Die drei Musketiere - Alexandre Dumas - E-Book + Hörbuch

Die drei Musketiere Hörbuch

Dumas Alexandre

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Im Jahr 1625 zieht der junge d'Artagnan nach Paris, um sich der Garde der berühmten Musketiere anzuschließen. Schnell gewinnt er die Freundschaft der drei unzertrennlichen Musketiere Athos, Porthos und Aramis. Getreu ihrem Motto »Einer für alle, alle für einen« verteidigen sie ihre Königin gegen die Intrigen Kardinal Richelieus und der verruchten Lady Winter. Dumas' historischer Roman zählt zu den populärsten und spannendsten der Weltliteratur.

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Zeit:2 Std. 48 min

Sprecher:Christoph Lindert
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Alexandre Dumas

Die drei Musketiere

Roman

Aus dem Französischen von August Zoller

FISCHER E-Books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Inhalt

1. Kapitel Monsieur d’Artagnan gibt seinem Sohn drei Geschenke mit auf den Weg2. Kapitel Das Vorzimmer des Monsieur de Tréville3. Kapitel Die Audienz4. Kapitel Athos’ Schulter, Porthos’ Wehrgehänge und Aramis’ Taschentuch5. Kapitel Die Musketiere des Königs und die Leibwache des Herrn Kardinals6. Kapitel Seine Majestät König Ludwig XIII.7. Kapitel Das Hauswesen der Musketiere8. Kapitel Eine Hofintrige9. Kapitel D’Artagnan macht sich10. Kapitel Eine Mausefalle im siebzehnten Jahrhundert11. Kapitel Der Knoten schürzt sich12. Kapitel George Villiers, Herzog von Buckingham13. Kapitel Monsieur Bonacieux14. Kapitel Der Mann aus Meung15. Kapitel Männer der Robe und Männer des Schwerts16. Kapitel In dem der Herr Siegelbewahrer Séguier mehrmals die Glocke suchte, um zu läuten, wie er es schon früher getan hatte17. Kapitel Der Haushalt Bonacieux18. Kapitel Der Liebhaber und der Gatte19. Kapitel Der Feldzugsplan20. Kapitel Die Reise21. Kapitel Die Gräfin von Winter22. Kapitel Das Ballett der Merlaison23. Kapitel Das Rendezvous24. Kapitel Der Pavillon25. Kapitel Porthos’ Geliebte26. Kapitel Die Dissertation des Aramis27. Kapitel Athos’ Frau28. Kapitel Rückkehr29. Kapitel Die Jagd nach der Ausrüstung30. Kapitel Mylady31. Kapitel Engländer und Franzosen32. Kapitel Eine Anwaltsmahlzeit33. Kapitel Zofe und Herrin34. Kapitel Worin von Aramis’ und Porthos’ Ausrüstung die Rede ist35. Kapitel Bei Nacht sind alle Katzen grau36. Kapitel Ein Traum von Rache37. Kapitel Myladys Geheimnis38. Kapitel Wie Athos mühelos zu seiner Ausrüstung kam39. Kapitel Eine Erscheinung40. Kapitel Der Kardinal41. Kapitel Die Belagerung von La Rochelle42. Kapitel Anjou-Wein43. Kapitel Das Wirtshaus »Le Colombier-Rouge«44. Kapitel Vom Nutzen der Ofenrohre45. Kapitel Eine eheliche Szene46. Kapitel Die Bastei Saint-Gervais47. Kapitel Der Rat der Musketiere48. Kapitel Eine Familienangelegenheit49. Kapitel Das Verhängnis50. Kapitel Plauderei eines Schwagers mit seiner Schwägerin51. Kapitel Offizier52. Kapitel Erster Tag der Gefangenschaft53. Kapitel Zweiter Tag der Gefangenschaft54. Kapitel Dritter Tag der Gefangenschaft55. Kapitel Vierter Tag der Gefangenschaft56. Kapitel Fünfter Tag der Gefangenschaft57. Kapitel Ein Kunstgriff aus der klassischen Tragödie58. Kapitel Flucht59. Kapitel Was sich am 23. August 1628 in Portsmouth ereignete60. Kapitel In Frankreich61. Kapitel Das Kloster der Karmeliterinnen zu Béthune62. Kapitel Zwei Arten von Teufeln63. Kapitel Ein Tropfen Wasser64. Kapitel Der Mann im roten Mantel65. Kapitel Das Urteil66. Kapitel Die Hinrichtung67. Kapitel Eine Botschaft des KardinalsEpilogAnhangDaten zu Leben und WerkAlexandre Dumas (der Ältere), ›Die drei Musketiere‹Alexandre Dumas (père; eigtl. Alexandre Davy de la Pailleterie)

1. KapitelMonsieur d’Artagnan gibt seinem Sohn drei Geschenke mit auf den Weg

Am ersten Montag des Monats April 1625 schien der Marktflecken Meung, wo der Verfasser des Romans der Rose geboren wurde, in einem so vollständigen Aufruhr begriffen zu sein, als ob die Hugenotten gekommen wären, um ein zweites La Rochelle daraus zu machen. Mehrere Bürger beeilten sich, als sie die Frauen zur Hauptstraße stürzen sahen und die Kinder auf den Türschwellen schreien hörten, den Kürass umzuschnallen und, nachdem sie ihre Unsicherheit mit dem Griff zu einer Muskete oder Partisane überwunden hatten, zum Gasthof »Franc Meunier« zu laufen, vor dem sich eine lärmende, neugierige, dichte Menschenansammlung drängte, die von Minute zu Minute anwuchs.

Zu dieser Zeit waren solche panischen Schrecken gar häufig, und wenige Tage vergingen, ohne dass die eine oder andere Stadt irgendein Ereignis dieser Art in ihre Archive einzutragen hatte. Da gab es die adeligen Herren, die gegeneinander Krieg führten; da war der König, der den Kardinal bekriegte, und der Spanier, der den König bekriegte. Außer diesen stillen oder öffentlichen, geheimen oder erklärten Kriegen gab es Diebe, Bettler, Hugenotten, Wölfe und Lakaien, die mit aller Welt im Krieg lagen. Die Bürger bewaffneten sich immer gegen die Diebe, gegen die Wölfe, gegen die Lakaien, häufig gegen die adeligen Herren und die Hugenotten, zuweilen gegen den König – aber nie gegen den Kardinal und den Spanier. Infolge dieser festen Gewohnheit geschah es, dass die Bürger an jenem ersten Montag des Monats April 1625, als sie das Gelärme vernahmen und weder die gelbroten Standarten noch die Livreen des Herzogs von Richelieu sahen, zum Gasthof »Franc Meunier« eilten.

Hier angelangt, vermochte jeder die Ursache dieses Aufruhrs zu sehen und zu begreifen.

Ein junger Mann … entwerfen wir sein Porträt mit einem Federzug: Man denke sich Don Quijote mit achtzehn Jahren; Don Quijote ohne Bruststück, ohne Panzerhemd und ohne Beinschienen; Don Quijote in einem wollenen Wams, dessen blaue Farbe sich in eine unbestimmbare Nuance von Weinhefe und Himmelblau verwandelt hatte. Langes, braunes Gesicht, hervorspringende Backenknochen (ein Zeichen von Schlauheit), außerordentlich stark entwickelte Kiefermuskeln – ein untrügliches Zeichen, an dem der Gascogner selbst ohne Barett zu erkennen ist, und unser junger Mann trug ein mit einer Art von Feder verziertes Barett; der Blick offen und intelligent; die Nase gebogen, aber fein gezeichnet; zu groß für einen Jüngling, zu klein für einen gestandenen Mann, würde ihn ein ungeübtes Auge für einen reisenden Pächterssohn gehalten haben, hätte er nicht den langen Degen getragen, der ihm, an einem ledernen Wehrgehänge befestigt, beim Gehen an die Waden schlug und an das struppige Fell seines Pferdes, wenn er ritt.

Denn unser junger Mann hatte ein Pferd, und dieses Ross war sogar so merkwürdig, dass es auch wirklich auffiel. Es war ein Klepper aus dem Béarn, zwölf bis vierzehn Jahre alt, von gelber Farbe, ohne Haare am Schweif, aber nicht ohne Fesselgeschwüre an den Beinen, ein Tier, das, obwohl es den Kopf im Gehen noch unter die Knie sinken ließ, was die Anwendung des Sprungriemens überflüssig machte, noch seine acht Meilen am Tag zurücklegte. Unglücklicherweise verbargen sein seltsames Fell und sein fehlerhafter Gang die geheimen Vorzüge dieses Pferdes so gut, dass in einer Zeit, wo sich jedermann auf Pferde verstand, die Erscheinung der genannten Mähre in Meung, wo sie vor ungefähr einer Viertelstunde durch das Beaugency-Tor eingetroffen war, allgemeines Aufsehen erregte und somit auch den Reiter in ein ungünstiges Licht stellte.

Und dieses Aufsehen war für den jungen d’Artagnan (denn so hieß der Don Quijote dieser zweiten Rosinante) umso peinlicher, als er sich die lächerliche Seite nicht verhehlen konnte, die ihm, ein so guter Reiter er auch war, ein solches Pferd gab. So hatte er dieses Geschenk seines Vaters auch nur mit einem schweren Seufzer entgegengenommen. Es war ihm nicht unbekannt, dass dieses Tier einen Wert von höchstens zwanzig Livres hatte; die Worte allerdings, von denen die Gabe begleitet wurde, waren unschätzbar.

»Mein Sohn«, hatte der gascognische Edelmann in dem reinen Patois des Béarn gesagt, den Heinrich IV. nie hatte ablegen können, »mein Sohn, dieses Pferd ist vor bald dreizehn Jahren in dem Hause deines Vaters geboren und seit dieser Zeit hiergeblieben, so dass du gar nicht anders kannst, als es zu lieben. Verkaufe es nie, lass es ruhig und ehrenvoll an Altersschwäche sterben, und wenn du einen Feldzug mit ihm machst, so schone es, wie du einen alten Diener schonen würdest. Bei Hofe«, fuhr Vater d’Artagnan fort, »wenn du die Ehre hast, dorthin zu kommen, eine Ehre, auf die wir übrigens vermöge unseres alten Adels Anspruch erheben dürfen, halte würdig deinen Namen als Edelmann aufrecht, der von unsern Ahnen seit fünfhundert Jahren auf ruhmvolle Weise geführt worden ist. Um deiner selbst und der deinigen willen – unter den deinigen verstehe ich deine Verwandten und deine Freunde – dulde nie etwas, außer von dem Herrn Kardinal und vom König. Durch seinen Mut, höre wohl, nur durch seinen Mut macht ein Edelmann heutzutage sein Glück. Wer eine Sekunde zögert, lässt sich vielleicht den Köder entgehen, den ihm das Glück gerade während dieser Sekunde darreichte. Du bist jung, du musst aus zwei Gründen tapfer sein: einmal, weil du ein Gascogner, und dann, weil du mein Sohn bist. Fürchte die Gelegenheit nicht und suche das Abenteuer. Ich habe dich den Degen handhaben gelehrt, du besitzt einen eisernen Kniebug und eine stählerne Handwurzel; schlage dich bei jeder Veranlassung; schlage dich umso mehr, als Zweikämpfe verboten sind und es deshalb doppelten Mutes bedarf, sich zu schlagen. Mein Sohn, ich habe dir nur fünfzehn Taler, mein Pferd und die Ratschläge zu geben, die du soeben vernommen hast. Deine Mutter wird das Rezept zu einem gewissen Balsam mit dazutun, das sie von einer Zigeunerin erhalten hat, einem Balsam, der die wunderbare Kraft besitzt, jede Wunde zu heilen, die nicht gerade das Herz betrifft. Ziehe aus allem deinen Nutzen, lebe glücklich und lange.

Ich habe nur ein Wort hinzuzufügen. Ich will dir ein Beispiel nennen, nicht das meinige, denn ich bin nie bei Hof gewesen und habe nur die Religionskriege als Freiwilliger mitgemacht. Ich spreche von Monsieur de Tréville, der einst mein Nachbar war und die Ehre hatte, als Kind mit unserem König Ludwig XIII., den Gott erhalten möge, zu spielen. Zuweilen arteten ihre Spiele in Schlachten aus, und bei diesen Schlachten war der König nicht immer der Stärkere. Die Schläge, die er abbekam, flößten ihm große Achtung und Freundschaft für Monsieur de Tréville ein. Später schlug sich Monsieur de Tréville fünfmal während seiner ersten Reise nach Paris mit anderen; vom Tode des seligen Königs an bis zur Volljährigkeit des jungen, ohne die Kriege und Belagerungen zu rechnen, siebenmal, und von dieser Volljährigkeit an bis auf den heutigen Tag wohl hundertmal! Nun ist er, allen Edikten, Ordonnanzen und Urteilssprüchen zum Trotz, Hauptmann der Musketiere, das heißt Anführer einer Legion von Cäsaren, die der König sehr hoch achtet und der Kardinal fürchtet, der sich sonst bekanntlich vor nichts zu fürchten pflegt. Noch mehr, Monsieur de Tréville nimmt jährlich 10 000 Taler ein; er ist also ein sehr vornehmer Herr. Er hat angefangen wie du, besuche ihn mit diesem Brief und richte dein Benehmen nach seinen Anweisungen, damit es dir ergehe wie ihm.«

Darauf gürtete Vater d’Artagnan dem Jüngling seinen eigenen Degen um, küsste ihn zärtlich auf beide Wangen und gab ihm seinen Segen.

Als er das väterliche Zimmer verließ, begegnete der junge Mann seiner Mutter, die ihn mit dem besagten Rezept erwartete, dessen häufige Anwendung die soeben erhaltenen Ratschläge wohl erforderlich machen würden. Der Abschied war diesmal länger und zärtlicher als der vorherige. Nicht als ob Monsieur d’Artagnan seinen Sohn, der sein einziger Sprössling war, nicht geliebt hätte, aber er war ein Mann und hätte es als eines Mannes unwürdig erachtet, sich seiner Rührung hinzugeben, während Madame d’Artagnan eine Frau und überdies Mutter war. Sie weinte schrecklich, und wir müssen es d’Artagnan dem Jüngeren zum Lob nachsagen, dass er sich trotz seiner Anstrengungen, ruhig zu bleiben, wie es die Pflicht eines zukünftigen Musketiers war, von der Natur hinreißen ließ und eine Menge Tränen vergoss, von denen er nur mit großer Mühe die Hälfte verbergen konnte.

Am selben Tag machte sich der junge Mann auf den Weg, ausgerüstet mit den drei väterlichen Geschenken, die, wie gesagt, aus fünfzehn Talern, dem Pferd und dem Brief an Monsieur de Tréville bestanden; die Ratschläge waren, wie man sich wohl denken kann, obendrein gegeben worden. Mit einem solchen Vademekum erschien d’Artagnan in moralischer wie in physischer Hinsicht als eine getreue Kopie des Helden von Cervantes, mit dem wir ihn so glücklich verglichen, als wir uns durch unsere Chronistenpflichten veranlasst sahen, sein Bild zu skizzieren. Don Quijote hielt die Windmühlen für Riesen und die Schafe für Armeen, d’Artagnan nahm jedes Lächeln für eine Beleidigung und jeden Blick für eine Herausforderung. Demzufolge hielt er seine Faust von Tarbes bis Meung geballt und fuhr wenigstens zehnmal am Tag an seinen Degenknauf; die Faust traf indessen keinen Kinnbacken, und der Degen kam nicht aus der Scheide. Nicht als ob der Anblick der unglückseligen gelben Mähre nicht oftmals ein Lächeln auf den Gesichtern der Vorübergehenden hervorgerufen hätte, aber da über dem Klepper ein Degen von beachtlicher Größe klirrte und über diesem Degen ein mehr wildes als stolzes Auge glänzte, so unterdrückten die Passanten ihre Heiterkeit, oder wenn ihre Heiterkeit mächtiger wurde als ihre Klugheit, so suchten sie wenigstens wie die antiken Masken nach nur einer Seite hin zu lachen. D’Artagnan blieb also majestätisch und in seinen Empfindungen unverletzt, bis er in dem unseligen Städtchen Meung eintraf.

Hier aber, als er an der Tür des »Franc Meunier« vom Pferd stieg, ohne dass irgendjemand, Wirt, Kellner oder Hausknecht, erschien, um ihm den Steigbügel zu halten, erblickte d’Artagnan an einem halbgeöffneten Fenster des Erdgeschosses einen Edelmann von schöner Gestalt und vornehmem Aussehen, jedoch leicht mürrischer Miene, der mit zwei Personen sprach, die ihm mit großer Untertänigkeit zuzuhören schienen. D’Artagnan glaubte natürlich, seiner Gewohnheit gemäß, der Gegenstand des Gesprächs zu sein, und horchte. Diesmal hatte er sich nur halb getäuscht; es war zwar nicht von ihm die Rede, aber von seinem Pferd, dessen Eigenschaften der Edelmann seinen Zuhörern aufzählte, und da diese Zuhörer, wie gesagt, große Ehrfurcht vor dem Erzähler zu hegen schienen, so brachen sie jeden Augenblick von neuem in schallendes Gelächter aus. Da nun ein halbes Lächeln reichte, um den jungen Mann zum Zorn zu reizen, so begreift man leicht, welchen Eindruck eine so geräuschvolle Heiterkeit auf ihn ausüben musste.

D’Artagnan wollte sich jedoch zuerst über die Physiognomie jenes Unverschämten ins Bild setzen, der es wagte, sich über ihn lustig zu machen. Er heftete seinen stolzen Blick auf den Fremden und erkannte in ihm einen Mann von vierzig bis fünfundvierzig Jahren, mit schwarzen, durchdringenden Augen, bleicher Gesichtsfarbe, stark hervortretender Nase und schwarzem, perfekt gestutztem Schnurrbart; gekleidet war er in ein Wams und veilchenblaue Beinkleider mit Schnürnesteln von derselben Farbe, ohne jede weitere Zierde als die üblichen Ärmelschlitze, durch die das Hemd durchschien. Wams und Beinkleider schienen, obwohl neu, doch zerknittert wie lange in einem Mantelsack eingeschlossene Reisekleider. D’Artagnan stellte all dies mit der Geschwindigkeit des scharfen Beobachters fest, und ohne Zweifel von einem instinktartigen Gefühl angetrieben, das ihm sagte, dieser Fremde müsse einen großen Einfluss auf sein zukünftiges Leben haben.

Da nun in dem Moment, als d’Artagnan sein Auge auf den Edelmann mit der veilchenblauen Hose heftete, dieser Herr eine seiner gelehrtesten und gründlichsten Erläuterungen bezüglich der Mähre aus dem Béarn zum Besten gab, so brachen seine Zuhörer in ein schallendes Gelächter aus, und er selbst ließ augenscheinlich gegen seine Gewohnheit ein blasses Lächeln, wenn man so sagen darf, über sein Antlitz huschen. Diesmal konnte kein Zweifel bestehen, d’Artagnan war wirklich beleidigt. Erfüllt von dieser Überzeugung, drückte er sein Barett tief ins Gesicht und rückte, indem er sich Mühe gab, einige von den höfischen Mienen nachzuahmen, die er in der Gascogne bei reisenden vornehmen Herren abgeschaut hatte, eine Hand auf die Glocke seines Degens, die andere auf die Hüfte gestützt, vor. Leider verblendete ihn der Zorn mit jedem Schritt immer mehr, und statt einer würdigen stolzen Rede, die er sich im Stillen für seine Herausforderung zurechtgelegt hatte, lag ihm schließlich nichts anderes auf der Zunge als eine plumpe Grobheit, die er mit einer wütenden Gebärde begleitete.

»He, mein Herr«, rief er, »mein Herr, der Ihr Euch hinter jenem Laden verbergt, ja, Ihr, sagt mir doch, über wen Ihr lacht, dann wollen wir zusammen lachen.«

Der Edelmann richtete langsam die Augen von dem Pferd auf den Reiter, als ob er einiger Zeit bedurfte, um zu begreifen, dass so seltsame Worte tatsächlich an ihn gerichtet wurden; als ihm daran kein Zweifel mehr blieb, runzelte er leicht die Stirn und antwortete nach einer ziemlich langen Pause mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Ironie und Überheblichkeit:

»Ich spreche nicht mit Euch.«

»Aber ich spreche mit Euch«, rief der junge Mann, ganz außer sich über diese Mischung von Unverschämtheit und guten Manieren, von Anstand und Verachtung.

Der Unbekannte betrachtete ihn noch einen Augenblick mit seinem leichten Lächeln und zog sich langsam vom Fenster zurück, kam dann aus dem Wirtshaus, näherte sich d’Artagnan bis auf zwei Schritte und blieb vor dem Pferd stehen. Seine ruhige Haltung und seine spöttische Miene hatten die Heiterkeit derjenigen gesteigert, mit denen er geplaudert hatte und die am Fenster geblieben waren. Als d’Artagnan ihn auf sich zukommen sah, zog er seinen Degen einen Fuß lang aus der Scheide.

»Dieses Pferd ist offenbar oder war vielmehr in seiner Jugend eine Butterblume«, sprach der Unbekannte, während er in seiner Musterung fortfuhr, und wandte sich dabei an seine Zuhörer am Fenster, ohne dass er die Erbitterung d’Artagnans, der doch zwischen ihnen stand, im Geringsten zu beachten schien. »Es ist eine in der Botanik sehr bekannte, aber bis jetzt bei den Pferden sehr seltene Farbe.«

»Wer über das Pferd lacht«, rief der Möchtegern-Tréville wütend, »tut dies, weil er es nicht wagt, über den Herrn zu lachen.«

»Ich lache nicht oft, mein Herr«, erwiderte der Unbekannte, »wie Ihr selbst an meinen Gesichtszügen ablesen könnt, aber ich möchte mir doch gerne das Recht vorbehalten, zu lachen, wann immer es mir beliebt.«

»Und ich«, rief d’Artagnan, »ich will nicht, dass irgendjemand über mich lacht, wenn es mir missfällt!«

»Wirklich, mein Herr?«, erwiderte der Unbekannte, ruhiger als zuvor, »nun denn, das ist nicht mehr als billig.«

Und er drehte sich schnurstracks um und schickte sich an, durch das große Tor in das Gasthaus zurückzukehren, wo d’Artagnan bei seiner Ankunft ein aufbruchsbereit gesatteltes Pferd aufgefallen war.

Aber d’Artagnan war nicht der Charakter, dem es möglich gewesen wäre, einen Menschen ziehen zu lassen, der die Frechheit gehabt hatte, über ihn zu spotten. Er zog seinen Degen ganz aus der Scheide und ging dem Mann hinterher, wobei er rief:

»Umgedreht, mein Herr Spötter, damit ich Euch nicht auf den Rücken schlage.«

»Mich schlagen, mich?«, sagte der andere, der auf dem Absatz kehrtmachte und den jungen Mann mit ebenso großer Verwunderung wie Verachtung anschaute. »Geht, mein Lieber, Ihr seid ein Narr!« Dann fuhr er mit leiser Stimme, und als ob er mit sich selbst spräche, fort: »Das ist ärgerlich; welch ein Fund wäre dies für Seine Majestät, die überall nach Leuten sucht, um sie als Musketiere zu rekrutieren.«

Er hatte kaum geendet, als d’Artagnan mit seiner Degenspitze einen so wütenden Stoß nach ihm führte, dass er, ohne einen sehr raschen Sprung rückwärts, wahrscheinlich zum letzten Mal gescherzt hätte. Der Unbekannte sah jetzt, dass die Sache über einen Spaß hinausging; er zog seinen Degen, begrüßte seinen Gegner und ging würdevoll in Positur. Im selben Augenblick aber fielen seine zwei Zuhörer in Begleitung des Wirts mit Stöcken, Schaufeln und Feuerzangen über d’Artagnan her. Dadurch wurde sein Angriff so abrupt und gründlich abgelenkt, dass d’Artagnans Gegner, während dieser sich umwandte, um einen Hagel von Schlägen abzuwehren, seinen Degen mit der größten Gelassenheit einsteckte und von einem Akteur, der er beinahe geworden wäre, wieder zu einem Zuschauer des Kampfes wurde – eine Rolle, deren er sich mit seiner gewöhnlichen Unbewegtheit entledigte. Nichtsdestoweniger murmelte er durch die Zähne:

»Die Pest über alle Gascogner! Setzt ihn wieder auf sein orangefarbiges Pferd, er mag zum Teufel gehen.«

»Nicht ohne dich getötet zu haben, Feigling!«, rief d’Artagnan, während er sich so gut wie möglich und ohne einen Schritt zurückzuweichen, gegen seine drei Feinde, die ihn mit Schlägen überhäuften, zur Wehr setzte.

»Noch so eine Gascognade«, murmelte der Edelmann. »Bei meiner Ehre, diese Gascogner sind unverbesserlich! Setzt also den Tanz fort, da er es durchaus so will. Wenn er einmal müde ist, wird er schon sagen, es sei genug.«

Aber der Unbekannte wusste noch nicht, mit was für einem hartnäckigen Menschen er es zu tun hatte; d’Artagnan war nicht der Mann, der um Gnade gebeten hätte. Der Kampf dauerte also noch einige Sekunden fort, doch endlich ließ d’Artagnan erschöpft seinen Degen fahren, den ein Knüppelhieb entzweibrach. Ein anderer Schlag, der seine Stirn traf, schmetterte ihn praktisch im selben Moment blutend und fast ohnmächtig nieder. In diesem Augenblick kamen von allen Seiten Leute herbeigelaufen. Der Wirt fürchtete das Aufsehen und trug den Verwundeten mit Hilfe einiger Kellner in die Küche, wo man ihn notdürftig versorgte.

Der Edelmann aber hatte seinen früheren Platz am Fenster wieder eingenommen und betrachtete mit einer gewissen Ungeduld die umherstehende Menge, deren Verweilen ihm sehr ärgerlich zu sein schien.

»Nun! Wie geht es dem Wüterich?«, fragte er, als er den Wirt eintreten hörte, der sich nach seinem Befinden erkundigen wollte.

»Eure Exzellenz sind gesund und wohlbehalten?«, fragte der Wirt.

»Ja, vollkommen gesund und wohlbehalten, mein lieber Wirt, aber ich habe gefragt, was aus unserem jungen Mann geworden ist.«

»Es geht ihm besser«, erwiderte der Wirt, »er ist in Ohnmacht gefallen.«

»Wirklich?«, sprach der Edelmann.

»Doch ehe er in Ohnmacht fiel, raffte er alle seine Kräfte zusammen, rief nach Euch und forderte Euch heraus.«

»Dieser Bursche ist also der leibhaftige Teufel!«, rief der Unbekannte.

»O nein, Eure Exzellenz, es ist kein Teufel«, entgegnete der Wirt mit einer verächtlichen Grimasse, »denn während seiner Ohnmacht haben wir ihn durchsucht und in seinem Päckchen nicht mehr als ein Hemd, in seiner Börse keine zwölf Taler gefunden, was ihn jedoch nicht davon abhielt, kurz bevor er in Ohnmacht fiel, zu bemerken, wenn dergleichen in Paris geschehen wäre, so müsstet Ihr dies sogleich bereuen, während Ihr es hier erst später bereuen würdet.«

»Dann ist er irgendein verkleideter Prinz von Geblüt«, sagte der Unbekannte kalt.

»Ich teile Euch dies mit, gnädiger Herr«, versetzte der Wirt, »damit Ihr auf Eurer Hut sein möget.«

»Und er hat in seiner Wut keinen Namen genannt?«

»Allerdings, er schlug an seine Tasche und sagte: ›Wir wollen sehen, was Monsieur de Tréville zu der Beleidigung sagen wird, die seinem Schützling widerfahren ist.‹«

»Monsieur de Tréville?«, sprach der Unbekannte mit steigender Aufmerksamkeit. »Er schlug an seine Tasche, während er den Namen des Monsieur de Tréville aussprach? … Hört, mein lieber Wirt, während Euer junger Mann in Ohnmacht lag, habt Ihr sicherlich nicht versäumt, ein wenig in diese Tasche zu schauen. Was fand sich darin?«

»Ein Brief, adressiert an Monsieur de Tréville, Hauptmann der Musketiere.«

»Wirklich?«

»Es ist, wie ich Eurer Exzellenz zu sagen die Ehre habe.«

Der Wirt, der nicht eben mit übergroßem Scharfsinn begabt war, gewahrte den Ausdruck nicht, den seine Worte auf dem Gesicht des Unbekannten hervorriefen. Dieser entfernte sich von der Fensterbank, auf die er sich bis jetzt mit dem Ellbogen gestützt hatte, und legte seine Stirn in Falten wie ein Mensch, den etwas beunruhigt.

»Teufel!«, murmelte er zwischen den Zähnen, »sollte mir Tréville diesen Gascogner geschickt haben? Er ist noch sehr jung! Aber ein Degenstich bleibt ein Degenstich, welches Alter auch sein Spender haben mag, und man nimmt sich vor einem jungen Bürschchen weniger in Acht als vor anderen Leuten; zuweilen genügt ein schwaches Hindernis, um einem großen Plan in den Weg zu treten.«

Und der Unbekannte versank in ein Nachdenken, das mehrere Minuten währte.

»Hört einmal, Wirt«, sagte er, »werdet Ihr mich nicht von diesem Brausekopf befreien? Ich kann ihn mit gutem Gewissen nicht töten, und dennoch«, fügte er mit kühl drohender Miene hinzu, »ist er mir unbequem. Wo befindet er sich?«

»Im ersten Stock in der Stube meiner Frau, wo man ihn verbindet.«

»Hat er seine Kleidung und seine Tasche bei sich? Er hat sein Wams nicht ausgezogen?«

»All dies blieb im Gegenteil unten in der Küche. Aber wenn Euch dieser junge Irre unbequem ist …?«

»Gewiss. Er verursacht in Eurem Gasthaus ein Ärgernis, das ehrliche Leute nicht aushalten können. Geht hinauf, macht meine Rechnung und benachrichtigt meinen Lakaien.«

»Wie! Gnädiger Herr, Ihr verlasst uns schon?«

»Das konntet Ihr schon daraus ersehen, dass ich Euch Befehl gegeben hatte, mein Pferd zu satteln. Hat man mir nicht Folge geleistet?«

»Allerdings, und das Pferd steht fertig aufgezäumt unter dem großen Tor, wie Eure Exzellenz selbst haben sehen können.«

»Das ist gut. Tut, was ich Euch gesagt habe.«

»Soso!«, sprach der Wirt zu sich selbst, »sollte ihm vor dem jungen Burschen bange sein?«

Aber ein gebieterischer Blick des Unbekannten machte seinen Gedanken rasch ein Ende. Er verbeugte sich demütig und ging hinaus.

»Dieser Bursche darf Mylady nicht zu Gesicht bekommen«, fuhr der Fremde fort. »Sie muss bald da sein; sie bleibt schon allzu lange aus. Offenbar ist es besser, wenn ich das Pferd nehme und ihr entgegenreite … Könnte ich nur erfahren, was dieser Brief an Tréville enthält!« Und unter fortwährendem Murmeln wandte sich der Fremde nach der Küche.

Inzwischen war der Wirt, der nicht daran zweifelte, dass die Gegenwart des jungen Menschen den Unbekannten aus seiner Herberge vertrieb, zu seiner Frau hinaufgegangen, wo er d’Artagnan wieder bei Bewusstsein fand. Er machte ihm begreiflich, die Polizei könnte ihm einen schlimmen Streich spielen, da er mit einem vornehmen Herrn Streit angefangen habe – denn nach Meinung des Wirts konnte der Unbekannte nur ein vornehmer Herr sein –, und er veranlasste ihn, trotz seiner Schwäche aufzustehen und seinen Weg fortzusetzen. Halb betäubt, ohne Wams und den Kopf mit Leinenbinden umwickelt, stand d’Artagnan auf und ging, vom Wirt gedrängt, die Treppe hinab; als er aber in die Küche kam, war das Erste, was er sah, sein Gegner, der am Fußtritt einer schweren, mit zwei stattlichen normannischen Pferden bespannten Karosse in Seelenruhe plauderte.

Seine Gesprächspartnerin, deren Kopf im Rahmen des Kutschenschlags erschien, war eine Frau von zwanzig oder zweiundzwanzig Jahren. Wir haben bereits erwähnt, wie schnell d’Artagnan eine Physiognomie aufzufassen wusste; er sah also auf den ersten Blick, dass die Frau jung und hübsch war. Diese Schönheit fiel ihm umso mehr auf, als sie eine in den südlichen Gegenden, die d’Artagnan bis jetzt bewohnt hatte, ganz fremde Erscheinung war. Es handelte sich um eine hellhäutige Dame mit langen blonden, auf die Schultern herabfallenden Locken, großen, schmachtenden blauen Augen, rosigen Lippen und Alabasterhänden; sie sprach sehr lebhaft mit dem Unbekannten.

»Also befiehlt mir Seine Eminenz …«, sagte die Dame.

»Sogleich nach England zurückzukehren und sofort Nachricht zu geben, falls der Herzog London verlassen hat.«

»Und was meine übrigen Instruktionen betrifft? …«, fragte die schöne Reisende.

»Sie sind in dieser Schatulle enthalten, die Ihr erst jenseits des Kanals öffnen dürft.«

»Sehr wohl; und Ihr, was macht Ihr?«

»Ich kehre nach Paris zurück.«

»Ohne das freche Bürschchen zu züchtigen?«, fragte die Dame.

Der Unbekannte war im Begriff zu antworten, aber in dem Augenblick, als er den Mund öffnete, sprang d’Artagnan, der alles gehört hatte, auf die Schwelle der Küchentür.

»Das freche Bürschchen züchtigt andere«, rief er, »und ich hoffe, dass derjenige, den er zu züchtigen hat, ihm diesmal nicht entkommen wird.«

»Nicht entkommen wird?«, echote der Unbekannte, die Stirn in Falten legend.

»Nein, vor einer Dame, denke ich, werdet Ihr nicht zu fliehen wagen.«

»Bedenkt«, rief Mylady, als sie sah, dass der Edelmann die Hand an den Degen legte, »bedenkt, dass die geringste Verspätung alles verderben kann.«

»Ihr habt recht«, rief der Edelmann, »reist also Eurerseits, ich tue desgleichen.«

Und indem er der Dame mit dem Kopf zunickte, sprang er auf sein Pferd, während der Kutscher der Karosse sein Gespann kräftig mit der Peitsche antrieb. So stieben die Gesprächspartner im Galopp in die entgegengesetzten Richtungen der Straße auseinander.

»Heda! Eure Rechnung«, schrie der Wirt, dessen Ergebenheit für den Reisenden in tiefe Verachtung umschlug, als er sah, dass er sich entfernte, ohne seine Zeche zu bezahlen.

»Bezahle, Schlingel«, rief der Reisende im Galopp seinem Bedienten zu, der dem Wirt ein paar Geldstücke vor die Füße warf und dann eiligst seinem Herrn nachgaloppierte.

»Ha, Feigling, Elender, falscher Edelmann!«, rief d’Artagnan und lief dem Bedienten nach.

Aber der Verwundete war noch zu schwach, um eine solche Erschütterung auszuhalten. Kaum hatte er zehn Schritte gemacht, so klangen ihm die Ohren, er sah nichts mehr, ein Schleier von Blut zog über seine Augen, und er stürzte auf die Straße nieder, wobei er beständig schrie: »Feigling! Feigling! Feigling!«

»Er ist in der Tat sehr feige!«, murmelte der Wirt, indem er sich d’Artagnan näherte und sich durch diese Schmeichelei mit dem armen Jungen zu versöhnen suchte wie der Reiher aus der Fabel abends mit seiner Schnecke.

»Ja, sehr feige«, sagte d’Artagnan mit schwacher Stimme, »aber sie ist sehr schön.«

»Wer sie?«, fragte der Wirt.

»Mylady«, stammelte d’Artagnan und fiel zum zweiten Mal in Ohnmacht.

»Gleichviel«, sprach der Wirt, »es bleibt mir doch dieser da, den ich sicherlich einige Tage behalten werde. Da lassen sich immerhin elf Taler verdienen.«

Man weiß bereits, dass sich der Inhalt von d’Artagnans Börse gerade auf elf Taler belief.

Der Wirt hatte mit elf Tagen Krankheit zu einem Taler den Tag gerechnet; aber er hatte die Rechnung ohne seinen Gast gemacht. Am andern Morgen stand d’Artagnan schon um fünf Uhr auf, ging in die Küche hinab, verlangte außer einigen anderen Ingredienzien, deren Liste nicht überliefert ist, Wein, Öl und Rosmarin und bereitete sich, das Rezept seiner Mutter in der Hand, einen Balsam, mit dem er seine zahlreichen Wunden salbte; dann erneuerte er seine Kompressen selbst und wollte keine ärztliche Hilfeleistung gestatten. Der Wirksamkeit des Zigeunerbalsams und vielleicht auch ein wenig der Abwesenheit jedes Arztes hatte es d’Artagnan zu verdanken, dass er schon am selben Abend wieder auf den Beinen und am andern Tag beinahe völlig geheilt war.

In dem Augenblick aber, als er Rosmarin, Öl und Wein bezahlen wollte – die einzige Ausgabe des Herrn, der strenge Diät hielt, während das gelbe Ross, wenigstens nach Aussage des Wirts, dreimal so viel gefressen hatte, als sich vernünftigerweise bei seiner Gestalt voraussetzen ließ –, fand d’Artagnan in seiner Tasche nur noch seine kleine Samtbörse sowie die elf Taler, die sie enthielt; der Brief an Monsieur de Tréville jedoch war verschwunden.

Der junge Mann suchte diesen Brief zunächst mit großer Geduld, drehte seine Taschen um und nochmals um, durchwühlte seinen Mantelsack, öffnete und schloss seine Börse wieder und wieder; als er aber die Überzeugung gewonnen hatte, dass der Brief nicht mehr zu finden war, geriet er in einen dritten Wutanfall, der ihn leicht zu einem neuerlichen Verbrauch von aromatischem Wein und Öl hätte veranlassen können; denn als man sah, dass dieser junge Brausekopf sich erhitzte und drohte, er werde alles im Hause kurz und klein schlagen, wenn man seinen Brief nicht finde, da ergriffen der Wirt einen Spieß, seine Frau einen Besenstiel und seine Burschen dieselben Stöcke, die zwei Tage zuvor schon ihren Dienst getan hatten.

»Mein Empfehlungsschreiben«, schrie d’Artagnan, »mein Empfehlungsschreiben, zum Teufel, oder ich spieße euch alle auf wie die Fettammern!«

Unglücklicherweise hinderte ihn ein Umstand daran, seine Drohung wahr zu machen; sein Degen war erwähntermaßen beim ersten Kampf in zwei Stücke zerbrochen worden, was er völlig vergessen hatte. Als d’Artagnan wirklich vom Leder ziehen wollte, sah er sich schlicht mit einem Degenstumpf von acht bis zehn Zoll bewaffnet, den der Wirt sorgfältig wieder in die Scheide gesteckt hatte. Den übrigen Teil der Klinge hatte der Herr der Herberge geschickt auf die Seite gebracht, um sich einen Bratspieß daraus zu machen.

Diese Enttäuschung dürfte wohl unseren jähzornigen jungen Mann nicht zurückgehalten haben, aber der Wirt bedachte, dass die Forderung, die sein Gast an ihn stellte, völlig berechtigt war.

»In der Tat«, sprach er und senkte seinen Spieß, »wo ist der Brief?«

»Ja, wo ist dieser Brief?«, rief d’Artagnan. »Ich sage Euch vor allem, dass dieser Brief für Monsieur de Tréville bestimmt ist und dass er sich wiederfinden muss; geschieht dies nicht, so wird er schon dafür sorgen, dass er gefunden wird!«

Diese Drohung schüchterte den Wirt vollends ein. Nach dem König und dem Herrn Kardinal war Monsieur de Tréville wohl der Mann, dessen Name von Soldaten und sogar von Bürgern am häufigsten im Mund geführt wurde. Zwar gab es noch den Pater Joseph, aber sein Name wurde immer nur ganz leise ausgesprochen, so groß war der Schrecken, den die graue Eminenz einflößte, wie man den Vertrauten des Kardinals nannte.

Er warf also seinen Spieß weit von sich, befahl seiner Frau, dasselbe mit ihrem Besenstiel zu tun, und seinen Dienern, ihre Stöcke wegzulegen; dann ging er mit gutem Beispiel voran und begann nach dem verlorenen Brief zu suchen.

»Enthielt dieser Brief etwas Wertvolles?«, fragte der Wirt, nachdem er einen Augenblick fruchtlos gesucht hatte.

»Heiliger Gott, ich glaube es wohl!«, erwiderte der Gascogner, der mit Hilfe dieses Schreibens seinen Weg zu machen hoffte, »er enthielt mein ganzes Vermögen.«

»Anweisungen auf Spanien?«, fragte der Wirt unruhig.

»Anweisungen auf die Privatschatulle Seiner Majestät«, erwiderte d’Artagnan, der darauf zählte, er werde durch diese Empfehlung in den Dienst des Königs aufgenommen werden, und deshalb, ohne zu lügen, diese etwas kecke Antwort geben zu können glaubte.

»Teufel!«, rief der nunmehr völlig verzweifelte Wirt.

»Aber daran liegt nichts«, fuhr d’Artagnan mit typisch französischer Unverfrorenheit fort, »daran liegt nichts, das Geld zählt gar nicht; der Brief war alles. Ich hätte lieber tausend Goldmünzen verloren als diesen Brief.«

Es wäre nicht gewagter gewesen, zwanzigtausend zu sagen, aber eine gewisse jugendliche Schüchternheit hielt ihn zurück.

Da befiel eine plötzliche Eingebung den Wirt, der sich verloren wähnte, nachdem nichts zu finden war.

»Dieser Brief ist durchaus nicht verloren«, rief er.

»Ach!«, seufzte d’Artagnan.

»Nein, er ist Euch gestohlen worden.«

»Gestohlen! Und von wem?«

»Von dem Edelmann von gestern. Er ist in die Küche hinabgegangen, wo Euer Wams lag, und daselbst allein geblieben. Ich wollte wetten, dass er ihn gestohlen hat.«

»Meint Ihr?«, erwiderte d’Artagnan nicht sehr überzeugt, denn er kannte ja allein den ganz auf ihn bezogenen Inhalt des Briefes und sah nichts darin, was einen andern nach seinem Besitz hätte lüstern machen können. Keiner von den Dienern, keiner von den anwesenden Gästen hätte etwas davon gehabt, sich das Papier anzueignen.

»Ihr sagt also«, ergänzte d’Artagnan, »Ihr habt diesen frechen Edelmann im Verdacht?«

»Ich sage, dass ich vollkommen davon überzeugt bin«, fuhr der Wirt fort, »als ich ihm mitteilte, Euer Gnaden sei ein Schützling des Monsieur de Tréville und Ihr hättet sogar einen Brief an diesen erlauchten Herrn, da schien er sehr unruhig zu werden und fragte mich, wo dieser Brief sei; dann ging er sogleich in die Küche hinab, weil er wusste, dass Euer Wams dort lag.«

»Dann ist er mein Dieb«, sagte d’Artagnan, »ich werde mich bei Monsieur de Tréville darüber beklagen, und Monsieur de Tréville wird sich beim König beklagen.«

Daraufhin zog er majestätisch zwei Taler aus seiner Tasche, gab sie dem Wirt, der ihn mit dem Hut in der Hand bis vor die Tür begleitete, und bestieg wieder sein gelbes Ross, das ihn ohne weiteren Zwischenfall bis zur Porte Saint-Antoine in Paris trug, wo er es für drei Taler verkaufte, was sehr gut bezahlt war, da d’Artagnan es auf der letzten Etappe stark überbeansprucht hatte. Der Rosskamm, dem d’Artagnan die Mähre für besagte neun Livres abtrat, verbarg dem jungen Mann auch keineswegs, dass er diese außerordentliche Summe nur wegen der originellen Farbe des Tieres bezahlte.

D’Artagnan hielt also zu Fuß seinen Einzug in Paris, trug sein Päckchen unter dem Arm und marschierte so lange umher, bis er ein Zimmer fand, dessen Miete seinen kargen Mitteln entsprach. Es handelte sich um eine Art Mansarde in der Rue de Fossoyeurs, nicht weit vom Luxembourg.

Sobald d’Artagnan die Miete bezahlt hatte, nahm er seine Unterkunft in Besitz und verbrachte den restlichen Teil des Tages damit, Posamenten an sein Wams und seine Strümpfe anzunähen, die seine Mutter von einem beinahe neuen Wams seines Vaters abgetrennt und ihm heimlich zugesteckt hatte. Dann ging er zum Quai de la Ferraille, um seinen Degen mit einer neuen Klinge versehen zu lassen, und anschließend zum Louvre, wo er sich bei dem ersten Musketier, dem er begegnete, nach dem Palais des Monsieur de Tréville erkundigte. Es lag in der Rue du Vieux-Colombier, das heißt ganz in der Nähe der Wohnung, die d’Artagnan gemietet hatte – ein Umstand, der ihm als ein glückliches Vorzeichen für den Erfolg seiner Reise erschien.

Zufrieden mit der Art und Weise, wie er sich in Meung benommen hatte, ohne Gewissensbisse wegen der Vergangenheit, voll Vertrauen auf die Gegenwart und voll Hoffnung für die Zukunft, legte er sich hierauf nieder und schlief den Schlaf des Gerechten.

Dieser noch ganz provinzmäßige Schlaf währte bis um neun Uhr morgens, als er aufstand, um sich zu dem berühmten Monsieur de Tréville zu begeben, dem dritten Mann im Königreich, wenn es nach der Einschätzung seines Vaters ging.

2. KapitelDas Vorzimmer des Monsieur de Tréville

Monsieur de Troisville, wie seine Familie in der Gascogne noch hieß, oder Monsieur de Tréville, wie er sich selbst in Paris schließlich nannte, hatte wirklich gerade so wie d’Artagnan angefangen, nämlich ohne einen Heller, aber mit jenem Grundstock an Kühnheit, Witz und Verstand, der bewirkt, dass der ärmste gascognische Krautjunker mehr an Hoffnungen zum väterlichen Erbteil erhält, als der reichste Edelmann des Perigord oder Berry in Wirklichkeit empfängt. Sein unverschämter Mut und sein noch viel unverschämteres Glück in einer Zeit, wo die Schläge wie Hagel fielen, hatten ihn auf die Höhe der schwer erklimmbaren Leiter gehoben, die man Hofgunst nennt und von deren Sprossen er immer vier auf einmal erstiegen hatte.

Er war der Freund des Königs, der, wie jedermann weiß, das Andenken seines Vaters Heinrich IV. sehr in Ehren hielt. Der Vater des Monsieur de Tréville hatte ihm in seinen Kriegen gegen die Liga so treu gedient, dass er ihm in Ermangelung von barem Geld – etwas, das dem Béarner sein ganzes Leben lang abging, denn er bezahlte seine Schulden stets mit dem einzigen Ding, das er nicht zu entlehnen brauchte, mit Witz –, dass er ihm in Ermangelung von barem Geld, wie gesagt, nach der Übergabe von Paris die Vollmacht verlieh, einen goldenen Löwen im roten Feld mit dem Wahlspruch Fidelis et fortis als Wappen zu führen. Das war zwar viel für die Ehre, aber wenig für sein Vermögen. Als der berühmte Gefährte des großen Heinrich starb, hinterließ er also seinem Herrn Sohn als einziges Erbe seinen Degen und seinen Wahlspruch. Dieser doppelten Gabe und dem fleckenlosen Namen, von dem sie begleitet war, hatte Monsieur de Tréville seine Aufnahme unter die Haustruppen des jungen Fürsten zu verdanken, wo er sich seines Schwerts so gut bediente und seiner Devise so treu war, dass Ludwig XIII., einer der besten Fechter seines Königreichs, zu sagen pflegte: Wenn er einen Freund hätte, der sich schlagen wollte, so würde er ihm den Rat geben, zum Sekundanten zuerst ihn selbst und dann Monsieur de Tréville oder vielleicht sogar diesen an erster Stelle zu nehmen.

Ludwig XIII. hegte eine wahre Anhänglichkeit an Tréville, eine königliche Anhänglichkeit, eine selbstsüchtige Anhänglichkeit allerdings, darum aber nicht weniger eine Anhänglichkeit. In dieser unglücklichen Zeit strebte man mit aller Macht danach, sich mit Männern vom Schlag Trévilles zu umgeben. Viele konnten sich den Beinamen fortis geben, der die zweite Hälfte seiner Devise bildete, aber nur wenige Edelleute hatten Anspruch darauf, sich Fidelis zu nennen, wie der erste Teil hieß. Tréville gehörte zu Letzteren; er war einer von den seltenen Menschen mit dem gehorchenden Verstand des Hundes, dem blinden Mut, dem raschen Auge, der schnellen Hand, ein Mann, dem das Auge nur gegeben schien, um zu sehen, ob der König mit jemandem unzufrieden war, und diesen jemand, einen Besme, einen Maurevers, einen Poltrot de Méré, einen Vitry niederzuschlagen. Tréville hatte bis jetzt nur die Gelegenheit gefehlt, aber er lauerte darauf, er hatte sich gelobt, sie beim Schopfe zu ergreifen, sobald sie in Reichweite wäre. Ludwig XIII. machte Tréville zum Hauptmann seiner Musketiere, die in Bezug auf Ergebenheit oder vielmehr Fanatismus für ihn dasselbe waren wie seine Leibwache für Heinrich III. und seine schottische Garde für Ludwig XI.

Der Kardinal wiederum blieb diesbezüglich nicht hinter dem König zurück. Als dieser zweite oder vielmehr erste König von Frankreich die eindrucksvolle Elitetruppe sah, mit der sich Ludwig XIII. umgab, wollte er ebenfalls eine Leibwache haben. So bekam er seine Musketiere, wie Ludwig XIII., und man sah diese beiden mächtigen Nebenbuhler in allen Provinzen Frankreichs und sogar in auswärtigen Staaten die berühmtesten Kampfhähne ausheben. Auch stritten sich Ludwig XIII. und Richelieu oft, wenn sie abends eine Partie Schach spielten, über die Meriten ihrer Bediensteten. Jeder lobte den Mut und die Haltung der seinigen, und während sie sich laut gegen Zweikämpfe und Händel aussprachen, stachelten sie dieselben ganz in der Stille gegeneinander auf, und die Niederlage oder der Sieg ihrer Leute bereitete ihnen wahren Kummer oder maßlose Freude. So erzählen es wenigstens die Memoiren eines Mannes, der bei einigen dieser Niederlagen und vielen dieser Siege beteiligt war.

Tréville hatte seinen Herrn bei dessen schwacher Seite gepackt, und dieser Geschicklichkeit verdankte er die lange und beständige Gunst eines Königs, der nicht den Ruf großer Treue in seinen Freundschaften hinterlassen hat. Mit einem verschmitzten Lächeln ließ er seine Musketiere vor dem Kardinal Armand Duplessis paradieren, wobei sich der graue Schnurrbart Seiner Eminenz vor Zorn sträubte. Tréville verstand sich vortrefflich auf den Krieg dieser Zeit, in der man, wenn man nicht auf Kosten des Feindes leben konnte, auf Kosten seiner Landsleute lebte; seine Soldaten bildeten eine gegen jedermann, nur gegen ihn nicht, unbotmäßige Legion lebendiger Teufel.

Aufgelöst, betrunken, mit Schmissen im Gesicht, so sah man die Musketiere des Königs oder vielmehr Monsieur de Trévilles in den Schenken, auf den Straßen, bei öffentlichen Lustbarkeiten, wo sie grölten und sich ihren Schnurrbart strichen, ihre Degen klirren ließen, aus lauter Mutwillen den Leibwachen des Kardinals Rippenstöße versetzten und unter tausenderlei Scherzen am helllichten Tag auf offener Straße vom Leder zogen; sie wurden zuweilen getötet, aber sie wussten gewiss, dass man sie in diesem Fall beweinte und rächte; öfter töteten sie selbst, aber sie wussten ebenso gewiss, dass sie nicht im Gefängnis verschimmeln würden, denn Monsieur de Tréville war da, um sie herauszuholen. So wurde das Loblied des Monsieur de Tréville auch in allen Tonlagen von diesen Männern gesungen, die den Satan nicht fürchteten, vor ihm aber zitterten wie Schüler vor ihrem Lehrer, seinem geringsten Wort gehorchten und stets bereit waren, sich töten zu lassen, um sich von einem Vorwurf reinzuwaschen.

Monsieur de Tréville hatte sich anfangs dieses mächtigen Hebels für den König und die Freunde des Königs, dann für sich selbst und für seine Freunde bedient. Übrigens findet man in keinem Memoirenwerk dieser Zeit, die so viele Memoiren hinterlassen hat, dass dieser würdige Edelmann, nicht einmal von seinen Feinden – und er hatte deren so viele unter den Männern der Feder wie unter denen des Degens – nirgends, sagen wir, findet man, dass dieser würdige Edelmann angeklagt worden wäre, er habe sich für die Mitwirkung seiner fanatischen Anhänger bezahlen lassen. Bei einem seltenen Talent für Intrigen, das ihn auf dieselbe Stufe mit den größten Intriganten stellte, war er ein ehrlicher Mann geblieben. Noch mehr, trotz der großen Stoßdegen, die lendenlahm machen, und der angestrengten Übungen, die ermüden, war er einer der galantesten Boudoirläufer, einer der feinsten Verehrer der Damenwelt, einer der geschraubtesten Schönredner seiner Zeit geworden; man sprach von Trévilles Liebesglück, wie man zwanzig Jahre zuvor von Bassompierre gesprochen hatte, und das wollte etwas heißen. Der Hauptmann wurde also bewundert, gefürchtet und geliebt, und dies bildet wohl den Höhepunkt menschlicher Glücksumstände.

Ludwig XIV. verschlang mit seiner weiträumigen Ausstrahlung alle kleinen Gestirne seines Hofes, sein Vater aber, eine Sonne pluribus impar, ließ jedem seiner Günstlinge seinen persönlichen Glanz, jedem seiner Höflinge seinen eigentümlichen Wert. Außer dem Lever des Königs und dem des Kardinals zählte man damals in Paris mehr als zweihundert einigermaßen besuchte Levers. Unter den zweihundert kleinen Levers war das von Tréville eines derjenigen, zu denen man sich am meisten drängte.

Der Hof seines in der Rue du Vieux-Colombier gelegenen Hauses glich einem Lager, und dies von morgens sechs Uhr im Sommer und von acht Uhr im Winter. Fünfzig oder sechzig Musketiere, die sich hier abzulösen schienen, um stets eine imposante Zahl darzustellen, gingen beständig in völliger Kriegsrüstung und zu jedem Tun bereit umher. Auf einer der großen Treppen, auf deren Raum unsere moderne Zivilisation ein ganzes Gebäude errichten würde, stiegen die Bittsteller von Paris, die irgendeine Gunst zu erhaschen suchten, auf und ab; ferner die Edelleute aus der Provinz, deren höchster Wunsch war, ins Korps aufgenommen zu werden, und die in allen Farben verbrämten Lakaien, die die Botschaften ihrer Gebieter an Herrn von Tréville überbrachten. Im Vorzimmer ruhten auf langen, kreisförmigen Bänken die Auserwählten, das heißt diejenigen, die berufen waren. Das Gesumme dauerte vom Morgen bis zum Abend, während Monsieur de Tréville in seinem an dieses Vorzimmer angrenzenden Kabinett Besuche empfing, Klagen anhörte, seine Befehle erteilte und, wie der König auf seinem Balkon im Louvre, sich nur an das Fenster zu stellen hatte, um Menschen und Waffen Revue passieren zu lassen.

An dem Tag, an dem d’Artagnan sich hier einfand, war die Versammlung äußerst imposant, besonders für einen Provinzbewohner, der eben erst aus seiner Heimat anlangte; dieser Provinzbewohner war allerdings Gascogner, und damals besonders standen d’Artagnans Landsleute nicht im Ruf, sich so leicht einschüchtern zu lassen. In der Tat, sobald man einmal durch die starke, mit langen viereckigen Nägeln beschlagene Tür gelangt war, geriet man unmittelbar mitten in eine Truppe von Männern des Degens, die sich im Hofe herumtrieben, einander riefen, miteinander stritten und spielten. Um sich durch diese brausenden Wogen eine Bahn zu brechen, hätte man ein Offizier, ein vornehmer Herr oder eine hübsche Frau sein müssen.

Mitten durch dieses Gedränge und diese Unordnung rückte unser junger Mann mit zitterndem Herzen, den langen Raufdegen an die magern Beine drückend und eine Hand an den Rand seines Filzes haltend, mit dem verlegenen provinziellen Halblächeln, das eine gute Miene machen soll, sachte vorwärts. Hatte er eine Gruppe hinter sich, so atmete er freier; aber er begriff wohl, dass man sich umwandte, um ihm nachzuschauen, und zum ersten Mal in seinem Leben kam sich d’Artagnan, der bis auf diesen Tag eine ziemlich gute Meinung von sich selbst gehabt hatte, lächerlich vor.

Als er zur Treppe gelangte, war alles noch schlimmer: Er fand hier auf den ersten Stufen vier Musketiere, die sich mit folgender Übung belustigten, während zehn bis zwölf mit ihren Kameraden auf dem Absatz warteten, bis sie an die Reihe kämen, an der Partie teilzunehmen. Einer von ihnen, der mit blankem Degen auf der obersten Stufe stand, hinderte die anderen daran, heraufzusteigen, oder er bemühte sich wenigstens, sie daran zu hindern. Diese drei anderen fochten mit sehr behänden Degenstößen gegen ihn. D’Artagnan hielt anfangs ihre Eisen für Florette und glaubte, sie seien mit Knöpfen versehen; aber bald erkannte er an gewissen Schrammen, dass jede Waffe im Gegenteil gehörig zugespitzt und scharf geschliffen war. Und sobald es eine Schramme setzte, lachten nicht nur die Zuschauer, sondern auch die handelnden Personen wie die Narren.

Derjenige, der in diesem Augenblick die oberste Stufe behauptete, hielt seine Gegner vortrefflich in Schach. Man bildete einen Kreis um sie. Die Regel lautete, dass bei jedem Stoß der Getroffene die Partie verlassen musste und dadurch seinen Platz in der Warteschlange zugunsten des siegreichen Fechters verlieren sollte. In fünf Minuten waren drei gestreift, der eine an der Handwurzel, der andere am Kinn, der dritte am Ohr, während der Verteidiger, der ihnen diese Schrammen beibrachte, unberührt blieb, eine Geschicklichkeit, die ihm einen dreimaligen Vortritt bei der Audienz eintrug. So schwer auch unser junger Reisender in Erstaunen zu setzen war oder wenigstens sein wollte, so verblüffte ihn dieser Zeitvertreib doch gewaltig: Er hatte in seiner Provinz, auf diesem Boden, wo sich die Köpfe so schnell erhitzen, etwas mehr als Präliminarien zu Zweikämpfen gesehen, und die Gascognade der vier Spieler erschien ihm als das stärkste unter allen, von denen er bis jetzt selbst in der Gascogne gehört hatte. Er glaubte sich in das berühmte Land der Riesen versetzt, wohin Gulliver ging und wo er so gewaltige Angst hatte; und er war noch nicht einmal am Ziel: Es blieben noch der Treppenabsatz und das Vorzimmer.

Auf dem Treppenabsatz schlug man sich nicht, man erzählte sich Geschichten von Frauen, und im Vorzimmer Hofgeschichten. Auf dem Absatz errötete d’Artagnan, im Vorzimmer erschauderte er. Seine rege, sprunghafte Einbildungskraft, die ihn in der Gascogne zu einer Gefahr für Kammermädchen und zuweilen sogar für junge Edeldamen machte, hatte nie, nicht einmal im Fieberwahn, auch nur die Hälfte dieser verliebten Abenteuer und den vierten Teil dieser Heldentaten geträumt, bei denen die bekanntesten Namen herhalten mussten und die Details nicht im Geringsten verschleiert wurden. Aber wenn auf dem Treppenabsatz sein Sittlichkeitsgefühl verletzt wurde, so versetzte man im Vorzimmer seiner Achtung vor dem Kardinal einen regelrechten Schock. Hier hörte d’Artagnan zu seinem größten Erstaunen ganz laut die Politik, die Europa erzittern ließ, und das Privatleben des Kardinals kritisieren, für dessen Verunglimpfung so viele hochgestellte und mächtige Herren gestraft worden waren; dieser große, von d’Artagnans Vater verehrte Mann wurde von den Musketieren des Monsieur de Tréville verspottet, die sich über seine krummen Beine und seinen gewölbten Rücken lustig machten. Einige sangen Spottlieder auf Madame d’Aiguillon, seine Geliebte, und auf Madame Combalet, seine Nichte, während andere Pläne gegen die Pagen und Leibwachen des Kardinal-Herzogs schmiedeten, lauter Dinge, die d’Artagnan als monströse Ungeheuerlichkeiten erschienen.

Indessen tauchte zuweilen plötzlich und ganz unversehens der Name des Königs mitten unter diesen kardinalistischen Scherzen wie eine Art von Knebel auf, der für einen Augenblick allen Anwesenden den spöttischen Mund verschloss; man schaute sachte umher und schien die Indiskretion der Wand zum Kabinett des Monsieur de Tréville zu fürchten. Aber bald brachte irgendeine Anspielung das Gespräch wieder auf Seine Eminenz, die Spöttereien wurden immer derber, und keine seiner Handlungen blieb von einem grellen Licht verschont.

»Gewiss sind dies Leute, die allesamt nach der Bastille gebracht und gehängt werden«, dachte d’Artagnan mit Schrecken, »und ich ohne Zweifel mit ihnen, denn von dem Augenblick an, wo ich sie gehört und verstanden habe, wird man mich für ihren Komplizen halten. Was würde mein Herr Vater sagen, der mir so dringend Achtung vor dem Kardinal eingeschärft hat, wenn er mich in Gesellschaft von solchen Lümmeln wüsste?«

D’Artagnan wagte es also nicht, wie man sich leicht denken kann, an dem Gespräch teilzunehmen, er schaute nur mit beiden Augen, hörte nur mit beiden Ohren, er hielt seine fünf Sinne gierig gespannt, um nichts zu verpassen, und trotz seines Vertrauens auf die väterlichen Ermahnungen fühlte er sich infolge seiner Neigungen und Instinkte eher veranlasst, die unerhörten Dinge, die sich dort zutrugen, zu loben, als sie zu tadeln.

Da er indessen der Menge der Höflinge des Monsieur de Tréville völlig fremd war, und da man ihn zum ersten Male an diesem Ort bemerkte, so fragte man ihn, was er wünsche. Auf diese Frage nannte d’Artagnan demütig seinen Namen; er berief sich auf seinen Titel als Landsmann und ersuchte den Kammerdiener, der diese Frage an ihn gerichtet hatte, Monsieur de Tréville um eine kurze Audienz für ihn zu bitten, welche Bitte man in hohem Gönnerton zu geeigneter Zeit und geeigneten Orts vorzutragen versprach.

D’Artagnan erholte sich allmählich von seinem ersten Erstaunen und hatte nun Muße, die Trachten und Gesichter ein wenig zu studieren.

Den Mittelpunkt der belebtesten Gruppe bildete ein Musketier von großer Gestalt, hochmütigem Antlitz und höchst wunderlichem Aufzug, der die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Er trug in diesem Augenblick keine Uniform, wozu er auch in jener Zeit geringerer Freiheit, aber größerer Unabhängigkeit nicht verpflichtet war, sondern einen etwas abgetragenen Leibrock, und auf diesem Kleid gewahrte man ein prachtvolles Wehrgehänge mit goldenen Stickereien, das funkelte wie Schuppen im sonnenbeschienenen Wasser. Ein langer, karmesinroter Mantel fiel anmutig über seine Schultern und ließ vorn nur das glänzende Wehrgehänge sehen, an dem ein riesiger Raufdegen befestigt war.

Dieser Musketier war soeben vom Wachdienst gekommen, beklagte sich über Schnupfen und hustete von Zeit zu Zeit affektiert. Deshalb hatte er den Mantel genommen, wie er zu seiner Umgebung sagte, und während er von oben herab sprach und verächtlich seinen Schnurrbart kräuselte, bewunderte man mit großer Begeisterung – d’Artagnan mehr als jeder andere – das gestickte Wehrgehänge.

»Was wollt ihr, es kommt in Mode«, sagte der Musketier, »es ist eine Torheit, ich weiß es wohl, aber es ist einmal Mode. Und zu irgendetwas muss man ja auch sein ererbtes Vermögen nutzen.«

»Ach, Porthos!«, rief einer der Umherstehenden, »versuche nicht uns weiszumachen, dieses Wehrgehänge sei dir durch väterliche Großzügigkeit zugefallen; ohne Zweifel hat es dir die verschleierte Dame gegeben, mit der ich dir an einem Sonntag in der Nähe der Porte Saint-Honoré begegnete.«

»Nein, auf Ehre und Gewissen, ich habe es selbst, und zwar mit meinem eigenen Geld gekauft«, antwortete der mit dem Namen Porthos Angesprochene.

»Ja, wie ich diese neue Börse mit dem gekauft habe, was mir meine Geliebte in die alte gesteckt hat«, sprach ein anderer Musketier.

»Wahrhaftig, ich habe zehn Goldmünzen dafür bezahlt«, sagte Porthos.

Die Bewunderung verdoppelte sich, obwohl der Zweifel blieb.

»Nicht wahr, Aramis?«, fragte Porthos und wandte sich dabei nach einem dritten Musketier um.

Dieser bildete einen vollständigen Kontrast mit dem Fragenden. Er war ein junger Mann von kaum zwei- bis dreiundzwanzig Jahren, mit naivem, süßlichem Gesicht, schwarzem, sanftem Auge und mit Wangen, so rosig wie ein Pfirsich im Herbst; sein feiner Schnurrbart zog eine völlig gerade Linie auf seiner Oberlippe; seine Hände schienen sich vor dem Herabhängen zu hüten, weil ihre Adern anschwellen könnten, und von Zeit zu Zeit kniff er sich in die Ohren, um sie in einem zarten, durchsichtigen Hellrot zu halten. Er hatte die Gewohnheit, wenig zu sprechen, viel zu grüßen und geräuschlos zu lachen, wobei er seine schönen Zähne zeigte, auf die er, wie auf seine ganze Erscheinung, die größte Sorgfalt zu verwenden schien. Er beantwortete die Aufforderung seines Freundes mit einem bestätigenden Kopfnicken.

Diese Bestätigung schien allen Zweifeln bezüglich des Wehrgehänges ein Ende zu machen; man bewunderte es weiterhin, sprach aber nicht mehr darüber, und mit einem jener Hakenschläge des Denkens ging das Gespräch auf einen anderen Gegenstand über.

»Was denkt ihr über das, was der Stallmeister von Chalais erzählt?«, fragte ein anderer Musketier, ohne seine Worte an jemand Bestimmtes zu richten, sondern im Gegenteil sich an alle Umstehenden wendend.

»Was erzählt er denn?«, fragte Porthos in süffisantem Ton.

»Er erzählt, er habe in Brüssel Rochefort, den Vertrauten des Kardinals, als Kapuziner verkleidet angetroffen; der verfluchte Rochefort hatte in dieser Verkleidung Monsieur de Laigues, gerade wie er ist, als einen wahren Einfaltspinsel gespielt.«

»Als einen wahren Einfaltspinsel«, fragte Porthos, »aber ist die Sache sicher?«

»Ich habe es von Aramis gehört«, antwortete der Musketier.

»Wirklich?«

»Ei! Ihr wisst es wohl, Porthos«, sagte Aramis, »ich habe es Euch gestern selbst erzählt; sprechen wir nicht mehr davon.«

»Nicht mehr davon sprechen, meint Ihr?«, erwiderte Porthos. »Nicht mehr davon sprechen? Zum Henker! Wie! Der Kardinal lässt einen Edelmann ausspähen, er lässt ihm seine Korrespondenz durch einen Verräter, einen Dieb, einen Galgenstrick stehlen; lässt mit Hilfe dieser Späher und dieser Korrespondenz Chalais unter dem törichten Vorwand, er habe den König ermorden und Monsieur mit der Königin verheiraten wollen, den Hals abschneiden! Niemand wusste etwas von diesem Rätsel, Ihr erfuhrt es gestern zum allgemeinen Erstaunen, und während wir über diese Neuigkeit noch ganz verwundert sind, kommt Ihr heute und sagt: Sprechen wir nicht mehr davon!«

»Sprechen wir also davon, wenn Ihr es wünscht«, erwiderte Aramis geduldig.

»Wäre ich der Stallmeister des armen Chalais«, rief Porthos, »so würde dieser Rochefort einen schlimmen Augenblick mit mir erleben.«

»Und Ihr würdet einen schlimmen Augenblick mit dem Roten Herzog erleben«, versetzte Aramis.

»Ah! Der Rote Herzog! Bravo, bravo, der Rote Herzog!«, erwiderte Porthos, klatschte in die Hände und nickte dabei. »Der ›Rote Herzog‹, das ist allerliebst. Ich werde den Witz verbreiten, seid nur ruhig. Welch ein gescheiter Kerl doch dieser Aramis ist! Es ist ein wahres Unglück, dass Ihr Euren Beruf nicht ausüben konntet, mein Lieber; was für ein köstlicher Abbé wäre doch aus Euch geworden!«

»Ah! Das ist nur für den Augenblick hinausgeschoben«, entgegnete Aramis, »ich werde es später schon noch werden; Ihr wisst wohl, Porthos, dass ich aus diesem Grund weiterhin Theologie studiere.«

»Er tut, was er sagt«, rief Porthos, »er tut es früher oder später.«

»Früher«, sprach Aramis.

»Er wartet nur eines ab, um sich gänzlich hierfür zu entscheiden und die Soutane zu nehmen, die hinter seiner Uniform hängt«, sagte ein anderer Musketier.

»Und was wartet er denn ab?«, fragte ein Dritter.

»Er wartet, bis die Königin der Krone Frankreichs einen Erben geschenkt hat.«

»Scherzen wir nicht hierüber, meine Herren«, sprach Porthos. »Sie ist, Gott sei Dank, noch in dem Alter, um der Krone einen Erben zu schenken.«

»Man sagt, der Herzog von Buckingham sei in Frankreich«, versetzte Aramis mit einem spöttischen Lächeln, das dieser scheinbar so einfachen Äußerung eine ziemlich skandalöse Bedeutung verlieh.

»Aramis, mein Freund«, unterbrach ihn Porthos, »diesmal habt Ihr unrecht. Eure Manie, Witze zu machen, lässt Euch beständig alle Grenzen überschreiten. Wenn Monsieur de Tréville Euch hörte, so dürfte Euch eine solche Sprache teuer zu stehen kommen.«

»Wollt Ihr mir eine Lektion erteilen, Porthos!«, rief Aramis, in dessen sanftem Auge ein Blitz zu zucken schien.

»Mein Lieber, seid Musketier oder Abbé, seid das eine oder das andere, aber nicht das eine und das andere«, erwiderte Porthos. »Hört, Athos hat Euch noch vor kurzem gesagt: Ihr habt immer mehrere Eisen im Feuer! Oh! Erzürnt Euch nicht, es wäre vergeblich, Ihr wisst wohl, was zwischen Euch, Athos und mir abgemacht ist. Ihr geht zu Madame d’Aiguillon und macht ihr den Hof; Ihr geht zu Madame de Bois-Tracy, der Cousine von Madame de Chevreuse, und man sagt, Ihr steht hoch in der Gunst der Dame. Ach, mein Gott, Ihr braucht Euer Glück nicht einzugestehen; man fragt Euch nicht um Euer Geheimnis, denn man kennt Eure Diskretion. Aber da Ihr diese Tugend besitzt, so macht in drei Teufels Namen hinsichtlich Ihrer Majestät davon Gebrauch. Beschäftige sich mit dem König und dem Kardinal, wer will und wie jeder will; aber die Königin ist heilig, und wenn man von ihr spricht, so muss es in Gutem geschehen.«

»Porthos, Ihr seid anmaßend wie ein Narziss«, erwiderte Aramis. »Ihr wisst, dass ich die Moral hasse, außer wenn sie von Athos gepredigt wird. Was Euch betrifft, mein Lieber, Ihr habt ein viel zu prachtvolles Wehrgehänge, um in diesem Punkt stark zu sein. Ich werde Abbé, wann es mir beliebt; einstweilen bin ich Musketier; und in dieser Eigenschaft sage ich, was mir gefällt, und in diesem Augenblick gefällt es mir zu sagen, dass ich bald die Geduld mit Euch verliere!«

»Aramis!«

»Porthos!«

»He, meine Herren! Meine Herren!«, rief man um sie her.

»Monsieur de Tréville erwartet Monsieur d’Artagnan«, unterbrach der Bediente, der die Tür des Kabinetts öffnete. Bei dieser Ankündigung, während der die Tür offen blieb, schwieg jeder, und unter diesem Stillschweigen durchschritt der junge Gascogner das Vorzimmer und trat bei dem Hauptmann der Musketiere ein, nicht ohne sich von ganzem Herzen zu beglückwünschen, dass er gerade im rechten Moment dem Ende dieses seltsamen Streits entging.

3. KapitelDie Audienz

Monsieur de Tréville war just in diesem Moment in einer abscheulichen Laune. Nichtsdestoweniger grüßte er höflich den jungen Mann, der sich bis zur Erde vor ihm verbeugte, und nahm lächelnd sein Kompliment entgegen, dessen den Béarn verratender Dialekt ihn zugleich an seine Jugend und an seine Heimat erinnerte – eine doppelte Erinnerung, die den Menschen in jedem Alter zum Lächeln bewegt. Aber beinahe im selben Augenblick trat er, d’Artagnan mit der Hand ein Zeichen machend, als wolle er ihn um Erlaubnis bitten, die anderen abzufertigen, ehe er mit ihm anfinge, trat er, sagen wir, an die Türe, und rief dreimal, jedes Mal die Stimme verstärkend, so dass er das ganze Intervall zwischen befehlendem und gereiztem Ton durchlief:

»Athos! Porthos! Aramis!«

Die uns bereits bekannten zwei Musketiere antworteten auf die zwei letzten dieser drei Namen, verließen sogleich die Gruppen, bei denen sie standen, und gingen auf das Kabinett zu, dessen Tür sich hinter ihnen schloss, sobald sie die Schwelle überschritten hatten. Ihre Haltung erregte, obwohl sie nicht ganz ruhig war, durch ihre zugleich würdevolle und ehrerbietige Ungezwungenheit die Bewunderung d’Artagnans, der in diesen Menschen Halbgötter und in ihrem Anführer einen mit all seinen Blitzen bewaffneten Jupiter sah.

Als die Musketiere eingetreten waren, als die Tür hinter ihnen geschlossen war, als das Gemurmel im Vorzimmer, dem der Aufruf ohne Zweifel neue Nahrung gab, wieder angefangen und Monsieur de Tréville endlich drei- bis viermal sein Kabinett der ganzen Länge nach durchschritten hatte, schweigend und mit gerunzelter Stirn an Porthos und Aramis vorübergehend, die steif und stumm wie bei einer Parade dastanden, blieb er plötzlich vor ihnen stehen, maß sie von Kopf bis Fuß mit zornigen Blicken und rief:

»Wisst Ihr, was mir der König gesagt hat, und zwar erst gestern Abend, wisst Ihr es, meine Herren?«

»Nein«, antworteten die zwei Musketiere nach kurzem Stillschweigen, »nein, gnädiger Herr, wir wissen es nicht.«

»Aber ich hoffe, Ihr werdet uns die Ehre erweisen, es uns zu sagen«, fügte Aramis in seinem höflichen Ton und mit der anmutigsten Verbeugung bei.

»Er hat mir gesagt, er werde in Zukunft seine Musketiere aus der Leibwache des Herrn Kardinals rekrutieren.«

»Aus der Leibwache des Kardinals, und warum dies?«, fragte Porthos lebhaft.