Die drei Musketiere - Alexandre Dumas - E-Book + Hörbuch

Die drei Musketiere E-Book und Hörbuch

Dumas Alexandre

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Beschreibung

Illustrierte Fassung Der bekannteste Roman Dumas' und einer der ersten und beliebtesten Abenteuerromane der Literatur: Der junge d'Artagnan kommt 1624 nach Paris um Musketier, ein Leibwächter des Königs, zu werden. Statt dessen schafft er es in seinem Ungestüm, sich am Tage seiner Ankunft Duelle mit drei Musketieren einzuhandeln; mit Athos, Porthos und Aramis. Der Rest ist, wie man so schön sagt, geschriebene Geschichte: Statt sich zu duellieren, freunden sie sich an, müssen die Königin vor Intrigen des arglistigen Kardinals Richelieu bewahren, das Geheimnis der zwielichtigen "Mylady" aufdecken und zahllose Scharmützel und Schlachten bestehen. Dumas erzählt atemlos, von Höhepunkt zu Höhepunkt eilend, ausgeschmückt mit einer farbenprächtigen Sprache, so bunt und opulent wie das Zeitalter des Barock selbst. Vor dem historischen Hintergrund der Epoche Ludwigs XIII. meint der Leser zum stillen, "vierten Musketier" zu werden, der d'Artagnan über die wehrhafte Schulter schaut. Der aus historischen Tatsachen und erfundenen Begebenheiten gemixte Stoff wurde bereits früh mehrmals verfilmt, kolportiert und für Opern und Musicals verarbeitet. Der Ausdruck "Einer für alle, alle für einen" findet hier seinen Ursprung. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 1101

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Zeit:2 Std. 48 min

Sprecher:Christoph Lindert
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Alexandre Dumas

Die drei Musketiere

Illustrierte Fassung

Alexandre Dumas

Die drei Musketiere

Illustrierte Fassung

(Les Trois Mousquetaires)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Vivant Beaucé, Adolphe GusmanÜbersetzung: J. Schulze, Karl August Christoph Friedrich Zoller 3. Auflage, ISBN 978-3-954183-53-1

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Das Buch

Band 1

I – Die drei Ge­schen­ke von Herrn d’Ar­ta­gnans Va­ter.

II – Das Vor­zim­mer des Herrn von Tre­ville.

III – Die Au­di­enz.

IV – Die Schul­ter von Athos, das Wehr­ge­hän­ge von Por­thos und das Ta­schen­tuch von Ara­mis.

V – Die Mus­ke­tie­re des Kö­nigs und die Leib­wa­che des Herrn Kar­di­nals

VI – Sei­ne Ma­je­stät Kö­nig Lud­wig der Drei­zehn­te.

VII – Das Haus­we­sen der Mus­ke­tie­re.

VIII – Eine Hof-Int­ri­ge.

IX – D’Ar­ta­gnan zeigt sich in ei­nem ei­gen­tüm­li­chen Lich­te.

X – Eine Mau­se­fal­le im sieb­zehn­ten Jahr­hun­dert.

XI – Die Int­ri­ge schürzt sich.

XII – Ge­or­ge Vil­liers, Her­zog von Buck­ing­ham.

XIII – Herr Bo­nacieux.

XIV – Der Mann von Meung.

XV – Be­am­ter und Kriegs­mann.

XVI – Wo­rin der Herr Sie­gel­be­wah­rer Se­guier mehr­mals die Glo­cke such­te, um zu läu­ten, wie er auch sonst ge­tan.

XVII – Die Haus­hal­tung Bo­nacieux.

XVIII – Der Lieb­ha­ber und der Gat­te.

XIX – Feld­zugs­plan.

XX – Die Rei­se.

XXI – Die Grä­fin von Win­ter.

XXII – Das Bal­let der Mer­lai­son.

XXIII – Das Ren­dez­vous.

XXIV – Der Pa­vil­lon.

XXV – Por­thos.

XXVI – Die The­se von Ara­mis.

XXVII – Die Ma­da­me von Athos.

XXVIII – Rück­kehr.

Band 2

I – Die Equi­pie­rungs­jagd.

II – Myla­dy.

III – Eng­län­der und Fran­zo­sen.

VI – Ein Pro­ku­ra­tors­mahl.

V – Zofe und Ge­bie­te­rin.

VI – Wo­rin von der Equi­pie­rung von Ara­mis und Por­thos die Rede ist.

VII – Bei Nacht sind alle Kat­zen grau.

VIII – Ra­che­traum.

IX – Das Ge­heim­nis Myla­dys.

X – Athos, ohne sich die ge­rings­te Mühe zu ge­ben, sei­ne Equi­pie­rung fand.

XI – Eine hold­se­li­ge Er­schei­nung.

XII – Der Kar­di­nal.

XIII – Die Be­la­ge­rung von La Ro­chel­le.

XIV – An­jou-Wein.

XV – Die Wirt­schaft zum Ro­ten Tau­ben­schlag.

XVI – Von dem Nut­zen der Ofen­röh­ren.

XVII – Ehe­li­che Sze­ne.

XVIII – Die Bas­tei Saint Ger­vais.

XIX – Der Rat der Mus­ke­tie­re.

XX – Fa­mi­li­en-An­ge­le­gen­heit.

XXI – Wi­der­wär­tig­kei­ten.

XXII – Plau­de­rei ei­nes Bru­ders und ei­ner Schwes­ter.

XXIII – Of­fi­zier!

XXIV – Ers­ter Tag der Ge­fan­gen­schaft.

XXV – Zwei­ter Tag der Ge­fan­gen­schaft.

XXVI – Drit­ter Tag der Ge­fan­gen­schaft.

XXVII – Vier­ter Tag der Ge­fan­gen­schaft.

XXVIII – Fünf­ter Tag der Ge­fan­gen­schaft.

XXIX – Ein Vor­wurf zu ei­ner klas­si­schen Tra­gö­die.

XXX – Die Flucht.

XXXI – Was in Ports­mouth am 23. Au­gust 1628 vor­fiel.

XXXII – In Frank­reich.

XXXIII – Das Klos­ter der Kar­me­li­te­rin­nen in Bethu­ne.

XXXIV – Zwei Abar­ten von Teu­feln.

XXXV – Ein Trop­fen Was­ser.

XXXVI – Der Rot­man­tel.

XXXVII – Das Ge­richt.

XXXVIII – Die Hin­rich­tung.

XXXIX – Eine Bot­schaft des Kar­di­nals.

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Das Buch

Der be­kann­tes­te Ro­man Du­mas’ und ei­ner der ers­ten und be­lieb­tes­ten Aben­teu­er­ro­ma­ne der Li­te­ra­tur: Der jun­ge d’Ar­ta­gnan kommt 1624 nach Pa­ris um Mus­ke­tier, ein Leib­wäch­ter des Kö­nigs, zu wer­den. Statt des­sen schafft er es in sei­nem Un­ge­stüm, sich am Tage sei­ner An­kunft Duel­le mit drei Mus­ke­tie­ren ein­zu­han­deln; mit Athos, Por­thos und Ara­mis.

Der Rest ist, wie man so schön sagt, ge­schrie­be­ne Ge­schich­te: Statt sich zu du­el­lie­ren, freun­den sie sich an, müs­sen die Kö­ni­gin vor Int­ri­gen des arg­lis­ti­gen Kar­di­nals Ri­che­lieu be­wah­ren, das Ge­heim­nis der zwie­lich­ti­gen »Myla­dy« auf­de­cken und zahl­lo­se Schar­müt­zel und Schlach­ten be­ste­hen.

Du­mas er­zählt atem­los, von Hö­he­punkt zu Hö­he­punkt ei­lend, aus­ge­schmückt mit ei­ner far­ben­präch­ti­gen Spra­che, so bunt und opu­lent wie das Zeit­al­ter des Ba­rock selbst. Vor dem his­to­ri­schen Hin­ter­grund der Epo­che Lud­wigs XIII. meint der Le­ser zum stil­len, »vier­ten Mus­ke­tier« zu wer­den, der d’Ar­ta­gnan über die wehr­haf­te Schul­ter schaut.

Der aus his­to­ri­schen Tat­sa­chen und er­fun­de­nen Be­ge­ben­hei­ten ge­mix­te Stoff wur­de be­reits früh mehr­mals ver­filmt, kol­por­tiert und für Opern und Mu­si­cals ver­ar­bei­tet. Der Aus­druck »Ei­ner für alle, alle für einen« fin­det hier sei­nen Ur­sprung.

Band 1

I – Die drei Geschenke von Herrn d’Artagnans Vater.

Am ers­ten Mon­tag des Mo­nats April 1625 schi­en der Markt­fle­cken Meung, wo der Ver­fas­ser des Ro­mans der Ro­se ge­bo­ren wur­de, in ei­nem so voll­stän­di­gen Aufruhr be­grif­fen zu sein, als ob die Hu­ge­not­ten ge­kom­men wä­ren, um ein zwei­tes Ro­chel­le dar­aus zu ma­chen. Meh­re­re Bür­ger be­eil­ten sich, als sie die Frau­en die Stra­ßen ent­lang flie­hen sa­hen und die Kin­der auf den Tür­schwel­len schrei­en hör­ten, den Küraß um­zu­schnal­len und, ihre et­was un­si­che­re Hal­tung durch eine Mus­ke­te oder eine Par­ti­sa­ne un­ter­stüt­zend, sich nach der Her­ber­ge zum Frei­mül­ler zu wen­den, vor der sich von Mi­nu­te zu Mi­nu­te an­wach­send eine lär­men­de, neu­gie­ri­ge, dich­te Grup­pe dräng­te.

Zu die­ser Zeit wa­ren die pa­ni­schen Schre­cken gar häu­fig, und we­ni­ge Tage ver­gin­gen, ohne dass eine oder an­de­re Stadt ir­gend ein Er­eig­nis die­ser Art in ihre Archi­ve ein­zu­tra­gen hat­te. Da gab es ade­li­ge Her­ren, wel­che un­ter sich Krieg führ­ten; da war der Kö­nig, der den Kar­di­nal be­krieg­te; da war der Spa­nier, der den Kö­nig be­krieg­te. Au­ßer die­sen stil­len oder öf­fent­li­chen, ge­hei­men oder ge­räusch­vol­len Krie­gen, gab es Die­be, Bett­ler, Hu­ge­not­ten, Wöl­fe und La­kai­en, wel­che mit al­ler Welt Krieg führ­ten. Die Bür­ger be­waff­ne­ten sich im­mer ge­gen die Die­be, ge­gen die Wöl­fe, ge­gen die La­kai­en; – häu­fig ge­gen die ade­li­gen Her­ren und die Hu­ge­not­ten; – zu­wei­len ge­gen den Kö­nig; – aber nie ge­gen den Kar­di­nal und den Spa­nier. In­fol­ge die­ser Ge­wohn­heit ge­sch­ah es, dass die Bür­ger an ge­nann­tem ers­tem Mon­tag des Mo­nats April 1625, als sie das Geräusche hör­ten und we­der die gelb und ro­ten Stan­dar­ten, noch die Li­vree des Her­zogs von Ri­che­lieu sa­hen, nach der Her­ber­ge zum Frei­mül­ler lie­fen.

Hier an­ge­langt, ver­moch­te je­der die Ur­sa­che die­ses Lärms zu er­schau­en und zu er­ken­nen.

Ein jun­ger Men­sch… ent­wer­fen wir sein Por­trät mit ei­nem Fe­der­zu­ge: man den­ke sich Don Qui­xo­te im acht­zehn­ten Jah­re; Don Qui­xo­te ohne Brust­stück, ohne Pan­zer­hemd und ohne Bein­schie­nen; Don Qui­xo­te in ei­nem Wamms, des­sen blaue Far­be sich in eine un­be­stimm­ba­re Nuan­ce von Wein­he­fe und Him­mel­blau ver­wan­delt hat­te. Lan­ges, brau­nes Ge­sicht, her­vor­sprin­gen­de Ba­cken­kno­chen, Zei­chen der Schlau­heit, au­ßer­or­dent­lich stark ent­wi­ckel­te Kie­fer­mus­keln, ein untrüg­li­ches Zei­chen, an dem der Gas­co­gner selbst ohne Ba­ret zu er­ken­nen ist, und un­ser jun­ger Mann trug ein mit ei­ner Art von Fe­der ver­zier­tes Ba­ret; das Auge of­fen und ge­scheit; die Nase ge­bo­gen, aber fein ge­zeich­net; zu groß für einen Jüng­ling, zu klein für einen ge­mach­ten Mann, und ein un­ge­üb­tes Äuge wür­de ihn für einen rei­sen­den Päch­ters­sohn ge­hal­ten ha­ben, hät­te er nicht den lan­gen De­gen ge­tra­gen, der an ei­nem le­der­nen Wehr­ge­hän­ge be­fes­tigt an die Wa­den sei­nes Ei­gen­tü­mers schlug, wenn er zu Fuß war, und an das raue Fell sei­nes Pfer­des, wenn er ritt.

Denn un­ser jun­ger Mann hat­te ein Pferd, und die­ses Ross war eben so merk­wür­dig, als es auch wirk­lich in die Au­gen fiel. Es war ein Klep­per aus dem Bearn, zwölf bis vier­zehn Jah­re alt, von gel­ber Far­be, ohne Haa­re am Schweif, aber nicht ohne Fes­sel­ge­schwü­re an den Bei­nen, ein Tier, das, wäh­rend es den Kopf im Ge­hen tiefer hielt, als die Knie, was die An­wen­dung des Sprun­g­rie­mens über­flüs­sig mach­te, mu­tig noch sei­ne acht Mei­len im Tage zu­rück­leg­te. Un­glück­li­cher­wei­se wa­ren die ge­hei­men Vor­zü­ge die­ses Pfer­des so gut un­ter sei­ner selt­sa­men Haut und un­ter sei­nem feh­ler­haf­ten Gan­ge ver­steckt, dass in ei­ner Zeit, wo sich je­der­mann auf Pfer­de ver­stand, die Er­schei­nung der ge­nann­ten Mäh­re in Meung, wo­selbst sie vor un­ge­fähr ei­ner Vier­tel­stun­de durch das Beau­gen­cy­tor ein­ge­trof­fen war, eine all­ge­mei­ne Sen­sa­ti­on her­vor­brach­te, de­ren Un­gunst bis auf den Rei­ter zu­rück­sprang.

Und die­se Sen­sa­ti­on war für den jun­gen d’Ar­ta­gnan (so hieß der Don Qui­xo­te die­ser zwei­ten Ro­zi­nan­te), umso pein­li­cher, als er sich die lä­cher­li­che Sei­te nicht ver­ber­gen konn­te, die ihm, ein so gu­ter Rei­ter er auch war, ein sol­ches Pferd gab. Es war ihm nicht un­be­kannt, dass die­ses Tier einen Wert von höchs­tens zwan­zig Li­vres hat­te; die Wor­te, von de­nen das Ge­schenk be­glei­tet wur­de, wa­ren al­ler­dings un­schätz­bar.

»Mein Sohn,« sag­te der gas­co­g­ni­sche Edel­mann in dem rei­nen Pa­tois des Bearn, von dem sich Hein­rich IV. nie hat­te los­ma­chen kön­nen, »mein Sohn, die­ses Pferd ist in dem Hau­se Dei­nes Va­ters vor bald drei­zehn Jah­ren ge­bo­ren, und seit die­ser Zeit hier ge­blie­ben, was Dich be­we­gen muss, das­sel­be zu lie­ben. Ver­kau­fe es nie, lass es ru­hig und eh­ren­voll an Al­ters­schwä­che ster­ben, und wenn Du einen Feld­zug mit ihm machst, so scho­ne es, wie Du einen al­ten Die­ner scho­nen wür­dest. Am Hofe,« fuhr d’Ar­ta­gnan’s Va­ter fort, »wenn Du die Ehre hast da­hin zu kom­men, eine Ehre, auf die wir üb­ri­gens ver­mö­ge un­se­res al­ten Adels An­spruch ma­chen dür­fen, hal­te wür­dig Dei­nen Na­men als Edel­mann auf­recht, der von un­sern Ah­nen seit fünf­hun­dert Jah­ren auf eine ruhm­volle Wei­se ge­führt wor­den ist, hal­te ihn auf­recht für Dich und für die Dei­ni­gen. Un­ter den Dei­ni­gen ver­ste­he ich Dei­ne Ver­wand­ten und Dei­ne Freun­de; dul­de nie et­was, au­ßer von dem Herrn Kar­di­nal und von dem Kö­nig. Durch sei­nen Mut, höre wohl, nur durch sei­nen Mut, macht ein Edel­mann heut zu Tage sein Glück. Wer eine Se­kun­de zit­tert, lässt sich viel­leicht den Kö­der ent­ge­hen, wel­chen ihm das Glück ge­ra­de wäh­rend die­ser Se­kun­de dar­reich­te. Du bist jung. Du musst aus zwei Grün­den tap­fer wer­den; ein­mal weil Du ein Gas­co­gner und dann weil Du mein Sohn bist. Fürch­te die Ge­le­gen­heit nicht und su­che die Aben­teu­er; ich habe Dich den De­gen hand­ha­ben ge­lehrt. Du be­sit­zest einen ei­ser­nen Knie­bug, eine stäh­ler­ne Hand­wur­zel; schla­ge Dich bei je­der Ver­an­las­sung; schla­ge Dich umso mehr, als Zwei­kämp­fe ver­bo­ten sind, und weil es des­halb ei­nes dop­pel­ten Mu­tes be­darf, sich zu schla­gen. Mein Sohn, ich habe Dir nur fünf­zehn Ta­ler, mein Pferd und die Ratschlä­ge zu ge­ben, die Du so eben ver­nom­men hast. Dei­ne Mut­ter wird das Re­zept zu ei­nem ge­wis­sen Bal­sam bei­fü­gen, das sie von ei­ner Zi­geu­ne­rin er­hal­ten hat, und das die wun­der­ba­re Kraft be­sitzt, jede Wun­de zu hei­len, die nicht ge­ra­de das Herz be­rührt. Zie­he aus al­lem Nut­zen, lebe glück­lich und lan­ge.

Ich habe nur ein Wort bei­zu­fü­gen. Ich will Dir ein Bei­spiel nen­nen, nicht das mei­ni­ge, denn ich bin nie bei Hof er­schie­nen und habe nur die Re­li­gi­ons­krie­ge als Frei­wil­li­ger mit­ge­macht: ich spre­che von Herrn von Tre­vil­le, der einst mein Nach­bar war und die Ehre hat­te, als Kind mit un­se­rem Kö­nig Lud­wig XIII., den Gott er­hal­ten möge, zu spie­len. Zu­wei­len ar­te­ten ihre Spie­le in Schlach­ten aus, und bei die­sen Schlach­ten war der Kö­nig nicht im­mer der Stär­ke­re. Die Schlä­ge, wel­che er er­hielt, flö­ßten ihm große Ach­tung und Freund­schaft für Herrn von Tre­ville ein. Spä­ter schlug sich Herr von Tre­ville fünf­mal wäh­rend sei­ner ers­ten Rei­se nach Pa­ris mit an­de­ren? vom Tode des se­li­gen Kö­nigs an bis zur Voll­jäh­rig­keit des jun­gen, ohne die Krie­ge und Be­la­ge­run­gen zu rech­nen, sie­ben­mal, und von die­ser Voll­jäh­rig­keit an bis auf den heu­ti­gen Tag hun­dert­mal! – Nun ist er, al­len Edik­ten, Or­don­nan­zen und Ur­teilss­prü­chen zum Trotz, Ka­pi­tän der Mus­ke­tie­re, d. h. An­füh­rer ei­ner Le­gi­on von Cäsa­ren, wel­che der Kö­nig sehr hoch ach­tet und der Kar­di­nal fürch­tet, der sich sonst be­kannt­lich vor nichts zu fürch­ten pflegt. Noch mehr, Herr von Tre­ville nimmt jähr­lich 10.000 Ta­ler ein; er ist also ein sehr vor­neh­mer Herr. – Er hat an­ge­fan­gen wie Du, be­su­che ihn mit die­sem Brie­fe und rich­te Dein Be­neh­men nach sei­nen Vor­schrif­ten ein, da­mit es Dir er­ge­he, wie ihm.«

Da­rauf gür­te­te Herr d’Ar­ta­gnan’s Va­ter dem Jüng­ling sei­nen ei­ge­nen De­gen um, küss­te ihn zärt­lich auf bei­de Wan­gen und gab ihm sei­nen Se­gen.

Das vä­ter­li­che Zim­mer ver­las­send, fand der jun­ge Mann sei­ne Mut­ter, wel­che ihn mit dem be­rühm­ten Re­zep­te er­war­te­te, zu des­sen häu­fi­ger An­wen­dung die so eben er­hal­te­nen Ratschlä­ge ihn nö­ti­gen soll­ten. Der Ab­schied war von die­ser Sei­te län­ger und zärt­li­cher als von der an­de­ren. Nicht als ob Herr d’Ar­ta­gnan sei­nen Sohn, der sein ein­zi­ger Spröß­ling war, nicht ge­liebt hät­te, aber Herr d’Ar­ta­gnan war ein Mann, und er hät­te es als ei­nes Man­nes un­wür­dig er­ach­tet, sich sei­ner Rüh­rung hin­zu­ge­ben, wäh­rend Ma­da­me d’Ar­ta­gnan Weib und über­dies Mut­ter war. Sie wein­te schreck­lich, und wir müs­sen es Herrn d’Ar­ta­gnan zum Lob nach­sa­gen, dass er sich trotz sei­ner An­stren­gun­gen, ru­hig zu blei­ben, wie es die Pf­licht ei­nes zu­künf­ti­gen Mus­ke­tiers war, von der Na­tur hin­rei­ßen ließ und eine Men­ge Trä­nen ver­goss, von de­nen er nur mit großer Mühe die Hälf­te ver­ber­gen konn­te.

Am sel­ben Tage be­gab sich der jun­ge Mann auf den Weg, aus­ge­rüs­tet mit den drei vä­ter­li­chen Ge­schen­ken, wel­che, wie ge­sagt, aus fünf­zehn Ta­lern, dem Pfer­de und dem Brie­fe an Herrn von Tre­ville be­stan­den; die Ratschlä­ge wa­ren, wie man sich wohl den­ken kann, in den Kauf ge­ge­ben wor­den. Mit ei­nem sol­chen Va­de­me­cum er­schi­en d’Ar­ta­gnan in mo­ra­li­scher, wie in phy­si­scher Be­zie­hung als eine ge­treue Ko­pie des Hel­den von Cer­van­tes, mit dem wir ihn so glück­lich ver­gli­chen, als wir uns durch un­se­re Ge­schicht­schrei­ber­pflich­ten ver­an­lasst sa­hen, sein Bild zu ent­wer­fen. Don Qui­xo­te hielt die Wind­müh­len für Rie­sen und die Scha­fe für Ar­meen, d’Ar­ta­gnan nahm je­des Lä­cheln für eine Be­lei­di­gung und je­den Blick für eine Her­aus­for­de­rung. Dem­zu­fol­ge hielt er sei­ne Faust von Tar­bes bis Meung ge­schlos­sen und fuhr we­nigs­tens zehn­mal des Tags an sei­nen De­gen­knopf; die Faust traf in­des­sen kei­nen Kinn­ba­cken und der De­gen kam nicht aus der Schei­de. Nicht als ob der An­blick der un­glück­se­li­gen gel­ben Mäh­re nicht oft­mals ein Lä­cheln auf den Ge­sich­tern der Vor­über­ge­hen­den her­vor­ge­ru­fen hät­te, aber da über dem Klep­per ein De­gen von ach­tungs­wer­ter Grö­ße klirr­te und über die­sem De­gen ein mehr wil­des als stol­zes Auge glänz­te, so un­ter­drück­ten die Vor­über­ge­hen­den ihre Hei­ter­keit, oder wenn die­se Hei­ter­keit mäch­ti­ger wur­de, als die Klug­heit, so such­ten sie we­nigs­tens, wie die an­ti­ken Mas­ken, nur auf ei­ner Sei­te zu la­chen; d’Ar­ta­gnan blieb also ma­je­stä­tisch und un­ver­letzt in sei­ner Emp­find­lich­keit bis zu dem un­se­li­gen Städt­chen Meung.

Hier aber, als er an der Türe des Frei­mül­lers vom Pferd stieg, ohne dass ir­gend­je­mand, Wirt, Kell­ner oder Haus­knecht er­schi­en, um ihm den Steig­bü­gel am Auf­tritt zu hal­ten, er­blick­te d’Ar­ta­gnan an ei­nem halb­ge­öff­ne­ten Fens­ter des Erd­ge­schos­ses einen Edel­mann von schö­ner Ge­stalt und vor­neh­mem Aus­se­hen mit leicht ge­run­zel­tem Ge­sicht, der mit zwei Per­so­nen sprach, wel­che ihm mit großer Un­ter­tä­nig­keit zu­zu­hö­ren schie­nen. D’Ar­ta­gnan glaub­te ganz na­tür­lich, sei­ner Ge­wohn­heit ge­mäß, der Ge­gen­stand des Ge­sprä­ches zu sein, und horch­te. Dies­mal hat­te sich d’Ar­ta­gnan nur zur Hälf­te ge­täuscht; es war zwar nicht von ihm die Rede, aber von sei­nem Pfer­de, des­sen Ei­gen­schaf­ten der Edel­mann sei­nen Zu­hö­rern auf­zähl­te, und da die­se Zu­hö­rer, wie ge­sagt, große Ehr­furcht vor dem Er­zäh­ler zu he­gen schie­nen, so bra­chen sie je­den Au­gen­blick in ein neu­es schal­len­des Ge­läch­ter aus. Da nun ein hal­b­es Lä­cheln hin­reich­te, um den jun­gen Mann zum Zor­ne zu rei­zen, so be­greift man leicht, wel­chen Ein­druck eine so ge­räusch­vol­le Hei­ter­keit auf ihn her­vor­brin­gen muss­te.

D’Ar­ta­gnan woll­te sich je­doch vor­erst über die Phy­sio­gno­mie1 des Fre­chen be­leh­ren, der es wag­te, sich über ihn lus­tig zu ma­chen. Er hef­te­te sei­nen Blick voll Stolz auf den Frem­den und er­kann­te in ihm einen Mann von vier­zig bis fünf­und­vier­zig Jah­ren, mit schwar­zen, durch­drin­gen­den Au­gen, blei­cher Ge­sichts­far­be, stark her­vor­tre­ten­der Nase und schwar­zem, voll­kom­men zu­ge­stutz­tem Schnurr­bart; der­sel­be trug ein Wamms und veil­chen­blaue Bein­klei­der mit Schnür­nes­teln von ähn­li­cher Far­be. Die­ses Wamms und die­se Bein­klei­der schie­nen, ob­wohl neu, doch zer­knit­tert, wie lan­ge in ei­nem Man­tel­sack ein­ge­schlos­se­ne Rei­se­klei­der. D’Ar­ta­gnan mach­te alle sei­ne Be­mer­kun­gen mit der Ge­schwin­dig­keit des schärfs­ten Beo­b­ach­ters und ohne Zwei­fel von ei­nem in­stinkt­ar­ti­gen Ge­fühl an­ge­trie­ben, das ihm sag­te, die­ser Frem­de müs­se einen großen Ein­fluss auf sein zu­künf­ti­ges Le­ben aus­üben.

Da nun in dem Mo­ment, wo d’Ar­ta­gnan sein Auge auf den Edel­mann mit der veil­chen­blau­en Hose hef­te­te, die­ser Herr eine sei­ner ge­lehr­tes­ten und gründ­lichs­ten Er­läu­te­run­gen in Be­zug der be­ar­ni­schen Mäh­re zum Bes­ten gab, so bra­chen sei­ne Zu­hö­rer in ein schal­len­des Ge­läch­ter aus, und er selbst ließ au­gen­schein­lich ge­gen sei­ne Ge­wohn­heit ein blei­ches Lä­cheln, wenn man so sa­gen darf, über sein Ant­litz schwe­ben. Dies­mal konn­te kein Zwei­fel ent­ste­hen, d’Ar­ta­gnan war wirk­lich be­lei­digt. Er­füllt von die­ser Über­zeu­gung, drück­te er sein Ba­ret tief in die Au­gen und rück­te, in­dem er sich Mühe gab, ei­ni­ge von den Hof­mie­nen nach­zuah­men, die er in der Gas­co­gne bei rei­sen­den vor­neh­men Her­ren auf­ge­fan­gen hat­te, eine Hand auf das Stich­blatt sei­nes De­gens, die an­de­re auf die Hüf­te ge­stützt, vor. Lei­der ver­blen­de­te ihn der Zorn im­mer mehr, je wei­ter er vor­schritt, und statt ei­ner wür­di­gen stol­zen Rede, die er im Stil­len zu ei­ner Her­aus­for­de­rung vor­be­rei­tet hat­te, fand er auf sei­ner Zun­gen­spit­ze nichts mehr, als eine plum­pe Grob­heit, die er mit ei­ner wü­ten­den Ge­bär­de be­glei­te­te.

»He, mein Herr,« rief er, »mein Herr, der Ihr Euch hin­ter je­nem La­den ver­bergt, ja Ihr, sagt mir doch ein we­nig, über wen Ihr lacht, dann wol­len wir ge­mein­schaft­lich la­chen.«

Der Edel­mann rich­te­te lang­sam die Au­gen von dem Pfer­de auf den Rei­ter, als ob er ei­ni­ger Zeit be­dürf­te, um zu be­grei­fen, dass so selt­sa­me Wor­te an ihn ge­spro­chen wur­den; da ihm so­dann kein Zwei­fel mehr üb­rig blieb, so run­zel­te er leicht die Stir­ne, und ant­wor­te­te nach ei­ner ziem­lich lan­gen Pau­se mit ei­nem un­be­schreib­li­chen Aus­druck von Spott und Keck­heit:

»Ich spre­che nicht mit Euch.«

»Aber ich spre­che mit Euch,« rief der jun­ge Mann, ganz au­ßer sich über die­se Mi­schung von Frech­heit und gu­ten Ma­nie­ren, von An­stand und Ver­ach­tung.

Der Un­be­kann­te be­trach­te­te ihn noch einen Au­gen­blick mit sei­nem leich­ten Lä­cheln und zog sich lang­sam vom Fens­ter zu­rück, ging dann aus dem Wirts­hau­se, nä­her­te sich d’Ar­ta­gnan bis auf zwei Schrit­te und blieb vor dem Pfer­de ste­hen. Sei­ne ru­hi­ge Hal­tung und sei­ne spöt­ti­sche Mie­ne hat­ten die Hei­ter­keit der­je­ni­gen ver­mehrt, mit de­nen er plau­der­te, und die am Fens­ter ge­blie­ben wa­ren. Als d’Ar­ta­gnan ihn auf sich zu­kom­men sah, zog er sei­nen De­gen einen Fuß lang aus der Schei­de.

»Die­ses Pferd ist of­fen­bar oder war viel­mehr in sei­ner Ju­gend ein Gold­fuchs,« sprach der Un­be­kann­te, wäh­rend er in den be­gon­ne­nen Un­ter­su­chun­gen fort­fuhr, und wand­te sich da­bei an sei­ne Zu­hö­rer am Fens­ter, ohne dass er die Er­bit­te­rung d’Ar­ta­gnan’s im Ge­rings­ten zu be­ach­ten schi­en. »Es ist eine in der Bo­ta­nik sehr be­kann­te, aber bis jetzt bei den Pfer­den sehr sel­te­ne Far­be.«

»Wer über das Pferd lacht,« rief der Ne­ben­buh­ler Tre­vil­le’s wü­tend, »wür­de es nicht wa­gen, über den Herrn zu la­chen.«

»Ich la­che nicht oft, mein Herr,« er­wi­der­te der Un­be­kann­te, »wie Ihr selbst an mei­nen Ge­sichts­zü­gen wahr­neh­men könnt, aber ich möch­te mir doch ger­ne das Recht wah­ren, zu la­chen, so oft es mir be­liebt.«

»Und ich,« rief d’Ar­ta­gnan, »ich will nicht, dass ir­gend­je­mand über mich la­che, wenn es mir miss­fällt.«

»Wirk­lich, mein Herr?« er­wi­der­te der Un­be­kann­te, ru­hi­ger als je, »nun denn, das ist nicht mehr als bil­lig.«

Und auf sei­nen Fer­sen sich dre­hend, schick­te er sich an, durch das große Tor in das Gast­haus zu­rück­zu­keh­ren, wo d’Ar­ta­gnan ein völ­lig ge­sat­tel­tes Pferd wahr­ge­nom­men hat­te.

Aber d’Ar­ta­gnan be­saß nicht den Cha­rak­ter, mit dem es ihm mög­lich ge­we­sen wäre, einen Men­schen los­zu­las­sen, der die Frech­heit ge­habt hat­te, über ihn zu spot­ten. Er zog sei­nen De­gen vollends aus der Schei­de und fuhr fort, sei­nen Streit zu ver­fol­gen.

»Um­ge­dreht, mein Herr Spöt­ter, da­mit ich Euch nicht auf den Rücken schla­ge.«

»Mich schla­gen, mich?« sag­te der an­de­re, sich auf den Fer­sen um­dre­hend, und schau­te den jun­gen Mann mit eben so großer Ver­wun­de­rung als Ver­ach­tung an. »Geht, mein Lie­ber, Ihr seid ein Narr!« Dann fuhr er mit lei­ser Stim­me und als ob er mit sich selbst sprä­che, fort: »Das ist är­ger­lich; welch ein Fund für Sei­ne Ma­je­stät, wel­che über­all nach Leu­ten sucht, um die Mus­ke­tie­re zu re­kru­tie­ren.«

Er hat­te kaum vollen­det, als d’Ar­ta­gnan mit sei­ner De­gen­spit­ze einen so wü­ten­den Stoß nach ihm führ­te, dass er, ohne einen sehr ra­schen Sprung rück­wärts, wahr­schein­lich zum letz­ten Mal ge­scherzt hät­te. Der Un­be­kann­te sah jetzt, dass die Sa­che über den Spaß hin­aus­ging; er zog sei­nen De­gen, be­grüß­te sei­nen Geg­ner und nahm eine Fechter­stel­lung ein. Aber in dem­sel­ben Au­gen­blick fie­len sei­ne zwei Zu­hö­rer in Beglei­tung des Wir­tes mit Stö­cken, Schau­feln und Feu­er­zan­gen über d’Ar­ta­gnan her. Dies gab dem An­griff eine so ra­sche und voll­stän­di­ge Di­ver­si­on, dass d’Ar­ta­gnan’s Geg­ner, wäh­rend sich die­ser um­wand­te, um einen Ha­gel von Schlä­gen ab­zu­weh­ren, sei­nen De­gen mit der größ­ten Ge­las­sen­heit ein­steck­te und aus ei­nem dar­stel­len­den Mit­glied, das er bei­na­he ge­wor­den wäre, wie­der Zuschau­er des Kamp­fes wur­de, – eine Rol­le, de­ren er sich mit sei­ner ge­wöhn­li­chen Un­emp­find­lich­keit ent­le­dig­te. Nichts­de­sto­we­ni­ger mur­mel­te er durch die Zäh­ne:

»Die Pest über alle Gas­co­gner! Setzt ihn wie­der auf sein oran­ge­far­bi­ges Pferd, er mag zum Teu­fel ge­hen.«

»Nicht ohne Dich ge­tö­tet zu ha­ben, Feig­ling!« rief d’Ar­ta­gnan, wäh­rend er sich so gut als mög­lich und ohne einen Schritt zu­rück­zu­wei­chen ge­gen sei­ne drei Fein­de, die ihn mit Schlä­gen über­häuf­ten, zur Weh­re setz­te.

»Aber­mals eine Gas­con­na­de«, mur­mel­te der Edel­mann. »Bei mei­ner Ehre, die­se Gas­co­gner sind un­ver­bes­ser­lich! Setzt also den Tanz fort, da er es durch­aus ha­ben will. Wenn er ein­mal müde ist, wird er schon sa­gen, es sei ge­nug.«

Aber der Un­be­kann­te wuss­te noch nicht, mit was für ei­nem hart­nä­cki­gen Men­schen er es zu tun hat­te; d’Ar­ta­gnan war nicht der Mann, der Gna­de ge­for­dert hät­te. Der Kampf dau­er­te also noch ei­ni­ge Se­kun­den fort, doch end­lich ließ d’Ar­ta­gnan er­schöpft sei­nen De­gen fah­ren, den ein Schlag mit ei­ner Heu­ga­bel ent­zwei brach. Ein an­de­rer Schlag, wel­cher sei­ne Stir­ne traf, schmet­ter­te ihn bei­na­he zu der­sel­ben Zeit blu­tend und fast ohn­mäch­tig nie­der. In die­sem Au­gen­blick ka­men von al­len Sei­ten Leu­te auf den Schau­platz ge­lau­fen, der Wirt fürch­te­te ein är­ger­li­ches Auf­se­hen und trug den Ver­wun­de­ten mit Hil­fe ei­ni­ger Kell­ner in die Kü­che, wo man ihm Pfle­ge an­ge­dei­hen ließ.

Der Edel­mann aber hat­te sei­nen frü­he­ren Platz am Fens­ter wie­der ein­ge­nom­men und be­trach­te­te mit ei­ner ge­wis­sen Un­ge­duld die um­her­ste­hen­de Men­ge, de­ren Ver­wei­len ihm sehr är­ger­lich zu sein schi­en.

»Nun! wie geht es dem Wü­ten­den?« sag­te er, in­dem er sich bei dem durch das Öff­nen der Türe ver­ur­sach­ten Geräusch um­kehr­te und an den Wirt wand­te, der sich nach des­sen Be­fin­den er­kun­digt hat­te. – »Ew. Ex­zel­lenz ist ge­sund und wohl­be­hal­ten?« frag­te der Wirt. – »Ja, voll­kom­men wohl und ge­sund, mein lie­ber Wirt, und ich fra­ge Euch, was aus un­se­rem jun­gen Men­schen ge­wor­den ist?« – »Es geht bes­ser mit ihm,« er­wi­der­te der Wirt: »er ist in Ohn­macht ge­fal­len.« – »Wirk­lich?« sprach der Edel­mann.

»Doch ehe er in Ohn­macht fiel, raff­te er alle sei­ne Kräf­te zu­sam­men, rief nach Euch und for­der­te Euch her­aus.« – »Die­ser Bur­sche ist also der leib­haf­ti­ge Teu­fel!« rief der Un­be­kann­te. – »O nein, Ew. Ex­zel­lenz, es ist kein Teu­fel,« ent­geg­ne­te der Wirt mit ei­ner ver­ächt­li­chen Gri­mas­se, »denn wäh­rend sei­ner Ohn­macht ha­ben wir ihn durch­sucht und in sei­nem Päck­chen nicht mehr als ein Hemd, in sei­ner Bör­se nicht mehr als zwölf Ta­ler ge­fun­den, was ihn je­doch nicht ab­hielt, kurz be­vor er in Ohn­macht fiel, zu be­mer­ken, wenn der­glei­chen in Pa­ris ge­sche­hen wäre, so müss­tet Ihr dies so­gleich be­reu­en, wäh­rend Ihr es hier erst spä­ter be­reu­en wür­det.« – »Dann ist er ir­gend ein ver­klei­de­ter Prinz von Ge­blüt,« sag­te der Un­be­kann­te kalt. – »Ich tei­le Euch dies mit, gnä­di­ger Herr,« ver­setz­te der Wirt, »da­mit Ihr auf Eu­rer Hut sein mö­get.« – »Und er hat nie­mand in sei­nem Zorn ge­nannt?« – »Al­ler­dings, er schlug an sei­ne Ta­sche und sag­te: ›Wir wol­len se­hen, was Herr von Tre­ville zu der Be­lei­di­gung sa­gen wird, die sei­nem Schütz­ling wi­der­fah­ren ist.‹« – »Herr von Tre­ville?« sprach der Un­be­kann­te mit stei­gen­der Auf­merk­sam­keit; »er schlug an sei­ne Ta­sche, wäh­rend er den Na­men des Herrn von Tre­ville aus­sprach?… Hört, mein lie­ber Wirt, in­des Euer jun­ger Mann in Ohn­macht lag, habt Ihr si­cher­lich nicht ver­säumt, ein we­nig in die­se Ta­sche zu schau­en. Was fand sich dar­in?« – »Ein Brief, mit der Adres­se des Herrn von Tre­ville, Ka­pi­täns der Mus­ke­tie­re.« – »Wirk­lich?« – »Es ist, wie ich Ew. Ex­zel­lenz zu sa­gen die Ehre habe.«

Der Wirt, wel­cher eben nicht mit über­großem Scharf­sinn be­gabt war, ge­wahr­te den Aus­druck nicht, den sei­ne Wor­te auf dem Ge­sich­te des Un­be­kann­ten her­vor­rie­fen. Die­ser ent­fern­te sich von dem Ge­sim­se des Kreuz­stocks, auf das er sich bis jetzt mit dem Ell­bo­gen ge­stützt hat­te, und fal­te­te die Stir­ne, wie ein Mensch, den et­was be­un­ru­higt.

»Teu­fel!« mur­mel­te er zwi­schen den Zäh­nen, »soll­te mir Tre­ville die­sen Gas­co­gner ge­schickt ha­ben? Er ist noch sehr jung! Aber ein De­gen­stich bleibt ein De­gen­stich, wel­ches Al­ter auch sein Spen­der ha­ben mag, und man nimmt sich vor ei­nem jun­gen Bür­sch­chen we­ni­ger in Acht, als vor an­de­ren Leu­ten; Zu­wei­len ge­nügt ein schwa­ches Hin­der­nis, um ei­nem großen Plan in den Weg zu tre­ten.«

Und der Un­be­kann­te ver­sank in ein Nach­den­ken, das ei­ni­ge Mi­nu­ten währ­te.

»Hört ein­mal, Wirt,« sag­te er, »wer­det Ihr mich nicht von die­sem Wü­ten­den be­frei­en? Ich kann ihn mit gu­tem Ge­wis­sen nicht tö­ten, und den­noch,« füg­te er mit ei­nem kalt dro­hen­den Aus­dru­cke bei, »ist er mir un­be­quem. Wo ver­weilt er?« – »Im ers­ten Stock in der Stu­be mei­ner Frau, wo man ihn ver­bin­det.« – »Hat er Klei­dungs­stücke und sei­ne Ta­sche bei sich? Er hat sein Wamms nicht aus­ge­zo­gen?« – »Al­les dies blieb im Ge­gen­teil un­ten in der Kü­che. Aber wenn Euch die­ser jun­ge Laf­fe un­be­quem ist…?«

»Ge­wiss. Er ver­an­lasst in Eu­rem Gast­haus ein Är­ger­nis, das ehr­li­che Leu­te nicht aus­hal­ten kön­nen. Geht hin­auf, macht mei­ne Rech­nung und be­nach­rich­tigt mei­nen La­kai­en.« – »Wie! gnä­di­ger Herr, Ihr ver­las­set uns schon?« – »Ihr konn­tet es dar­aus se­hen, dass ich Euch Be­fehl ge­ge­ben hat­te, mein Pferd zu sat­teln. Hat man mir nicht Fol­ge ge­leis­tet?« – »Al­ler­dings, und das Pferd steht völ­lig auf­ge­zäumt un­ter dem großen Tor, wie Ew. Ex­zel­lenz selbst hat se­hen kön­nen.« – »Das ist gut. Tut, was ich Euch ge­sagt habe.«

»Oh weh!« sprach der Wirt zu sich selbst; »soll­te er vor dem klei­nen Jun­gen ban­ge ha­ben?«

Aber ein ge­bie­te­ri­scher Blick des Un­be­kann­ten mach­te sei­nen Ge­dan­ken rasch ein Ende. Er ver­beug­te sich de­mü­tig und ging ab.

»Myla­dy soll die­sen Bur­schen nicht ge­wahr wer­den,« fuhr der Frem­de fort; »sie muss bald kom­men; sie bleibt schon all­zu­lan­ge aus. Of­fen­bar ist es bes­ser, wenn ich zu Pfer­de stei­ge und ihr ent­ge­gen­rei­te… Könn­te ich nur er­fah­ren, was die­ser Brief an Tre­ville ent­hält!« Und un­ter fort­wäh­ren­dem Mur­meln wand­te sich der Frem­de nach der Kü­che.

In­zwi­schen war der Wirt, der nicht dar­an zwei­fel­te, dass die Ge­gen­wart des jun­gen Men­schen den Un­be­kann­ten aus sei­ner Her­ber­ge trei­be, zu sei­ner Frau hin­auf­ge­gan­gen und hat­te d’Ar­ta­gnan hier wie­der ge­fun­den. Er mach­te ihm be­greif­lich, die Po­li­zei könn­te ihm einen schlim­men Streich spie­len, da er mit ei­nem vor­neh­men Herrn Streit an­ge­fan­gen habe, denn nach der Mei­nung des Wir­tes konn­te der Un­be­kann­te nur ein vor­neh­mer Herr sein, und er ver­an­lass­te ihn, trotz sei­ner Schwä­che auf­zu­ste­hen und sei­nen Weg fort­zu­set­zen. Halb be­täubt, ohne Wamms und den Kopf mit Lein­wand um­wi­ckelt, stand d’Ar­ta­gnan auf und ging, vom Wir­te ge­drängt, die Trep­pe hin­ab; aber als er in die Kü­che kam, war das ers­te, was er be­merk­te, sein Geg­ner, der am Fuß­tritt ei­ner schwe­ren, mit zwei plum­pen nor­man­ni­schen Pfer­den be­spann­ten Ka­ros­se ru­hig plau­der­te.

Die Frau, mit der er sprach, war eine Frau von zwan­zig bis zwei­und­zwan­zig Jah­ren, de­ren Kopf in den Kut­schen­schlag ein­ge­rahmt schi­en. Wir ha­ben be­reits er­wähnt, mit wel­cher Rasch­heit d’Ar­ta­gnan eine Phy­sio­gno­mie auf­zu­fas­sen wuss­te; er sah also auf den ers­ten Blick, dass die Frau jung und hübsch war. Die­se Schön­heit fiel ihm umso mehr auf, als sie eine in den süd­li­chen Ge­gen­den, wel­che d’Ar­ta­gnan bis jetzt be­wohnt hat­te, ganz frem­de Er­schei­nung war. Es war eine Blon­di­ne mit lan­gen, auf die Schul­tern her­ab­fal­len­den Lo­cken, großen, schmach­ten­den, blau­en Au­gen, ro­si­gen Lip­pen und Ala­bas­ter­hän­den; sie sprach sehr leb­haft mit dem Un­be­kann­ten.

»Also be­fiehlt mir Sei­ne Emi­nenz…« sag­te die Dame. – »So­gleich nach Eng­land zu­rück­zu­keh­ren und sie zu be­nach­rich­ti­gen, ob der Her­zog Lon­don ver­las­sen hat.« – »Und was mei­ne üb­ri­gen In­struk­tio­nen be­trifft?…« frag­te die schö­ne Rei­sen­de. – »Sie sind in die­ser Kap­sel ent­hal­ten, wel­che Ihr erst jen­seits des Kanals öff­nen dür­fet.« – »Sehr wohl; und Ihr, was macht Ihr?« – »Ich keh­re nach Pa­ris zu­rück.«

»Ohne das fre­che Bür­sch­chen zu züch­ti­gen?« frag­te die Dame.

Der Un­be­kann­te war im Be­griff zu ant­wor­ten, aber in dem Au­gen­blick, wo er den Mund öff­ne­te, sprang d’Ar­ta­gnan, der al­les ge­hört hat­te, auf die Tür­schwel­le.

»Das fre­che Bür­sch­chen züch­tigt an­de­re,« rief er, »und ich hof­fe, dass der­je­ni­ge, wel­chen er zu züch­ti­gen hat, ihm dies­mal nicht ent­kom­men wird, wie das ers­te­mal.«

»Nicht ent­kom­men wird?« ent­geg­ne­te der Un­be­kann­te, die Stir­ne fal­tend.

»Nein, vor ei­ner Dame, den­ke ich, wer­det Ihr nicht zu flie­hen wa­gen.«

»Be­denkt,« rief Myla­dy, als sie sah, dass der Edel­mann die Hand an den De­gen leg­te, »be­denkt, dass die ge­rings­te Zö­ge­rung al­les ver­der­ben kann.«

»Ihr habt recht,« rief der Edel­mann, »reist also Eu­rer­seits, ich tue des­glei­chen.«

Und in­dem er der Dame mit dem Kopf zu­nick­te, sprang er zu Pfer­de, wäh­rend der Kut­scher der Ka­ros­se sein Ge­spann kräf­tig mit der Peit­sche an­trieb. Die zwei Spre­chen­den ent­fern­ten sich also im Ga­lopp, je­des in ei­ner ent­ge­gen­ge­setz­ten Rich­tung der Stra­ße.

»Heda! Eure Rech­nung,« schrie der Wirt, des­sen Er­ge­ben­heit für den Rei­sen­den sich in tie­fe Ver­ach­tung ver­wan­del­te, als er sah, dass er ab­ging, ohne sei­ne Ze­che zu be­zah­len.

»Be­zah­le, Sch­lin­gel,« rief der Rei­sen­de stets ga­lop­pie­rend sei­nem Be­dien­ten zu, der dem Wirt ein Paar Geld­stücke vor die Füße warf und dann ei­ligst sei­nem Herrn nach­ga­lop­pier­te.

»Ha, Feig­ling, ha, Elen­der, ha, falscher Edel­mann!« rief d’Ar­ta­gnan und lief dem Be­dien­ten nach.

Aber der Ver­wun­de­te war noch zu schwach, um eine sol­che Er­schüt­te­rung aus­zu­hal­ten. Kaum hat­te er zehn Schrit­te ge­macht, so klan­gen ihm die Ohren, er sah nichts mehr, eine Blut­wol­ke zog über sei­ne Au­gen hin und er stürz­te un­ter dem be­stän­di­gen Ge­schrei: »Feig­ling! Feig­ling! Feig­ling!« auf die Stra­ße nie­der.

»Er ist in der Tat sehr feig!« mur­mel­te der Wirt, in­dem er sich d’Ar­ta­gnan nä­her­te und sich durch die­se Schmei­che­lei mit dem ar­men Jun­gen zu ver­söh­nen such­te, wie der Held in der Fa­bel mit sei­ner Schne­cke.

»Ja, sehr feig,« sag­te d’Ar­ta­gnan mit schwa­cher Stim­me, »aber sie ist sehr schön.«

»Wer sie?« frag­te der Wirt.

»Myla­dy,« stam­mel­te d’Ar­ta­gnan und fiel zum zwei­ten Mal in Ohn­macht.

»Gleich viel,« sprach der Wirt, »es bleibt mir doch die­ser da, den ich si­cher­lich ei­ni­ge Tage be­hal­ten wer­de. Da las­sen sich im­mer­hin elf Ta­ler ver­die­nen.«

Man weiß be­reits, dass sich der In­halt von d’Ar­ta­gnans Bör­se ge­ra­de auf elf Ta­ler be­lief.

Der Wirt hat­te auf elf Tage Krank­heit den Tag zu ei­nem Ta­ler ge­rech­net; aber er hat­te die Rech­nung ohne sei­nen Rei­sen­den ge­macht. Am an­de­ren Mor­gen stand d’Ar­ta­gnan schon um fünf Uhr auf, ging in die Kü­che hin­ab, ver­lang­te au­ßer ei­ni­gen an­de­ren In­gre­di­en­zi­en, de­ren Lis­te uns nicht zu­ge­kom­men ist, Wein, Öl, Ros­ma­rin, und be­rei­te­te sich, das Re­zept sei­ner Mut­ter in der Hand, einen Bal­sam, mit dem er sei­ne zahl­rei­chen Wun­den salb­te; dann er­neu­er­te er sei­ne Kom­pres­sen selbst und woll­te kei­ne ärzt­li­che Hil­fe­leis­tung ge­stat­ten. Der Wirk­sam­keit des Zi­geu­ner­bal­sams und ohne Zwei­fel auch ein we­nig der Ab­we­sen­heit je­des Arz­tes hat­te es d’Ar­ta­gnan zu dan­ken, dass er schon an dem­sel­ben Abend wie­der auf den Bei­nen und am an­de­ren Tag bei­na­he völ­lig ge­heilt war.

In dem Au­gen­blick aber, als er den Ros­ma­rin, das Öl und den Wein be­zah­len woll­te – die ein­zi­ge Aus­ga­be des Herrn, der stren­ge Diät hielt, wäh­rend das gel­be Ross, we­nigs­tens nach der Aus­sa­ge des Wir­tes, drei­mal so viel ge­fres­sen hat­te, als sich ver­nünf­ti­ger­wei­se bei sei­ner Ge­stalt vor­aus­set­zen ließ – fand d’Ar­ta­gnan m sei­ner Ta­sche nur noch sei­ne klei­ne Samt­bör­se, so­wie die elf Ta­ler, wel­che sie ent­hielt; je­doch der Brief an Herrn von Tre­ville war ver­schwun­den.

Der jun­ge Mann such­te an­fangs die­sen Brief mit großer Ge­duld, dreh­te sei­ne Ta­schen um und um, durch­wühl­te sei­nen Man­tel­sack, öff­ne­te und schloss sei­ne Bör­se wie­der und wie­der, als er aber die Über­zeu­gung ge­won­nen hat­te, dass der Brief nicht mehr zu fin­den war, ge­riet er in einen drit­ten An­fall von Wut, der ihn leicht zu ei­nem neu­en Ver­brauch von aro­ma­ti­schem Wein und Öl ver­an­las­sen konn­te; denn als man sah, dass die­ser jun­ge Brau­se­kopf sich er­hitz­te und droh­te, er wer­de al­les im Hau­se kurz und klein schla­gen, wenn man sei­nen Brief nicht fin­de, da er­griff der Wirt einen Spieß, sei­ne Frau einen Be­senstiel, und sein Auf­wär­ter nahm von den­sel­ben Stö­cken, wel­che zwei Tage vor­her be­nützt wor­den wa­ren.

»Mei­nen Emp­feh­lungs­brief,« schrie d’Ar­ta­gnan, »mei­nen Emp­feh­lungs­brief, oder ich spie­ße Euch alle wie Or­to­la­ne.«

D’Artagnan

Un­glück­li­cher­wei­se trat ein Um­stand der Aus­füh­rung sei­ner Dro­hung in den Weg; sein De­gen war er­wähn­ter­ma­ßen beim ers­ten Kampf in zwei Stücke zer­bro­chen wor­den, was er völ­lig ver­ges­sen hat­te. Als d’Ar­ta­gnan wirk­lich vom Le­der zie­hen woll­te, sah er sich ganz ein­fach mit ei­nem De­gen­stump­fe von acht bis zehn Zoll be­waff­net, den der Wirt sorg­fäl­tig wie­der in die Schei­de ge­steckt hat­te. Den üb­ri­gen Teil der Klin­ge hat­te der Herr der Her­ber­ge ge­schickt auf die Sei­te ge­bracht, um sich einen Brat­spieß dar­aus zu ma­chen.

Die­se Ent­täu­schung dürf­te wohl un­sern jäh­zor­ni­gen jun­gen Mann nicht zu­rück­ge­hal­ten ha­ben, aber der Wirt be­dach­te, dass die For­de­rung, die sein Rei­sen­der an ihn stell­te, eine völ­lig ge­rech­te war.

»In der Tat,« sprach er und senk­te da­bei sei­nen Spieß, »wo ist der Brief?«

»Wo ist die­ser Brief?« rief d’Ar­ta­gnan. »Ich sage Euch vor al­lem, dass die­ser Brief für Herrn von Tre­ville be­stimmt ist, und dass er sich wie­der­fin­den muss; ist dies nicht der Fall, so wird Er schon ma­chen, dass er ge­fun­den wird!«

Die­se Dro­hung schüch­ter­te den Wirt vollends ein. Nach dem Kö­nig und dem Herrn Kar­di­nal war Herr von Tre­ville der­je­ni­ge Mann, des­sen Na­men viel­leicht am öf­tes­ten von den Mi­li­tär­en und so­gar von den Bür­gern wie­der­holt wur­de. Wohl war noch der Pa­ter Jo­seph vor­han­den, aber sein Name wur­de im­mer nur ganz lei­se aus­ge­spro­chen, so groß war der Schre­cken, den die graue Emi­nenz ein­flö­ßte, wie man den Ver­trau­ten des Kar­di­nals nann­te.

Er warf also sei­nen Spieß weit von sich, be­fahl sei­ner Frau, das­sel­be mit ih­rem Be­senstiel zu tun, und sei­nen Die­nern, ihre Stö­cke weg­zu­le­gen; dann ging er mit gu­tem Bei­spiel vor­an und be­gann nach dem ver­lo­re­nen Brief zu su­chen.

»Ent­hielt die­ser Brief et­was Wert­vol­les?« sag­te der Wirt, nach­dem er einen Au­gen­blick frucht­los ge­sucht hat­te. – »Hei­li­ger Gott, ich glau­be es wohl!« er­wi­der­te der Gas­co­gner, der mit Hil­fe die­ses Schrei­bens sei­nen Weg zu ma­chen hoff­te, »er ent­hielt mein Glück.« – »An­wei­sun­gen auf Spa­ni­en?« frag­te der Wirt un­ru­hig. – »An­wei­sun­gen auf den Pri­vatschatz Sei­ner Ma­je­stät,« er­wi­der­te d’Ar­ta­gnan, der dar­auf zähl­te, er wer­de durch die­se Emp­feh­lung in den Dienst des Kö­nigs auf­ge­nom­men wer­den, und des­halb ohne zu lü­gen die­se et­was ke­cke Ant­wort ge­ben zu kön­nen glaub­te.

»Teu­fel!« rief der Wirt ganz in Verzweif­lung.

»Aber dar­an liegt nichts,« fuhr d’Ar­ta­gnan mit ganz na­tio­na­ler Dreis­tig­keit fort, »dar­an liegt nichts, das Geld kommt gar nicht in Be­tracht; der Brief war al­les. Ich hät­te lie­ber tau­send Pis­to­len ver­lo­ren, als die­sen Brief.«

Er wür­de nicht mehr ge­wagt ha­ben, wenn er zwan­zig tau­send ge­sagt hät­te, aber eine ge­wis­se ju­gend­li­che Schüch­tern­heit hielt ihn zu­rück.

Ein Licht­strahl durch­drang plötz­lich den Geist des Wir­tes, der von ei­nem ent­setz­li­chen Grau­en be­fal­len wur­de, als er nichts fand.

»Die­ser Brief ist durch­aus nicht ver­lo­ren,« rief er.

»Ah!« seufz­te d’Ar­ta­gnan. – »Nein, er ist Euch ge­stoh­len wor­den.« – »Ge­stoh­len! und von wem?« – »Von dem Edel­mann von ges­tern. Er ist in die Kü­che hin­ab­ge­gan­gen, wo Euer Wamms lag, und da­selbst al­lein ge­blie­ben. Ich woll­te wet­ten, dass er ihn ge­stoh­len hat.«

»Ihr glaubt?« er­wi­der­te d’Ar­ta­gnan nicht sehr über­zeugt, denn er kann­te den ganz per­sön­li­chen Be­lang die­ses Brie­fes und sah nichts da­bei, was einen an­de­ren nach dem Be­sitz des­sel­ben hät­te lüs­tern ma­chen kön­nen. Kei­ner von den Die­nern, kei­ner von den an­we­sen­den Gas­ten wür­de et­was da­mit ge­won­nen ha­ben, wenn er sich das Pa­pier zu­ge­eig­net hät­te.

»Ihr sagt also,« ver­setz­te d’Ar­ta­gnan, »Ihr ha­bet die­sen fre­chen Edel­mann im Ver­dacht?«

»Ich sage, dass ich voll­kom­men hier­von über­zeugt bin,« fuhr der Wirt fort; »als ich ihm mit­teil­te, Ew. Herr­lich­keit sei ein Schütz­ling des Herrn von Tre­ville, und Ihr hät­tet so­gar einen Brief an die­sen er­lauch­ten Herrn, da schi­en er sehr un­ru­hig zu wer­den und frag­te mich, wo die­ser Brief sei; dann ging er so­gleich in die Kü­che hin­ab, weil er wuss­te, dass Euer Wamms dort lag.«

»Dann ist er mein Dieb,« sag­te d’Ar­ta­gnan, »ich wer­de mich bei Herrn von Tre­ville dar­über be­kla­gen, und Herr von Tre­ville wird sich beim Kö­nig be­kla­gen.« So­fort zog er ma­je­stä­tisch zwei Ta­ler aus sei­ner Ta­sche, gab sie dem Wirt, der ihn mit dem Hut in der Hand bis vor die Türe be­glei­te­te, und be­stieg wie­der sein gel­bes Ross, das ihn ohne wei­te­ren Un­fall bis zu der Por­te Saint-An­to­i­ne in Pa­ris trug, wo es der Ei­gen­tü­mer um drei Ta­ler ver­kauf­te, was sehr gut be­zahlt war, da d’Ar­ta­gnan es auf dem letz­ten Marsch be­deu­tend über­trie­ben hat­te. Der Ross­kamm, wel­chem d’Ar­ta­gnan die Mäh­re ge­gen er­wähn­te neun Li­vres ab­trat, ver­barg auch dem jun­gen Mann kei­nes­wegs, dass er die­se au­ßer­or­dent­li­che Sum­me nur we­gen der ori­gi­nel­len Far­be des Tie­res be­zah­le.

D’Ar­ta­gnan hielt also zu Fuß sei­nen Ein­zug in Pa­ris, trug sein Päck­chen un­ter dem Arm und mar­schier­te so lan­ge um­her, bis er eine Stu­be zu mie­ten fand, die der Ge­ring­fü­gig­keit sei­ner Mit­tel ent­sprach. Die­se Stu­be war eine Art von Man­sar­de und lag in der Rue de Fos­soy­eurs in der Nähe des Lu­xem­burg.

So­bald d’Ar­ta­gnan die Mie­te be­zahlt hat­te, nahm er Be­sitz von sei­ner Woh­nung und brach­te den üb­ri­gen Teil des Ta­ges da­mit hin, dass er an sein Wamms und an sei­ne St­rümp­fe Po­sa­men­ten an­näh­te, die sei­ne Mut­ter von ei­nem bei­na­he neu­en Wamm­se des Herrn d’Ar­ta­gnan’s Va­ters ab­ge­trennt und ihm ins­ge­heim zu­ge­steckt hat­te. Dann ging er auf den Quai de la Fer­rail­le, um eine neue Klin­ge in sei­nen De­gen ma­chen zu las­sen, hier­auf nach dem Lou­vre und er­kun­dig­te sich bei dem ers­ten Mus­ke­tier, dem er be­geg­ne­te, nach dem Ho­tel des Herrn von Tre­ville, wel­ches in der Rue du Vieux-Co­lom­bier lag, das heißt, ganz in der Nähe der Woh­nung, wel­che d’Ar­ta­gnan ge­mie­tet hat­te – ein Um­stand, der ihm als ein glück­li­ches Vor­zei­chen für den Er­folg sei­ner Rei­se er­schi­en.

Zufrie­den mit der Art und Wei­se, wie er sich in Meung be­nom­men hat­te, ohne Ge­wis­sens­bis­se we­gen der Ver­gan­gen­heit, voll Ver­trau­en aus die Ge­gen­wart, voll Hoff­nung für die Zu­kunft, leg­te er sich hier­auf nie­der und schlief den Schlaf des Ge­rech­ten.

Die­ser noch ganz pro­vinz­mä­ßi­ge Schlaf währ­te bis zur neun­ten Stun­de des Mor­gens, wo er auf­stand, um sich zu dem be­rühm­ten Herrn von Tre­ville, der drit­ten Per­son des Rei­ches nach der vä­ter­li­chen Schät­zung, zu be­ge­ben.

Die äu­ße­re Er­schei­nung von Le­be­we­sen, ins­be­son­de­re des Men­schen und hier spe­zi­ell die für einen Men­schen cha­rak­te­ris­ti­schen Ge­sichts­zü­ge.  <<<

II – Das Vorzimmer des Herrn von Treville.

Herr von Trois­ville, wie sei­ne Fa­mi­lie in der Gas­co­gne noch hieß, oder Herr von Tre­ville, wie er sich selbst am Ende in Pa­ris nann­te, hat­te wirk­lich ge­ra­de wie d’Ar­ta­gnan an­ge­fan­gen, näm­lich ohne einen Sou Gel­des­wert, aber mit je­nem Grund­stock von Kühn­heit, Geist und Aus­dau­er, worin der ärms­te gas­co­g­ni­sche Kraut­jun­ker mehr an Hoff­nun­gen zum vä­ter­li­chen Erb­teil er­hält, als der reichs­te Edel­mann des Pe­rigord oder Ber­ry in Wirk­lich­keit emp­fängt. Sein ke­cker Mut und sein noch viel ke­cke­res Glück in ei­ner Zeit, wo die Schlä­ge wie Ha­gel fie­len, hat­ten ihn auf die Höhe der schwer er­klimm­ba­ren Lei­ter ge­ho­ben, die man Hof­gunst nennt, und de­ren Stu­fen er vier und vier auf ein­mal er­stie­gen hat­te.

Er war der Freund des Kö­nigs, der, wie je­der­mann weiß, das An­den­ken sei­nes Va­ters Hein­rich IV. sehr in Ehren hielt. Der Va­ter des Herrn von Tre­ville hat­te ihm in sei­nen Krie­gen ge­gen die Ligue so treu ge­dient, dass er ihm in Er­man­ge­lung von ba­rem Geld – eine Sa­che, die dem Bear­ner sein gan­zes Le­ben lang ab­ging, denn er be­zahl­te sei­ne Schul­den stets mit dem ein­zi­gen Ding, das er nicht zu ent­leh­nen brauch­te, mit Witz – dass ihm in Er­man­ge­lung von ba­rem Geld, sa­gen wir, nach der Über­ga­be von Pa­ris die Voll­macht ver­lieh, als Wap­pen ei­nes gol­de­nen Lö­wen im ro­ten Fel­de mit dem Wahl­spruch: fi­de­lis et for­tis zu füh­ren; das war viel in Be­zug auf Ehre, aber mit­tel­mä­ßig in Be­zug auf Ver­mö­gen. Als der be­rühm­te Ge­fähr­te des großen Hein­rich starb, hin­ter­ließ er also sei­nem Herrn Sohn als ein­zi­ges Erbe nur sei­nen De­gen und sei­nen Wahl­spruch. Die­ser dop­pel­ten Gabe und dem fle­cken­lo­sen Na­men, von dem sie be­glei­tet war, hat­te Herr von Tre­ville sei­ne Auf­nah­me un­ter die Haus­trup­pen des jun­gen Fürs­ten zu ver­dan­ken, wo er sich so gut sei­nes Schwer­tes be­dien­te, und sei­ner De­vi­se so treu war, dass Lud­wig XIII., ei­ner der bes­ten De­gen sei­nes Kö­nig­reichs, zu sa­gen pfleg­te, wenn er einen Freund hät­te, der sich schla­gen woll­te, so wür­de er ihm den Rat ge­ben, zum Se­kun­dan­ten zu­erst ihn selbst und dann Herrn von Tre­ville oder so­gar viel­leicht die­sen vor ihm zu neh­men.

Lud­wig XIII. heg­te eine wah­re An­häng­lich­keit an Tre­ville, eine kö­nig­li­che An­häng­lich­keit, eine selbst­süch­ti­ge An­häng­lich­keit al­ler­dings, dar­um aber nicht min­der eine An­häng­lich­keit. In die­ser un­glück­li­chen Zeit streb­te man mit al­ler Macht da­nach, sich mit Män­nern von dem Schla­ge Tre­vil­le’s zu um­ge­ben. Vie­le konn­ten sich den Bein­amen for­tis ge­ben, der die zwei­te Hälf­te sei­ner De­vi­se bil­de­te, aber we­ni­ge Edel­leu­te hat­ten An­spruch dar­auf, sich fi­de­lis zu nen­nen, wie der ers­te Teil hieß. Tre­ville ge­hör­te zu den letz­te­ren; er war eine von den sel­te­nen Or­ga­ni­sa­tio­nen mit dem ge­hor­chen­den Ver­stan­de des Hun­des, dem blin­den Mut, dem ra­schen Auge, der schnel­len Hand, ein Mann, dem das Auge nur ge­ge­ben schi­en, um zu se­hen, ob der Kö­nig mit je­mand un­zu­frie­den war, und die­sen je­mand, einen Bes­me, einen Mau­re­vers, einen Pol­trot von Meré, einen Vitry nie­der­zu­schla­gen. Tre­ville hat­te bis jetzt nur die Ge­le­gen­heit ge­fehlt, aber er lau­er­te dar­auf, er hat­te sich ge­lobt, sie beim Schop­fe zu fas­sen, so­bald sie in den Be­reich sei­ner Hand käme. Lud­wig XIII. mach­te Tre­ville zum Ka­pi­tän sei­ner Mus­ke­tie­re, wel­che in Be­zug auf Er­ge­ben­heit oder viel­mehr auf Fa­na­tis­mus für ihn das­sel­be wa­ren, was die schot­ti­sche Leib­wa­che für Lud­wig XI. und die Or­di­nären für Hein­rich III.

Der Kar­di­nal sei­ner Sei­te blieb in die­ser Be­zie­hung nicht hin­ter dem Kö­nig zu­rück. Als die­ser zwei­te oder viel­mehr ers­te Kö­nig von Frank­reich die furcht­ba­re Eile wahr­nahm, mit der sich Lud­wig XIII. sei­ne Um­ge­bung schuf, woll­te er eben­falls sei­ne Leib­wa­che ha­ben. Er hat­te also sei­ne Mus­ke­tie­re, wie Lud­wig XIII. und man sah die­sen mäch­ti­gen Ne­ben­buh­ler in al­len Pro­vin­zen Frank­reichs und so­gar in aus­wär­ti­gen Staa­ten die be­rühm­tes­ten Kampf­häh­ne aus­he­ben. Lud­wig XIII. und Ri­che­lieu strit­ten sich auch oft, wenn sie abends eine Par­tie Schach spiel­ten, über die Ver­diens­te ih­rer An­hän­ger. Je­der lob­te den Mut und die Hal­tung der sei­ni­gen, und wäh­rend sie sich laut ge­gen Zwei­kämp­fe und Hän­del aus­spra­chen, sta­chel­ten sie die­sel­ben ganz in der Stil­le ge­gen­ein­an­der auf, und das Un­ter­lie­gen oder der Sieg ih­rer Leu­te be­rei­te­te ih­nen wah­ren Kum­mer oder eine maß­lo­se Freu­de. So er­zäh­len we­nigs­tens die Me­moi­ren ei­nes Man­nes, der bei ei­ni­gen die­ser Nie­der­la­gen und bei vie­len von die­sen Sie­gen be­tei­ligt war.

Tre­ville hat­te sei­nen Herrn bei der schwa­chen Sei­te ge­fasst, und die­ser Ge­schick­lich­keit ver­dank­te er die lan­ge und be­stän­di­ge Gunst ei­nes Kö­nigs, der nicht den Ruf großer Treue in sei­nen Freund­schaf­ten hin­ter­las­sen hat. Mit ei­nem ver­schmitz­ten Lä­cheln ließ er sei­ne Mus­ke­tie­re vor dem Kar­di­nal Ar­mand Dup­les­sis pa­ra­die­ren, wo­bei sich die Haa­re im Schnurr­bart Sr. Emi­nenz vor Zorn sträub­ten. Tre­ville ver­stand sich vor­treff­lich auf den Krieg die­ser Zeit, wo man, wenn man nicht auf Kos­ten des Fein­des le­ben konn­te, auf Kos­ten sei­ner Lands­leu­te leb­te; sei­ne Sol­da­ten bil­de­ten eine ge­gen je­der­mann, nur ge­gen ihn nicht, un­bot­mä­ßi­ge Le­gi­on le­ben­di­ger Teu­fel.

Hals und Brust ent­blö­ßt, be­trun­ken, ver­brei­te­ten sich die Mus­ke­tie­re des Kö­nigs, oder viel­mehr des Herrn von Tre­ville, in den Schen­ken, auf den Spa­zier­gän­gen, bei den öf­fent­li­chen Spie­len, schri­en, stri­chen ih­ren Schnurr­bart, lie­ßen ihre De­gen klir­ren, ver­setz­ten aus lau­ter Mut­wil­len den Leib­wa­chen des Herrn Kar­di­nals Rip­pen­stö­ße und zo­gen un­ter tau­sen­der­lei Scher­zen am hel­len Tag auf of­fe­ner Stra­ße vom Le­der; sie wur­den zu­wei­len ge­tö­tet, aber sie wuss­ten ge­wiss, dass man sie in die­sem Fal­le be­wein­te und räch­te; zu­wei­len tö­te­ten sie, aber sie wuss­ten eben­so ge­wiss, dass sie nicht im Ge­fäng­nis zu ver­schim­meln hat­ten, denn Herr von Tre­ville war da, um sie zu­rück­zu­for­dern. Das Lob­lied des Herrn von Tre­ville wur­de auch in al­len Ton­ar­ten von die­sen Leu­ten ge­sun­gen, die den Sa­tan nicht fürch­te­ten, aber vor ihm zit­ter­ten, wie Schü­ler vor ih­rem Leh­rer, sei­nem ge­rings­ten Wor­te ge­horch­ten und stets be­reit wa­ren, sich tö­ten zu las­sen, um einen Vor­wurf ab­zu­wa­schen.

Herr von Tre­ville hat­te sich An­fangs die­ses mäch­ti­gen He­bels für den Kö­nig und die Freun­de des Kö­nigs – dann für sich selbst und für sei­ne Freun­de be­dient. Üb­ri­gens fin­det man in kei­nem Me­moi­ren­werk die­ser Zeit, wel­che so vie­le Me­moi­ren hin­ter­las­sen hat, dass die­ser wür­di­ge Edel­mann, selbst nicht ein­mal von sei­nen Fein­den – und er hat­te de­ren so vie­le un­ter den Leu­ten von der Fe­der, als un­ter de­nen vom De­gen – nir­gends, sa­gen wir, fin­det man, dass die­ser wür­di­ge Edel­mann an­ge­klagt wor­den wäre, er habe sich für die Mit­wir­kung sei­ner Seï­den be­zah­len las­sen. Bei ei­nem sel­te­nen Ta­lent für Int­ri­gen, das ihn auf die­sel­be Stu­fe mit den stärks­ten Int­ri­gan­ten stell­te, war er ein ehr­li­cher Mann ge­blie­ben. Noch mehr, trotz der großen Stoß­de­gen, wel­che len­den­lahm ma­chen, und der an­ge­streng­ten Übun­gen, wel­che er­mü­den, war er ei­ner der ga­lan­tes­ten Bou­doir­läu­fer, ei­ner der feins­ten Jung­fern­knech­te, ei­ner der ge­wür­felts­ten Schön­red­ner sei­ner Zeit ge­wor­den; man sprach von Tre­vil­le’s Lie­bes­glück, wie man zwan­zig Jah­re frü­her von Bas­som­pi­er­re ge­spro­chen hat­te, und das woll­te viel sa­gen. Der Ka­pi­tän war also be­wun­dert, ge­fürch­tet und ge­liebt, und dies bil­det wohl den Hö­he­punkt mensch­li­cher Glücks­um­stän­de.

Lud­wig XIV. ver­schlang alle klei­nen Gestir­ne sei­nes Ho­fes in sei­ner wei­ten Auss­trah­lung, aber sein Va­ter, eine Son­ne plu­ri­bus im­par, ließ je­dem sei­ner Günst­lin­ge sei­nen per­sön­li­chen Glanz, je­dem sei­ner Höf­lin­ge sei­nen ei­gen­tüm­li­chen Wert. Au­ßer dem Le­ver des Kö­nigs und dem des Kar­di­nals zähl­te man da­mals in Pa­ris mehr als zwei­hun­dert ei­ni­ger­ma­ßen be­such­te Le­vers. Un­ter den zwei­hun­dert klei­nen Le­vers war das von Tre­ville ei­nes von den­je­ni­gen, zu wel­chen man sich am meis­ten dräng­te.

Der Hof sei­nes in der Rue du Vieux-Co­lom­bier ge­le­ge­nen Ho­tels glich ei­nem La­ger, und dies von mor­gens sechs Uhr im Som­mer und von acht Uhr im Win­ter. Fünf­zig oder sech­zig Mus­ke­tie­re, wel­che sich hier ab­zu­lö­sen schie­nen, um stets eine im­po­san­te Zahl dar­zu­stel­len, gin­gen be­stän­dig in völ­li­ger Kriegs­rüs­tung und zu je­dem Tun be­reit um­her. Auf ei­ner der großen Trep­pen, auf de­ren Raum un­se­re mo­der­ne Zi­vi­li­sa­ti­on ein gan­zes Ge­bäu­de er­rich­ten wür­de, stie­gen die Bitt­stel­ler von Pa­ris aus und ab, die ir­gend eine Gunst zu er­ha­schen such­ten; fer­ner die Edel­leu­te aus der Pro­vinz, de­ren höchs­ter Wunsch war, ins Korps auf­ge­nom­men zu wer­den, und die in al­len Far­ben ver­bräm­ten La­kai­en, die an Herrn von Tre­ville die Bot­schaf­ten ih­rer Ge­bie­ter über­brach­ten. In den Vor­zim­mern ruh­ten auf lan­gen, kreis­för­mi­gen Bän­ken die Au­ser­wähl­ten, das heißt die­je­ni­gen, wel­che be­ru­fen wa­ren. Das Ge­sum­me dau­er­te vom Mor­gen bis zum Abend, wäh­rend Herrn von Tre­ville in sei­nem an die­ses Vor­zim­mer sto­ßen­den Ka­bi­net Be­su­che emp­fing, Kla­gen an­hör­te, sei­ne Be­feh­le er­teil­te und, wie der Kö­nig auf sei­nem Bal­kon im Lou­vre, sich nur an das Fens­ter zu stel­len hat­te, um Men­schen und Waf­fen Re­vue pas­sie­ren zu las­sen.

Den Tag, an wel­chem d’Ar­ta­gnan sich hier ein­fand, war die Ver­samm­lung äu­ßerst im­po­sant, be­son­ders für einen Pro­vinz­be­woh­ner, der eben erst aus sei­ner Hei­mat an­lang­te; die­ser Pro­vinz­be­woh­ner war al­ler­dings Gas­co­gner, und da­mals be­son­ders stan­den d’Ar­ta­gnans Lands­leu­te nicht im Rufe, als lie­ßen sie sich so leicht ein­schüch­tern. In der Tat, so­bald man ein­mal durch die star­ke, mit lan­gen vier­e­cki­gen Nä­geln be­schla­ge­ne Tür ge­langt war, ge­riet man un­mit­tel­bar mit­ten in eine Trup­pe von Män­nern des De­gens, die sich im Hofe her­um­trie­ben, ein­an­der an­rie­fen, mit­ein­an­der strit­ten und spiel­ten. Um sich durch die­se brau­sen­den Wo­gen eine Bahn zu bre­chen, hät­te man ein Of­fi­zier, ein vor­neh­mer Herr oder eine hüb­sche Frau sein müs­sen.

Mit­ten durch die­ses Ge­drän­ge und die­se Un­ord­nung rück­te un­ser jun­ger Mann mit zit­tern­dem Her­zen, den lan­gen Rauf­de­gen an die ma­gern Bei­ne drückend und eine Hand an den Rand sei­nes Fil­zes hal­tend, mit dem ver­le­ge­nen pro­vin­zia­len Hal­blä­cheln, das eine gute Hal­tung ge­ben soll, sach­te vor­wärts. Hat­te er eine Grup­pe hin­ter sich, so at­me­te er frei­er; aber er be­griff wohl, dass man sich um­wand­te, um ihm nach­zu­schau­en, und zum ers­ten Mal in sei­nem Le­ben kam sich d’Ar­ta­gnan, der bis auf die­sen Tag eine ziem­lich gute Mei­nung von sich selbst ge­habt hat­te, lä­cher­lich vor.

Als er zur Trep­pe ge­lang­te, war die Sa­che noch schlim­mer: er fand hier auf den ers­ten Stu­fen vier Mus­ke­tie­re, die sich mit fol­gen­der Übung be­lus­tig­ten, wäh­rend zehn bis zwölf mit ih­ren Ka­me­ra­den auf dem Ru­he­platz der Trep­pe war­te­ten, bis es an sie käme, an der Par­tie Teil zu neh­men. Ei­ner von ih­nen, der mit ent­blö­ßtem De­gen auf der obers­ten Stu­fe stand, ver­hin­der­te die an­de­ren her­auf zu stei­gen, oder er be­müh­te sich we­nigs­tens, sie dar­an zu ver­hin­dern. Die­se drei an­de­ren foch­ten mit sehr be­hän­den De­gen­stö­ßen ge­gen ihn. D’Ar­ta­gnan hielt An­fangs ihre Ei­sen für Fechtrap­pie­re und glaub­te, sie sei­en mit Knöp­fen ver­se­hen; aber bald er­kann­te er an ge­wis­sen Schram­men, dass jede Waf­fe im Ge­gen­teil ge­hö­rig zu­ge­spitzt und scharf ge­schlif­fen war. Und bei je­der von die­sen Schram­men lach­ten nicht nur die Zuschau­er, son­dern auch die han­deln­den Per­so­nen, wie die Nar­ren.

Der­je­ni­ge, wel­cher in die­sem Au­gen­blick die obers­te Stu­fe be­haup­te­te, hielt sei­ne Geg­ner vor­treff­lich im Schach. Man bil­de­te einen Kreis um sie. Es war Be­din­gung hie­bei, dass bei je­dem Sto­ße der Ge­trof­fe­ne die Par­tie ver­las­sen muss­te, und da­durch sei­ne Au­di­enz­rei­he zu Guns­ten des Berüh­ren­den ver­lie­ren soll­te. In fünf Mi­nu­ten wa­ren drei ge­streift, der eine an der Hand­wur­zel, der an­de­re am Kinn, der drit­te am Ohr, wäh­rend der Ver­tei­di­ger, der ih­nen die­se Schram­men bei­brach­te, un­be­rührt blieb, eine Ge­schick­lich­keit, die ihm eine drei­ma­li­ge Au­di­enz­rei­he zu sei­nen Guns­ten ein­trug. So schwer auch un­ser jun­ger Rei­sen­der in Er­stau­nen zu set­zen war, oder we­nigs­tens sein woll­te, so ver­blüff­te ihn doch die­ser Zeit­ver­treib ge­wal­tig: er hat­te in sei­ner Pro­vinz, auf die­sem Bo­den, wo sich die Köp­fe doch so schnell er­hit­zen, et­was mehr als Prä­li­mi­na­ri­en zu Zwei­kämp­fen ge­se­hen, und die Gas­con­na­de der vier Spie­ler er­schi­en ihm als die stärks­te un­ter al­len, von de­nen er bis jetzt selbst in der Gas­co­gne ge­hört hat­te. Er glaub­te sich in das be­rühm­te Land der Rie­sen ver­setzt, wo­hin Gul­li­ver ging und wo er so ge­wal­tig ban­ge hat­te; und er war noch nicht ein­mal am Zie­le: es blie­ben noch der Ru­he­platz und das Vor­zim­mer.

Auf dem Ru­he­platz der Trep­pe schlug man sich nicht, man er­zähl­te sich Ge­schich­ten von Frau­en, und im Vor­zim­mer Hof­ge­schich­ten. Auf dem Ru­he­platz er­rö­te­te d’Ar­ta­gnan, im Vor­zim­mer schau­der­te er. Sei­ne rege, um­her­ir­ren­de Ein­bil­dungs­kraft, die ihn in der Gas­co­gne für Kam­mer­mäd­chen und zu­wei­len so­gar für jun­ge Edelda­men furcht­bar mach­te, hat­te nie, selbst nicht ein­mal in den Au­gen­bli­cken des De­lir­i­rens, die Hälf­te die­ser ver­lieb­ten Aben­teu­er und den vier­ten Teil die­ser Hel­den­ta­ten ge­träumt, bei de­nen die be­kann­tes­ten Na­men her­hal­ten muss­ten und die De­tails ganz und gar nicht ver­schlei­ert wur­den. Aber wenn auf dem Ru­he­platz sein Sitt­lich­keits­ge­fühl ver­letzt wur­de, so be­rei­te­te man im Vor­zim­mer sei­ner Ach­tung vor dem Kar­di­nal ein wah­res Är­ger­nis. Hier hör­te d’Ar­ta­gnan zu sei­nem größ­ten Er­stau­nen ganz laut die Po­li­tik, wel­che Eu­ro­pa er­zit­tern mach­te, und das Pri­vat­le­ben des Kar­di­nals kri­ti­sie­ren, für des­sen Ve­run­glimp­fung so vie­le hoch­ge­stell­te und mäch­ti­ge Her­ren ge­straft wor­den wa­ren; die­ser große, von Herrn d’Ar­ta­gnan’s Va­ter ver­ehr­te Mann wur­de ver­spot­tet von den Mus­ke­tie­ren des Herrn von Tre­ville, wel­che sich über sei­ne krum­men Bei­ne und sei­nen ge­wölb­ten Rücken lus­tig mach­ten; Ei­ni­ge san­gen Spott­lie­der auf Ma­da­me d’Ai­guil­lon, sei­ne Ge­lieb­te, und auf Ma­da­me Com­ba­let, sei­ne Nich­te, wäh­rend an­de­re ge­gen die Pa­gen und die Leib­wa­chen des Kar­di­nal-Her­zogs Plä­ne schmie­de­ten, lau­ter Din­ge, wel­che d’Ar­ta­gnan als mons­trö­se Un­mög­lich­kei­ten vor­ka­men.

In­des­sen kam zu­wei­len plötz­lich und ganz un­ver­se­hens der Name des Kö­nigs mit­ten un­ter die­se kar­di­na­lis­ti­schen Scher­ze wie eine Art von Kne­bel, der für einen Au­gen­blick al­len An­we­sen­den den spöt­ti­schen Mund ver­stopf­te; man schau­te sach­te um sich her und schi­en die In­dis­kre­ti­on der Schei­de­wand am Ka­bi­net des Herrn von Tre­ville zu fürch­ten. Aber bald brach­te ir­gend eine An­spie­lung das Ge­spräch wie­der auf Se. Emi­nenz, die Spöt­te­rei­en wur­den im­mer der­ber und kei­ne sei­ner Hand­lun­gen blieb mit ei­ner kräf­ti­gen Be­leuch­tung ver­schont.

»Ge­wiss sind dies Leu­te, wel­che ins­ge­samt nach der Ba­stil­le ge­bracht und ge­hängt wer­den,« dach­te d’Ar­ta­gnan mit Schre­cken, »und ich ohne Zwei­fel mit ih­nen, denn von dem Au­gen­blick an, wo ich sie ge­hört und ver­stan­den habe, wird man mich für ih­ren Mit­schul­di­gen hal­ten. Was wür­de mein Herr Va­ter sa­gen, der mir so drin­gend Ach­tung vor dem Kar­di­nal ein­ge­schärft hat, wenn er mich in Ge­sell­schaft von sol­chen Lüm­meln wüss­te?«

D’Ar­ta­gnan wag­te es also, wie man sich leicht den­ken kann, nicht, an dem Ge­sprä­che Teil zu neh­men, er schau­te nur mit bei­den Au­gen, hör­te nur mit bei­den Ohren, er hielt sei­ne fünf Sin­ne gie­rig ge­spannt, um nichts zu ver­lie­ren, und trotz sei­nes Ver­trau­ens auf die vä­ter­li­chen Er­mah­nun­gen fühl­te er sich, in Fol­ge sei­ner Ge­schmacks­rich­tung und von sei­nen In­stink­ten hin­ge­ris­sen, mehr ge­neigt, die un­er­hör­ten Din­ge, die sich in sei­ner Ge­gen­wart er­eig­ne­ten, zu lo­ben als zu ta­deln.

Da er in­des­sen der Men­ge der Höf­lin­ge des Herrn von Tre­ville völ­lig fremd war, und da man ihn zum ers­ten Male an die­sem Ort be­merk­te, so frag­te man ihn, was er wün­sche. Auf die­se Fra­ge nann­te d’Ar­ta­gnan de­mü­tig sei­nen Na­men; er be­rief sich aus sei­nen Ti­tel als Lands­mann und er­such­te den Kam­mer­die­ner, der die­se Fra­ge an ihn ge­rich­tet hat­te, Herrn von Tre­ville für ihn um eine kur­ze Au­di­enz zu bit­ten, wel­che Bit­te man in ho­hem Gön­ner­to­ne zu ge­eig­ne­ter Zeit und ge­eig­ne­ten Orts vor­zu­tra­gen ver­sprach.

D’Ar­ta­gnan er­hol­te sich all­mäh­lich von sei­nem ers­ten Stau­nen und hat­te nun Muße, die Trach­ten und Ge­sich­ter ein we­nig zu stu­die­ren.

Der Mit­tel­punkt der be­leb­tes­ten Grup­pe war ein Mus­ke­tier von großer Ge­stalt, hoch­mü­ti­gem Ant­litz und höchst wun­der­li­chem Auf­zug, wel­cher die all­ge­mei­ne Auf­merk­sam­keit auf ihn lenk­te. Er trug in die­sem Au­gen­blick kei­ne Uni­form, wozu er auch in je­ner Zeit ge­rin­ge­rer Frei­heit, aber grö­ße­rer Un­ab­hän­gig­keit nicht durch­aus ver­bun­den war, son­dern er hat­te einen et­was ab­ge­tra­ge­nen Lei­b­rock an, und auf die­sem Klei­de ge­wahr­te man ein pracht­vol­les Wehr­ge­hän­ge mit gol­de­nen Sti­cke­rei­en, das fun­kel­te, wie ein Was­ser­spie­gel im vol­len Son­nen­schein. Ein lan­ger, kar­me­sin­ro­ter Man­tel fiel an­mu­tig über die Schul­tern und ließ vorn nur das glän­zen­de Wehr­ge­hän­ge se­hen, wor­an ein rie­si­ger Rauf­de­gen be­fes­tigt war.

Die­ser Mus­ke­tier war so eben von der Wa­che ab­ge­kom­men, be­klag­te sich über Schnup­fen und hus­te­te von Zeit zu Zeit mit ei­ner ge­wis­sen Af­fek­ta­ti­on.1 Des­halb hat­te er den Man­tel ge­nom­men, wie er zu sei­ner Um­ge­bung sag­te, und wäh­rend er von oben her­ab sprach und ver­ächt­lich sei­nen Schnurr­bart kräu­sel­te, be­wun­der­te man mit großer Be­geis­te­rung – d’Ar­ta­gnan mehr, als je­der an­de­re – das ge­stick­te Wehr­ge­hän­ge.

»Was wollt Ihr, es kommt in die Mode,« sag­te der Mus­ke­tier; »es ist eine Tor­heit, ich weiß es wohl, aber es ist ein­mal Mode. Über­dies muss man doch auch sein an­e­rerb­tes Ver­mö­gen drauf­ge­hen las­sen.«

»Ah! Por­thos!« rief ei­ner von den Um­her­ste­hen­den, »su­che uns nicht glau­ben zu ma­chen, die­ses Wehr­ge­hän­ge sei Dir durch die vä­ter­li­che Groß­mut zu­ge­fal­len; die ver­schlei­er­te Dame hat es Dir ohne Zwei­fel ge­ge­ben, mit der ich Dir an ei­nem Sonn­tag in der Nähe der Por­te Saint-Ho­noré be­geg­ne­te.«

»Nein, auf Ehre und Edel­mannspa­ro­le, ich habe es selbst und zwar um mein ei­ge­nes Geld ge­kauft,« ant­wor­te­te der­je­ni­ge, wel­chen man mit dem Na­men Por­thos be­zeich­ne­te.

»Ja, wie ich die­se neue Bör­se mit Dem ge­kauft habe, was mir mei­ne Ge­lieb­te in die alte ge­steckt hat,« sprach ein an­de­rer Mus­ke­tier.

»Wahr­haf­tig, ich habe zehn Pis­to­len da­für be­zahlt,« sag­te Por­thos.

Die Be­wun­de­rung ver­dop­pel­te sich, ob­gleich der Zwei­fel noch fort­be­stand.

»Nicht wahr, Ara­mis?« frag­te Por­thos, und wand­te sich da­bei ge­gen einen drit­ten Mus­ke­tier um.

Die­ser bil­de­te einen voll­stän­di­gen Kon­trast mit dem Fra­gen­den, der ihn mit dem Na­men Ara­mis be­zeich­net hat­te. Er war ein jun­ger Mann von kaum zwei- bis drei­und­zwan­zig Jah­ren, mit nai­vem, süß­li­chem Ge­sich­te, schwar­zem, sanf­tem Auge und mit Wan­gen, so ro­sig, wie ein Pfir­sich im Herbs­te; sein fei­ner Schnurr­bart zog eine völ­lig ge­ra­de Li­nie auf sei­ner Ober­lip­pe; sei­ne Hän­de schie­nen sich vor dem Her­ab­hän­gen zu hü­ten, weil ihre Adern an­schwel­len könn­ten, und von Zeit zu Zeit kniff er sich in die Ohren, um sie in ei­nem zar­ten, durch­sich­ti­gen In­kar­nat2 zu er­hal­ten. Er hat­te die Ge­wohn­heit, we­nig zu spre­chen, viel zu grü­ßen und ge­räusch­los zu la­chen, wo­bei er sei­ne schö­nen Zäh­ne zeig­te, auf die er, wie aus sei­ne gan­ze Per­son, die größ­te Sorg­falt zu ver­wen­den schi­en. Er be­ant­wor­te­te die Auf­for­de­rung sei­nes Freun­des mit ei­nem be­stä­ti­gen­den Kopf­ni­cken.

Die­se Be­stä­ti­gung schi­en al­len Zwei­feln in Be­zie­hung auf das Wehr­ge­hän­ge ein Ende zu ma­chen; man be­wun­der­te es fort­wäh­rend, aber man sag­te nichts mehr da­von, und das Ge­spräch ging in Fol­ge ei­ner der ra­schen Wen­dun­gen des Ge­dan­kens auf einen an­de­ren Ge­gen­stand über.

»Was denkt Ihr von dem, was der Stall­meis­ter von Cha­lais er­zählt?« frag­te ein an­de­rer Mus­ke­tier, ohne sei­ne Wor­te un­mit­tel­bar an einen von der Grup­pe zu rich­ten, son­dern im Ge­gen­teil sich an alle Um­ste­hen­den wen­dend.

»Und was er­zählt er?« sag­te Por­thos in an­ma­ßen­dem Tone.

»Er er­zählt, er habe in Brüs­sel Ro­che­fort, den Ver­trau­ten des Kar­di­nals, als Ka­pu­zi­ner ver­klei­det ge­trof­fen; der ver­fluch­te Ro­che­fort hat­te in die­ser Ver­klei­dung Herrn von Lai­gues, ge­ra­de wie er ist, als einen wah­ren Ein­falts­pin­sel ge­spielt.«

»Als einen wah­ren Ein­falts­pin­sel,« frag­te Por­thos, »aber ist die Sa­che ge­wiss?«

»Ich habe es von Ara­mis ge­hört,« ant­wor­te­te der Mus­ke­tier.

»Wirk­lich?«

»Ei! Ihr wisst es wohl, Por­thos,« sag­te Ara­mis, »ich habe es Euch selbst ges­tern er­zählt; spre­chen wir nicht mehr da­von.«

»Nicht mehr da­von spre­chen, meint Ihr?« er­wi­der­te Por­thos. »Nicht mehr da­von spre­chen? Zum Hen­ker! Wie! der Kar­di­nal lässt einen Edel­mann aus­spä­hen, er lässt ihm sei­ne Kor­re­spon­denz durch einen Ver­rä­ter, durch einen Dieb, durch einen Gal­gen­strick steh­len; lässt mit Hil­fe die­ser Spä­her und die­ser Kor­re­spon­denz Cha­lais un­ter dem tö­rich­ten Vor­wand, er habe den Kö­nig er­mor­det und Mon­sieur mit der Kö­ni­gin ver­hei­ra­ten wol­len, den Hals ab­schnei­den! Nie­mand wuss­te et­was von die­sem Rät­sel, Ihr er­fuhrt es ges­tern zum all­ge­mei­nen Er­stau­nen, und wäh­rend wir über die­se Neu­ig­keit noch ganz ver­wun­dert sind, kommt Ihr heu­te und sagt: Spre­chen wir nicht mehr da­von!«

»Spre­chen wir also da­von, wenn Ihr es wünscht,« er­wi­der­te Ara­mis ge­dul­dig.

»Wäre ich der Stall­meis­ter des ar­men Cha­lais,« rief Por­thos, »so wür­de die­ser Ro­che­fort einen schlim­men Au­gen­blick mit mir er­le­ben.«

»Und ihr wür­det einen schlim­men Au­gen­blick mit dem Her­zog Roth er­le­ben,« ver­setz­te Ara­mis.

»Ah! der Her­zog Roth! bra­vo, bra­vo, der Her­zog Roth!« er­wi­der­te Por­thos, in die Hän­de klat­schend. »Der Her­zog Roth, das ist al­ler­liebst. Ich wer­de den Witz ver­brei­ten, seid nur ru­hig. Welch ein ge­schei­ter Kerl doch die­ser Ara­mis ist! Es ist ein wah­res Un­glück, dass Ihr Eu­ren Be­ruf nicht ver­fol­gen konn­tet, mein Lie­ber; was für ein köst­li­cher Abbé wäre doch aus Euch ge­wor­den!«

»Ah! das ist nur für den Au­gen­blick hin­aus­ge­scho­ben,« ent­geg­ne­te Ara­mis, »ich wer­de es spä­ter schon noch wer­den; Ihr wisst wohl, Por­thos, dass ich zu die­sem Be­huf die Theo­lo­gie zu stu­die­ren fort­fah­re.«

»Er tut, was er sagt,« rief Por­thos, »er tut es frü­her oder spä­ter.«

»Frü­her,« sprach Ara­mis.

»Er war­tet nur Ei­nes ab, um sich gänz­lich hie­für zu ent­schei­den und die Su­ta­ne zu neh­men, wel­che hin­ter sei­ner Uni­form hängt,« sag­te ein an­de­rer Mus­ke­tier.

»Und was war­tet er denn ab?« frag­te ein Drit­ter.

»Er war­tet, bis die Kö­ni­gin der Kro­ne Frank­reich einen Er­ben ge­schenkt hat.«

»Scher­zen wir nicht hier­über, mei­ne Her­ren,« sprach Por­thos; »sie ist, Gott sei Dank! noch in dem Al­ter, um der Kro­ne einen Er­ben zu schen­ken.«

»Man sagt, Herr von Buck­ing­ham sei in Frank­reich,« ver­setz­te Ara­mis mit ei­nem spöt­ti­schen Lä­cheln, das die­ser schein­bar so ein­fa­chen Äu­ße­rung eine ziem­lich skan­da­lö­se Be­deu­tung ver­lieh.

»Ara­mis, mein Freund,« un­ter­brach ihn Por­thos, »dies­mal habt Ihr Un­recht; Eure Ma­nie, Wit­ze zu ma­chen, lässt Euch be­stän­dig alle Gren­zen über­sprin­gen; wenn Herr von Tre­ville Euch hör­te, so dürf­tet Ihr eine sol­che Spra­che teu­er zu be­zah­len ha­ben.«

»Wollt Ihr mir eine Lek­ti­on ge­ben. Por­thos!« rief Ara­mis, und durch sein sanf­tes Auge zuck­te ein Blitz.

»Mein Lie­ber, seid Mus­ke­tier oder Abbé, seid das eine oder das an­de­re, aber nicht das eine und das an­de­re,« er­wi­der­te Por­thos. »Hört, Athos hat Euch noch vor Kur­zem ge­sagt: Ihr esst an al­len Rau­fen! Oh! er­zürnt Euch nicht, es wäre ver­geb­lich, Ihr wisst wohl, was zwi­schen Euch, Athos und mir ab­ge­macht ist. Ihr geht zur Ma­da­me d’Ai­guil­lon und macht ihr den Hof; Ihr geht zur Ma­da­me von Bois-Tra­cy, der Base der Ma­da­me von Che­vreu­se, und man sagt, Ihr ste­het be­deu­tend in Gna­de bei der Dame. Oh! mein Gott, Ihr braucht Euer Glück nicht ein­zu­ge­ste­hen; man fragt Euch nicht um Euer Ge­heim­nis, denn man kennt Eure Dis­kre­ti­on. Aber da Ihr die­se Tu­gend be­sitzt, so macht in des Teu­fels Na­men in Be­zie­hung auf Ihre Ma­je­stät da­von Ge­brauch. Be­schäf­ti­ge sich mit dem Kö­nig und dem Kar­di­nal wer will und wie je­der will; aber die Kö­ni­gin ist ge­hei­ligt, und wenn man von ihr spricht, so muss es in Gu­tem ge­sche­hen.«

»Por­thos, Ihr seid an­ma­ßend, wie ein Nar­ziß,« er­wi­der­te Ara­mis. »Ihr wisst, dass ich die Moral has­se, au­ßer wenn sie von Athos ge­pre­digt wird. Was Euch be­trifft, mein Lie­ber, Ihr habt ein viel zu pracht­vol­les Wehr­ge­hän­ge, um in die­sem Punkt stark zu sein. Ich wer­de Abbé, wann es mir be­liebt; mitt­ler­wei­le bin ich Mus­ke­tier; in die­ser Ei­gen­schaft sage ich, was mir ge­fällt, und in die­sem Au­gen­blick ge­fällt es mir zu sa­gen, dass Ihr mich un­ge­dul­dig macht!«

»Ara­mis!«

»Por­thos!«

»He, mei­ne Her­ren! mei­ne Her­ren!« rief man um sie her.

»Herr von Tre­ville er­war­tet Herrn d’Ar­ta­gnan,« un­ter­brach der Be­dien­te, die Tür des Ka­bi­nets öff­nend.

Bei die­ser An­kün­di­gung, wäh­rend wel­cher die Türe of­fen blieb, schwieg je­der, und un­ter die­sem Still­schwei­gen durch­schritt der jun­ge Gas­co­gner das Vor­zim­mer und trat bei dem Ka­pi­tän der Mus­ke­tie­re ein, nicht ohne sich von gan­zem Her­zen Glück zu wün­schen, dass er ge­ra­de zu rech­ter Zeit dem Ende die­ses selt­sa­men Strei­tes ent­ging.

af­fek­tier­tes Be­neh­men