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DIE DREI MUSKETIERE Der junge d´Artagnan trifft in Paris ein, um sich der Elitegarde des Königs anzuschließen. Aber kaum angekommen, fordert er durch eine Verkettung unglücklicher Umstände unmittelbar drei Männer gleichzeitig zum Duell: Porthos, Athos und Aramis. Diese drei sind unzertrennliche Freunde und gehören ausgerechnet zu der Garde, in deren Dienst sich d´Artagnan gerne begeben möchte. Das Duell wird jedoch jäh unterbrochen, und unvermittelt findet sich d´Artagnan Seite an Seite mit den drei Musketieren gegen einen neuen gemeinsamen Feind. Es gelingt ihnen, den Angriff abzuwehren. Die drei Musketiere sind durch d´Artagnans Fähigkeiten mit dem Degen und seinen Wagemut beeindruckt, und bald schon werden sie Freunde. Doch seine Loyalität gegenüber den neuen Verbündeten bringt d´Artagnan auf den tödlichen Pfad der Machenschaften des intriganten Kardinals Richelieu. Als sich der junge Held in die schöne, aber unzugängliche Constance verliebt, findet er sich endgültig in einer Welt von Mord, Verschwörungen und Lügen wieder, in der er sich nur auf die Musketiere verlassen kann. Und im Hintergrund webt die mysteriöse und undurchschaubare Lady de Winter ihre Fäden, um ganz eigene Ziele zu erreichen. »Die drei Musketiere« ist nach wie vor eines der einflussreichsten und beliebtesten Werke der französischen Literatur. Dieses ist der vierte von vier Bänden. Der Umfang des vierten Bandes entspricht ca. 300 Buchseiten. Die Reihe IM ZEICHEN DER MUSKETIERE Die vierbändige Reihe DIE DREI MUSKETIERE ist die erste eigenständige Sequenz der übergeordneten und insgesamt 18 Teile umfassenden Reihe IM ZEICHEN DER MUSKETIERE, die insgesamt aus drei solchen eigenständigen Sequenzen besteht: DIE DREI MUSKETIERE (4 Teile), ZWANZIG JAHRE NACHHER (4 Teile) und DER GRAF VON BRAGELONNE (10 Teile). Die Geschichte um die drei Musketiere wurde häufig verfilmt. Bekannt ist auch die Verfilmung eines Handlungsstrangs aus dem GRAF VON BRAGELONNE unter dem Titel »Der Mann mit der eisernen Maske«. Die Geschichte rankt um einen möglichen Zwillingsbruder des Königs Ludwig XIV., der in der Bastille gefangen gehalten wurde und eine eiserne Maske tragen musste, um seine wahre Identität zu verbergen. Insgesamt umfasst die komplette Reihe etwa 5.500 Seiten voller Abenteuer, Liebe und Heldenmut. Diese Reihe präsentiert die ungekürzte Übersetzung aus dem Französischen von August Zoller in einer sprachlich überarbeiteten und modernisierten Neuausgabe.
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ALEXANDRE DUMAS
DIE DREI MUSKETIERE
HISTORISCHER ROMAN
IN VIER BÄNDEN
BAND IV
Ungekürzte, sprachlich überarbeitete und modernisierte Neuausgabe
auf Grundlage der Übertragung aus dem Französischen von August Zoller
DIE DREI MUSKETIERE wurde zuerst veröffentlicht in der Zeitung Le Siècle, Paris 1844.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von: apebook
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
1. Auflage 2020
Sprachlich überarbeitete und modernisierte Neuausgabe der ungekürzten Übertragung
aus dem Französischen von August Zoller.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieses Buch ist Teil der ApeBook Classics (Nr. 74): Klassische Meisterwerke der Literatur als Paperback und eBook.
Weitere Informationen am Ende des Buches und unter:
www.apebook.de
ISBN 978-3-96130-301-4
Buchgestaltung: SKRIPTART
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Alle verwendeten Bilder und Illustrationen sind – sofern nicht anders ausgewiesen – nach bestem Wissen und Gewissen frei von Rechten Dritter, bearbeitet von SKRIPTART.
Alle Rechte vorbehalten.
© apebook 2020
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DIE DREI MUSKETIERE
Band I
Band II
Band III
Band IV
ZWANZIG JAHRE NACHHER
Band I
Band II
Band III
Band IV
DER GRAF VON BRAGELONNE
Band I
Band II
Band III
Band IV
Band V
Band VI
Band VII
Band VIII
Band IX
Band X
KARTE
von
FRANKREICH IM 17. JAHRHUNDERT
Inhaltsverzeichnis
DIE DREI MUSKETIERE. Band IV
Frontispiz
Impressum
Karte
Vierter Band
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
Epilog.
Eine kleine Bitte
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Gesamtüberblick IM ZEICHEN DER MUSKETIERE
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L i n k s
Zu guter Letzt
Erster Tag der Gefangenschaft.
Kehren wir zu Mylady zurück, die uns ein Blick auf die Küste Frankreichs eins Weile aus dem Gesichte verlieren ließ.
Wir werden sie in der verzweifelten Lage wieder finden, in der wir sie zurückgelassen haben, einen Abgrund düsterer Betrachtungen, eine finstere Hölle grabend, an deren Pforte sie beinahe jede Hoffnung zurückgelassen hat, denn zum ersten Male zweifelt, zum ersten Male fürchtet sie.
Bei zwei Gelegenheiten hat ihr Glück sie verlassen, bei zwei Gelegenheiten hat sie sich entdeckt und verraten gesehen, bei zwei Gelegenheiten scheiterte sie an dem bösen Geiste, den ohne Zweifel der Herr sandte, um sie zu bekämpfen. D'Artagnan hat sie besiegt, sie, die unbesiegbare Macht des Bösen.
Er hat sie in ihrer Liebe verletzt, in ihrem Stolze gedemütigt, und nun richtet er sie in ihrem Vermögen zu Grunde, schlägt sie in ihrer Freiheit, bedroht sie sogar in ihrem Leben. Mehr noch, er hat eine Ecke ihrer Maske aufgehoben, mit der sie sich bedeckt, die sie so stark macht.
D'Artagnan hat von Buckingham, den sie haßt, wie sie alles haßt, was sie geliebt hat, den Sturm abgewendet, mit dem ihn Richelieu in der Person der Königin bedrohte. D'Artagnan hat sich für Wardes ausgegeben, für den sie eine glühende Tigerliebe, unbezähmbar, wie bei allen Frauen dieses Charakters, hegte. D'Artagnan kennt das furchtbare Geheimnis, das nach ihrem Schwure Niemand kennen sollte, ohne zu sterben. In dem Augenblick, wo sie von Richelieu eine Vollmacht erhalten hat, mit dessen Hilfe sie sich an ihrem Feinde zu rächen gedenkt, wird ihr dieses Papier aus den Händen gerissen, und d'Artagnan hält sie gefangen und will sie nach irgend einem schmachvollen Botanybay, nach irgend einem abscheulichen Tyburn des indischen Oceans schicken.
Denn alles dies kommt ohne Zweifel von d'Artagnan. Von wem sollte so viele auf ihr Haupt gehäufte Schmach kommen, außer von ihm? Er allein konnte Lord Winter all' die furchtbaren Geheimnisse mitteilen, die er nach einander durch eine unselige Verkettung von Umständen erfahren hatte.
Wie viel Haß zersetzt sie! Hier, unbeweglich und die glühenden Augen starr auf ihr einsames Stübchen geheftet, während das Geräusch des dumpfen Schnaubens, das zuweilen aus der Tiefe ihrer Brust hervorkommt, das Tosen der Wellen begleitet, welche steigen, brausen und brüllen und sich wie eine ewige, unmächtige Verzweiflung an den Felsen brechen, auf denen das stolze, düstere Schloß erbaut ist, während ihr stürmischer Zorn mit seinen Blitzen ihren Geist erleuchtet, hier entwirft sie gegen Madame Bonacieux, gegen Buckingham und besonders gegen d'Artagnan großartige, in der fernen Zukunft sich verlierende Rachepläne.
Ja, aber um sich zu rächen, muß man frei sein, und um frei zu sein, wenn man gefangen ist, muß man eine Mauer durchbrechen, Gitterstangen losmachen, einen Boden durchhöhlen, lauter Unternehmungen, welche ein geduldiger und starker Mann zu Ende führen kann, an denen jedoch die fieberhaften Aufregungen einer Frau scheitern müssen.
Um Alles dies zu tun, muß man überdies Zeit, Monate Jahre haben, und sie hat, wie ihr Mylord Winter, ihr brüderlicher und furchtbarer Kerkermeister, sagte, nur zehn bis zwölf Tage.
Und dennoch, wenn sie ein Mann wäre, würde sie Alles dies versuchen, und es würde ihr vielleicht gelingen; warum hat sich der Himmel so getäuscht, indem er diese männliche Seele in einen so schwachen und zarten Leib legte?
Die ersten Augenblicke der Gefangenschaft waren also furchtbar. Mit einigen krampfhaften Zuckungen der Wut, die sie nicht zu überwinden vermochte, wurde die Schuld weiblicher Schwäche an die Natur abgetragen. Nach und nach aber hat sie die Ausbrüche ihres tollen Zornes bewältigt, das Nervenzittern, welches ihren Körper bewegte, ist verschwunden, und sie hat sich nun auf sich selbst zurückgewunden, wie eine müde Schlange, wenn sie ausruht.
»Auf, auf! ich war eine Thorin, daß ich mich hinreißen ließ,« spricht sie, in den Spiegel schauend, der ihren Augen den glühenden Blick zurückwirft, durch den sie sich selbst zu befragen scheint, »keine Gewaltthätigkeit! die Gewaltthätigkeit ist ein Zeichen der Schwäche, und ich habe nie durch dieses Mittel gesiegt. Wenn ich vielleicht von meiner Kraft gegen Frauen Gebrauch machen müßte, hätte ich Hoffnung, sie noch schwächer zu finden, als ich selbst bin, und sie folglich zu überwältigen; aber ich kämpfe gegen Männer und bin für sie nur eine Frau. Wir wollen als Frau kämpfen. Meine Kraft liegt in meiner Schwäche.«
Als wollte sie sich selbst von den Veränderungen Rechenschaft geben, die sie in ihrer so ausdrucksvollen und so edeln Physiognomie zu bewerkstelligen im Stande war, ließ sie diese sodann nach und nach alle Ausdrücke annehmen, vom Zorne an, der ihr Gesicht krampfhaft zusammenzog, bis zum sanftesten, zärtlichsten, verführerischsten Lächeln. Ihre Haare erhielten unter ihren geschickten Händen alle Wellenformen, von denen sie glaubte, sie dürften die Reize ihrer Züge erhöhen. Endlich murmelte sie mit sich selbst zufrieden:
»Noch ist nichts verloren, ich bin immer noch schön.«
Es war ungefähr acht Uhr Abends. Mylady bemerkte ein Bett und dachte, ein paar Stunden Ruhe würden nicht nur ihren Kopf und ihre Gedanken, sondern auch ihren Teint erfrischen. Doch ehe sie sich niederlegte, kam ihr noch eine bessere Idee; sie hatte von Abendbrot sprechen hören. Schon war sie seit geraumer Zeit in diesem Zimmer und man konnte nicht länger zögern, ihr das Mahl zu bringen. Die Gefangene wollte keine Zeit verlieren, und sie beschloß schon an diesem Abend einen Versuch zu machen, um das Terrain zu sondieren und die Charaktere der Leute zu erforschen, denen ihre Bewachung anvertraut war.
Ein Licht erschien unter der Tür, es kündete die Rückkehr ihrer Kerkermeister an. Mylady, welche sich erhoben hatte, warf sich rasch wieder in ihren Lehnstuhl, den Kopf zurückgebogen, die Haare aufgelöst und zerstreut, den Hals halb entblößt unter zerknitterten Spitzen, eine Hand auf ihrem Herzen, die andere herabhängend.
Man öffnete die Riegel, die Tür ächzte auf ihren Angeln; Tritte erschollen im Innern und näherten sich.
»Stellt den Tisch hierher,« sagte eine Stimme, an der Mylady Felton erkannte.
Der Befehl wurde vollzogen.
»Bringt Lichter und laßt die Wache ablösen,« fuhr Felton fort, und dieser doppelte Befehl, den der junge Lieutenant denselben Menschen erteilte, gab Mylady die Überzeugung, daß ihre Diener und ihre Wächter dieselben Menschen waren, nämlich Soldaten.
Endlich wandte sich Felton, der Mylady noch nicht angeschaut hatte, nach ihr um.
»Ah! ah!« sagte er, »sie schläft gut, bei ihrem Erwachen wird sie zu Nacht speisen.«
Er machte einige Schritte, um sich zu entfernen.
»Aber, mein Lieutenant,« sagte der Soldat, der etwas weniger stoisch war, als sein Vorgesetzter, und sich Mylady genähert hatte, »diese Frau schläft nicht.«
»Wie, sie schläft nicht?« sprach Felton, »was macht sie denn?«
»Sie ist ohnmächtig. Ihr Gesicht ist sehr bleich, und ich höre, wie sehr ich auch lausche, keinen Atemzug.«
»Ihr habt Recht,« erwiderte Felton, nachdem er Mylady von dem Platze, wo er stand, ohne einen Schritt gegen sie zu tun, angeschaut hatte. »Benachrichtigt Lord Winter, seine Gefangene sei in Ohnmacht gefallen, denn ich weiß nicht, was ich tun soll, da dieser Fall nicht vorhergesehen ist.«
Der Soldat ging ab, um den Befehlen des Offiziers zu gehorchen. Felton setzte sich auf einen Stuhl, der sich zufällig in der Nähe der Tür fand, und wartete, ohne ein Wort zu sprechen, ohne die geringste Gebärde zu machen. Mylady besaß die große, von den Frauen so sehr studierte Kunst, alles mit Hilfe eines Reflexes, eines Spiegels oder eines Schattens zu sehen; sie bemerkte Felton, der ihr den Rücken zukehrte; sie schaute ihn beinahe zehn Minuten beständig an, und während dieser zehn Minuten wandte sich der kalte Wächter nicht ein einziges Mal um.
Sie bedachte nun, daß Lord Winter kommen und durch seine Gegenwart ihrem Kerkermeister neue Kraft verleihen würde. Ihr erster Versuch war gescheitert; sie faßte ihren Entschluß als eine Frau, welche auf ihre Mittel zählt. Diesem Entschlusse zu Folge hob sie den Kopf, öffnete die Augen und stieß einen schwachen Seufzer aus.
Bei diesem Seufzer wandte sich Felton um.
»Ah! Ihr seid erwacht, Madame,« sprach er, »ich habe also nichts mehr hier zu tun. Wenn Ihr etwas braucht, so ruft.«
»Oh, mein Gott, mein Gott! was habe ich gelitten!« murmelte Mylady mit der wohlklingenden Stimme, welche Alle bezauberte, sie sie ins Verderben stürzen wollte.
Und sich auf ihrem Stuhle aufrichtend, nahm sie eine noch anmutigere und zugleich nachlässigere Stellung an.
Felton stand auf.
»Ihr werdet auf diese Art dreimal des Tags bedient werden, Madame,« sprach er, »Morgens um neun Uhr, Mittags um ein Uhr und Abends um acht Uhr. Wenn Euch das nicht genehm ist, so könnt Ihr andere Stunden statt derer, welche ich Euch vorschlage, nennen, und man wird sich in dieser Beziehung Euern Wünschen fügen.«
»Aber soll ich denn immer in dieser großen, traurigen Stube allein bleiben?« fragte Mylady.
»Eine Frau aus der Gegend ist bestellt, sie wird morgen im Schlosse sein und zu Euch kommen, so oft Ihr ihre Gegenwart wünscht.«
»Ich danke Euch, mein Herr,« antwortete die Gefangene demütig.
Felton grüßte leicht und wandte sich nach der Tür. In dem Augenblick, wo er über die Schwelle treten wollte, erschien Lord Winter, gefolgt von dem Soldaten, der ihn von Myladys Ohnmacht in Kenntnis gesetzt hatte, in der Flur; er hielt einen Flacon mit Riechsalz m der Hand.
»Wie! was geht denn hier vor?« sprach er mit spöttischem Tone, als er sah, daß seine Gefangene aufrecht stand und Felton im Begriff war zu gehen. »Die tote ist also wieder erweckt? Mein Gott, Felton, mein Junge, hast Du denn nicht wahrgenommen, daß man Dich für einen Neuling hielt und den ersten Akt einer Komödie mit Dir spielte, dessen ganze Entwicklung zu verfolgen wir ohne Zweifel das Vergnügen haben werden?«
»Ich habe es wohl gedacht, Mylord,« erwiderte Felton, »aber da die Gefangene im Ganzen doch eine Frau ist, so wollte ich die Rücksicht nehmen, die ein Mann von guter Geburt einem weiblichen Wesen schon um seiner selbst willen schuldig ist.«
Mylady bebte am ganzen Leibe. Diese Worte liefen wie Eis durch alle ihre Adern.
»Diese schönen Haare,« versetzte Lord Winter lächelnd, »diese schönen, so geschickt ausgebreiteten Haare, diese weiße Haut, dieser schmachtende Blick haben Dich also nicht verführt, Marmorherz?«
»Nein, Mylord,« antwortete der unempfindliche junge Mann, »glaubt mir, es bedarf mehr, als der Frauen-Kunstgriffe und Koketterien, um mich zu bestechen.«
»Wenn dem so ist, mein braver Lieutenant, so mag Mylady etwas Anderes ersinnen, und wir wollen zu Nacht speisen. Oh! sei ruhig, sie hat eine furchtbare Phantasie, und der zweite Akt der Komödie wird bald dem ersten folgen.«
Nach diesen Worten nahm Lord Winter Felton beim Arme, und ging lachend mit ihm weg.
»Oh! ich werde schon finden, was Du brauchst,« murmelte Mylady zwischen den Zähnen; armer, verunglückter Mönch, umgekehrter Soldat, der Du Dir Deine Uniform aus einer Kutte geschnitten hast.«
»Doch, was ich noch bemerken wollte,« versetzte Lord Winter, auf der Schwelle stehen bleibend, »dieses Scheitern braucht Euch den Appetit nicht zu benehmen. Kostet das Huhn und die Fische, die ich bei meinem Ehrenwort nicht habe vergiften lassen. Ich bin ziemlich wohl mit meinem Koche zufrieden, und da er nichts von mir zu erben hat, so setze ich volles Vertrauen in ihn. Macht es wie ich. Gott befohlen, liebe Schwester. Bei Eurer nächsten Ohnmacht sehen wir uns wieder.«
Das war Alles, was Mylady zu ertragen vermochte. Ihre Hände zogen sich krampfhaft auf dem Lehnstuhl zusammen. Ihre Zähne knirrschten dumpf, ihre Augen folgten der Bewegung der Tür, welche sich hinter Lord Winter und Felton schloß, und als sie sich allein sah, fühlte sie sich von einer neuen Krisis der Verzweiflung befallen. Sie schaute nach dem Tische, gewahrte ein Messer, stürzte darauf los und ergriff es. Aber es trat sogleich eine grausame Enttäuschung ein, die Klinge war rund, und von biegsamem Silber.
Ein schallendes Gelächter wurde an der Tür hörbar, und diese öffnete sich wieder.
»Ah! ah!« rief Lord Winter, »ah, ah! siehst Du wohl, mein braver Felton, was ich Dir gesagt habe? Dieses Messer war für Dich bestimmt, mein Kind, sie hätte Dich umgebracht. Siehst Du, das ist eine ihrer Verkehrtheiten, daß sie sich der Leute, welche sie genieren, auf die eine oder die andere Weise entledigt. Wenn ich auf Dich gehört hätte, so wäre das Messer spitzig und von Stahl gewesen, dann gäbe es keinen Felton mehr; sie hätte Dich erstochen und nach Dir die ganze Welt. Siehst Du, John, wie sie das Messer so gut zu halten weiß!«
Mylady hielt in der Tat noch die unschädliche Waffe in ihrer Hand. Die letzte Beleidigung löste ihre Hände, ihre Kräfte und sogar ihren Willen auf. Das Messer fiel zu Boden.
»Ihr habt Recht, Mylord,« sprach Felton mit einem Ausdruck des tiefsten Ekels, der in dem Herzen Myladys wiederhallte, »Ihr habt Recht und ich hatte Unrecht.«
Hierauf entfernten sich Beide abermals.
Aber diesmal horchte Mylady aufmerksamer, als das erste Mal, und sie hörte, wie ihre Tritte nach und nach im Hintergrunde der Flur erstarben.
»Ich bin verloren,« murmelte sie, »ich befinde mich in der Gewalt von Leuten, auf die ich nicht mehr Einfluß ausüben werde, als auf Bildsäulen von Erz oder Granit. Sie kennen mich auswendig und sind gegen alle meine Waffen gepanzert.«
»Doch diese Sache kann unmöglich,« sprach sie nach einem Augenblick, »so endigen, wie sie es beschlossen haben.«
Die Furcht und das Gefühl der Schwäche schwammen, wie dies die letztere Betrachtung, die instinktmäßige Rückkehr zur Hoffnung, andeutete, nicht lange oben in dieser tiefen Seele.
Mylady setzte sich zu Tische, aß von mehreren Gerichten, trank ein wenig spanischen Wein und fühlte ihre ganze Entschlossenheit wieder erwachen.
Ehe sie sich schlafen legte, hatte sie bereits die Worte, die Schritte, die Gebärden, die Zeichen und sogar das Stillschweigen ihrer Kerkermeister erklärt, analysiert, von allen Seiten betrachtet, in allen Punkten geprüft, und aus diesem geschickten, geistreichen Studium hatte sie entnommen, daß Felton jedenfalls der weniger unverwundbare von Beiden war.
Ein Wort besonders tauchte immer wieder im Geiste der Gefangenen auf.
»Wenn ich auf Dich gehört hätte,« hatte Lord Winter zu Felton gesagt.
Felton hatte also zu ihren Gunsten gesprochen, da ihn Lord Winter nicht hören wollte.
»Dieser Mensch,« wiederholte Mylady, »hat also jedenfalls einen mehr oder minder starken Anflug von Mitleid in seinem Herzen. Diesen Schimmer werde ich zu einem Brande anfachen, der ihn verzehren soll. Der andere kennt mich, er fürchtet mich und weiß, was er von mir zu erwarten hat, wenn ich je seinen Händen entkomme. Es ist also vergeblich, etwas gegen ihn zu versuchen.
»Aber bei Felton ist es etwas Anderes. Er ist ein unschuldiger reiner junger Mann, ein tugendhafter Mensch, wie es scheint. Bei ihm gibt es ein Mittel, ihn zu verderben.«
Und Mylady legte sich nieder und entschlummerte mit einem Lächeln auf den Lippen. Wer sie schlafend sah, hätte glauben können, ein junges Mädchen liege vor ihm und träume von dem Blumenkranz, den es beim nächsten Fest auf seiner Stirne tragen solle.
Zweiter Tag der Gefangenschaft.
Mylady träumte, sie habe d'Artagnan endlich erwischt und wohne seiner Hinrichtung bei; der Anblick seines unter dem Henkerbeil entströmenden verhaßten Blutes brachte dieses reizende Lächeln auf ihre Lippen. Sie schlief, wie ein Gefangener schläft, der durch seine erste Hoffnung eingewiegt wird.
Als man am andern Morgen in ihr Zimmer trat, lag sie noch im Bette. Felton verweilte in der Flur. Er brachte die Frau, von der er am Abend zuvor gesprochen hatte. Diese Frau trat ein, näherte sich dem Bette Mylady's und bot ihr ihre Dienste an.
Mylady war gewöhnlich bleich, ihre Gesichtsfarbe konnte also diejenige täuschen, die sie zum erstenmale sah.
»Ich habe das Fieber,« sprach sie, »und konnte die ganze Nacht kein Auge zutun. Ich leide furchtbar. Werdet Ihr menschlicher sein, als man gestern gegen mich gewesen ist? Ich verlange nichts Anderes, als liegen bleiben zu dürfen.«
»Wollt Ihr, daß man einen Arzt rufe?« sprach die Frau.
Felton hörte diesen Dialog an, ohne ein Wort zu sagen. Mylady überlegte, daß sie, je mehr man sie mit Menschen umgebe, desto mehr Leute hätte, die sie zum Mitleid bewegen könnte, und daß sich sodann die Wachsamkeit Lord Winters verdoppeln müßte. Überdies konnte der Arzt erklären, die Krankheit sei nur geheuchelt, und Mylady wollte, nachdem sie die erste Partie verloren hatte, die zweite nicht ebenfalls verlieren.
»Einen Arzt holen,« sagte sie, »wozu soll dies nützen? Diese Herren haben gestern erklärt, mein Übel sei eine Komödie. Heute würde wohl dasselbe der Fall sein. Denn seit gestern Abend hat man Zeit genug gehabt, den Arzt zu benachrichtigen.«
»Nun, so sagt selbst,« sprach Felton ungeduldig, »welche Kur Ihr wünscht.«
»Ei, mein Gott, weiß ich es denn? ich fühle, daß ich leide; das ist Alles. Man gebe mir, was man will, es ist mir ganz gleichgültig!«
»Holt Lord Winter,« sagte Felton, der ewigen Klagen müde.
»Oh! nein, nein!« rief Mylady, »nicht, mein Herr, ruft ihn nicht! Ich beschwöre Euch, ich befinde mich wohl! ich brauche nichts; ruft ihn nicht!«
Sie sprach diese Worte mit einer so natürlichen Heftigkeit, daß Felton, davon hingerissen, einige Schritte in das Zimmer tat.
»Er ist bewegt,« dachte Mylady.
»Wenn Ihr jedoch wirklich leidet, Madame,« sagte Felton, »so wird man einen Arzt holen, und täuscht Ihr uns, nun, um so schlimmer für Euch; wir haben uns wenigstens nichts vorzuwerfen.«
Mylady antwortete nicht, sondern sie warf ihren schönen Kopf auf das Kissen zurück und fing an zu weinen und zu schluchzen.
Felton betrachtete sie mit seiner gewöhnlichen Unempfindlichkeit. Als er aber sah, daß die Krisis sich zu verlängern drohte, ging er weg. Die Frau folgte ihm. Lord Winter erschien nicht.
»Ich glaube, ich fange an, klar zu sehen,« murmelte Mylady mit einer wilden Freude und begrub sich unter ihren Betttüchern, um allen denjenigen, welche sie beobachten könnten, diesen Ausbruch innerer Befriedigung zu verbergen.
Es schlug zehn Uhr.
»Nun ist es Zeit, die Krankheit aufhören zu lassen,« sagte sie. »Wir wollen aufstehen, und schon heute einigen Erfolg zu gewinnen suchen. Ich habe nur zehn Tage, und heute Abend und bereits zwei davon abgelaufen.«
Die Bedienung hatte, als sie am Morgen in Mylady's Zimmer getreten war, ihr das Frühstück gebracht. Nun dachte die Gefangene, man werde es ihr bald wegnehmen, und sie werde bei dieser Gelegenheit Felton wiedersehen.
Mylady täuschte sich nicht. Felton erschien abermals und gab, ohne nachzusehen, ob Mylady das Frühstück berührt hatte oder nicht, Befehl, den Tisch wegzutragen, den man gewöhnlich ganz serviert brachte.
Felton blieb zurück. Er hielt ein Buch in seiner Hand. In einem Fauteuil in der Nähe des Kamins liegend, glich Mylady, schön, bleich und ergebungsvoll, einer heiligen Jungfrau, welche dem Märtyrertum entgegensieht.
Felton näherte sich ihr und sprach:
»Lord Winter, der ein Katholik ist, wie Ihr, Madame, glaubte, die Entbehrung der Gebräuche und Zeremonien Eurer Religion dürfte schmerzlich für Euch sein. Er erlaubt also, daß Ihr jeden Tag die gewöhnlichen Gebete Eurer Messe lest, und hier ist ein Buch, welches das Ritual enthält.«
Bei der Miene, mit der Felton dieses Buch auf das Tischchen legte, an welchem Mylady saß, bei dem Tone, mit dem er die zwei Worte Eurer Messe aussprach, bei dem verächtlichen Lächeln, womit er dieselben begleitete, hob Mylady das Haupt und schaute den Offizier aufmerksamer an.
An dem ernsten Schnitt des Haares, an der einfachen Tracht, an der Stirne, die so glatt war wie Marmor, aber hart und undurchdringlich wie dieser, erkannte sie einen von den finstern Puritanern, dergleichen sie sowohl am Hof des Königs Jakob, als am Hof des Königs von Frankreich, wo sie zuweilen trotz der Erinnerung an die Sanct-Bartholomäusnacht Zuflucht suchten, so häufig getroffen hatte.
Sie hatte daher eine jener raschen Eingebungen, wie sie nur Leute von Genie in großen Krisen, in den äußersten Momenten, die über Glück und Leben entscheiden sollen, zu bekommen pflegen.
Die zwei Worte Eurer Messe und ein einziger Blick auf Felton hatten ihr in der Tat das ganze Gewicht der Antwort enthüllt, welche sie zu geben im Begriffe war.
Aber mit dem ihr eigentümlichen schnellen Geistesblick trat diese Antwort sogleich ganz fertig auf ihre Lippen, und mit einer verächtlichen Betonung, welche sie mit dem Ausdruck in Einklang brachte, den sie in der Stimme des jungen Mannes wahrgenommen hatte, erwiderte sie:
»Ich, mein Herr? meine Messe? Lord Winter, der verdorbene Katholik, weiß ganz wohl, daß ich nicht seiner Religion angehöre, und es ist nur eine Falle, die er mir legen will.«
»Von welcher Religion seid Ihr denn, Madame?« fragte Felton mit einem Staunen, das er trotz seiner Selbstbeherrschung nicht ganz zu verbergen vermochte.
»Ich werde es sagen!« rief Mylady mit einer erheuchelten Begeisterung, »ich werde es sagen, wenn ich genug für meine Religion gelitten haben werde.«
Der Blick Feltons enthüllte vor Mylady die ganze Ausdehnung des Raumes, den sie sich durch dieses einzige Wort geöffnet hatte.
Der junge Mann blieb indessen stumm und unbeweglich. Sein Blick hätte allein gesprochen.
»Ich bin in den Händen meiner Feinde,« fuhr sie in jenem Tone der Begeisterung fort, von dem sie wußte, daß er den Puritanern eigentümlich war. »Gott mag mich retten, oder ich mag für meinen Gott untergehen! Das ist die Antwort, die ich Euch Lord Winter zu überbringen bitte,« fügte sie bei und deutete mit der Fingerspitze auf das Gebetbuch, jedoch ohne es zu berühren, als hätte sie sich durch eine solche Berührung verunreinigt geglaubt, »Ihr könnt dies zurückbringen und gebraucht es für Euch selbst; denn Ihr seid ohne Zweifel ein doppelter Mitschuldiger von Lord Winter, mitschuldig bei seiner Verfolgung, mitschuldig bei seiner Ketzerei.«
Felton antwortete nicht. Er nahm das Buch mit demselben Gefühl des Widerwillens, das er bereits kund gegeben hatte, und zog sich nachdenklich zurück.
Lord Winter erschien gegen fünf Uhr Abends. Mylady hatte den ganzen Tag Zeit gehabt, den Plan für ihr Benehmen zu entwerfen. Sie empfing ihn als eine Frau, die bereits wieder in alle ihre Vorteile eingetreten ist.
»Es scheint,« sagte der Baron, indem er sich Mylady gegenüber in einen Lehnstuhl setzte und seine Füße nachlässig gegen den Kamin ausstreckte, »es scheint, wir haben eine kleine Apostasie gemacht.«
»Was wollt Ihr damit sagen, mein Herr?«