Die drei Musketiere - 20 Jahre danach - Alexandre Dumas - E-Book

Die drei Musketiere - 20 Jahre danach E-Book

Dumas Alexandre

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Beschreibung

Vor zwanzig Jahren waren die drei Musketiere und ihr gewitzter gascognischer Freund d'Artagnan noch sehr jung und verwegen. Jetzt begegnen wir ihnen als nicht mehr ganz so jugendlichen Helden wieder; aber kühne Haudegen sind sie geblieben, und so stürzen sie sich erneut in Abenteuer.

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Alexandre Dumas

20 Jahre danach

Impressum

Cover: Gemälde "Musketiere beim Schachspiel" von Jakob Emanuel Gaisser

Covergestaltung: nexx verlag gmbh, 2014

ISBN/EAN: 9783958703964

Rechtschreibung und Schreibweise des Originaltextes wurden behutsam angepasst.

www.nexx-verlag.de

Der Schatten Richelieus

In einem uns schon bekannten Gemache des Kardinalspalasts, an einem Tisch mit vergoldeten Ecken, der mit Papieren, Büchern und Schriften beladen war, saß ein Mann, der seinen Kopf in beide Hände stützte. Hinter ihm war ein weiter, vom Feuer geröteter Kamin, worin die brennenden Scheiter auf breiten, vergoldeten Böcken ineinander fielen. Der Widerschein des Herdes erhellte die prächtige Kleidung dieses Träumers von rückwärts, während ihn vorn das Licht eines mit Kerzen ausgestatteten Kandelabers erleuchtete.

Wenn man diese rote Kleidung, diese reichen Spitzen, dazu diese blasse und gedankenvoll niedergebeugte Stirn sah, die Einsamkeit dieses Kabinetts, die Stille der Vorzimmer, den abgemessenen Schritt der Wachen am Vorplatz betrachtete, so konnte man meinen, der Schatten des Kardinals von Richelieu befinde sich noch in seinem Zimmer. Ach, es war in der Tat nur noch der Schatten des großen Mannes. Das geschwächte Frankreich, die verkannte Autorität des Königs, die abermals schwach und aufrührerisch gewordenen Großen, der über die Grenzen zurückgetriebene Feind, alles gab Zeugnis, dass Richelieu nicht mehr da sei.

Was aber noch mehr als alles das Angeführte zeigte, dass die rote Kleidung nicht die des alten Kardinals sei, war diese Absonderung, welche, wie schon bemerkt, viel mehr die eines Schattens als eines lebenden Menschen zu sein schien, das waren die von Hofleuten entvölkerten Gänge, diese Höfe, von Wachen angefüllt; das war diese höhnische Gesinnung, die sich auf der Straße kundgab und durch die Fenster dieses Zimmers drang, die der Hauch einer gegen den Minister vereinigten Stadt erschütterte; das war endlich ein fernes, stets wiederholtes Dröhnen von Flintenschüssen, welche zum Glück ohne Zweck und ohne Folgen und nur deshalb abgefeuert wurden, damit sie den Garden, den Schweizern, den Musketieren und Soldaten, die das Palais Royal umzingelten (denn der Kardinalspalast selber veränderte den Namen), zeigen sollten, dass auch das Volk im Besitz von Waffen sei.

Dieser Schatten Richelieus war Mazarin. Mazarin war allein und fühlte sich schwach.

»Ausländer!«, murmelte er. »Italiener, das ist ihr ohnmächtiges Wort! Mit diesem Wort haben sie Concini erdolcht, aufgehängt und verschlungen, und ließe ich sie gewähren, würden sie mich gleichfalls umbringen, aufknüpfen und zerfleischen, wiewohl ich ihnen nie ein anderes Leid zufügte, als dass ich sie ein bisschen aussog. Die Schwachköpfe, sie fühlen also nicht, dass keineswegs dieser Welsche, der das Französisch so schlecht spricht, ihr Feind ist, sondern vielmehr jene, welche die Gabe besitzen, ihnen so glatte Worte im reinen und guten Pariser Dialekt vorzutragen. … Ja, ja!«, fuhr der Minister mit seinem feinen Lächeln fort, das jetzt seltsam von seinen bleichen Lippen abstach. »Ja, euer Geschrei sagte es mir, dass das Los der Günstlinge wandelbar ist; doch wenn ihr das wisst, so muss es euch bekannt sein, dass ich kein gewöhnlicher Günstling bin! Der Graf vor Essex besaß einen kostbaren, mit Diamanten übersäten Ring, den ihm seine königliche Gönnerin geschenkt hatte; ich besitze nur einen einfachen Ring mit Namenszug und Datum, doch dieser Ring ward in der Kapelle des Palais Royal gesegnet; somit werden sie mich nicht zugrunde richten, wie sie es wünschen. Sie gewahren es nicht, dass ich sie mit ihrem ewigen Geschrei: ›Nieder mit Mazarin!‹ bald werde rufen lassen: ›Es lebe Herr von Beaufort!‹ – bald: ›Es lebe der Prinz!‹ und bald ebenso lebhaft: ›Es lebe das Parlament!‹ – Nun, Herr von Beaufort ist in Vincennes; der Prinz wird heute oder morgen zu ihm kommen, und das Parlament …« Hier verwandelte sich das Lächeln des Kardinals in einen Ausdruck von Hass, dessen sein freundliches Antlitz unfähig schien. »Und das Parlament … ja nun, wir werden sehen, was wir aus dem Parlament machen; wir haben Orleans und Montargis. Oh, ich will die Zeit hierzu benützen, doch diejenigen, welche zu schreien anfingen: ›Nieder mit Mazarin!‹, werden zuletzt ausrufen: ›Nieder da mit all diesen Leuten, einen nach dem andern!‹ Oh, wäre ich nur kein Ausländer, wäre ich nur Franzose und von edler Geburt!«

Wir wollen jetzt sehen, was von beiden Seiten geschah.

Am siebten Januar hatten sich siebenhundert bis achthundert Kaufleute von Paris aus Anlass einer neuen Steuer, die man den Hauseigentümern auferlegen wollte, zusammengerottet und dagegen Einspruch getan; sie schickten zehn aus ihrer Mitte ab, dass sie in ihrem Namen mit dem Herzog von Orleans sprächen, der nach seiner Gewohnheit den Volksfreund spielte. Der Herzog von Orleans ließ sie vor; sie erklärten ihm, dass sie entschlossen wären, diese neue Abgabe nicht zu entrichten, selbst wenn sie sich mit den Waffen gegen diejenigen, welche sie beheben wollten, verteidigen müssten. Der Herzog von Orleans hörte sie huldreich an, ließ sie auf einige Ermäßigung hoffen, versprach ihnen, er wolle deshalb mit der Königin sprechen, und entließ sie mit seinem gewöhnlichen: »Man wird sehen.«

Am Neunten kamen auch die Requeten-Meister zu dem Kardinal, und der Wortführer sprach mit so viel Festigkeit und Kühnheit, dass der Kardinal ganz erstaunt darüber war. Er verabschiedete sich mit denselben Worten, wie es der Herzog von Orleans tat: »Wir wollen sehen.«

Um zu sehen berief man also den Rat zusammen und ließ den Finanzminister d’Emery holen.

Gegen d’Emery war das Volk sehr aufgebracht, schon deshalb, weil er Finanzminister war, und dann auch, wir müssen es wohl sagen, weil er es ein wenig verdient hatte.

Man ließ ihn aus dem Rat rufen; er eilte ganz blass und verstört herbei und sagte, sein Sohn wäre an diesem Tag auf dem Platz vor dem Palais Royal fast umgebracht worden; die Volksmenge sei ihm begegnet und habe ihm den Luxus seiner Gemahlin vorgeworfen, da sie eine mit rotem Samt und mit goldenen Fransen ausgeschmückte Wohnung hätte.

D’Emerys Sohn wäre fast erdrosselt worden, denn einer der Rebellen brachte in Vorschlag, ihn so lang zu würgen, bis er das Gold, welches er verschlungen, wieder von sich gegeben hätte. Der Rat entschied an diesem Tag nicht, denn der Finanzminister war mit diesem Vorfall zu sehr beschäftigt, als dass sein Geist frei sein konnte.

Am folgenden Morgen ward der erste Präsident Mathieu Molé gleichfalls angegriffen; das Volk bedrohte ihn ob all des Bösen, das man ihm zufügen wollte; allein der erste Präsident hatte, ohne die Fassung zu verlieren und ohne sich zu verwundern, mit gewohnter Ruhe geantwortet; er wolle, wenn die Unruhestifter nicht gehorchen würden, auf den öffentlichen Plätzen Galgen errichten und sogleich die Widerspenstigen aufhenken lassen. Aber jene verharrten fortwährend in ihrem starren und verwegenen Trotz.

Das ist noch nicht alles. Als am Ersten die Königin nach Notre-Dame ging, was sie regelmäßig jeden Sonnabend tat, folgten ihr über zweihundert Weiber, welche ihr zuriefen und Gerechtigkeit forderten. Sie hatten zwar keine böse Absicht, da sie sich bloß zu ihren Füßen werfen und ihr Mitleid erregen wollten, allein die Wachen verhinderten sie daran, und die Königin schritt vorüber, ohne auf ihr Gewimmer zu achten. Nachmittags war abermals Ratssitzung, worin beschlossen wurde, die königliche Autorität in Kraft zu erhalten; demgemäß wurde das Parlament für den nächsten Tag, den Zwölften, zusammenberufen.

An diesem Tag nun, an dessen Abend wir diese neue Geschichte eröffnen, ließ der König, der damals erst zehn Jahre alt war und eben geblättert hatte, Dankgebete für seine Genesung in Notre-Dame verrichten, seine Garden, Schweizer und Musketiere unter die Waffen treten, sie rings um das Palais Royal, auf den Quais und am Pont Neuf aufstellen, und nach Anhörung der Messe begab er sich in das Parlament, wo er in einer unvorbereiteten, feierlichen Sitzung seine früheren Edikte nicht bloß bestätigte, sondern auch noch fünf bis sechs neue erließ – von denen die einen, sagt der Kardinal Retz, verderblicher waren als die andern. Demzufolge erhob sich dann der erste Präsident, der, wie wir sahen, tags zuvor noch für den Hof war, und sprach sich sehr kühn aus gegen die Art und Weise, den König zum Palast zu führen, um die Freiheit der Stimmen zu überrumpeln und abzunötigen. Mit besonderer Heftigkeit aber eiferten gegen diese neuen Auflagen der Präsident Blancmesnil und der Rat Broussel.

Nachdem diese Verordnungen erlassen worden, kehrte der König wieder in das Palais Royal zurück; eine große Volksmenge stand an seinem Weg: Da man aber wusste, dass er aus dem Parlament komme, ohne zu wissen, ob er dem Volk Gerechtigkeit widerfahren ließ oder nicht, so ließ sich auf seinem Weg nicht ein einziger Jubelruf vernehmen, um ihm zu seiner Genesung Glück zu wünschen. Im Gegenteil waren alle Gesichter finster und bekümmert und einige sogar der Drohungen voll.

Die Truppen blieben ungeachtet seiner Rückkehr am Platz; man besorgte einen Aufruhr, wenn das Resultat des Parlaments bekannt wurde; und wirklich, kaum verbreitete sich das Gerücht in der Stadt, der König habe die Steuern noch vermehrt, statt sie zu verringern, so bildeten sich Gruppen und man rief mit lautem Geschrei: »Nieder mit Mazarin! Es lebe Broussel! Es lebe Blancmesnil!«, denn das Volk erfuhr, dass diese beiden zu seinen Gunsten gesprochen, und obwohl ihre Beredsamkeit fruchtlos war, so wusste man ihnen doch dafür keinen geringeren Dank.

Die Unruhe in den Straßen nahm von Minute zu Minute zu. Der Kardinal erhob auf einmal mit halb gerunzelter Stirn das Haupt, als hätte er einen Entschluss gefasst, richtete die Augen auf eine ungeheure Wanduhr, die auf sechs Uhr zeigte, und indem er eine im Bereich seiner Hand liegende Pfeife von vergoldetem Silber vom Tisch nahm, pfiff er zu wiederholtem Male.

Da öffnete sich geräuschlos eine in der Tapete verborgene Tür, ein schwarz gekleideter Mann trat hervor und blieb hinter dem Stuhl stehen.

»Bernouin!«, sprach der Kardinal, ohne dass er sich umwandte, denn da er zweimal gepfiffen hatte, so wusste er schon, es müsse sein Kammerdiener sein. »Welche Musketiere sind im Palast auf der Wache?«

»Monseigneur, die schwarzen Musketiere.«

»Welche Kompanie?«

»Die Kompanie Tréville.«

»Steht etwa ein Offizier der Kompanie im Vorgemach?«

»Der Leutnant d’Artagnan.«

»Ein Vertrauenswürdiger – nicht wahr?«

»Ja, Monseigneur.«

»Rufe mir Herrn d’Artagnan.«

Der Kammerdiener ging diesmal durch die Mitteltür ab, und zwar immer so still und schweigsam wie vorher. Man hätte glauben mögen, er sei ein Schatten.

Bald darauf ging die Tür wieder auf. »Herr d’Artagnan«, sprach der Kammerdiener.

Ein Offizier trat ein. Es war ein Mann von neununddreißig bis vierzig Jahren, von kleinem Wuchs, doch gut gebaut, mit einem lebhaften und geistvollen Auge, mit schwarzem Bart und Haaren, die zu ergrauen begannen, wie das immer geschieht, wenn man das Leben zu gut oder zu schlecht genossen hat, und zumal, wenn man stark braune Haare hat. D’Artagnan trat vier Schritte in das Kabinett und blieb in ehrfurchtsvoller, doch würdiger Haltung stehen. Der Kardinal richtete sein mehr schlaues als durchdringendes Auge auf ihn und prüfte ihn aufmerksam; dann sprach er nach einigen Sekunden des Schweigens: »Ihr seid Herr d’Artagnan?«

»Ich bin es, gnädigster Herr«, entgegnete der Offizier.

»Mein Herr«, sprach der Kardinal, »Ihr werdet jetzt mit mir gehen, oder vielmehr, ich will mit Euch gehen.«

»Ich stehe zu Befehl, gnädigster Herr«, antwortete d’Artagnan.

»Ich möchte gern selbst die umliegenden Wachtposten des Palais Royal besichtigen; glaubt Ihr, das sei mit Gefahr verbunden?«

»Gefahr?«, fragte d’Artagnan. »Und welche denn?«

»Wie es heißt, ist das Volk sehr aufrührerisch.«

»Gnädigster Herr! Die Uniform der Musketiere des Königs ist sehr geachtet, und wäre sie das auch nicht, so fühle ich mich doch verbindlich, zu viert ein Hundert dieses Pöbels zu verjagen!«

Die nächtliche Runde

Zehn Minuten darauf trabte die kleine Schar durch die Rue des Bons Enfants hinter dem Schauspielsaal, den der Kardinal Richelieu erbaute, um darin Mirame aufführen zu lassen, und worin der Kardinal Mazarin, der die Musik mehr liebte als die Literatur, die ersten Opern, die in Frankreich gegeben wurden, zur Aufführung brachte. Von Zeit zu Zeit vernahm man ein Getöse vom Quartier der Hallen. Flintenschüsse dröhnten von der Seite der Rue Saint-Denis her, und manchmal fing auf einmal eine Glocke zu läuten an, welche, man wusste nicht, weshalb, von der Laune des Volkes in Bewegung gesetzt ward. Als sie in der Nähe des Wachtpostens der Barriere Seigents kamen, wurden sie von der Schildwache angerufen. D’Artagnan gab Antwort, und nachdem er den Kardinal um das Losungswort gefragt hatte, ritt er dahin; das Losungswort war: Louis und Rocroy. Nach dem Austausch dieser Erkennungszeichen fragte d’Artagnan, ob Herr von Comminges den Posten befehlige. Die Schildwache zeigte ihm hierauf einen Offizier, der sich mit der Hand auf den Hals des Pferdes von demjenigen stützte, mit dem er sich eben besprach. Es war derselbe, um welchen d’Artagnan fragte.

»Dort steht Herr von Comminges«, sagte d’Artagnan, als er zu dem Kardinal zurückkehrte. Der Kardinal ritt dahin, während sich d’Artagnan bescheiden entfernt hielt; mittlerweile sah er an der Art und Weise, wie die Offiziere zu Fuß und die Offiziere zu Pferde ihre Hüte abnahmen, dass sie Seine Eminenz erkannten. »Bravo, Guitaut«, sprach der Kardinal zu dem Reiter, »ich sehe, Ihr seid noch immer munter und treu und stets derselbe, ungeachtet Eurer vierundsechzig Jahre. Was habt Ihr zu diesem jungen Mann gesprochen?«

»Gnädigster Herr, ich sagte ihm, dass wir in einer seltsamen Zeit leben und der heutige Tag gleiche so ganz einem jener Tage der Ligue, die ich in meinen jungen Jahren gesehen habe. Wissen Sie, dass man in der Rue Saint-Denis und Saint-Martin von nichts Geringerem sprach als von der Errichtung von Barrikaden?«

»Und was antwortete Euch Comminges, lieber Guitaut?«

»Gnädigster Herr«, versetzte Comminges, »ich antwortete ihm: ›Um eine Ligue zu bilden, fehle Ihnen nur eines, was mir aber hübsch wesentlich scheint – nämlich ein Herzog von Guise. Überdies tut man dasselbe nicht zweimal.‹«

Hierauf begab man sich zur Inspektion der Wache bei Quinze-Vingts. D’Artagnan ritt mitten durch die Volkshaufen, unbekümmert, als ob er selbst und sein Pferd von Erz wären; Mazarin und Guitaut besprachen sich leise; die Musketiere, welche endlich den Kardinal erkannten, folgten schweigsam nach. Man kam in die Rue Saint-Thomas du Louvre, wo der Wachposten von Quinze-Vingts stand; Guitaut berief einen Unteroffizier, dass er Bescheid gebe.

»Nun?«, fragte Guitaut.

»Oh mein Kapitän«, entgegnete der Offizier, »auf dieser Seite steht alles gut, wenn nichts im Hotel vorgeht, wie mich dünkt.« Er deutete auf ein prächtiges Hotel, das sich bis zu dem Platz hin erstreckte, wo jetzt das Vaudeville-Theater steht.

»In jenem Hotel?«, versetzte Guitaut. »Doch das ist das Hotel Rambouillet.«

»Ich weiß es nicht, ob es das Hotel Rambouillet sei«, antwortete der Offizier, »ich weiß nur so viel, dass ich viele Leute von verdächtigem Aussehen in dasselbe treten sah.«

»Bah«, versetzte Guitaut, ein Gelächter erhebend, »das sind Poeten.

«

»Nun, Guitaut«, sprach Mazarin, »du wirst doch von diesen Herren nicht so unehrerbietig reden? Weißt du nicht, dass ich in meiner Jugend auch Poet war und Verse komponierte, wie die des Herrn von Benserade sind?«

»Sie, gnädigster Herr?«

»Ja, ja; soll ich dir einige davon rezitieren?«

»Das ist mir gleichviel, Monseigneur, ich verstehe nicht italienisch.«

»Ja, aber Französisch verstehst du, nicht wahr, guter und wackerer Guitaut?«, erwiderte Mazarin und legte ihm huldreich die Hand auf die Schulter. »Und welchen Auftrag man dir auch in dieser Sprache gäbe, so würdest du ihn vollziehen?«

»Allerdings, gnädigster Herr, wie ich es schon getan habe, vorausgesetzt, dass er mir von der Königin zukommt.«

»Ja«, versetzte Mazarin, sich in die Lippen beißend, »ich weiß, dass du ihr ganz ergeben bist.«

»Ich bin Kapitän ihrer Garden über zwanzig Jahre lang.«

»Vorwärts, Herr d’Artagnan!«, rief der Kardinal wieder. »Von dieser Seite steht alles gut.«

D’Artagnan stellte sich wieder an die Spitze des Zuges, ohne ein Wort zu reden und mit jenem passiven Gehorsam, der den Charakter des alten Soldaten ausmacht. Sie nahmen den Weg zu dem Hügel von Saint-Roche, wo der dritte Wachposten stand, und eilten durch die Rue Richelieu und die Rue Villedo. Diese war die verödetste, denn sie grenzte beinahe an die Wälle und die Stadt war auf dieser Seite wenig bevölkert.

»Wer befehligt diesen Posten?«, fragte der Kardinal.

»Villequier«, antwortete Guitaut.

»Donnerwetter!«, rief Mazarin. »Redet allein mit ihm; Ihr wisst es, wir sind in Spannung, seit Ihr den Auftrag hattet, den Herzog von Beaufort zu verhaften; er behauptete, diese Ehre käme ihm zu als Kapitän der Garden des Königs.«

»Das weiß ich und sagte es ihm hundertmal, dass er Unrecht hatte; der König konnte ihm hierzu den Auftrag noch nicht geben, denn der König war damals kaum vier Jahre alt.«

»Ja, Guitaut, aber ich konnte ihm denselben geben und erteilte Euch den Vorzug.« Guitaut spornte sein Pferd, ohne zu antworten, und als er sich der Schildwache zu erkennen gab, ließ er Herrn von Villequier rufen. Dieser kam. »Ach, Ihr seid es, Guitaut«, sprach er im Ton übler Laune, der ihm eigen war. »Den Teufel, was wollt Ihr da?«

»Ich will Euch fragen, ob es auf dieser Seite etwas Neues gibt.«

»Was zum Teufel soll es denn geben? Man ruft ›Es lebe der König!‹ und ›Nieder mit Mazarin!‹, das ist nichts Neues, an solche Ausrufungen sind wir seit länger schon gewöhnt.«

»Und Ihr macht den Chor mit«, versetzte Guitaut lachend.

»Meiner Treue! Ich habe manchmal große Lust dazu und finde, dass sie sehr Recht haben, Guitaut. Ich möchte recht gern fünf Jahre meine Löhnung dafür hingeben, die man mir nicht bezahlt, wenn der König um fünf Jahre älter wäre.«

»Wirklich – und was geschähe, wenn der König um fünf Jahre älter wäre?«

»Wäre der König mündig, würde er sogleich seine Befehle selbst erlassen, und es liegt ein viel größeres Vergnügen darin, dem Enkel Heinrichs IV. zu gehorchen als dem Sohn des Pietro Mazarin. Zum Teufel! Für den König wollte ich mich mit Freuden töten lassen; würde ich aber für Mazarin getötet, wie es Eurem Neffen fast geschehen wäre, so gäbe es kein noch so schönes Paradies, das mich je dafür zu trösten vermöchte.«

«Gut, gut, Herr von Villequier«, sprach Mazarin; »seid unbekümmert, ich will den König von Eurer Treue in Kenntnis setzen.« Dann wandte er sich zu der Bedeckung um und fuhr fort: »Vorwärts, meine Herren, es geht alles gut, lasst uns zurückkehren ...«

Der Kardinal hatte während der ganzen Dauer dieses nächtlichen Ausfluges, das ist seit etwa einer Stunde, einen Mann geprüft und nebenbei Comminges, Guitaut und Villequier durchforscht. Jener Mann, der sich bei den Drohungen des Volkes so gleichgültig verhielt und der bei den Scherzen des Kardinals, sowie bei denen, deren Gegen stand er gewesen war, keine Miene verändert hatte, jener Mann schien ihm ein besonderes Wesen und für Auftritte von der Art derjenigen gestählt, in denen man sich befand, und vorzüglich derjenigen, welche eben bevorstanden. Überdies war ihm der Name d’Artagnan nicht ganz unbekannt, und obschon er erst gegen das Jahr 1634 oder 1635, das heißt, sieben oder acht Jahre nach den Vorfällen, nach Frankreich kam, die wir in einer früheren Geschichte erzählt haben, so glaubte der Kardinal doch, er habe diesen Namen als den eines Mannes nennen gehört, der sich bei einer Begebenheit, die seinem Geiste nicht mehr gegenwärtig war, als ein Muster von Mut, Treue und Geschicklichkeit bewährt habe.

»Lieber Guitaut!«, sprach der Kardinal, nachdem er d’Artagnan freundlich verabschiedet hatte. »Ihr habt eben gesagt, dass Ihr schon fast zwanzig Jahre lang im Dienst der Königin steht.«

»Ja, das ist auch wahr«, versetzte Guitaut.

»Nun, lieber Guitaut«, fuhr der Kardinal fort, »ich habe die Bemerkung gemacht, dass Ihr außer Eurem unbestrittenen Mut und Eurer bewährten Treue ein vortreffliches Gedächtnis besitzt.«

»Sie haben diese Bemerkung gemacht, gnädigster Herr?«, versetzte der Kapitän der Garden. »Das ist, potz Wetter, umso schlimmer für mich.«

»Warum das?«

»Sicherlich, denn eines der ersten Erfordernisse für einen Hofmann ist, dass er zu vergessen weiß.«

»Ihr seid aber kein Hofmann, Guitaut! Ihr seid ein wackerer Soldat, solch ein Kapitän aus der Zeit des Königs Heinrich IV., aus der leider bald keiner mehr übrig sein wird.«

»Schwerenot, gnädigster Herr, ließen Sie mich denn kommen, um mir ein Horoskop zu stellen?«

»Nein«, entgegnete Mazarin lachend, »ich ließ Euch kommen, um Euch zu fragen, ob Ihr unsern Leutnant der Musketiere beobachtet habt.«

»Herrn d’Artagnan?«

»Ja.«

»Ich brauche ihn nicht zu beobachten, gnädigster Herr, ich kenne ihn seit länger schon.«

»Was ist es für ein Mann?«

»Hm«, versetzte Guitaut, über diese Frage erstaunt, »er ist ein Gascogner.«

»Ja, das weiß ich, allein ich wollte Euch fragen, ob er ein Mann sei, dem man Vertrauen schenken kann.«

»Herr von Tréville achtet ihn hoch, und wie Sie wissen, gehört Herr von Tréville zu den ergebensten Freunden der Königin.«

»Ich möchte wissen, ob er ein Mann ist, der seine Proben bestanden hat?«

»Verstehen Sie darunter den tapferen Soldaten, so glaube ich antworten zu dürfen: ja. Wie ich sagen hörte, hat er bei der Belagerung von La Rochelle, im Engpass von Suze, und bei Perpignan mehr getan als seine Schuldigkeit.«

»Ihr wisst aber, Guitaut, wir Minister brauchen oft noch andere Männer als bloß tapfere Soldaten. Wir brauchen geschickte Leute. Hat nicht Herr d’Artagnan zur Zeit des Kardinals an irgendeiner Intrige teilgenommen, von der das Gerücht erzählt, er habe sich sehr gewandt herausgezogen?«

Guitaut, der es wohl merkte, dass der Kardinal ihn wolle reden lassen, entgegnete ihm: »Gnädigster Herr, in dieser Beziehung muss ich Euer Eminenz sagen, dass ich nicht weiß, was Ihnen das Gerücht bekannt gegeben hat. Was mich betrifft, so habe ich an Intrigen niemals teilgenommen, und wenn ich auch in Bezug auf die Intrigen anderer bisweilen einige vertrauliche Mitteilungen erhielt, so werden es mir Euer Eminenz erlauben, da das Geheimnis nicht mir angehört, es denen zu bewahren, die es mir anvertraut haben.«

Mazarin schüttelte den Kopf und sagte: »Ach, auf mein Wort, es gibt sehr glückliche Minister, welche alles erfahren, was sie wissen wollen.«

»Monseigneur«, entgegnete Guitaut, »diese messen nicht alle Menschen mit demselben Maßstabe und wenden sich an Krieger in Bezug auf den Krieg und an Ränkemacher in Bezug auf Ränke. Wenden Sie sich an irgendeinen Intriganten der Zeit, von welcher Sie reden, und Sie werden von ihm – aber gegen Bezahlung – das erfahren, was Sie zu wissen wünschen.«

»Hm, bei Gott!«, rief Mazarin mit einer Grimasse, die er jedes Mal machte, wenn man ihm die Geldfrage derart berührte, wie es Guitaut eben tat. »Man wird bezahlen, wenn sich auf andere Weise nichts erreichen lässt.«

»Verlangt Monseigneur von mir im Ernst, dass ich einen Mann andeute, der in alle Kabalen jener Zeit verwickelt war?«

»Per Bacco!«, rief Mazarin, der schon ungeduldig wurde. »Ich frage ja schon seit einer Stunde nichts anderes, Starrkopf!«

»Es ist einer unter ihnen, für den ich in dieser Hinsicht bürge, wenn er überhaupt reden will.«

»Das ist meine Sache.«

»Oh, gnädigster Herr, es ist nicht immer so leicht, von den Leuten das herauszubringen, was sie nicht sagen wollen.«

»Bah, mit Geduld bringt man sie wohl dahin. Nun, dieser Mann?«

»Ist der Graf von Rochefort!«

»Der Graf von Rochefort?«

»Zum Unglück ist er seit vier bis fünf Jahren verschwunden und ich weiß es nicht, was mit ihm geschehen ist.«

»Ich werde das wohl erfahren, Guitaut«, versetzte Mazarin. Und da der Kardinal in diesem Moment mit seinem Begleiter im Hofraum des Palais Royal angekommen war, so entließ er Guitaut durch einen Gruß mit der Hand, und als er einen auf- und abgehenden Offizier bemerkte, so ging er auf ihn zu. Es war d’Artagnan, welcher dem Befehl des Kardinals gemäß wartete. D’Artagnan verbeugte sich, folgte dem Kardinal über die geheime Treppe und befand sich alsbald wieder in dem Arbeitszimmer, von dem er ausgegangen war. Der Kardinal setzte sich an seinen Schreibtisch, nahm ein Blatt Papier und schrieb darauf einige Zeilen. D’Artagnan blieb gleichgültig stehen und harrte ohne Ungeduld wie ohne Neugierde. Er war ein militärischer Automat geworden und handelte oder gehorchte vielmehr, wie durch Federn in Bewegung gesetzt. Der Kardinal faltete den Brief und siegelte ihn. »Herr d’Artagnan«, sprach er, »tragt diese Depesche zur Bastille und führt die Person hierher, von der darin die Rede ist; nehmt einen Wagen mit einer Bedeckung und bewacht sorgfältig den Gefangenen.«

D’Artagnan ergriff den Brief und legte die Hand an seinen Hut.

Zwei alte Feinde

D’Artagnan kam in der Bastille an, als es eben halb neun Uhr schlug. Er ließ sich bei dem Gouverneur anmelden, und als dieser hörte, dass er mit einem Befehl und im Namen des Ministers komme, so ging er ihm bis zur Freitreppe entgegen. Der Gouverneur der Bastille war damals Herr du Tremblay, Bruder des Kapuziners Joseph, Günstling von Richelieu, mit dem Beinamen: die graue Eminenz.

Als d’Artagnan dort ankam, um den Auftrag des Ministers zu vollziehen, empfing er ihn mit aller Artigkeit, und da er sich eben zu Tisch setzen wollte, so lud er d’Artagnan ein, mit ihm zu nachtmahlen. »Ich würde das mit dem größten Vergnügen annehmen«, entgegnete d’Artagnan, »allein, wenn ich nicht irre, so steht auf dem Umschlag des Briefes sehr eilig.«

»Es ist so«, sprach Herr du Tremblay.

»Holla Major, man lasse Nr. 256 herabkommen.«

Beim Eintritt in die Bastille hörte man auf, ein Mensch zu sein, man wurde bloß eine Nummer. Es ertönte ein Glockenschlag.

»Ich verlasse Sie«, sprach Herr du Tremblay zu ihm, »man ruft mich, dass ich die Wegbringung des Gefangenen unterfertigen möge. Auf Wiedersehen, Herr d’Artagnan!«

Es waren keine zehn Minuten vergangen, als der Gefangene erschien. D’Artagnan machte bei seinem Anblick eine Bewegung der Überraschung, die er aber sogleich unterdrückte. Der Gefangene stieg in den Wagen, ohne dass es schien, dass er d’Artagnan erkannt habe. »Meine Herren«, sprach d’Artagnan zu den vier Musketieren, »man empfahl mir die größte Wachsamkeit für den Gefangenen, und da der Wagen an seinen Schlägen keine Schlösser hat, so will ich mich zu ihm hineinsetzen. Herr von Lillebonne, seid so gefällig und führt mein Pferd am Zügel.«

»Mit Vergnügen, mein Leutnant«, antwortete der Gebetene. D’Artagnan stieg ab, gab dem Musketier den Zügel seines Pferdes, setzte sich in die Kutsche neben den Gefangenen und sagte mit einer Stimme, an der sich unmöglich die mindeste Gemütsbewegung erkennen ließ: »Im Trab – zum Palais Royal!«

Der Wagen setzte sich auf der Stelle in Bewegung, und als man unter das Torgewölbe kam, benützte d’Artagnan die dort herrschende Dunkelheit, warf sich an den Hals des Gefangenen und rief: »Rochefort! Ihr – Ihr seid es wirklich? Irre ich nicht?«

»D’Artagnan!«, rief nun Rochefort voll Erstaunen.

»Ach, mein armer Freund«, fuhr d’Artagnan fort, »da ich Euch seit vier oder fünf Jahren nicht mehr sah, so hielt ich Euch für tot.«

»Meiner Treue!«, entgegnete Rochefort. »Mich dünkt, der Unterschied ist nicht groß zwischen einem Toten und einem Begrabenen.«

»Und wegen welcher Schuld seid Ihr in der Bastille?«

»Wollt Ihr, dass ich Euch die Wahrheit gestehe?«

»Ja.«

»Nun, ich weiß es nicht.«

»Rochefort, Ihr setzt Misstrauen in mich.«

»Nein, so wahr ich ein Edelmann bin; denn unmöglich kann ich wegen der Ursache dort sein, die man mir zur Last legt.«

»Welche Ursache?«

»Als Nachtdieb.«

»Ihr als Nachtdieb? Ha, Ihr treibt Scherz, Rochefort.«

»Ich sehe das ein, das verlangt eine Erklärung, nicht wahr?«

»Allerdings.«

»So vernehmt denn, was geschehen ist: Eines Abends, bei einem Gelage in den Tuilerien bei Reinard mit dem Herzog d’Harcourt, Fontrailles, de Rieux und anderen, brachte der Herzog d’Harcourt in Vorschlag, auf den Pont Neuf zu gehen und Mäntel herabzureißen; wie Ihr wisst, war das eine Belustigung, welche der Herzog von Orleans sehr in die Mode brachte.«

»Wart Ihr denn verrückt – Rochefort, in Eurem Alter?«

»Nein, ich war betrunken; da mir aber das Vergnügen nicht groß schien, so schlug ich dem Chevalier de Rieux vor, lieber Zuschauer als Teilnehmer zu sein und auf das bronzene Pferd zu steigen, um das Schauspiel vom ersten Rang aus zu sehen. Gesagt – getan. Wir waren auch mittelst der Sporen, die uns als Steigbügel dienten, im Augenblick oben, saßen vortrefflich und hatten die herrlichste Aussicht. Man hatte bereits vier oder fünf Mäntel mit unvergleichlicher Geschicklichkeit geraubt, ohne dass diejenigen, welchen man sie entriss, ein Wort zu reden wagten, als es einem mir unbekannten Kalbskopf einfiel, die Wache herbeizurufen und eine Runde Polizeisoldaten auf uns heranzuziehen. Der Herzog d’Harcourt, Fontrailles und die andern ergriffen die Flucht, dasselbe wollte de Rieux tun. Ich hielt ihn aber zurück und sprach zu ihm, man würde uns da, wo wir waren, nicht suchen. Er achtete nicht auf mich, setzte den Fuß auf den Sporen, um hinabzusteigen; der Sporen brach, er stürzte, brach ein Bein, und anstatt zu schweigen, fing er wie ein Gehenkter zu schreien an. Ich wollte gleichfalls hinabspringen, doch war es schon zu spät; ich sprang in die Arme der Büttel, welche mich zum Chatêl führten, wo ich ruhig einschlief, in der festen Überzeugung, dass ich morgen wieder frei sein würde. Es verfloss der folgende Tag, der zweite Tag – es vergingen acht Tag – sonach schrieb ich an den Kardinal. An demselben Tag holte man mich ab und führte mich in die Bastille, wo ich seit fünf Jahren schmachte. Glaubt Ihr wohl, es war ob des Frevels, dass ich mich hinter Heinrich IV. setzte?«

»Nein, Ihr habt Recht, lieber Rochefort, deshalb kann es nicht sein, doch werdet Ihr wahrscheinlich die Ursache erfahren.«

»Ach ja, ich vergaß, Euch zu fragen, wohin Ihr mich führt.«

»Zu dem Kardinal.«

»Was will er von mir?«

»Das weiß ich nicht; ja, ich wusste es nicht einmal, dass Ihr es wärt, den ich holen musste.«

»Unmöglich! Ihr ein Günstling?«

»Ich, ein Günstling?«, rief d’Artagnan. »Ach mein armer Graf, ich bin jetzt mehr ein gascognischer Junker als damals, wo ich Euch, wie Ihr wisst, vor etwa zwanzig Jahren in Meung gesehen habe!« Und ein schwerer Seufzer folgte auf die Antwort. »Ihr kommt indes mit einem Befehle?«

»Weil ich mich zufällig im Vorgemach befand und der Kardinal sich am mich wandte, wie er an jeden anderen sich gewandt hätte; ich bin aber noch immer Leutnant bei den Musketieren, und wenn ich richtig rechne, so bin ich es schon gegen einundzwanzig Jahre lang.«

»Nun, es ist Euch doch kein Unglück begegnet, und das ist viel. Dann ist Mazarin immer noch Mazarin?«

»Mehr als je, mein Lieber, und wie es heißt, ist er heimlich mit der Königin verheiratet.«

»Verheiratet?«

»So sind die Frauen«, sprach d’Artagnan wie ein Philosoph.

»Die Frauen – wohl allein die Königinnen!«

»Ach, mein Gott! In dieser Hinsicht sind die Königinnen doppelt Frauen.

»Und ist Herr von Beaufort noch immer im Gefängnis?«

»Ja, immer noch; warum?«

»Ach, weil er mir gewogen war und mich hätte befreien können.«

»Wahrscheinlich seid Ihr näher daran, frei zu werden, als er, und somit wäre es an Euch, ihn zu befreien.«

»Sodann der Krieg ...«

»Er wird ausbrechen.«

»Mit Spanien?«

»Nein, mit Paris.«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Hört Ihr nicht schießen?«

»Ja; nun?«

»Nun, das sind die Bürger, welche indes einzelne Schüsse abfeuern.«

»Glaubt Ihr wohl, mit Bürgern lässt sich etwas anfangen?«

»Ei ja, sie versprechen das, und wenn sie einen Anführer hätten, der diese Truppen zusammenraffte ...«

«Es ist ein Unglück, nicht frei zu sein!«

»Ach Gott! Verzweifelt nicht. Wenn Euch Mazarin holen lässt, so tut er es, weil er Euch braucht, und wenn er Euch braucht, nun, so wünsche ich Euch Glück. Mich hat schon viele Jahre lang niemand mehr gebraucht, sonach seht Ihr, wie es mit mir steht.«

»Nun, so beklagt Euch dann!«

»Hört, Rochefort, einen Vertrag ...«

»Welchen?«

»Ihr wisst, dass wir gute Freunde sind.«

»Bei Gott!«

»Wohlan, wenn Ihr wieder zu Gunst gelangt, so vergesst meiner nicht!«

»So wahr ich Rochefort heiße, doch müsst Ihr desgleichen tun.«

»Das versteht sich, darauf habt Ihr meine Hand.«

»Nun hört, die erste Gelegenheit, die Ihr findet, von mir zu reden ...«

»Will ich von Euch reden; und Ihr?«

»Ich gleichfalls. Aber sagt, soll ich auch von Euren Freunden reden?«

»Von welchen Freunden?«

»Von Athos, Porthos und Aramis. Habt Ihr sie denn vergessen?«

»Beinahe.«

»Was ist denn aus ihnen geworden?«

»Das weiß ich nicht.«

»Wirklich?«

»Oh mein Gott, ja! Wie Ihr wisst, haben wir uns getrennt; sie sind am Leben, das ist alles, was ich von ihnen weiß, da ich zuweilen indirekte Nachrichten von ihnen bekomme. Doch hole mich der Teufel, wenn ich weiß, in welchem Winkel der Welt sie sind. Nein, auf Ehre! Außer Euch, Rochefort, habe ich keinen Freund mehr.«

»Und der berühmte ... wie habt Ihr doch den Diener genannt, den ich im Regiment Piemont zum Sergeanten machte?«

»Planchet.«

»Ja, richtig; und was ist aus dem berühmten Planchet geworden?«

»Nun, er hat eine Zuckerbäckerbude in der Rue Lombards erheiratet: Er liebte stets das Wohlleben, sodass er Bürger von Paris wurde und jetzt wahrscheinlich Meuterei treibt. Ihr werdet sehen, der Schurke wird früher Schöppe, als ich Kapitän werde.«

»Ei was, lieber d’Artagnan! Nur ein bisschen Mut. Gerade wenn man zuunterst im Rad ist, wendet sich das Rad und erhebt uns. Euer Schicksal ändert sich vielleicht noch diesen Abend.«

»Amen!«, rief d’Artagnan und ließ die Kutsche anhalten.

»Was tut Ihr?«, fragte Rochefort.

»Was ich tue? Nun, wenn wir angelangt sind, so will ich nicht, dass man mich aus Eurem Wagen steigen sieht; wir kennen einander nicht.«

»Ihr habt Recht. Adieu!«

»Auf Wiedersehen. Erinnert Euch an Euer Versprechen.« D’Artagnan schwang sich wieder auf sein Pferd und ritt an der Spitze der Bedeckung. Fünf Minuten darauf fuhr man in den Hofraum des Palais Royal. D’Artagnan führte den Gefangenen über die große Treppe und ließ ihn durch das Vorgemach und die Galerie gehen. An der Tür von Mazarins Kabinett wollte er ihn anmelden lassen, da legte ihm aber Rochefort die Hand auf die Schulter und sagte lächelnd: »Soll ich Euch etwas eingestehen, d’Artagnan, woran ich während des ganzen Weges dachte, als ich die Bürgergruppen betrachtete, durch welche wir fuhren und die Euch nebst Euren vier Mann mit funkelnden Augen anstierten?«

»Sagt an«, versetzte d’Artagnan.

»Dass ich nur um Hilfe zu rufen gebraucht hätte, um Euch und Eure Bedeckung in die Pfanne hauen zu lassen, und dass ich sodann frei geworden wäre.«

»Und warum habt Ihr es nicht getan?«, fragte d’Artagnan.

»Ei, so geht nur«, entgegnete Rochefort, »geschworene Freundschaft! Ha, wäre es ein anderer gewesen als Ihr, der mich begleitete – so bürge ich.«

D’Artagnan verneigte sich mit dem Kopf.

»Lasst Herrn von Rochefort eintreten«, sprach mit Ungeduld Mazarin, als er die beiden Namen aussprechen hörte, »und ersucht Herrn d’Artagnan zu warten, da ich mit ihm noch nicht fertig bin.«

Diese Worte machten d’Artagnan ganz heiter. Wie er gesagt hatte, so war es schon lange, dass niemand seiner bedurfte, und diese Dringlichkeit Mazarins in Betreff seiner Person schien ihm eine gute Vorbedeutung zu sein. Die Türen wurden wieder geschlossen. Rochefort sah Mazarin von der Seite an und erhaschte einen Blick des Ministers, der dem seinigen begegnete. Der Minister war stets derselbe, gut gekämmt, gut frisiert, gut parfümiert, und schien gar nicht so alt zu sein, wie er wirklich war. Mit Rochefort aber verhielt es sich anders, die fünf Jahre, die er im Kerker zugebracht, hatten diesen würdigen Freund Richelieus sehr gealtert; seine schwarzen Haare wurden völlig weiß und seine dunkle Hautfarbe so blass, dass es einer Entkräftigung glich. Als ihn Mazarin erblickte, schüttelte er unmerklich den Kopf und machte eine Miene, als wollte er sagen: »Dieser Mann scheint mir nicht mehr viel wert zu sein.«

Nach einem Stillschweigen, das in der Tat wohl lange dauerte, aber Rochefort ein Jahrhundert dünkte, nahm Mazarin aus einem Aktenbündel einen offenen Brief hervor, zeigte ihn dem Edelmann und sprach: »Ich fand da einen Brief, worin Ihr um Eure Freilassung ansucht, Herr von Rochefort! Ihr seid also im Gefängnis?«

Bei dieser Frage bebte Rochefort und sagte: »Ich dachte aber, Euer Eminenz wüsste das besser als irgendjemand.«

»Ich? Ganz und gar nicht. Aus der Zeit des Herrn von Richelieu gibt es in der Bastille noch eine Menge Gefangene, deren Namen ich nicht einmal weiß.«

»Oh gnädigster Herr, mit mir verhält es sich anders. Sie kannten den meinigen, da ich auf Befehl Euer Eminenz aus dem Chatelet zur Bastille gebracht worden bin.«

»Das glaubt Ihr?«

»Ich bin davon überzeugt.«

»Ich glaube mich wirklich daran zu erinnern. Habt Ihr Euch nicht einmal geweigert, für die Königin eine Reise nach Brüssel zu unternehmen!«

»Ach, ach!«, rief Rochefort. »Das ist also die wahre Ursache, nach der ich fünf Jahre lang forschte? Ich Dummkopf, dass ich sie nicht fand.«

»Aber ich sagte ja nicht, dass das die Ursache Eurer Verhaftung war, verstehen wir uns wohl; ich tat diese Frage an Euch, weiter nichts. Habt Ihr Euch nicht geweigert, für die Königin nach Brüssel zu reisen, während Ihr doch bereitwillig wart, im Dienst des seligen Kardinals dahin zu gehen?«

»Eben weil ich im Dienst des seligen Kardinals dahin gereist bin, konnte ich nicht auf Befehl der Königin abermals dahin gehen. Ich bin in Brüssel zu einer schreckensvollen Zeit gewesen, nämlich zur Zeit der Verschwörung von Chalais. Ich befand mich dort, um den Briefwechsel von Chalais aufzufangen, und als man mich erkannte, wäre ich damals schon fast ermordet worden. Wie hätte ich also dahin zurückkehren sollen? Ich hätte der Königin nur geschadet, anstatt ihr zu dienen.«

»Nun seht Ihr, lieber Herr von Rochefort, wie man oft die besten Absichten falsch deutet. Die Königin sah in Eurer Weigerung nichts als einen Trotz und beklagte sich sehr über Euch gegen den seligen Kardinal.«

Rochefort lachte verächtlich und sagte: »Eben weil ich dem Herrn Kardinal von Richelieu treu gegen die Königin gedient habe, so mussten Sie einsehen, gnädigster Herr, dass ich Ihnen jetzt, wo er gestorben, treu gegen jedermann dienen würde.«

»Ich, Herr von Rochefort!«, versetzte Mazarin. »Ich bin nicht wie Herr von Richelieu, der die Allgewalt ins Auge fasste; ich bin ein einfacher Minister und brauche keine Diener, da ich der der Königin bin. Ihre Majestät ist aber sehr reizbar, sie wird wohl Eure Weigerung erfahren, wird sie als eine Kriegserklärung angesehen haben, und da sie weiß, wie Ihr ein Mann von Kopf und folglich gefährlich seid, lieber Herr von Rochefort, so hat sie mir aufgetragen, ich sollte mich Euer versichern. Deshalb also saßt Ihr in der Bastille.«

»So scheint es denn, gnädiger Herr«, entgegnete Rochefort, »dass ich durch einen Irrtum in der Bastille sitze.«

»Ja, ja!«, antwortete Mazarin. »Gewiss, das alles lässt sich in Ordnung bringen; ihr seid ein Mann, der in gewisse Sachen eindringt und, ist er einmal eingedrungen, sie auf geschickte Weise ins Werk setzt.«

»Dieser Ansicht war auch der Herr Kardinal von Richelieu, und meine Bewunderung für den großen Mann vermehrt sich noch dadurch, dass Sie so gütig sind, mir zu sagen, es sei auch die Ihrige.« Rochefort kniff seine Lippen zusammen, um nicht zu lächeln.

»Ich komme nun zum Zwecke, ich brauche gute Freunde, treue Diener; wenn ich sage, ich brauche sie, so soll das heißen, dass die Königin ihrer bedarf. Es versteht sich von selbst, dass ich alles nur im Auftrag der Königin tue; denn ich handle nicht wie der Herr Kardinal von Richelieu, der alles nur nach eigener Laune tat. Deshalb werde ich auch nie ein so großer Mann sein wie er; dagegen bin ich aber ein guter Mann, Herr von Rochefort, und ich hoffe, Ihnen das beweisen zu können.«

Rochefort kannte diese glatte Stimme, in die sich ein Zischen mengte. »Ich bin ganz geneigt, dem gnädigen Herrn zu glauben«, sprach er, »wiewohl ich meinesteils wenig Beweise von dieser Güte gehabt habe, von welcher Euer Eminenz spricht. Vergessen Sie nicht, gnädiger Herr«, fuhr Rochefort fort, als er die Regung bemerkte, die der Minister zu unterdrücken bemüht war, »vergessen Sie nicht, dass ich fünf Jahre lang in der Bastille schmachtete und dass nichts so sehr den Ansichten eine schiefe Richtung gibt, als wenn man die Dinge durch das Gitter eines Kerkers anblickt.«

»Oh Herr von Rochefort, ich habe Euch bereits versichert, dass ich an Eurer Gefangenschaft durchaus keinen Anteil hatte. Die Königin – Zorn der Weiber und Fürstinnen, ja nun, das geht vorüber, wie es kam, und dann denkt man nicht mehr daran ...«

»Ich begreife recht wohl, gnädiger Herr, dass sie nicht mehr daran denkt, da sie diese fünf Jahre im Palais Royal unter Festlichkeiten und Schmeichlern zubrachte; aber ich, der ich sie in der Bastille zubringen musste ...«

»Ach, mein Gott, lieber Rochefort, glaubt Ihr denn, es wohne sich so lustig im Palais Royal? Oh nein, geht mir damit; ich versichere Euch, dass wir darin große Widerwärtigkeiten erlebten. Jedoch sprechen wir nichts mehr von all dem. Ich spiele ein offenes Spiel wie immer. Sagt an, Herr von Rochefort, seid Ihr einer der Unsrigen?«

»Sie werden einsehen, gnädigster Herr, dass ich nichts so sehr wünsche, jedoch mir ist alles fremd geworden. In der Bastille redet man nur mit Soldaten und Gefängniswächtern von Politik, und Sie können sich nicht vorstellen, gnädiger Herr, wie wenig diese Leute von dem wissen, was vorgeht. Ich teile hierin immer die Ansicht des Herrn Bassompiere ... Er ist stets noch einer der siebzehn Vornehmen.«

»Er ist tot, mein Herr, und es ist ein großer Verlust«, erwiderte der Kardinal. »Er war ein getreuer Diener der Königin, und treue Männer sind selten.«

»Bei Gott, das glaube ich«, versetzte Rochefort. »Wenn Sie welche haben, so werden sie in die Bastille geschickt.«

»Doch was beweist denn die Treue?«, fragte Mazarin.

»Die Tat«, erwiderte Rochefort.

»Ach, ja, die Tat!«, wiederholte der Minister nachdenkend. »Wo finden sich aber tatkräftige Männer?«

»Ich kannte Leute, welche durch ihre Gewandtheit den Scharfblick Richelieus hundertmal täuschten und durch ihre Tapferkeit seine Garden und seine Kundschafter schlugen.«

»Allein diese Leute, von welchen Ihr da sprecht«, versetzte Mazarin, der im Herzen darüber lächelte, dass Rochefort dahin kam, wohin er ihn bringen wollte, »diese Leute waren dem Kardinal nicht ergeben, da sie wider ihn stritten.«

»Nein, sie würden besser belohnt worden sein, doch hatten sie das Unglück, dass sie dieser Königin, für welche Sie eben Diener suchen, ergeben waren.«

»Woher könnt Ihr aber das wissen?«

»Ich weiß das, weil jene Leute damals meine Feinde waren, weil sie gegen mich stritten, weil ich ihnen so viel Böses zufügte, als ich nur konnte, weil sie es mir wieder aus allen Kräften vergalten, weil mir einer von ihnen, mit dem ich es persönlich am meisten zu tun hatte, vor etwa sieben Jahren einen Degenstich beigebracht hat – und das war der dritte von derselben Hand – der Abschluss einer alten Rechnung.«

»Ach«, sprach Mazarin mit seltener Gutmütigkeit, »wären mir doch solche Männer bekannt! ...«

»Nun, gnädigster Herr! Einen davon haben Sie seit sechs Jahren vor Ihrer Tür und hielten ihn sechs Jahre lang zu nichts tauglich.«

»Wen?«

»Herrn d’Artagnan!«

»Dieser Gascogner?«, rief Mazarin mit einer ganz gut gespielten Befremdung.

»Dieser Gascogner hat eine Königin gerettet und Herrn von Richelieu einsehen lassen, dass er in Hinsicht auf Schlauheit, Gewandtheit und Politik nur ein Schüler sei.«

»Wirklich?«

»Wie ich die Ehre habe, Euer Eminenz zu versichern.«

»Erzählt mir doch ein bisschen, lieber Herr Rochefort.«

»Das ist sehr schwierig, gnädigster Herr«, entgegnete der Edelmann lächelnd.

»So soll er es mir selbst erzählen ...«

»Daran zweifle ich, gnädigster Herr!«

»Warum?«

»Weil das Geheimnis nicht ihm angehört, weil dieses Geheimnis das einer Königin ist, wie ich schon gesagt habe.«

»Und er allein hat ein solches Unternehmen ausgeführt?«

»Nein, gnädiger Herr! Er hatte drei Freunde, drei Tapfere, die ihm behilflich waren, drei Tapfere, wie Sie eben solche suchen.«

»Und diese vier Männer, sagt Ihr, standen im Bund?«

»So als hätten sie nur einen Mann ausgemacht und ein Herz in der Brust getragen.«

»Wahrhaft, lieber Herr von Rochefort! Ihr stachelt meine Neugierde auf unbeschreibliche Weise. Könntet Ihr mir denn diese Geschichte nicht mitteilen?«

»Nein, doch kann ich Ihnen ein Märchen erzählen, ein wahrhaftes Feenmärchen, das kann ich versichern, gnädigster Herr!«

»Oh, erzählt es mir, Herr von Rochefort, ich liebe die Märchen ungemein.«

»Sie wünschen das, gnädigster Herr?«, sagte Rochefort, indem er aus diesem schlauen, listigen Antlitz irgendeine Absicht zu lesen bemüht war.

»Ja!«

»Nun wohl, so vernehmen Sie: Es war einmal eine Königin – aber eine gar mächtige, die Königin eines der größten Länder der Welt, gegen die ein großer Minister sehr zürnte, weil er ihr vorher allzu gut gewesen war. Forschen Sie nicht, gnädiger Herr! Sie könnten nicht erraten, wer es war. Alles das hat sich lange vor der Zeit zugetragen, als Sie in das Land kamen, wo diese Königin regierte. Da kam ein so tapferer, reicher, wohlgebildeter Botschafter an den Hof, dass sich alle Frauen rasend in ihn verliebten und dass sogar die Königin, zweifelsohne zum Andenken an die geschickte Art und Weise, womit er die Staatsangelegenheiten besorgte, so unbedacht war und ihm einen gewissen, so auffallenden Schmuck schenkte, dass er nicht ersetzt werden konnte. Da nun dieser Schmuck vom König herrührte, so forderte der Minister diesen auf, er solle von der Fürstin verlangen, dass sie diesen Schmuck bei dem nächsten Ball unter ihre Toilette aufnehme. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, gnädigster Herr, dass es dem Minister aus zuverlässiger Quelle bekannt war, dass diesen Schmuck der Botschafter, der sehr weit her, von der anderen Seite des Meeres war, mit sich genommen habe. Die große Königin war verloren, verloren wie die Letzte ihrer Untertanen, und schien von ihrer ganzen Höhe herabzustürzen.«

»Wirklich?« rief Mazarin.

»Nun, gnädigster Herr, vier Männer fassten den Entschluss, sie zu retten. Diese vier Männer waren keine Prinzen oder Herzoge, sie waren nicht mächtig und nicht einmal reich, sondern vier Soldaten, die ein edles Herz, kräftige Arme und gewandte Klingen besaßen. Sie machten sich auf. Der Minister wusste von ihrer Abreise und stellte auf ihrem Weg Leute auf, um sie an der Erreichung ihres Zieles zu verhindern. Drei wurden durch die vielen Angreifer kampfunfähig gemacht; jedoch einer gelangte zum Hafen, tötete oder verwundete die, welche sich ihm widersetzten, steuerte über das Meer und brachte der großen Königin den Schmuck zurück, die ihn dann am festgesetzten Tag an ihre Schultern heftete, was den Minister fast zum Sturze brachte. Nun, gnädiger Herr, was sagen Sie zu diesem Zug?«

»Das ist wunderbar!«, versetzte Mazarin gedankenvoll.

»Nun denn, ich weiß zehn ähnliche.«

Mazarin sprach nicht mehr, er dachte. So vergingen fünf bis sechs Minuten, dann sagte Rochefort: »Gnädigster Herr, Sie haben mich nichts mehr zu fragen?«

»Doch. – Und Herr d’Artagnan sagt Ihr, war einer dieser vier Männer?«

»Er war es, der das ganze Unternehmen leitete.«

»Und wer waren die andern?«

»Erlauben Sie, gnädigster Herr, dass ich es Herrn d’Artagnan anheimstelle, Ihnen ihre Namen zu nennen. Sie waren seine Freunde und nicht die meinigen; nur er hatte einigen Einfluss auf sie; mir waren sie unter ihren wirklichen Namen nicht einmal bekannt.«

»Ihr setzt in mich kein Vertrauen, Herr von Rochefort. Wohlan, so will ich durchaus offenherzig sein; ich brauche Euch, ihn. Alle!«

»Beginnen wir mit mir, gnädiger Herr, da Sie mich holen ließen und ich hier bin; dann kommt an sie die Reihe. Sie werden sich wohl nicht über meine Neugierde verwundern; wenn man fünf Jahre lang im Kerker schmachtet, möchte man doch gerne wissen, wohin man geschickt wird.«

»Ihr, lieber Herr von Rochefort, Ihr sollt einen vertrauten Posten bekommen. Ihr reist nach Vincennes, wo Herr von Beaufort gefangen sitzt; Ihr werdet mir ihn mit den Augen behüten. Nun, was habt Ihr?«

»Was ich habe?«, versetzte Rochefort, mit betrübter Miene den Kopf schüttelnd. »Sie bieten mir da etwas Unmögliches an.«

»Was, etwas Unmögliches? Wie sollte das unmöglich sein?«

»Weil Herr von Beaufort einer meiner Freunde ist oder vielmehr ich einer der seinigen bin. Haben Sie vergessen, gnädigster Herr, dass er bei der Königin für mich Bürge stand?«

»Herr von Beaufort ist seit dieser Zeit ein Staatsfeind.«

»Ja, gnädigster Herr, das ist möglich; da ich jedoch weder König noch Königin noch Minister bin, so ist er nicht mein Feind; und ich kann Ihren Antrag nicht eingehen.«

»Das nennt Ihr dann Treue? Ich wünsche Euch dazu Glück. Herr von Rochefort! Eure Treue bindet Euch nicht sehr.«

»Und dann, gnädiger Herr«, fuhr Rochefort fort, »werden Sie wohl begreifen: die Bastille verlassen und nach Vincennes gehen, hieße nur, das Gefängnis wechseln.«

»Sagt nur gleich, Ihr gehört der Partei des Herrn von Beaufort an, das ist Eurerseits weit offenherziger.«

»Ich saß so lang in der Haft, gnädiger Herr, dass ich nur noch für eine Partei bin, für die freie Luft. Verwenden Sie mich zu allem andern, schicken Sie mich ins Ausland, beschäftigen Sie mich auf rührige Weise, doch wo möglich auf den Heerstraßen.«

»Lieber Herr von Rochefort«, versetzte Mazarin mit seiner scherzhaften Miene, »Euer Eifer reißt Euch fort. Ihr haltet Euch für einen jungen Mann, weil das Herz noch immer jung ist, doch würde es Euch an Kraft gebrechen. Glaubt mir also, Ihr habt jetzt Ruhe nötig!«

»Sie beschließen also nichts über mich, gnädigster Herr?«

»Im Gegenteil, ich habe schon beschlossen.« Bernouin trat ein. »Ruft einen Hüter«, sprach er, »und bleibt bei mir«, fügte er leise bei. Ein Hüter trat ein; Mazarin schrieb einige Worte, gab sie diesem Mann und verneigte den Kopf. »Adieu, Herr von Rochefort!«, sprach er.

Rochefort verbeugte sich ehrerbietig und sagte: »Gnädiger Herr, ich sehe, dass man mich in die Bastille zurückführt.«

»Ihr seht gut.«

»Ich gehe dahin zurück, gnädigster Herr, doch wiederhole ich, dass Sie Unrecht haben, mich nicht zu verwenden.«

Man führte Rochefort wirklich über die kleine Treppe, anstatt durch das Vorgemach, wo d’Artagnan wartete. Er traf im Hof seine Kutsche und seine vier Mann Bedeckung, doch den Freund suchte er vergebens. »Ach, ach«, sprach Rochefort bei sich selbst, »das verändert die Sache auf schauerliche Weise, und es wogt noch immer eine so große Volksmenge in den Straßen, ja nun – dann wollen wir versuchen, Mazarin zu beweisen, ob wir noch zu etwas anderem als zur Behütung eines Gefangenen taugen.« Er sprang mit eben so viel Leichtigkeit in den Wagen, als ob er erst fünfundzwanzig Jahre gezählt hätte.

Königin Anna im sechsundvierzigsten Jahr

Als Mazarin mit Bernouin allein war, blieb er ein Weilchen gedankenvoll; er wusste viel, doch wusste er noch nicht genug. Mazarin täuschte im Spiel, wie uns Brienne berichtet; das nannte er seinen Vorteil ergreifen. Sonach beschloss er, mit d’Artagnan die Partie nicht eher anzufangen, als bis ihm alle Karten des Gegners bekannt wären.

»Monseigneur befiehlt nichts?«, fragte Bernouin.

»Doch«, versetzte Mazarin, »leuchte mir, ich gehe zur Königin.«

Bernouin ergriff einen Leuchter und ging voraus. Man gelangte auf einen geheimen Gang von dem Kabinett Mazarins zu den Gemächern der Königin; diesen Weg ging der Kardinal, um sich zu jeder Stunde zur Königin zu verfügen, mit der er, wie schon gesagt, insgeheim verheiratet war.

Als er in das Schlafgemach kam, in das dieser Gang mündete, traf Bernouin Madame Beauvais an. Diese beiden waren die Vertrauten dieser veralteten Liebe, und Madame Beauvais nahm es über sich, den Kardinal bei der Königin Anna zu melden, die sich mit dem jungen König, Ludwig XIV., in ihrem Betzimmer befand.

Königin Anna saß in einem großen Stuhl, den Ellbogen auf den Tisch, den Kopf auf ihre Hand gestützt, und sah dem königlichen Kind zu, welches auf dem Teppich lag und in einem großen Schlachtenbuch blätterte. Jenes Buch war ein Quintus Curtius mit Kupferstichen, welche Alexanders Heldentaten darstellten.

Madame Beauvais erschien an der Tür des Betzimmers und meldete den Kardinal Mazarin. Der Knabe erhob sich mit gerunzelter Stirn auf ein Knie und blickte seine Mutter an, dann sprach er: »Weshalb tritt er denn auf diese Art ein und lässt nicht um eine Audienz bitten?«

Anna errötete leicht und entgegnete ihm: »Es ist von Wichtigkeit, dass zu der Zeit, in welcher wir jetzt leben, ein erster Minister zu jeder Stunde der Königin Bericht von dem erstattet, was vorfällt, ohne dass er dabei die Neugierde oder die Bemerkungen des ganzen Hofes zu erregen braucht.«

»Allein ich denke«, sprach das unbarmherzige Kind, »Herr von Richelieu ist nicht auf diese Art eingetreten.«

»Wie kannst du dich erinnern, was Herr Richelieu tat? Das konntest du nicht wissen, da du noch zu jung warst.«

»Ich erinnere mich wohl nicht daran, doch fragte ich danach und man hat es mir gesagt.«

»Und wer hat es dir gesagt?«, entgegnete Anna mit schlecht verhehlter Regung des Ärgers.

»Ich weiß, dass ich nie die Personen nennen darf, die mir Antwort auf meine Fragen geben«, sagte der Knabe, »sonst würde man mir nichts mehr vertrauen.«

In diesem Moment trat Mazarin ein. Der junge König erhob sich ganz, schlug sein Buch zu und trug es zu dem Tisch, wo er stehen blieb, um Mazarin zu nötigen, dass er gleichfalls stehen bleibe. Mazarin überblickte mit seinem schlauen Auge diesen ganzen Auftritt, woraus er das Vorgegangene zu erklären suchte. Er verneigte sich ehrfurchtsvoll vor der Königin und machte dem jungen König eine tiefe Verbeugung, der ihm mit einem ungezwungenen Kopfnicken antwortete.

Königin Anna bemühte sich, in Mazarins Zügen die Ursache dieses unerwarteten Besuches zu erraten, da doch der Kardinal gewöhnlich erst dann zu ihr kam, wenn sich alles zurückgezogen hatte. Der Minister gab ihr ein unmerkliches Zeichen und die Königin sagte dann, zu Madame Beauvais gewendet: »Es ist Zeit, dass der junge König zur Ruhe gehe; ruft Laporte.«

Die Königin hatte bereits zwei- oder dreimal den jungen Ludwig gebeten, sich wegzubegeben, aber stets bestand der Knabe auf zärtliche Weise, zu bleiben, doch diesmal tat er keinen Einspruch, nur biss er sich in die Lippen und wurde blass. Gleich darauf trat Laporte ein. Der Knabe ging gerade auf ihn zu, ohne seine Mutter zu liebkosen.

»Nun, Ludwig«, sprach Anna, »warum umarmst du mich nicht?«

»Weil ich glaube, dass du mir gram bist und mich fortjagst.«

»Ich jage dich nicht fort; da du aber erst geblattert hast und noch leidend bist, so bin ich bekümmert, das Wachen möchte dir beschwerlich sein.«

»Du hattest nicht dieselbe Kümmernis, als ich mich heute zum Palast begeben musste, um die schlimmen Edikte zu erlassen, über welche das Volk so laut gemurrt hat.«

»Sire«, sprach Laporte, um ihn auf andere Gedanken zu bringen, »wolle Euer Majestät befehlen, wem ich den Leuchter geben soll?«

»Wem immer du willst, Laporte«, erwiderte der Knabe, »nur nicht Herrn Mancini«, fügte er mit lauter Stimme hinzu.

Herr Mancini war ein Neffe des Kardinals, welchen Mazarin als Edelknaben beim König untergebracht hatte und auf den Ludwig XIV. zum Teil den Hass übertrug, welchen er gegen den Minister hegte. Der König entfernte sich, ohne dass er seine Mutter umarmt und den Kardinal begrüßt hatte.

»Ganz wohl«, sprach Mazarin, »ich freue mich, dass Seine Majestät in einer Abscheu von aller Verstellung erzogen wird.«

»Weshalb?«, fragte die Königin mit einer fast schüchternen Miene.

»Nun, ich denke, das Abtreten des Königs bedarf keiner Erklärung. Überdies bemüht sich Seine Majestät nicht, zu verhehlen, welch eine geringe Zuneigung sie zu mir hegt, was mich aber nicht abhält, seinem Dienst ebenso ergeben zu sein wie dem Ihrer Majestät.«

«Kardinal, ich bitte Euch für ihn um Vergebung«, sprach die Königin, »er ist ein Kind, das noch nicht die Verbindlichkeiten kennt, die es gegen Euch hat.« Der Kardinal lächelte. »Doch«, fuhr die Königin fort, »zweifelsohne kämt Ihr einer Wichtigkeit wegen. Nun, was ist es?«

Mazarin setzte sich oder warf sich vielmehr in einen breiten Stuhl und sprach mit melancholischer Miene: »Was es ist? – Nun, dass wir höchstwahrscheinlich bald genötigt sein werden, uns zu trennen, es wäre denn, dass Sie mir aus Aufopferung nach Italien folgen könnten.«

»Und warum das?«, fragte die Königin.

»Weil, wie die Oper Thisbe sagt«, versetzte Mazarin, »le monde entier conspire àdiviser nos feux.«

«Ihr scherzt, mein Herr«, entgegnete die Königin, welche wieder etwas von ihrer vorigen Würde anzunehmen bemüht war.

»Ach nein, Madame«, sprach Mazarin, »ich scherze nicht im Geringsten; ich möchte viel lieber weinen und bitte es zu glauben, da aller Grund vorhanden ist, und wohl darauf zu achten, was ich sagte: ›Le monde entier conspire à diviser, nos feux.‹ Damit will ich sagen, Madame, dass Ihr mich aufgebt.«

»Kardinal!«

»Oh mein Gott, sah ich nicht neulich, wie freundlich Ihr dem Herzog von Orleans zugelächelt oder vielmehr über das gelächelt habt, was er Euch sagte?«

»Und was sagte er mir?«

»Madame, er sagte Euch: ›Mazarin ist der Stein des Anstoßes, schickt ihn fort und alles geht dann gut.‹«

»Nun, was soll ich tun?«

»Oh Madame, ich denke, dass Ihr die Königin seid.«

»Ein schönes Königtum!«

»Ihr seid aber doch mächtig genug, um diejenigen, welche Euch missfallen, zu entfernen.«

»Die mir missfallen?«

»Allerdings.«

»Wer hat Frau von Chevreuse weggeschickt, die man unter der vorigen Regierung zwölf Jahre lang verfolgt hat?«

»Eine Intrigantin, welche gegen mich alle Ränke fortsetzen wollte, die sie gegen Herrn von Richelieu gesponnen hat.«

»Wer hat Frau von Hautefort weggeschickt, diese so vollkommene Freundin, welche die Gunst des Königs verschmähte, um die meinige zu bewahren?«

»Nun?«

»Wer ließ Herrn von Beaufort gefangen nehmen?«

»Diesen unruhigen Brausekopf, der von nichts Geringerem sprach, als mich umzubringen?«

»So seht Ihr, Kardinal«, versetzte die Königin, »Eure Feinde sind auch die meinigen.«

»Das ist nicht genug, Madame, denn Eure Freunde sollten auch die meinigen sein.«

»Meine Freunde – Herr?« – die Königin schüttelte den Kopf und seufzte. »Ich habe leider keine mehr.«

«Wie, Ihr habt keine Freunde mehr im Glück, da Ihr sie doch im Unglück gehabt habt?«

»Eben weil ich diese Freunde im Glück vergessen habe, mein Herr.«

»Nun, sagt an«, sprach Mazarin, »wäre es nicht an der Zeit, das Unrecht wieder gut zu machen? Sucht unter Euren Freuden, unter Euren früheren Freunden.«

»Mein Herr, was wollt Ihr damit sagen?«

»Nichts weiter, als was ich sagte: sucht.«

»Ich sehe niemanden, auf den ich Einfluss hätte; den Herzog von Orleans leiten seine Günstlinge wie immer. Gestern war es Choisy, heute ist es La Rivière, morgen wird es ein anderer sein. Den Prinzen lenkt Frau von Longueville, die wieder von dem Prinzen von Marrillac geleitet wird. Herr von Conti wird wieder durch den Koadjutor geleitet und dieser lässt sich wieder von Frau von Guèmenèe leiten.«

»Ich sage Euch deshalb nicht, Madame, dass Ihr Euch unter Euren gegenwärtigen Freunden umsehen mögt, sondern unter Euren Freunden aus der früheren Zeit.«

»Unter meinen Freunden aus der früheren Zeit?«, wiederholte die Königin.

»Ja, unter Euren Freunden aus der früheren Zeit, unter denen, welche Euch den Herzog von Richelieu zu bekämpfen und selbst zu überwinden geholfen haben. Ja«, fuhr der Kardinal fort, »Ihr habt bei gewissen Veranlassungen mit diesem kräftigen Verstand, der Euer Majestät eigen ist, und unter Mitwirkung Eurer Freunde die Angriffe dieses Gegners abzuwehren gewusst.«

»Ich«, entgegnete die Königin, »ich habe gelitten, weiter nichts.«

»Ja«, versetzte Mazarin, »so wie Frauen leiden, da sie sich rächen. Nun, kommen wir zur Sache – kennen Sie Herrn von Rochefort?«

»Rochefort war keiner meiner Freunde«, sprach die Königin, »im Gegenteil einer meiner erbittertsten Feinde, einer der Getreuesten des Herrn Kardinals. Ich glaubte, Ihr wüsstet das.«

»Ich weiß es so gut«, antwortete Mazarin, »dass wir ihn in die Bastille versetzten.«

»Hat er sie verlassen?«, fragte die Königin.

»Nein! Seid unbekümmert, er sitzt noch immer dort; ich spreche auch nur von ihm, um auf einen andern überzugehen. Kennt Ihr Herrn d’Artagnan?«, fuhr Mazarin fort und fasste die Königin fest ins Auge. Diese ward im Innersten erschüttert und murmelte: »Hat der Gascogner geplaudert?« Dann fügte sie laut hinzu: »Ja, d’Artagnan? Hört, dieser Name ist mir ganz wohl bekannt. D’Artagnan, ein Musketier, der eine meiner Kammerfrauen geliebt hat, ein liebes, armes Wesen, das meinetwegen vergiftet worden ist.«

»Ist das alles?«, fragte Mazarin.

Die Königin sah den Kardinal betroffen an und sagte: »Doch, mein Herr, mich dünkt, Ihr lasst mich da ein Verhör bestehen.«

»Worin Ihr doch nur immer nach Belieben antwortet«, entgegnete Mazarin mit seinem ewigen Lächeln und seiner weichen Stimme.

»Sagt mir deutlich, was Ihr verlangt, und ich will Euch ebenso darauf antworten«, sprach die Königin mit einem gewissen Unwillen.

»Nun gut, Madame«, versetzte Mazarin mit einer Verneigung; »ich wünsche, dass Ihr mir erlaubt, Eure Freunde zu benutzen, gleich wie ich Euch an dem bisschen Verstand und Talent, die der Himmel mir verlieh, teilnehmen ließ. Die Umstände sind schwierig, wonach man auf kräftige Weise handeln muss.«

»Nun«, sagte die Königin, »ich dachte, wir wären ihrer mit Herrn von Beaufort entledigt.«

»Ja, Ihr saht wohl den Strom, der alles umzustürzen drohte, doch habt Ihr das stille Wasser nicht beachtet. Indes gibt es in Frankreich ein Sprichwort über das stille Wasser.«

»Endet«, sprach die Königin.

»Nun, wir haben Herrn von Beaufort verhaften lassen, das ist wahr; doch war er der am wenigsten Gefährliche von allen; es ist noch der Prinz da.«

»Der Sieger von Rocroy? Denkt Ihr daran?«

»Ja, Madame, sehr oft; allein Patientia – wie die Lateiner sagen; denn nach Herrn von Condé ist der Herzog von Orleans da.«

»Was sagt Ihr? Der erste Prinz von Geblüt – des Königs Oheim?«