Die drei !!!, 95, Falle im alten Kino (drei Ausrufezeichen) - Maja von Vogel - E-Book

Die drei !!!, 95, Falle im alten Kino (drei Ausrufezeichen) E-Book

Maja von Vogel

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. Kim, Franzi und Marie helfen Maries Vater, Spenden für ein altes Kino zu sammeln, das abgerissen werden soll. Während der Rettungsaktion beobachten die Freundinnen allerlei Merkwürdiges in dem geschichtsträchtigen Gebäude. Spukt es dort etwa? Natürlich müssen die Detektivinnen sich das bei Nacht genauer ansehen...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 148

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Falle im alten Kino

Maja von Vogel

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

Unser gesamtes lieferbares Programm und

viele weitere Informationen zu unseren

Büchern, Spielen, Experimentierkästen, Autoren

und Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2022, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50463-5

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Pancakes und Primaballaballa

Marie beendete die letzte Runde des Sonnengrußes in der Berghaltung, bevor sie sich mit einem zufriedenen Seufzer auf ihrer Yogamatte niederließ. Was gab es Schöneres, als den Samstag mit einer Yogaeinheit zu beginnen? Nachdem sie ihren Kreislauf ordentlich in Schwung gebracht hatte, freute sie sich nun auf eine kurze Meditation für innere Ruhe und Ausgeglichenheit.

Im Schneidersitz nahm sie auf der Matte Platz, legte die Hände auf die Oberschenkel und schloss die Augen. Langsam atmete sie ein und aus und versuchte, an nichts zu denken. Was jedoch gar nicht so leicht war …

Durch das geöffnete Fenster drang Vogelgezwitscher in ihr Zimmer, und die Strahlen der Morgensonne, die auf ihr Gesicht fielen, hatten schon erstaunlich viel Kraft. Nachts hatte es geregnet, aber der Tag würde warm und schön werden.

Einatmen, ausatmen.

Maries Magen knurrte. Sie hatte noch nicht gefrühstückt. Von unten drang Geschirrklappern aus der Küche. Kaffeeduft stieg ihr in die Nase. Wahrscheinlich deckte ihr Vater gerade den Tisch. Ob er wieder seine berühmten Pancakes machte? Blaubeer-Pancakes mit Ahornsirup, lecker …

Einatmen, ausatmen.

Holger liebte Blaubeer-Pancakes. Letztes Wochenende war er zum Frühstück vorbeigekommen und hatte unglaubliche elf Stück verdrückt. Maries kleiner Bruder Finn war schwer beeindruckt gewesen.

Einatmen, ausatmen.

Ob Holger schon wach war? Gestern hatte er Marie ziemlich spät noch eine Nachricht geschickt und ihr eine gute Nacht und süße Träume gewünscht. Heute Vormittag war er mit seinem Kumpel Jakob zum Parkour-Training verabredet. Jakob war mindestens genauso sportlich wie Holger und in seinen karamellbraunen Augen lag immer so ein spöttisches Funkeln …

Einatmen, ausatmen.

Verdammt! Warum dachte sie schon wieder an Jakob? Das passierte ihr in letzter Zeit viel zu oft. Dabei war sie doch super glücklich mit Holger. Aber wieso bekam sie dann Herzklopfen, sobald Jakob in ihren Gedanken auftauchte?

Marie stieß einen Seufzer aus, öffnete die Augen und blinzelte in die Sonne. Von wegen innere Ruhe und Ausgeglichenheit! Ihr Herz pochte heftiger als nach zehn Sonnengrüßen und in ihrem Magen kribbelte es. Sie bekam Jakob einfach nicht aus dem Kopf! Und sie hatte wirklich alles versucht. Nicht mal der Anti-Liebes-Zauber, den sie vor einer Weile ausprobiert hatte, hatte etwas genützt.

Natürlich war sie nicht in Jakob verliebt. Das wäre ja noch schöner! Sie liebte Holger und sonst niemanden. Vorsichtshalber war sie in den letzten Wochen auf Abstand zu Jakob gegangen, hatte ihn ignoriert, wenn sie Holger vom Parkour-Training abholte, und auf seine Nachrichten nicht mehr reagiert. Leider ohne Erfolg. Jetzt verfolgten die Jakob-Gedanken sie schon bis auf die Yogamatte!

Mit gerunzelter Stirn stand Marie auf, trat ans Fenster und sah in den Garten hinaus. Das musste langsam ein Ende haben! Aber wie? Ihre Vermeidungsstrategie war offenbar voll nach hinten losgegangen …

Ob sie vielleicht deswegen so oft an Jakob dachte, weil sie krampfhaft versuchte, nicht an ihn zu denken? Marie fiel das Phänomen des rosa Elefanten ein, von dem sie mal gelesen hatte. Bei dem Satz »Denk nicht an einen rosa Elefanten« sahen die meisten Leute sofort einen rosa Elefanten vor sich.

Maries Blick folgte einer Amsel, die fröhlich zwitschernd über den vom nächtlichen Regen noch feuchten Rasen hüpfte. Vielleicht sollte sie aufhören, Jakob aus dem Weg zu gehen. Wenn sie ganz normal mit ihm umging, hatten seine karamellbraunen Augen ihren Reiz bestimmt bald verloren und Maries Gefühlschaos würde sich legen.

Energisch schloss sie das Fenster. Das war die Lösung! Ihr Magen knurrte noch einmal, diesmal deutlich lauter. Höchste Zeit fürs Frühstück!

Erleichtert verließ Marie ihr Zimmer und lief die geschwungene Treppe der alten Villa hinunter, die sie gemeinsam mit ihrem Vater Helmut, ihrer Stiefmutter Tessa, deren Tochter Lina und Finn, ihrem kleinen Halbbruder, bewohnte. In der offenen Küche war der Frühstückstisch bereits gedeckt. Maries Vater stand am Herd. In der Pfanne vor ihm brutzelten tatsächlich Pancakes. Es duftete wunderbar nach süßem Teig und Blaubeeren.

Die Küche ging in einen großzügigen Wohnbereich über. Finns Lieblingsmusik dröhnte aus der Bluetooth-Box, die auf dem niedrigen Couchtisch stand, und Maries Bruder hüpfte wie ein Flummi durch den Raum. Er war drei Jahre alt und ging seit Neustem jeden Mittwoch zum Kindertanzen, was ihm sehr viel Spaß machte.

»Mach mit, Marie!«, krähte er.

Marie ließ sich nicht lange bitten. Sie ergriff Finns ausgestreckte Hände und wirbelte ihn im Kreis herum. Er jauchzte vor Vergnügen.

»Bravo!« Helmut Grevenbroich applaudierte, als das Lied zu Ende war. »Wie wär’s mit ein paar Pancakes zur Stärkung?«

»Au ja!« Strahlend kletterte Finn auf seinen Stuhl. »Ich hab sooo großen Hunger!«

»Und ich erst.« Marie strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und setzte sich ebenfalls an den Tisch.

Ihr Vater nahm die Pfanne vom Herd und verteilte die dampfenden Pancakes. »Guten Appetit!«

»Danke gleichfalls.« Marie griff nach dem Ahornsirup.

Herr Grevenbroich schenkte sich Kaffee ein. »Sag mal, hast du heute schon was vor?«

»Nachher kommen Kim und Franzi vorbei, aber wir haben nichts Besonderes geplant. Warum?« Marie verteilte großzügig Ahornsirup auf ihrem Pancake.

Kim Jülich und Franziska Winkler waren nicht nur Maries beste Freundinnen, zu dritt bildeten sie auch den Detektivclub Die drei !!!. Gemeinsam gingen sie auf Verbrecherjagd und hatten schon viele Fälle aufgeklärt. Momentan war der Club allerdings arbeitslos, sodass sie sich auf die schönen Seiten des Lebens konzentrieren konnten: im Garten abhängen, chillen, Eistee trinken und den Sommer genießen …

»Ich bin zum Infotag einer Initiative eingeladen, die die Park-Lichtspiele retten will«, erzählte Maries Vater. »Hast du Lust mitzukommen? Kim und Franzi sind natürlich auch eingeladen.«

»Park-Lichtspiele? Was ist das?«

»Das alte Kino am Schillerpark. Es wurde vor zehn Jahren geschlossen, seitdem steht es leer.«

»Meinst du dieses große, düstere Gebäude mit den Säulen? Schräg gegenüber vom Haupteingang zum Park?«

Ihr Vater nickte. »Es ist wirklich eine Schande, dass das Kino immer mehr verfällt. Die Initiative sammelt Spenden, um einen drohenden Abriss zu verhindern.«

»Und warum haben sie dich eingeladen?«

»Ich bin sozusagen als prominenter Unterstützer angeworben worden, damit die Aktion mehr Aufmerksamkeit bekommt.« Helmut Grevenbroich trank einen Schluck Kaffee. »Du kennst das Kino nicht mehr, weil es schon so lange geschlossen ist. Ich bin früher oft dort gewesen. Als Jugendlicher war ich Stammkunde und hab mein gesamtes Taschengeld für Kinokarten ausgegeben.«

»Echt?« Marie leckte sich etwas Ahornsirup aus dem Mundwinkel. »Das wusste ich gar nicht.«

Finn stopfte sich bereits den dritten Pancake in den Mund. Seine Hände und sein Gesicht waren komplett mit Ahornsirup verschmiert, aber das schien ihn nicht im Geringsten zu stören.

»In den Park-Lichtspielen habe ich meine Liebe zum Kino entdeckt.« Maries Vater lächelte. »Wer weiß, ob ich jemals auf die Idee gekommen wäre, Schauspieler zu werden, wenn ich dort nicht so viele tolle Filme gesehen hätte.«

Inzwischen war Helmut Grevenbroich ein gefragter Darsteller, der regelmäßig in Kino- oder Fernsehfilmen mitspielte. Besonders bekannt war er durch seine Rolle als Kommissar Brockmeier in der Vorabendserie Vorstadtwache geworden.

»Klingt gut«, stellte Marie fest. »Ich sag Kim und Franzi Bescheid.«

»Prima! In einer Stunde geht’s los.«

Entsetzt starrte Marie ihren Vater an. »Wie bitte? Ich muss noch duschen, Haare waschen, mich anziehen und stylen. Das schaffe ich nie!« Hastig schob sie sich den Rest ihres Pancakes in den Mund, sprang auf und sauste aus der Küche.

Als es eine Stunde später an der Haustür klingelte, legte Marie den Föhn zur Seite und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Ihre Haare fielen glänzend und duftig über ihre Schultern. Sie waren zwar noch nicht ganz trocken, aber den Rest würde die warme Sommerluft erledigen. Ihr Make-up war aufgrund der begrenzten Zeit eher sparsam ausgefallen. Sie hatte nur ihre Wimpern getuscht, mit einem Pinsel großzügig schimmernden Puder auf ihrem Gesicht verteilt und etwas Lipgloss aufgetragen. Schnell zupfte sie ihre maigrüne Tunika zurecht, warf ihrem Spiegelbild eine Kusshand zu und lief nach unten, um ihren Freundinnen die Tür zu öffnen.

Doch Finn war ihr zuvorgekommen. »Franzi und Kim sind da!« Begeistert drehte er eine Pirouette.

»Hallo, Finn.« Franzi verstrubbelte ihm die Haare. »Alles klar?«

»Wenn ich groß bin, werde ich Primaballaballa«, sagte Finn stolz.

»Wie bitte?« Kim zog die Augenbrauen hoch.

»Er meint Primaballerina.« Marie grinste. »Finn geht neuerdings zum Kindertanzen.«

»Echt? Cool!«, sagte Franzi.

»Soll ich euch was vortanzen?«, fragte Finn eifrig.

»Jetzt nicht, Finni. Wir müssen los.« Marie schlüpfte in ihre neuen Sneaker. Dank ihrer extradicken Sohle lief man in ihnen wie auf Wolken. Sie stammten von dem kleinen Designlabel Sunflower, das jedes neue Modell nur in limitierter Auflage herstellte. Diese Schuhe trug garantiert nicht jeder!

»Ich bin schon total gespannt auf das alte Kino«, stellte Franzi fest. »Glaubt ihr, man darf es besichtigen?«

Marie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«

»Vielleicht sollte ich einen Artikel über die Rettung der Park-Lichtspiele schreiben.« Kim machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ist doch ein interessantes Thema, oder?«

»Gute Idee!« Marie nickte. »Du hast lange nichts mehr in der Zeitung veröffentlicht, oder?«

»Stimmt. Ich hatte einfach keine Zeit.« Kim war als Kopf der drei !!! nicht nur für das Detektivtagebuch zuständig, sie war auch angehende Autorin und schrieb Kurzgeschichten, Krimis oder Artikel für die Jugendseite der Neuen Tageszeitung. Vor einer Weile hatte sie sogar zusammen mit ihrem Freund David einen Fantasy-Krimi als E-Book veröffentlicht. Gerade schrieben die beiden an einer Liebesgeschichte, die als wöchentlicher Fortsetzungsroman in einer Jugendzeitschrift erschien. »Diese Lovestory hält mich ganz schön auf Trab«, fuhr Kim fort. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so anstrengend wird. Zumal David mich schon zum zweiten Mal hängen lässt.«

»Wieso?«, fragte Franzi.

»Weil ihm was dazwischengekommen ist. Wir wechseln uns jede Woche mit dem Schreiben ab und er wäre mit dem nächsten Kapitel dran. Aber er muss zu einem Fotoshooting.«

Seit einer Weile jobbte David als Fotomodel und hatte schon bei verschiedenen Werbekampagnen mitgemacht, unter anderem für eine Zahncreme namens Dentibelli Ultraweiß.

»David ist als Model inzwischen richtig erfolgreich, oder?«, erkundigte sich Marie.

»Ja, irgendwie schon.« Kim zuckte mit den Schultern. Sie schien nicht allzu glücklich darüber zu sein. »Das ist natürlich toll für ihn. Trotzdem ist es nicht fair, mich mit dem Fortsetzungsroman im Stich zu lassen. Schließlich hab ich was Besseres zu tun, als ständig für ihn einzuspringen.«

»Zum Beispiel mit deinen besten Freundinnen ein altes Kino besichtigen.« Marie griff nach ihrem Matchbeutel.

Wie aufs Stichwort kam ihr Vater aus der Küche und klimperte mit den Autoschlüsseln. »Auf geht’s, meine Damen!«

Finn hüpfte auf und ab. »Darf ich mit?«

»Heute nicht, Finni«, sagte Herr Grevenbroich. »Du würdest dich nur langweilen. Geh doch zu Lina in die Küche und iss noch einen Pancake.«

»Au ja!« Finn verschwand in der Küche.

Als Marie das Haus verließ, surrte ihr Handy. Sie warf einen Blick auf das Display. Eine Nachricht von Holger!

Gut geschlafen, mein Schatz? Was machst du heute? Love U!

Lächelnd tippte Marie eine Antwort.

Bin unterwegs zum Kino am Schillerpark und kämpfe gegen Abriss. Park-Lichtspiele forever!

Park-Lichtspiele? Abriss???

Komm nach dem Training beim Kino vorbei, wenn’s dich interessiert. Und bring Jakob mit.

Ok. CU!

»Wo bleibst du, Marie?«

Kim und Franzi stiegen gerade ins Auto, das vor der Villa parkte.

»Bin schon da!« Vor sich hin summend sprang Marie die Stufen hinunter und lief über den gekiesten Vorplatz. Sie freute sich auf den Tag. Und auf Holger. Dass sie bei der Aussicht, nachher Jakob zu sehen, leichtes Herzklopfen bekam, ignorierte sie. Bald würde das vorbei sein. Ein für alle Mal.

Rettet die Park-Lichtspiele!

»Wow! Das Gebäude ist echt cool.« Kim zückte ihr Handy und machte ein paar Fotos.

Franzi nickte. »Bloß schade, dass es so herunterkommen ist.«

Die drei !!! standen vor dem alten Kino, das sich inmitten einer langen Häuserreihe befand, die an einer großen Straße am Rand der Fußgängerzone lag. Schräg gegenüber reckten sich die Bäume des Schillerparks in den Sommerhimmel. Eine Gruppe junger Leute war gerade dabei, auf dem Bürgersteig vor dem Kino einen Infostand aufzubauen.

Marie blickte an der Fassade empor, die früher einmal weiß gewesen sein musste. Jetzt war sie schmutzig grau und überall blätterte der Putz ab. Trotzdem ließ sich die frühere Pracht des Gebäudes noch erahnen. Der Eingang, der mit einem schweren Vorhängeschloss gesichert war, wurde von großen Säulen eingerahmt, die sich an der mit Stuck und Steinfiguren geschmückten Fassade fortsetzten. Der Giebel war nicht eckig, sondern rund. Ganz oben befand sich ein kleines Fenster, das wie ein Bullauge aussah.

»Ein wahres Schmuckstück, oder?« Eine Frau mit kurzen blonden Haaren hatte sich neben sie gestellt. Sie streckte Maries Vater die Hand hin. »Helmut Grevenbroich, richtig? Ich bin Leonie Schneider, die Gründerin der Initiative Rettet die Park-Lichtspiele. Echt klasse, dass Sie uns unterstützen.«

»Das mach ich doch gern.« Maries Vater lächelte Leonie zu, während er ihre Hand schüttelte. »Es wäre eine Schande, wenn das Kino abgerissen würde. Ich bin früher oft hier gewesen und verbinde viele schöne Erinnerungen mit diesem Ort. Das sind meine Tochter Marie und ihre beiden Freundinnen.«

Die drei !!! begrüßten Leonie. Sie war Mitte zwanzig und wirkte ziemlich energisch.

»Was genau ist das Ziel der Initiative?«, erkundigte sich Marie.

»Wir wollen die Park-Lichtspiele vor dem Abriss retten«, erklärte Leonie. »Dazu müssen wir das Gebäude aber erst mal kaufen. Dann möchten wir es sanieren und in Eigenregie wiedereröffnen. Als Programmkino, das man auch für Veranstaltungen mieten kann.«

»Ein ambitioniertes Projekt.« Herr Grevenbroich nickte. »Die Finanzierung ist sicher das Hauptproblem, oder?«

Leonie seufzte. »Richtig. Wir brauchen jede Menge Geld. Deshalb haben wir eine Kulturgenossenschaft gegründet. Wir sammeln Spenden und werben Mitglieder, die Genossenschaftsanteile kaufen. So gehört das Kino irgendwann ganz vielen Leuten. Alle können ihre Ideen einbringen und es mitgestalten.« Sie hatte sich in Fahrt geredet und ihre Augen funkelten vor Begeisterung.

Kim hatte ihr Notizbuch herausgeholt und schrieb eifrig mit. »Wie bist du auf die Idee gekommen, dich für das Kino zu engagieren?«

Leonie lächelte. »Als Kind hab ich hier meine ersten Filme gesehen. Mein Opa ist jeden Sonntag mit mir in die Nachmittagsvorstellung gegangen.« Sie senkte die Stimme. »Und später hab ich in der letzten Reihe meinen ersten Kuss bekommen. Als auf der Leinwand gerade eine wilde Schießerei lief.« Sie grinste. »So was prägt. Vielleicht hab ich deswegen angefangen, Filmwissenschaften zu studieren. Jedenfalls war ich furchtbar traurig, als das Kino geschlossen wurde. Jedes Mal, wenn ich hier vorbeigefahren bin, habe ich mich gefragt, warum niemand etwas unternimmt, um das Kino zu retten. Bis mir irgendwann klar wurde, dass ich es selbst retten muss.«

»Sind Sie Helmut Grevenbroich?« Eine Frau war neben ihnen stehen geblieben. Als Maries Vater freundlich nickte, strahlte sie über das ganze Gesicht. »Wahnsinn! Ich bin ein riesiger Fan der Vorstadtwache. Darf ich Sie um ein Autogramm bitten?«

»Natürlich, sehr gerne.« Herr Grevenbroich zog eine Autogrammkarte aus seinem Leinenjackett.

»Kommen Sie doch mit zu unserem Infostand.« Leonie lächelte der Dame zu. »Dort unterschreibt Herr Grevenbroich Ihre Karte und Sie können sich über unsere Initiative zur Rettung des Kinos informieren.«

Bald war der Stand umringt von Passanten. Während Maries Vater Autogramme schrieb und mit den Fans plauderte, verteilten Leonie und ihre Mitstreiter Info-Broschüren, klärten die Leute über die Ziele der Initiative auf und gingen mit Spendenbüchsen herum.

Franzi marschierte zum Eingang des Gebäudes und rüttelte an der Tür. »Abgeschlossen. Ob die Leute von der Initiative einen Schlüssel haben?«

»Wir können ja mal fragen.« Marie trat auf einen jungen Mann mit kurzen schwarzen Haaren zu, der den Leuten Flyer in die Hand drückte. »Entschuldigung, kann man das Kino besichtigen?«

Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf. »Leider nicht. Betreten verboten.« Er deutete auf ein Schild neben dem Eingang.

»Wem gehört das Kino eigentlich?«, erkundigte sich Kim.

»Einer Erbengemeinschaft. Als der Eigentümer vor zehn Jahren starb, vermachte er das Gebäude seinen zahlreichen Neffen und Nichten. Eigene Kinder hatte er nicht. Seitdem streiten sich die Erben darum, was mit dem Kino passieren soll.«

»Kannst du uns noch mehr über die Geschichte des Kinos erzählen?« Kim schlug ihr Notizbuch auf. »Ich recherchiere für einen Zeitungsartikel.«

»Echt? Cool! Ich heiße übrigens Nico, Nico Gombert. Und ihr seid?«

»Ich bin Kim Jülich«, stellte sich Kim vor. »Und das sind Marie und Franzi.«

»Freut mich!« Nico nickte den Mädchen zu. »Die Park-Lichtspiele haben eine lange und glanzvolle Geschichte.«

»Schieß los!« Kim zückte ihren Stift.

»Das Kino wurde 1914 mit einer großen Gala-Veranstaltung eröffnet«, begann Nico. »Es war das modernste Kino seiner Zeit. Der große Saal hatte 750 Plätze mit Parkett, ansteigenden Rängen und mehreren Logen. Ihre Blütezeit erlebten die Park-Lichtspiele in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Damals wurden hier rauschende Premieren gefeiert, mit rotem Teppich, Blitzlichtgewitter und allem Drum und Dran. Die Filmstars haben sich die Klinke in die Hand gegeben. Bis zu ihrer Schließung waren die Park-Lichtspiele eines der ältesten noch betriebenen Kinos Deutschlands.«

»Wieso wurde es geschlossen?«, fragte Franzi.

»Der Hauptgrund war der Erbstreit nach dem Tod des Besitzers«, erklärte Nico. »Die Erben wollten nichts mehr in das Gebäude investieren und haben dem Pächter gekündigt. Seitdem steht das Gebäude leer und verfällt.«

Marie betrachtete die kunstvoll mit Blättern und Efeu verzierten Steinsäulen neben dem Eingang. »Und warum soll es abgerissen werden?«

Nico seufzte. »Kürzlich haben sich die Erben endlich darauf geeinigt, das Gebäude zu verkaufen. Eine große Immobilienfirma, die schon lange scharf auf das Haus ist, hat sofort ein Angebot gemacht. Die wollen das Kino abreißen und hier ein Einkaufszentrum bauen. Mit Büros und Parkhaus.«

Franzi schüttelte empört den Kopf. »Das ist echt das Letzte! Dieses alte Kino ist einmalig.«

»Das finden wir auch«, stimmte Nico zu. »Darum kämpfen wir mit allen Mitteln für seinen Erhalt.«