bad zu gönnen. Auch heute hatte sie ein Schaumbad genommen und sich anschließend mit duftender Aprikosen-Lotion eingecremt.

Wohlig durchwärmt, in ihren flauschigen Bademantel gehüllt, kehrte sie in ihr Zimmer zurück und ging zum Regal, um sich ein Buch auszusuchen. Ihr Blick wanderte an den Buchrücken entlang und blieb bei einem Band hängen, den sie schon lange nicht mehr in der Hand gehabt hatte. Marie nahm ihn heraus und lächelte. Zaubern leicht gemacht. Das war genau das Richtige für heute Abend!

In dem Buch standen Anleitungen für verschiedene Liebeszauber. Ein paar davon hatte Marie bereits erfolgreich angewandt. Auch Kim und Franzi hatten es schon ausprobiert, obwohl sie bei Dingen wie Kerzenorakeln oder Tarotkartenlegen grundsätzlich erst mal misstrauisch waren.

Ob es auch einen Zauber gab, bei dem es ums Heiraten ging? Seit Tessa und Helmut ihre Hochzeit planten, schwirrten so viele Fragen in Maries Kopf herum.

Wollte sie später auch mal heiraten? Wurde man noch glücklicher als Paar, wenn man heiratete? Wann war der beste Zeitpunkt für eine Hochzeit? Was war romantischer: Wenn der Mann den Heiratsantrag machte oder wenn die Frau ihren Freund fragte? Und woran merkte man, dass der Freund der Richtige war?

Eine Welle von Zärtlichkeit durchflutete Marie. Sie dachte an Holger, ihren Freund, mit dem sie schon länger zusammen war. Im letzten Herbst hatte er wenig Zeit für sie gehabt, weil er für einen Parkouring-Wettkampf trainiert hatte. Beim Parkouring ging es darum, möglichst direkt von einem Ort zum anderen zu kommen und Hindernisse wie Mauern oder Zäune zu überklettern. Holger war fit und richtig gut in seinem Lieblingssport, doch leider hatte er sich beim Wettkampf am Knie leicht verletzt. Seither reduzierte er sein Trainingspensum und sie konnten wieder mehr zu zweit unternehmen, was Marie sehr schön fand.

Marie durchforstete das Inhaltsverzeichnis von Zaubern leicht gemacht. Auf der zweiten Seite entdeckte sie tatsächlich etwas: Feuerzauber. So findest du heraus, ob dein Liebster der Richtige ist.

Die Durchführung dieses Zaubers war im Gegensatz zu anderen Anleitungen im Buch einfach. Man musste dazu nicht um Mitternacht in den Garten gehen oder bis hoch hinauf in die Krone eines Baumes klettern.

Marie beschloss, den Liebeszauber jetzt sofort auszuprobieren. In ihrem Zimmer fand sie die Dinge, die sie dazu brauchte: einen Zettel, Stift, Streichhölzer und eine feuerfeste Schale. Marie breitete alles in der Sitzecke beim Erker aus und ließ sich im Schneidersitz auf einem orangefarbenen Kissen nieder. Dann machte sie die Augen zu und atmete dreimal tief aus und wieder ein. Als sie ganz ruhig und konzentriert geworden war, öffnete sie die Augen wieder, nahm den Stift in die Hand und zeichnete eine Tabelle mit zwei Spalten auf den Zettel. Über die linke Spalte schrieb sie: Was ich alles an Holger mag. Über die rechte Spalte kam die Überschrift Was ich alles an Holger nicht mag.

Ohne nachzudenken, schrieb Marie einfach drauflos. Bei der linken Spalte fielen ihr sofort ganz viele Dinge ein. Holgers Lächeln, seine pechschwarzen Haare, die tolle sportliche Figur. Seine Herzlichkeit, Großzügigkeit und sein Humor, der genau auf ihrer Wellenlänge lag. Dass er für sie da war, wenn sie ihn brauchte, und über sich selbst lachen konnte.

Bald füllte sich auch die rechte Spalte. Was Marie nicht an Holger mochte, waren seine Ungeduld und der manchmal zu große Ehrgeiz beim Parkouring. Auch dass er ab und zu eifersüchtig war auf ihren Detektivclub und auf andere Jungs, mit denen Marie – natürlich völlig harmlos – flirtete. Weiße Tennis-Socken in den Sandalen und dass er sich oft nicht erinnern konnte, was für ein tolles Outfit sie beim letzten Date angehabt hatte, schrieb Marie als letzte Punkte in die rechte Spalte.

Als sie fertig war, faltete sie den Zettel zusammen und legte ihn in die feuerfeste Schale. Dann holte sie eine lange Wolljacke aus ihrem Kleiderschrank und zog sie über den Bademantel. Mit der Schale in den Händen ging sie auf den kleinen Balkon hinaus, der zu ihrem Zimmer gehörte. Der Liebeszauber sollte ihr Geheimnis bleiben. Wahrscheinlich würde sie nicht mal Kim und Franzi davon erzählen. Und ihre Eltern und Lina sollten den Brandgeruch nicht riechen.

Es war eine kühle Aprilnacht, aber zum Glück trocken und fast windstill. Vom Garten herauf duftete es nach frischem Gras und Frühlingsblumen. Ein Käuzchen saß auf dem obersten Ast einer Tanne und schickte seinen Ruf in die Nacht hinaus. Am Himmel funkelten tausend Sterne.

Jetzt war es also so weit, der Feuerzauber konnte beginnen! Feierlich stellte Marie die Schale auf ihrem Klapptisch ab. Sie war so aufgeregt, dass ihre Finger zitterten. Sie verbrauchte drei Streichhölzer, bis sie endlich den Zettel angezündet hatte. Eine goldgelbe kleine Flamme leuchtete auf. Sie umhüllte das Papier und arbeitete sich zügig von den Papierrändern ins Zentrum vor. Während das Feuer geheimnisvoll knisterte und der Zettel langsam braun wurde und verkohlte, versuchte Marie ihre Gedanken loszulassen. Nur so würde der Zauber wirken, hieß es in dem Buch. Nach vier Wochen würde sie es spüren: Entweder hatten sich dann ihre Zweifel Holger gegenüber buchstäblich in Rauch aufgelöst und die positiven Gefühle waren durchs Feuer gegangen oder die Zweifel waren immer noch da.

Marie machte wieder die Augen zu. Verflixt, war das schwierig, nicht an Holger zu denken! Sobald sie ihre Gedanken auf ein anderes Thema lenkte, schmuggelte er sich durch eine Hintertür wieder in ihren Kopf hinein.

Nach mehreren Versuchen gelang es ihr schließlich. Der auffrischende Wind pustete ihren Kopf frei. Er strich über ihre Wangen, und auf einmal fühlte Marie sich wunderbar. Sie stand auf dem Balkon, atmete den Duft der Frühlingsblumen, hörte das Käuzchen und lebte im Hier und Jetzt. Es gab nur diesen einen Augenblick, in den Marie eintauchte.

»Uuuuiiih, uuuiiih!« Ein ohrenbetäubendes Geräusch durchbrach die stille Frühlingsnacht.

Marie erschrak und riss die Augen auf. Schlagartig war der schöne Augenblick vorbei. Was war denn jetzt los? Gab es irgendwo in der Straße einen Polizeieinsatz? Oder war es ein Feueralarm?

Marie starrte auf die Schale. Der Zettel hatte sich in ein graues Häufchen Asche verwandelt. Das Feuer war aus. Nur eine dünne, weiße Rauchfahne stieg kräuselnd zum Sternenhimmel auf.

Unbarmherzig schrillte die Sirene weiter. Dann hörte Marie trampelnde Schritte auf der Treppe und laute Rufe: »Marie!!« – »Was ist passiert?« – »Hörst du uns?«

Sekunden später wurde die Tür aufgerissen. Helmut Grevenbroich, Tessa, Lina und Natascha stürmten ins Zimmer und sahen sich suchend um.

Marie trat verwirrt vom Balkon herein.

»Geht es dir gut?«, brüllte Tessa gegen den Lärm der Sirene an.

Maries Vater schwenkte einen roten Feuerlöscher und sah aus wie ein Superheld. »Der neue Rauchmelder in deinem Zimmer ist losgegangen. Wo brennt es?«

Lina versteckte sich ängstlich hinter seinem Rücken.

»Du musst dich auf den Boden werfen!« Natascha fuchtelte energisch mit den Armen. »Sonst bekommst du eine Rauchvergiftung!«

Die ganze Zeit heulte die Sirene weiter. Die Situation war so unwirklich und absurd, dass Marie lachen musste. »Mir geht es gut. Es brennt nicht! Alles ist gut, nichts passiert!«

Vier Augenpaare waren immer noch entsetzt auf sie gerichtet.

»Ich hab nur auf dem Balkon in einer Schale einen Zettel verbrannt«, erklärte Marie. »Der ist längst verkohlt, ihr könnt euch selbst davon überzeugen.«

Tessa lief zum Balkon und inspizierte die Schale auf dem Klapptisch. »Bin ich froh, dass nichts passiert ist!« Sie atmete erleichtert auf. »Der Wind muss den Rauch ins Zimmer geweht haben.«

Lina wagte sich hinter dem schützenden Rücken von Helmut Grevenbroich hervor und der ließ den Feuerlöscher sinken. »Mensch, hast du uns einen Schrecken eingejagt. Mach so was bitte nie wieder!«

Marie musste es hoch und heilig versprechen. Dann wurde sie von der erleichterten Tessa umarmt.

Lina knuffte Marie mit dem Ellbogen in die Seite. »Hey, das war ja superaufregend!«

»Du übertreibst«, wehrte Marie ab und hielt sich die Ohren zu. »Könntest du jetzt bitte endlich den Rauchmelder abstellen, Papa?«

»Bin schon unterwegs«, rief Helmut Grevenbroich und sprintete los, um eine Trittleiter zu holen.

Der geheimnisvolle Fremde

»Dreimal Frühstück Spezial für die Detektivinnen!« Die junge Bedienung im Café Lomo stellte drei große Teller auf den Tisch. »Lasst es euch schmecken.«

Marie lief das Wasser im Mund zusammen. »Vielen Dank. Sieht das lecker aus! Aber die Portion ist so riesig, das schaffe ich nie.«

»Kein Problem«, sagte Kim, die sich bereits einen Löffel Kräuter-Rührei in den Mund schob. »Ich helf dir gerne. Du weißt ja, ich brauche viel Nervennahrung, damit ich mich gut konzentrieren kann.«

Franzi lachte. »Ich glaube, den Satz hab ich schon mal gehört.« Sie nahm sich zuerst das Schälchen mit dem Obstsalat vor.

In den nächsten Minuten breitete sich genießerisches Schweigen am Tisch aus. Während Marie Butter und goldgelben Honig auf ein Mohnbrötchen strich, sah sie sich im Café Lomo um. Das gemütliche Café war mittlerweile zu ihrem zweiten Zuhause geworden. Hier traf sie sich oft mit Kim und Franzi auf einen Kakao Spezial mit Vanillearoma. In ihrer Sitzecke waren sie ungestört, konnten über private Dinge quatschen oder sie tauschten sich über den neuesten Stand ihrer Ermittlungen aus.

»Na, alles klar bei dir, Marie?«, erkundigte sich Kim. »Woran denkst du gerade? An die Hochzeit?«

Marie grinste. »Nein, an meinen Vater, der gestern wie Superman mit dem Feuerlöscher durch die Villa gedüst ist.«

Kim ließ vor Schreck ihre Gabel auf den Teller fallen. »Hilfe! Hat es bei euch etwa gebrannt?«

»Nein, nein«, beruhigte Marie ihre Freundin. »Es war alles harmlos, aber meine Familie hat ganz schön verrücktgespielt.«

Franzi zog fragend die Augenbrauen hoch. »Was ist passiert? Jetzt erzähl schon!«

Marie schilderte mit lebhaften Worten den aufregenden Abend, ihre Zeremonie, den Brandgeruch und die Folgen. Nur worum es genau bei dem Zauber ging, verriet sie nicht. Alles mussten ihre Freundinnen schließlich auch nicht wissen.

Kims Augen wurden im Laufe der Erzählung immer größer. »Deine arme Familie! Die müssen alle große Angst gehabt haben.«

»Ja, aber nur kurz«, schränkte Marie ein. »Umso länger hat es gedauert, bis mein Vater endlich den Schalter gefunden hat, mit dem er die Sirene des Rauchmelders abschalten konnte.«

Franzi kicherte. »Schade, dass ich nicht dabei war! Das erinnert mich an einen unserer Fälle, bei dem ich mal eine Alarmanlage ausgelöst habe.«

Kim hatte nur mit halbem Ohr zugehört. »Und was war mit Finn? Ist er aufgewacht und hat geschrien?«

»Stellt euch vor, Finn hat die Sirene und den ganzen Lärm verschlafen!«, erzählte Marie amüsiert. »Hinterher sind wir zu seinem Bettchen gegangen, und da lag er mit rosigen Wangen und hat ganz tief und ruhig geatmet.«

Franzi schüttelte ungläubig den Kopf. »Dein kleiner Bruder verblüfft mich immer wieder. Ich würde ihn übrigens total gern mal wieder sehen.«

»Jederzeit«, sagte Marie. »Ihr seid immer willkommen.«

Franzi seufzte. »Bei uns ist das zurzeit leider schwierig. Meine Eltern sind nicht gut drauf. Sie streiten sich wegen jeder Kleinigkeit.«

Kim wurde hellhörig. »Warum das denn?«

»Meine Mutter ist mit ihrem Kuchenservice voll eingespannt und kann meinem Vater nicht mehr so oft in der Tierarztpraxis aushelfen. Daran muss sich mein Vater erst gewöhnen. Wahrscheinlich braucht er eine neue Sprechstundenhilfe, aber er hat momentan keine Zeit, um eine zu suchen. Die schlechte Stimmung nervt ganz schön. Und meine Schwester zickt auch mal wieder rum.«

»Tut mir leid für dich«, sagte Marie mitfühlend.

Früher, als sie noch Einzelkind gewesen war, hätte sie das nicht so nachvollziehen können. Aber seit sie Mitglied einer Patchworkfamilie war, wusste sie, wie chaotisch und nervenaufreibend das Familienleben manchmal sein konnte.

Kim lächelte Franzi aufmunternd zu. »Ich wünsch dir, dass dein Vater bald jemanden für seine Praxis findet.«

»Danke, das ist lieb von euch«, sagte Franzi. »Aber lasst uns lieber von was anderem reden. Wie läuft es denn bei dir und Michi?«

Kims Augen fingen an zu strahlen. »Sehr gut!«

Sie und Michi kannten sich schon ewig und verstanden sich super. Michi hatte meistens Verständnis, wenn Kim wegen des Detektivclubs eine Verabredung verschieben musste. Und Kim motivierte ihn bei seiner Ausbildung zum chemisch-technischen Assistenten. Erst kürzlich hatte er seine Prüfungen mit »Sehr gut« abgeschlossen.

»Michi freut sich schon riesig auf die Zeugnis-Übergabe«, erzählte Kim stolz. »Ich bin natürlich dabei und werde mit ihm feiern.«

»Das sind ja super Neuigkeiten.« Marie nahm ihren Kakaobecher in die Hände. Die bunten Armreife, die sie zu ihrem dunkelblauen Kleid trug, klimperten. »Bei mir und Holger ist auch alles im grünen Bereich.«

»Wie schön für euch«, sagte Franzi. Ihr Lächeln war ein bisschen traurig, aber es schwang keinerlei Neid in ihrer Stimme mit, obwohl die Trennung von ihrem Freund Felipe noch gar nicht so lange her war. Franzi zog energisch an den Haargummis, um ihre zwei kleinen Zöpfe fester zu binden. »Ich habe beschlossen, dass ich mein Leben als Single ab sofort genieße!«

Kim griff nach ihrem Glas. »Das klingt gut. Darauf sollten wir trinken.«

Die Freundinnen stießen mit Orangensaft an.

Marie trank den Saft in einem Zug aus und stellte seufzend das Glas ab. »So, jetzt bin ich aber wirklich satt. Ich würde übrigens gern mal wieder auf einen erfolgreich gelösten Fall anstoßen.«

Franzi nickte. »Ich auch. Unser letzter Fall ist Monate her. Langsam wird es Zeit, sonst komme ich noch aus der Übung.«

»Mach dir keine Sorgen.« Kim angelte sich ein Stück Lachs von Maries Frühstücksteller und bestrich es mit einer dünnen Schicht Meerrettich. »Detektivischen Spürsinn verlernt man nicht, das ist wie Fahrradfahren.«

»Womit Kim wieder mal recht hat«, stimmte Marie zu. »Nach über 50 Fällen wirft uns so leicht kein Verbrecher mehr aus der Bahn!«

Manchmal konnte sie es selbst kaum glauben, dass die drei !!! schon so viele Fälle gelöst hatten. Bisher hatten sie jeden Fall aufklären und die Täter immer stellen können. Das sollte ihnen erst mal jemand nachmachen!

Plötzlich spürte Marie Franzis spitzen Ellenbogen in ihrer Seite. »Aua, das tut weh!«, beschwerte sie sich.

Franzi ging nicht darauf ein. »Apropos detektivischer Spürsinn«, raunte sie ihren Detektivkolleginnen zu. »Dreht euch mal unauffällig zum Tisch rechts von uns um.«

Kim und Marie bewegten kaum merklich ihren Nacken. Inzwischen waren sie Profis darin, andere Menschen zu beobachten, ohne umgekehrt von ihnen gesehen zu werden.

Am rechten Nebentisch saß ein junger Mann mit Jeansjacke, schwarzer Hornbrille und buschigen Augenbrauen. Neben seiner Cappuccino-Tasse hatte er mehrere Zeitungsausschnitte ausgebreitet, über denen er angestrengt brütete. Dabei klopfte er nervös mit seinem Bleistift auf einen Notizblock.

Auf den ersten Blick konnte Marie nichts Besonderes an dem Mann entdecken. Wahrscheinlich war er ein Journalist, der einen Artikel schreiben und heute noch vor Redaktionsschluss abgeben musste. Auf den zweiten Blick fiel Marie jedoch etwas höchst Seltsames auf. Die Personen auf den Zeitungsartikeln waren immer dieselben: ein bekannter Fernseh-Schauspieler und eine Kamerafrau, die sich ein zweites Standbein als Designerin einer T-Shirt-Kollektion aufgebaut hatte. Diese beiden Personen waren Helmut Grevenbroich und Tessa!

Marie wurde unruhig. Was plante der Mann mit den Zeitungsausschnitten? Warum hatte er sich gerade Helmut und Tessa herausgepickt? Beruflich arbeiteten die beiden kaum zusammen. Tessa hatte nur bei zwei Folgen der Vorstadtwache hinter der Kamera gestanden und filmte ansonsten für andere Produktionen. Interessierte sich der Mann für das Privatleben des Paares? War er etwa ein Paparazzo? Oder führte er etwas anderes im Schilde?

Kim war auch alarmiert. »Ich hab irgendwie ein komisches Gefühl. Was sollen wir denn jetzt machen?«

»Wir sprechen ihn einfach an«, schlug Franzi flüsternd vor.

Gesagt, getan. Auf ein Zeichen von Kim standen die drei !!! gleichzeitig auf und traten an den Nebentisch.

Der Mann blickte überrascht auf.

»Guten Morgen«, sagte Kim freundlich. »Wir wollen Sie nicht stören, aber wir sitzen nebenan und sind neugierig geworden. Diese Zeitungsartikel sehen ja spannend aus. Haben Sie etwas Bestimmtes damit vor?«

Die Überraschung des Mannes verwandelte sich in Verärgerung. »Ihr seid wirklich sehr neugierig. Tut mir leid, Mädchen, aber darüber möchte ich nicht sprechen. Das geht nur mich etwas an.« Er verdeckte mit seinen Armen absichtlich die Artikel.

Marie gab nicht so schnell auf. »Entschuldigen Sie bitte! Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt: Ich bin Marie, und das sind meine Freundinnen Kim und Franzi. Wir sind neu in der Schülerzeitungs-AG und freuen uns, wenn wir Tipps von Experten bekommen.« Die kleine Notlüge kam ihr ganz leicht von den Lippen. »Sie sind doch Journalist, nicht wahr?«, hakte sie nach.

»Nein«, antwortete der Mann unwillig.

Marie ließ nicht locker. »Dann sind Sie vielleicht Fotograf?«

»Nein.« Der Mann raffte die Zeitungsartikel zusammen und ließ sie in einer Mappe verschwinden. »Merkt ihr eigentlich gar nicht, dass ich nicht mit euch reden will?«

»Warum sind Sie denn so unfreundlich zu uns?«, fragte Franzi verwundert. »Wir haben Ihnen doch nichts getan.«

»Ja, genau«, setzte Kim nach. »Wir wollten nur ein nettes Gespräch mit Ihnen führen, nichts weiter.«

Der Mann schnaubte. »Tja, da seid ihr leider an den Falschen geraten. Fallt der Bedienung auf die Nerven, nicht mir.« Er warf einen Geldschein auf den Tisch, stopfte die Mappe, den Notizblock und den Bleistift in seine schwarze Umhängetasche und drängte die Detektivinnen unsanft zur Seite.

Schnell zückte Marie ihr Handy und schoss ein Foto von dem Verdächtigen. Sie erwischte ihn gerade noch im Profil. Dann war er auch schon zum Ausgang unterwegs und machte sich grußlos aus dem Staub.

»Das gibt’s ja wohl nicht!«, regte Kim sich auf.

»Los, hinterher!«, rief Franzi.

Marie winkte der Bedienung. »Ich zahl für uns, lauft ihr schon mal los. Viel Glück!«

Franzi rannte wie der Blitz davon. Sie war die Sportlichste von den drei !!! und hatte schon etliche Verfolgungsjagden gewonnen.

Marie juckte es in den Beinen, am liebsten wäre sie mitgerannt. Stattdessen musste sie warten, bis Kim oder Franzi sich meldeten oder ihr eine SMS schickten. Marie bezahlte die Rechnung und versuchte sich abzulenken, indem sie sich das Handyfoto ansah. Leider war es verwackelt und etwas unscharf, aber man konnte zumindest die Figur des Mannes, seine Brille und die Augenbrauen gut erkennen.

Kurz darauf kamen Franzi und Kim ins Café Lomo zurück. Kim hatte einen hochroten Kopf und keuchte: »Wir … haben ihn … leider verloren.«

»Er ist zur Fußgängerzone gelaufen«, erzählte Franzi. »Du kannst dir vorstellen, wie viele Leute da am Samstagmittag unterwegs waren! Wir hatten keine Chance, er ist in der Masse einfach untergetaucht.«

»Ärgert euch nicht«, tröstete Marie ihre Freundinnen. »Da kann man nichts machen.«

Kim ließ sich auf ihren Platz in der Sitzecke fallen. »So ein Mist! Wir wissen nichts über den Mann. Dass wir ihn rein zufällig in der Stadt wiederfinden, können wir uns abschminken. Die Chance geht gegen null.«

»Abwarten.« Marie versuchte zuversichtlich zu klingen, doch sie war genauso enttäuscht wie Kim und Franzi. Für einen kurzen Moment hatte es ganz danach ausgesehen, als ob sie einen neuen Fall an Land gezogen hätten. Was für ein Pech!

Überraschungsbesuch

»Bin wieder zu Hause!« Marie betrat die Eingangshalle der alten Villa und verstaute ihre Windjacke in der Garderobe unter der Treppe.

»Wir sind im Wohnzimmer«, hörte sie die Stimme ihres Vaters.

Wir? Marie runzelte die Stirn. Tessa und Lina waren doch mit dem Kinderwagen unterwegs. Sie wollten den großen Wochenend-Einkauf erledigen.

Neugierig sah Marie nach, wer gekommen war. Als sie ins Wohnzimmer trat, erhob sich eine elegante Frau im Hosenanzug vom weißen Ledersofa und lächelte Marie strahlend an. »Hallo! Du musst Marie sein. Dein Vater hat schamlos untertrieben. Du bist in Wirklichkeit noch viel hübscher.«

»Aha … Ist das so?« Marie fühlte sich gleichzeitig überrumpelt und geschmeichelt. Mit einem Kompliment von einer völlig fremden Person hatte sie nicht gerechnet.

Die Frau lächelte weiter. Sie war sorgfältig gestylt, trug eine goldene Uhr und hatte leuchtend roten Lippenstift aufgetragen. »Ich bin Rabea Leinisch von der Agentur Träume werden wahr. Du kannst gerne Du zu mir sagen, Marie. Dein Vater hat vorhin bei unserer Agentur angerufen und nach einer Hochzeits-Planerin gefragt. Ich war gerade frei, hab mich sofort ins Auto gesetzt – und hier bin ich also!« Sie breitete einladend die Arme aus.

Marie verkniff sich ein Grinsen. Redete diese Rabea immer so komisch?

Helmut Grevenbroich war bestens gelaunt. »Ist das nicht toll, Marie?«, fragte er. Dann wandte er sich wieder an die Hochzeits-Planerin. »Und Sie haben gleich so viele schöne Ideen mitgebracht, Rabea.«

»Du hast schöne Ideen mitgebracht«, korrigierte sie ihn prompt. »Wenn wir über die Liebe sprechen, können wir uns nicht siezen, das geht einfach nicht!« Sie ließ ein glockenhelles Lachen hören.

Marie setzte sich in den Sessel gegenüber von ihrem Vater. Sie schwankte noch, ob sie Rabea für verrückt oder nur für ein bisschen schräg, aber ansonsten sympathisch halten sollte. Die Frau erinnerte sie an eine süße Torte mit einer dicken Zuckerschicht obendrauf.

Die Hochzeits-Planerin redete weiter: »Ich habe deinem Vater gerade erzählt, dass die Burg Wernfeld ein ganz toller Ort zum Feiern ist, gar nicht weit von hier. Sie hat eine kleine romantische Hochzeitskapelle. Bei gutem Wetter können wir im Burghof Tische aufstellen und bei schlechtem Wetter im mittelalterlichen Rittersaal. Und was die Musik betrifft, ihr wollt ja bestimmt auch tanzen …«

Sie wurde von Stimmen aus der Eingangshalle und Babygeplapper unterbrochen. Tessa und Lina waren vom Einkaufen zurück. Lina trug in jeder Hand eine volle Einkaufstüte. Tessa hatte Finn auf dem Arm. Ihre Wangen waren von der frischen Luft gerötet und ihre Augen glänzten.

Während Lina die Einkäufe in die offene Wohnküche brachte, die ans Wohnzimmer angrenzte, blieb Tessa in der Tür stehen. Sie strahlte froh und glücklich in die Runde. Marie konnte den Blick nicht von ihr lösen. Heute sah Tessa unglaublich jung und noch schöner aus als sonst.

Auch Helmut Grevenbroich und Rabea waren wie verzaubert. Ein paar Sekunden wurde es still, niemand sagte etwas.

Dann stutzte die Hochzeits-Planerin und fragte Tessa: »Kennen wir uns nicht von irgendwoher?«

Tessa schüttelte den Kopf. »Nein, nicht dass ich wüsste.«

Rabea nestelte an ihrer goldenen Uhr. »Dann habe ich mich getäuscht. Ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass die Braut jetzt da ist!« Sie ging auf Tessa zu und stellte sich vor. Bevor die wusste, wie ihr geschah, hatte die Hochzeits-Planerin sie mit einem Wangenküsschen begrüßt. »Du bist die schönste Braut, die ich je gesehen habe!«

Marie verdrehte die Augen. Bestimmt sagte Rabea diesen Satz zu jeder Kundin, die sie für einen Auftrag gewinnen wollte. Trotzdem wirkte das Kompliment ehrlich gemeint und glaubwürdig.

Tessas Wangenrot vertiefte sich. »Oh … danke!« Sie nahm neben ihrem zukünftigen Mann auf dem Sofa Platz.

Finn streckte die Ärmchen aus und rief: »Papa, Papa!«

»Hallo, kleiner Mann!« Helmut Grevenbroich hob Finn lachend über seinen Kopf. Dann nahm er ihn auf den Schoß und legte den Arm um Tessa. Sein liebevoller Blick wanderte zu Marie hinüber. Das war unglaublich schön. Marie spürte, dass sie alle zusammengehörten und eine wunderbare Familie waren.

»Wo kommen denn die Haferflocken hin?«, wollte Lina wissen. Sie hatte mal wieder die Begabung, im feierlichsten Augenblick die unpassendste Frage zu stellen.

»In den Schrank neben dem Kühlschrank, ganz oben links«, antwortete Tessa. »Aber das Einräumen kann warten, Lina. Komm doch auch her zu uns!«

Als die komplette Familie im Wohnzimmer versammelt war, erzählte Rabea noch einmal von Burg Wernfeld.

»Da war ich schon!«, rief Lina aufgeregt. »Letztes Schuljahr haben wir mit der Klasse einen Ausflug gemacht. Die Führung war so was von spannend. Da durfte ich in eine Ritterrüstung klettern!«

Auch Marie kannte die Burg. Die drei !!! hatten im letzten Herbst auf einer Radtour Zwischenstation auf Burg Wernfeld gemacht. Marie konnte sich noch gut an den roten Efeu erinnern, der an der Außenmauer hochkletterte, und an die Zugbrücke mit dem dunkelgrünen, weichen Moos zwischen den Pflastersteinen. Wie ein verwunschenes Märchenschloss war ihr die Burg damals erschienen.

»Die Atmosphäre dort ist wirklich toll«, schwärmte Tessa.

Helmut Grevenbroich nickte. »Ja, das stimmt.«

Rabea freute sich über die allgemeine Zustimmung. »Dann darf ich bei der Burg anfragen? Selbstverständlich unverbindlich. Der Ort ist übrigens sehr beliebt bei Brautpaaren, aber vielleicht haben wir Glück und an eurem Wunschtermin ist noch etwas frei.«

Tessa und Helmut wechselten einen kurzen Blick. »Das ist eine gute Idee«, fand Tessa. »Ich glaube, wir sind uns auch sonst einig. Wir würden dich gerne für unsere Hochzeitsvorbereitungen engagieren.«

»Tausend Dank für euer Vertrauen und für den Auftrag!«, rief Rabea glücklich. »Ich schicke euch dann in den nächsten Tagen mit der Post einen Vertrag zu.« Sie beugte sich interessiert vor. »Darf ich dir noch eine persönliche Frage stellen, Tessa? Hast du denn schon ein Hochzeitskleid? Oder soll es ein Geheimnis bleiben? Es gibt ja diesen Brauch, dass der Bräutigam das Hochzeitskleid erst in der Kirche sehen soll …«

»Nein, nein«, sagte Tessa unbefangen. »Helmut darf mein Kleid ruhig schon vorher sehen. Ich hab ihm auch den Stoff und den Schnitt gezeigt. Das Kleid wird gerade von der Schneiderin genäht. Nur bei den Kleidern für die Blumenkinder sind wir uns noch nicht einig. Da wollten wir uns alle noch mal zusammensetzen und über den Schnitt, die Farben und den Stoff sprechen. Es gibt ja so viele Möglichkeiten …«

Rabea nickte eifrig. »Wie schön, dass ihr euch so viele Gedanken darum macht. Da habe ich gleich noch einen Vorschlag: Ich sehe mir bei der Schneiderin das Kleid an und überlege mir, welche Blumenkleider gut passen könnten. Dann treffe ich eine Vorauswahl und zeige sie euch. So gewinnen wir Zeit, und euch fällt die Entscheidung danach bestimmt leichter.«

Den Vorschlag fanden alle gut.

»Sehr schön, wunderbar!«, sagte Rabea. »Übrigens fällt mir gerade noch ein: Ich könnte bei der Schneiderin eine kleine Modenschau mit Kindermodels organisieren. Was haltet ihr davon?«

»Eine Modenschau? Au ja!«, rief Marie. Sie liebte Mode und das ganze Drumherum. Vor einiger Zeit hatte sie sogar mal einen der begehrten Plätze bei einem Model-Casting ergattert. Tessa und Lina waren auch begeistert von der spontanen Idee der Hochzeitsplanerin.

Helmut Grevenbroich zögerte. »Ist so etwas nicht sehr teuer?«

Rabea beruhigte ihn und Tessa: »Macht euch keine Sorgen, für die Modenschau berechne ich nur einen kleinen Aufschlag.«

Maries Vater lächelte. »Klingt nach einem guten Plan. Obwohl ich, ehrlich gesagt, mit Modenschauen nicht besonders viel am Hut habe. Aber solange ihr nicht darauf besteht, dass ich mitkomme …«

»Du kannst dich natürlich völlig frei entscheiden«, versicherte Tessa. »Wenn du dabei bist, freuen wir uns. Und wenn du was anderes vorhast, erzählen wir dir hinterher haarklein, wie es gelaufen ist.«

»Mama, da!« Finn spürte die Aufregung im Raum und klatschte vergnügt in die Hände.

Helmut Grevenbroich musste lachen. »Du hast uns alle überzeugt, kleiner Mann!«

Geheimes Tagebuch von Kim Jülich Sonntag, 16:07 Uhr

▶ Wer es wagt, dieses Tagebuch zu lesen, wird es bereuen. Das schlechte Gewissen wird an ihm nagen und es wird ihm Tag für Tag schlechter gehen. Willst du das wirklich? Überleg es dir gut … ◀

Bald bekommt Michi sein Zeugnis überreicht! Ich bin so wahnsinnig stolz auf ihn und kann es kaum erwarten, mit ihm zu feiern. Andererseits läuft mir die Zeit davon. Ich möchte Michi nämlich zur Feier mit einem selbst gemachten Geschenk überraschen – und bin noch lange nicht fertig damit. Es wird ein Fotobuch mit unseren schönsten gemeinsamen Momenten. Wie Michi wohl reagieren wird, wenn ich es ihm gebe? Bestimmt wird er sich riesig darüber freuen. Ach, mein liebster Michi!

Gerade musste ich kurz aufhören zu schreiben. Mein Vater ist reingekommen und hat mir einen Teller mit selbst gebackenen Keksen vorbeigebracht. Total nett von ihm! Es ist echt schön, dass er jetzt mehr Zeit für uns hat, seit er sich mit seinen Kuckucksuhren selbstständig gemacht hat. Die Aufträge aus der Nachbarschaft für Kuckucksuhren hat er schon erledigt. Unser neuer Nachbar, Herr Poschke, wird garantiert keine Uhr bei Papa bestellen. Er regt sich nämlich wegen jeder Kleinigkeit auf und hat sich schon ein paar Mal bei uns beschwert. Meistens geht es darum, dass unser Hund Pablo über den Zaun springt. Oder dass Ben und Lukas ihren Fußball aus Versehen ins Aus schießen, was zufällig auch mal das Blumenbeet von Herrn Poschke sein kann.

Aber dieser Poschke ist es gar nicht wert, dass ich über ihn in meinem Tagebuch schreibe. Wie auch immer, ich finde es gut, dass Papa gerade keine neuen Aufträge hat. So kann er jeden Tag Kekse für mich backen und mein Süßigkeiten-Nachschub ist gesichert!

Jetzt musste ich schon wieder unterbrechen. Meine nervigen Brüder Ben und Lukas haben mich gestört. Erst haben sie draußen im Flur mit Pablo Fangen gespielt und dann wollten sie das Spiel auf mein Zimmer ausdehnen. Super Idee! Es hat ganz schön gedauert, bis ich sie wieder draußen hatte. Aber jetzt ist endlich Ruhe!

Da fällt mir gerade auf: Eigentlich hab ich schon alles geschrieben, was ich heute erzählen wollte. Also dann: Tschüss, liebes Tagebuch!

Alte Freunde

Marie atmete tief ein. Der Blumenladen war erfüllt vom Duft unzähliger Blumen, die in Behältern auf dem Boden und in den Regalen standen. Narzissen, Tulpen, Hyazinthen, Gerbera und Rosen: gelbe, orangefarbene und dunkelrote.

Tessa hatte Marie am Dienstagnachmittag von der Schule abgeholt. Nach einem Imbiss in der Innenstadt wollten sie nun den Brautstrauß und den Blumenschmuck für die Kirche und das Brautauto aussuchen. Rabea würde auch noch dazukommen.

»Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?« Die Floristin kam aus dem Nebenraum.

»Gerne«, sagte Tessa. »Es geht um meinen Brautstrauß. Rabea, die Hochzeits-Planerin, war neulich bei Ihnen und hat mit Ihnen gesprochen.«

Die Floristin lächelte. »Ja, genau! Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich habe auch schon was für Sie vorbereitet.«

Hinter ihnen läutete die Ladenglocke. Es war Rabea. »Da seid ihr ja schon! Ich bin hoffentlich nicht zu spät?«

»Nein, gar nicht«, sagte Tessa. Die beiden Frauen tauschten Wangenküsschen aus.

Die Floristin führte sie zum Ladentisch. Dort lagen drei verschiedene Brautsträuße und drei verschiedene Arten von Blumenschmuck für die Kirche und das Brautauto zur Auswahl bereit. Bei allen waren Tessas Lieblingsblumen dabei: orangefarbene Rosen.

»Ich habe drei Varianten in Auftrag gegeben«, sagte Rabea. »Einmal ganz schlicht, dann romantisch und schließlich ein bisschen extravagant.«

»Der hier sieht schön aus.« Marie zeigte auf den schlichten Strauß, bei dem die Rosen mit weißem Schleierkraut kombiniert waren.

»Ja, der ist perfekt.« Tessa berührte das weiße Seidenband, mit dem die Stiele der Rosen umwickelt waren.

Die Hochzeits-Planerin lächelte. »Das hab ich mir schon fast gedacht. Wie schön, dass ich deinen Geschmack getroffen habe, Tessa. Wunderbar! Und hier haben wir noch die dazu passenden Blumen fürs Auto und die Kirche.«

Auch in diesem Punkt waren sich Tessa und Marie schnell einig: Der Blumenschmuck sah toll aus. Tessa machte der Floristin ein Kompliment, wie schön sie die Rosen fürs Brautauto zu einem Herz gebunden hatte.

»Vielen Dank«, sagte die Floristin. »Das Herz ist übrigens auch mein persönlicher Favorit, und ich …«

Hinter ihnen ertönte die Ladenglocke. Ein junger Mann kam herein. Er war schlank, groß und hatte eine Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen. Marie stutzte. Er kam ihr irgendwie bekannt vor, aber sie wusste nicht mehr, woher.

Rabea warf dem Mann einen interessierten Blick zu. Der schien jedoch völlig damit beschäftigt zu sein, sich die Grußkarten anzusehen. Während er mit der einen Hand den Drehständer in Bewegung setzte, schob er mit der anderen Hand seine Brille ein Stück höher auf die Nase. Er trug ein schwarzes Horngestell.

Plötzlich machte es »klick!« in Maries Gehirn. Das war der verdächtige Typ aus dem Café Lomo