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INDEX
ERSTER TEIL - ANTHROPOSOPHIE - VORTRÄGE IN BERLIN 23-27 OKTOBER 1909
TAGUNG I - ANTHROPOSOPHIE IM VERHÄLTNIS ZUR THEOSOPHIE UND ANTHROPOLOGIE - DIE SINNE DES MENSCHEN
- KONFERENZ II - ÜBEREMPFINDLICHE AKTIVITÄTEN IN MENSCHLICHEN SENSORISCHEN PROZESSEN
- III KONFERENZ - HÖHERE SINNE, INNERE ENERGIESTRÖME UND FORMGEBENDE GESETZE IM MENSCHLICHEN ORGANISMUS
- IV KONFERENZ - ÜBERSINNLICHE STRÖMUNGEN IN DER ORGANISATION VON MENSCH UND TIER - KOLLEKTIVE SEELEN- UND ICH-AKTIVITÄT
TEIL ZWEI - PSYCHOSOPHIE
- I KONFERENZ - DIE ELEMENTE DES SEELENLEBENS
- II. KONFERENZ - AKTIONEN UND REAKTIONEN DER KRÄFTE DES MENSCHLICHEN SEELENLEBENS
- III KONFERENZ - AN DEN PFORTEN DER SINNE - GEFÜHLE - ÄSTHETISCHES URTEIL
- KONFERENZ IV - BEWUSSTSEIN UND DAS LEBEN DER SEELE
TEIL DREI - PNEUMATOSOPHIE
- KONFERENZ II - WAHRHEIT UND IRRTUM IM LICHT DER GEISTIGEN WELT
- III KONFERENZ - PHANTASIE - INSPIRATION - SEINSFÜLLE - INTUITION - BEWUSSTSEIN.
- IV. KONFERENZ - NATURGESETZE, EVOLUTION DES BEWUSSTSEINS UND WIEDERHOLTE IRDISCHE LEBEN
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Rudolf Steiner
DIE DREI WELTEN DES GEISTES
ANTHROPOSOPHIE - PSYCHOSOPHIE - PNEUMATOSOPHIE
Übersetzung und Ausgabe 2021 von ©David De Angelis
Alle Rechte vorbehalten
INDEX
ERSTER TEIL - ANTHROPOSOPHIE - VORTRÄGE IN BERLIN 23-27 OKTOBER 1909
TAGUNG I - ANTHROPOSOPHIE IM VERHÄLTNIS ZUR THEOSOPHIE UND ANTHROPOLOGIE - DIE SINNE DES MENSCHEN
- KONFERENZ II - ÜBEREMPFINDLICHE AKTIVITÄTEN IN MENSCHLICHEN SENSORISCHEN PROZESSEN
- III KONFERENZ - HÖHERE SINNE, INNERE ENERGIESTRÖME UND FORMGEBENDE GESETZE IM MENSCHLICHEN ORGANISMUS
- IV KONFERENZ - ÜBERSINNLICHE STRÖMUNGEN IN DER ORGANISATION VON MENSCH UND TIER - KOLLEKTIVE SEELEN- UND ICH-AKTIVITÄT
TEIL ZWEI - PSYCHOSOPHIE
- I KONFERENZ - DIE ELEMENTE DES SEELENLEBENS
- II. KONFERENZ - AKTIONEN UND REAKTIONEN DER KRÄFTE DES MENSCHLICHEN SEELENLEBENS
- III KONFERENZ - AN DEN PFORTEN DER SINNE - GEFÜHLE - ÄSTHETISCHES URTEIL
- KONFERENZ IV - BEWUSSTSEIN UND DAS LEBEN DER SEELE
TEIL DREI - PNEUMATOSOPHIE
- KONFERENZ II - WAHRHEIT UND IRRTUM IM LICHT DER GEISTIGEN WELT
- III KONFERENZ - PHANTASIE - INSPIRATION - SEINSFÜLLE - INTUITION - BEWUSSTSEIN.
- IV. KONFERENZ - NATURGESETZE, EVOLUTION DES BEWUSSTSEINS UND WIEDERHOLTE IRDISCHE LEBEN
Wir haben hier in Berlin und auch in anderen Städten, wo sich die Zweige unserer Gesellschaft ausgebreitet haben, schon viele Mitteilungen aus dem Gebiete der Theosophie vernommen, die gleichsam aus den höheren Regionen des hellsichtigen Bewusstseins geschöpft wurden, so dass sich endlich die Notwendigkeit ergeben musste, unsere geistige Strömung auf eine ernste und würdige Grundlage zu stellen.
Die heutige Mitgliederversammlung, die unsere Mitglieder sieben Jahre nach der Gründung unserer deutschen Sektion hier zusammenführt, kann uns Gelegenheit geben, zu einer solideren Grundlage unserer geistigen Strömung beizutragen. Das werde ich in den nächsten Tagen mit diesen vier Vorträgen zur Ani- roposophie versuchen.
Die Casseler Konferenzen über das Johannesevangelium, die Düsseldorfer Konferenzen über die Hierarchien, die Basler Konferenzen über das Lukasevangelium und die Münchner Konferenzen über die Lehren der östlichen Theosophie boten uns die Möglichkeit, in hohe Regionen der spirituellen Forschung aufzusteigen, um aus ihnen schwer zugängliche spirituelle Wahrheiten zu ziehen. Was uns damals beschäftigte, war die Theosophie, es war, zumindest teilweise, ein Aufstieg derselben zu hohen geistigen Höhen der menschlichen Erkenntnis.
Es scheint uns daher, dass man mit Recht einen tieferen Sinn in dem, was man die zyklische Entfaltung der kosmischen Ereignisse nennt, erkennen kann, wenn man allmählich ein Gefühl für diese Dinge entwickelt. Es war zur Zeit unserer ersten Generalversammlung, als wir die deutsche Sektion gründen mussten; ich hielt damals vor einem Publikum, das nur zum Teil aus Theosophen bestand, Vorträge, die man als das historische Kapitel der Anthroposophie bezeichnen könnte. Nach sieben Jahren scheint nun der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem wir nach Abschluss eines Zyklus in einem weiteren Sinne von dem sprechen können, was Anthroposophie wirklich ist.
Zunächst möchte ich versuchen, durch einen Vergleich zu klären, was unter dem Wort Anthroposophie zu verstehen ist. Wenn Sie ein weites Land mit all seinen Feldern, Wiesen, Wäldern, Dörfern und Straßen betrachten wollen, können Sie dies tun, indem Sie von Dorf zu Dorf, von Straße zu Straße, durch Wiesen und Wälder gehen; auf diese Weise wird jedes Mal ein kleiner Teil der gesamten Region vor Ihren Augen erscheinen. Wir können aber auch auf den Gipfel eines Berges steigen und von dort aus auf die ganze Region hinunterblicken; mit unserem gewöhnlichen Sehvermögen werden wir nicht in der Lage sein, die Einzelheiten klar zu erkennen, aber wir werden einen allgemeinen Überblick über das Ganze bekommen.
In gewisser Weise könnte man die Beziehung zwischen dem, was im gewöhnlichen Leben menschliches Wissen, menschliche Wissenschaft genannt wird, und dem, was Theosophie bedeutet, vergleichen.
Während sich das gewöhnliche menschliche Wissen in der Welt der Tatsachen von einem Detail zum anderen bewegt, steigt die Theosophie dagegen zu einem hohen Gipfel auf; auf diese Weise wird der Horizont erweitert, weil er ihn von oben her umfasst - aber diese Möglichkeit, weiter zu sehen, würde gleichzeitig verschwinden, wenn sich die Theosophie nicht ganz besonderer Mittel zu diesem Zweck bedienen würde. In meinem Buch "Wie erlangt man das Wissen der höheren Welten?" wird beschrieben, wie der Mensch zu diesen erhabenen Höhen aufsteigen kann, ohne die Möglichkeit zu verlieren, weiter zu sehen.
Es gibt aber auch noch eine dritte Möglichkeit dazwischen: Man kann nicht bis zum Gipfel klettern, sondern in der Mitte stehen bleiben, in der Mitte des Berges. Wenn du unten stehst, hast du keinen Blick auf das Ganze, du siehst nur Details und betrachtest die Höhe von unten; wenn du oben stehst, hast du alles unter dir und über dir nur den göttlichen Himmel. Wenn Sie in der Mitte stehen, haben Sie etwas über sich und etwas unter sich, und Sie können diese beiden Aspekte miteinander vergleichen.
Natürlich passt kein Vergleich perfekt, aber ich möchte Ihnen sagen, wie sich die Theosophie zunächst einmal von der Anthroposophie unterscheidet. In der Anthroposophie geht es darum, in der Mitte stehen zu bleiben, in der Theosophie geht es darum, an der Spitze zu stehen; der Punkt, an dem sie sich befinden, ist unterschiedlich. Wenn man sich der Theosophie widmet, ist es notwendig, dass man über das menschliche Sehen, über die Mitte des Berges hinaus aufsteigt, dass man vom Selbst zum höheren Selbst aufsteigt und dass man mit den Organen dieses höheren Selbst zu schauen vermag. Der Gipfel, zu dem die Theosophie aufsteigt, liegt über dem Menschen. Das, was das gewöhnliche menschliche Wissen ist, befindet sich unterhalb des Menschen, und das, was genau in der Mitte liegt, ist der Mensch selbst - zwischen der Natur und der Welt des Geistes. Das, was oben ist, durchdringt ihn; er wird vom Geist durchdrungen. Insofern der Mensch die Welt nur menschlich betrachtet, nimmt er nicht den Gipfel selbst als Ausgangspunkt, sondern er kann diesen Gipfel sehen, er kann den Geist über sich sehen. Bei der Theosophie besteht die Gefahr, dass, wenn die Theosophie nicht die oben erwähnten Mittel einsetzt, die sie befähigen, mit ihrem höheren Selbst statt mit ihrem niederen Selbst zu sehen, das menschliche Feld überflutet wird, so dass der Mensch die Möglichkeit verliert, etwas Nützliches zu erkennen, die Wirklichkeit wieder zu seinen Füßen zu sehen. Diese Gefahr verschwindet, sobald sich die Theosophie dieser Mittel bedient - dann aber können wir sagen: Theosophie ist das, was untersucht wird, wenn Gott im Menschen spricht: "Lass Gott in dir sprechen, und was er über die Welt sagt, ist Theosophie".
Stellen Sie sich in die Mitte zwischen Gott und Natur und lassen Sie den Menschen in sich sprechen - über das, was über Ihnen ist, und das, was unter Ihnen ist - dann haben Sie die Anthroposophie, das heißt: die vom Menschen ausgesprochene Weisheit.
Und diese Weisheit wird als wichtige Stütze und als Schlüssel für den gesamten Bereich der Theosophie dienen; wenn man sich eine Zeit lang mit der Theosophie beschäftigt hat, ist es das Beste, wenn man wirklich nach diesem soliden zentralen Punkt der Anthroposophie sucht.
Das bisher Gesagte lässt sich auch historisch in verschiedene Richtungen anwenden. Wir haben zum Beispiel eine Wissenschaft, die sich Anthropologie nennt; so wie sie heute praktiziert wird, umfasst sie nicht nur den Menschen, sondern auch alles, was zum Menschen gehört, alles, was in der Natur erfahren werden kann, alles, was wir brauchen, um den Menschen zu verstehen. Diese Wissenschaft wandert als Ausgangspunkt zwischen den Dingen, geht von einem Detail zum anderen, untersucht den Menschen unter dem Mikroskop. Kurz gesagt, diese Wissenschaft, die von den Menschen im Allgemeinen als die einzige betrachtet wird, die es wert ist, in Betracht gezogen zu werden, beginnt unterhalb der Fähigkeiten des Menschen; sie bleibt dem Boden verhaftet, sie verwendet nicht alles, was der Mensch an Fähigkeiten besitzt. Deshalb kann sie die rätselhaften Fragen der Existenz nicht lösen. Vergleichen Sie es mit dem, was die Theosophie Ihnen präsentiert. Die Theosophie steigt zu den höchsten Regionen auf, um dort die Antwort auf die brennenden Fragen der Existenz zu finden. Aber die Menschen, die nicht in der Lage sind, sie Schritt für Schritt zu begleiten, und die am Standpunkt der Anthropologie festhalten, empfinden die Theosophie als ein Bauwerk in der Luft, dem jegliches Fundament fehlt. Sie können nicht erkennen, wie die Seele allmählich zu jenem Gipfel aufsteigen kann, von dem aus sie alles mit ihrem Blick erfassen kann. Sie können nicht zu den Stufen der Imagination, der Inspiration und der Intuition aufsteigen; sie können sich nicht zu jenem Gipfel erheben, der das Endziel allen menschlichen Werdens ist. Die Anthropologie steht also auf der untersten Stufe, der Theosoph auf der obersten.
Was aber mit der Theosophie geschieht, wenn sie an die Spitze will, aber nicht in der Lage ist, mit den richtigen Mitteln vorzudringen, kann man an einem historischen Beispiel sehen, an dem deutschen Theosophen SOLGER, der von 1770 bis 1819 lebte. Seine Ansichten entsprechen als Konzepte der Theosophie. Aber mit welchen Mitteln versucht er, den Gipfel zu erklimmen? Mit den Begriffen der Philosophie, mit den ausgebluteten und ausgebeuteten Begriffen des menschlichen Denkens, als würde man einen Berg besteigen, um die Aussicht zu genießen, und das Fernrohr vergessen, so dass man nichts, absolut nichts sehen würde. In unserem Fall wäre das Teleskop spirituell: es ist Vorstellungskraft, Inspiration und Intuition. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Fähigkeit des Menschen, diesen Gipfel zu erklimmen, immer mehr abgenommen. Diese Tatsache war bereits im Mittelalter deutlich spürbar - und wurde erkannt. Das ist auch heute noch so, aber die Menschen wollen es nicht wahrhaben. In der Antike gab es diese Fähigkeit des Aufsteigens, wenn auch auf einer niedrigeren Stufe; sie beruhte auf einem Zustand der Dämmerungshellsichtigkeit des Menschen. Es gab eine alte Theosophie dieser Art. Aber das, was sich so auf dem Gipfel manifestierte, musste zu einer bestimmten Zeit zu Ende gehen, und es musste verhindert werden, dass es mit den gewöhnlichen Mitteln der Erkenntnis aufgenommen wurde. Diese alte Theosophie, die die Offenbarung als abgeschlossen betrachtet, wurde zur Theologie. Neben der Anthropologie gibt es also die Theologie - sie will wahrhaftig zur Höhe aufsteigen, aber sie stützt sich dabei auf etwas, das sich einmal manifestiert hat, an dem man teilgenommen hat, das aber starr geworden ist, das sich der nach oben strebenden Seele nicht immer wieder offenbaren kann. Anthropologie und Theologie standen sich im Mittelalter oft gegenüber, ohne sich gegenseitig abzulehnen; in der Neuzeit stehen sie sich jedoch erbittert gegenüber. Die Moderne lässt die Theologie neben der Anthropologie als etwas Wissenschaftliches bestehen, findet aber keinen Weg, sie miteinander zu versöhnen. Wenn wir nicht bei den Details stehen bleiben, sondern in die Mitte gehen, können wir auf dem Weg nach oben die Anthroposophie neben die Theosophie stellen.
Auch das moderne Geistesleben hat den Versuch unternommen, Anthroposophie zu praktizieren - aber wie bei der Theosophie mit falschen und unzureichenden Mitteln, nämlich mit den Mitteln der ausgebeuteten Philosophie. Der Sinn der Philosophie kann nur von Theosophen verstanden werden - nicht mehr von Philosophen. Dieses Verständnis kann nur durch eine Beobachtung der Geschichte erreicht werden; die Philosophie kann nur verstanden werden, wenn sie in ihrem Werden untersucht wird. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen: In der Antike gab es die sogenannten Mysterien, die kulturellen Zentren des höheren geistigen Lebens, in denen die Jünger durch besondere Methoden zur geistigen Schau geführt wurden. Eines dieser Geheimnisse war das Mysterium von Ephesus, bei dem die Jünger aufgrund ihrer Entwicklung die Geheimnisse der Diana von Ephesus erforschen konnten; dort konnten die Jünger in die geistigen Welten schauen. Was von diesen Dingen offen mitgeteilt werden konnte, wurde öffentlich mitgeteilt und von den Außenstehenden aufgenommen. Nicht alle, die diese Mitteilungen von außen hörten, waren sich bewusst, dass sie höhere Geheimnisse gehört hatten. Ein Mann, in den solche Mitteilungen aus den Mysterien von Ephesus eingedrungen waren, war zum Beispiel Heraklit. Dann verkündete er diese Mitteilungen durch seine partielle Einweihung, so dass sie von allen verstanden werden konnten. Wer die Lehren des Heraklit, des "Tenebrous", liest, sieht hier noch die unmittelbare Erfahrung, das Wissen um die höheren Welten. Dann kamen seine Anhänger - sie wussten nicht mehr, dass diese Lehren aus unmittelbarer Erfahrung stammten, sie verstanden sie nicht mehr, und so begannen sie, sie zu entwickeln, sie zu Konzepten weiterzuentwickeln, sie begannen, mit den Kräften ihres Intellekts darüber zu spekulieren; diese Methode wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Und wenn wir heute irgendetwas von Philosophie vor uns haben, dann nur den Rest eines Erbes alter Lehren, aus dem das Leben herausgepresst, weggenommen wurde und von dem nur noch das begriffliche Skelett übrig ist. Die Philosophen hingegen glauben, dass dieses Skelett das wirkliche Leben ist, sie halten es für etwas, das vom menschlichen Denken selbst erdacht wurde! Aber es gibt keine Philosophen, die in der Lage sind, sich selbst etwas auszudenken - das erfordert den Zugang zu den höheren Welten. Auch die Philosophen des 19. Jahrhunderts hatten nur ein solches philosophisches Gerüst zur Verfügung, als sie sich mit dem beschäftigten, was man Anthroposophie nennen kann. Der Begriff wurde in der Tat verwendet: Roberto Zimmermann schrieb eine sogenannte Anthroposophie - aber er schöpfte sie aus dürren Begriffen, die genauso ausgebeutet wurden, wie alles, was die Anthropologie (ohne die richtigen Mittel) transzendieren wollte, ein trockenes Begriffsgewebe blieb, das nicht mehr in Berührung mit den Dingen ist. Die Anthroposophie muss auch mit Hilfe der Theosophie vertieft werden, denn diese liefert die Mittel zur Erkenntnis der Wirklichkeit im geistigen Leben. Die Anthroposophie ist auf den durchschnittlichen menschlichen Standpunkt gestellt, und nicht, wie die Anthropologie, auf den untermenschlichen - beim Treffen ist eine Theosophie, wie die von SOLGER praktizierte, wirklich auf den geistigen Standpunkt gestellt, aber ihre Ideen sind bloße Blasen - und wenn er den Gipfel erreicht, sieht er nichts; dies ist ein Weben von Begriffen auf einem Webstuhl statt einer lebendigen geistigen Vision! Aber wir wollen keine Konzepte weben. Die Realität des menschlichen Lebens in seiner Gesamtheit muss sich uns in diesen Überlegungen offenbaren. Die alten Sehobjekte werden uns in ihnen wieder erscheinen - aber diesmal von einem anderen Blickwinkel aus beleuchtet, der sowohl das Hohe als auch das Niedrige umfasst.
Der Mensch ist das wichtigste Objekt unserer Beobachtung. Wenn wir uns den physischen Körper ansehen, können wir bereits erkennen, wie kompliziert er ist. Um zu verstehen, wofür die Anthroposophie steht, sollten wir zunächst Folgendes bedenken: Was sich uns heute als ein komplizierter physischer Körper präsentiert, ist das Produkt einer sehr langen Evolution. Der erste Keim wurde auf dem alten Saturn geboren; er entwickelte sich dann auf der alten Sonne, dem alten Mond und der Erde weiter. Auf der Sonne wurde der Ätherkörper und auf dem alten Mond der Astralkörper hinzugefügt. Diese Gliedmaßen des menschlichen Wesens haben sich im Laufe der Evolution verändert. Was wir heute im komplizierten menschlichen Körper sehen, mit seinem Herz, seinen Nieren, seinen Augen und Ohren usw., ist das Produkt einer langen Evolution. All dies wurde aus einer Form geboren, die als Keim auf dem Saturn mit einer sehr einfachen Figur begann. Sie hat sich über Millionen und Abermillionen von Jahren ständig verändert und umgestaltet, damit sie zu ihrer heutigen Vollkommenheit gelangen konnte. Und wenn wir heute ein Glied, ein Organ dieses physischen Körpers betrachten, z.B. das Herz oder die Lunge, können wir es nur verstehen, wenn es auf dieser Evolution beruht. Von dem, was sich uns heute in Form des Herzens präsentiert, gab es auf dem alten Saturn noch nichts. Diese Organe haben erst nach und nach ihre heutige Form angenommen. Eine wurde früher gebildet, eine andere wurde später hinzugefügt. Wir können ein Organ als Sonnenorgan bezeichnen, weil es zuerst während der Sonnenevolution auftrat, und ein anderes als Mondorgan, und so weiter. Wenn wir den gegenwärtigen physischen Körper des Menschen verstehen wollen, müssen wir Konzepte aus dem gesamten Universum ziehen - das ist die Methode der theosophischen Beobachtung! Wie funktioniert stattdessen die Anthropologie? Die Theosophie erhebt sich in die höchsten Höhen und betrachtet, vom Geist herabblickend, die einzelnen Phänomene. Die Anthropologie hält sich ganz unten; sie geht von den einzelnen Details aus und betrachtet bereits die einzelnen Zellen in ihrer Gesamtheit. Man nimmt die einzelnen Organe und betrachtet sie in sich selbst getrennt - man stellt sie mechanisch nebeneinander - man betrachtet nicht, welches das jüngste und welches das älteste ist; man studiert die einzelne Zelle in sich selbst, getrennt; dennoch ist es keineswegs gleichgültig, ja es gibt einen großen Unterschied, je nachdem, ob ein Zellkomplex in der Sonnen- oder in der Mondepoche entstanden ist. Und diese komplizierten Beziehungen gehen weit darüber hinaus. Betrachten wir das menschliche Herz: So wie es heute dasteht, hat es sich zweifellos erst sehr spät entwickelt - aber als Anordnung seines ersten Keims gehört es zu den ältesten Organen des Menschen. In der Zeit der alten Sonne hing das Herz von den Kräften ab, die über diese alte Sonne herrschten. Er wurde in der Epoche des alten Mondes weiter geformt. Dann verließ die Sonne, die bis dahin mit dem Mond vereint war, den Mond, und ihre Kräfte wirkten nun von außen auf das Herz ein. Auf diese Weise machte das Herz eine neue Entwicklung durch, so dass man in seiner Veranlagung von nun an einen solaren und einen lunaren Teil unterscheiden konnte. Dann wiederum kamen die Erde, die Sonne und der Mond zusammen und bildeten das Herz aus. Nach einem Pralaya fand die irdische Evolution statt, bei der sich die Sonne wieder löste. Dann, nach der Ablösung der Sonne, verstärkte sich die Sonnenwirkung von außen. Dann kam auch der Mond heraus und wirkte von außen auf das Herz ein. Da das Herz eines der ältesten Organe des Menschen ist, finden wir in ihm entsprechend der kosmischen Evolution einen solaren und einen lunaren Teil, dann eine zweite solare Beteiligung während der irdischen Evolution und eine zweite lunare Beteiligung während der irdischen Evolution und schließlich nach der Trennung von der Erde - eine irdische Beteiligung. Wenn diese Teile im Herzen, wie im Kosmos, in ihrer Harmonie übereinstimmen - dann ist das Herz gesund - aber wenn einer dieser Teile überwiegt, ist es krank. Jede Krankheit des Menschen beruht darauf, dass die einzelnen Teile seiner Organe in Disharmonie geraten sind - während die entsprechenden Teile des Kosmos in Harmonie sind. Jede Heilung beruht darauf, dass der mangelhafte Teil gestärkt und der überschwängliche Teil abgeschwächt wird, so dass die Teile harmonisiert werden. Aber es reicht nicht aus, von dieser Harmonie zu sprechen; um sie zu erreichen, muss man in die Weisheit der Welt eindringen, und dazu muss man in der Lage sein, die verschiedenen Teile eines jeden Organs zu erkennen. Dies gibt uns einen Einblick in die wahre Physiologie oder okkulte Anatomie, die aus dem gesamten Kosmos zum Verständnis des ganzen Menschen kommt und aus dem Geist seine individuellen Besonderheiten erklärt.
Sie spricht von den solaren und lunaren Teilen des Herzens, des Kehlkopfs, des Gehirns usw. Aber wie alle diese Teile im Menschen selbst wirken, so haben wir heute im Menschen etwas vor uns, in dem alle diese Teile verhaftet sind. Wenn man in den Menschen hineinschaut und diese Teile versteht, dann versteht man den Ätherleib, den Astralleib usw., die Empfindungsseele, die Vernunftsseele und die Bewusstseinsseele, wie der Mensch heute ist. Das ist Anthroposophie. Und auch bei der Anthroposophie muss man vom Tiefsten ausgehen, um allmählich zum Höchsten aufsteigen zu können.
Das Niedrigste im Menschen ist der physische Leib, den er mit der physisch-sinnlichen Welt gemeinsam hat; das, was durch die Sinne und die physisch-sinnliche Intelligenz gegeben ist. Die theosophische Betrachtungsweise des Menschen ist diejenige, die, ausgehend vom gesamten Universum, den Menschen in seinen kosmischen Beziehungen betrachtet. Die Anthroposophie muss, was die physisch-sinnliche Welt betrifft, vom Menschen ausgehen. Sie muss vom Menschen ausgehen, denn er ist ein sensibles Wesen. Dann müssen wir zuerst den Ätherleib, dann den Astralleib, das Ego usw. und das, was sich in ihnen befindet, betrachten.
Was muss uns also in erster Linie am Menschen interessieren, wenn wir ihn in diesem Sinne anthroposophisch betrachten? Wir müssen an seinen Sinnen interessiert sein. Denn es sind diese Sinne, durch die er Wissen über die physische Sinneswelt erlangt. Ausgehend von der physischen Ebene muss die Anthroposophie also zunächst von den Sinnen sprechen. Dies wird unser erstes Kapitel sein: Die Beobachtung der menschlichen Sinne. Wir werden dann zu einer Betrachtung der einzelnen geistigen Bereiche der menschlichen Natur übergehen.
Beginnen wir also mit der Untersuchung der menschlichen Sinne. Hier steht die Anthroposophie sofort im Gegensatz zur äußeren Anthropologie, denn die Anthroposophie muss immer von dem ausgehen, was sinnlich wahr ist; aber sie muss klar erkennen, dass das Geistige von oben her im Menschen wirkt. In diesem Sinne ist es echte Anthropologie. In der gewöhnlichen Anthropologie wurde alles, was mit den menschlichen Sinnen zu tun hat, durcheinander gebracht. Sie befasst sich nur mit dem, was sie unten untersucht, und tastet sich von einem Detail zum anderen. Sie vernachlässigt wichtige Dinge, weil die Menschen keinen roten Faden haben, der sie durch das Labyrinth der Fakten zum Licht führen kann. Sie kann aus diesem Labyrinth nicht herauskommen und muss dem Minotaurus des Irrtums zum Opfer fallen - denn nur die spirituelle Suche kann diesen Faden weben.
Auch über die Sinne des Menschen hat die Anthroposophie etwas anderes zu sagen als die gewöhnliche äußere Betrachtung. Es ist aber auch interessant zu sehen, wie die externe Wissenschaft heute bereits durch äußere Tatsachen gezwungen ist, in ihrer Arbeit mit größerer Tiefe, Ernsthaftigkeit und Sorgfalt vorzugehen. Die Aufzählung der fünf Sinne zum Beispiel ist die oberflächlichste: Tastsinn, Geruchssinn, Geschmackssinn, Hörsinn und Sehsinn. Wir können sehen, dass in dieser Liste wirklich alles durcheinander ist. Zu diesen Sinnen hat die Wissenschaft jedoch noch drei weitere hinzugefügt, bei denen sie jedoch nicht weiterkommt. Heute werden wir die Sinne des Menschen aufzählen, soweit sie wirklich von Bedeutung sind. Mit dem Folgenden möchten wir versuchen, die ersten Grundlagen für eine anthroposophische Sinneslehre zu legen.
Der erste Sinn, den wir zu betrachten haben, ist das, was man in der Geisteswissenschaft den Sinn des Lebens nennen kann. Dies ist ein echter Sinn - so wie man von einem visuellen Sinn spricht, muss man auch von einem vitalen Sinn sprechen. Was ist der lebenswichtige Sinn? Es ist etwas im Menschen, was der Mensch normalerweise, wenn er normal ist, nicht spürt, sondern nur, wenn er in Unordnung ist. Der Mensch spürt Müdigkeit oder Hunger oder Durst oder ein Gefühl der Stärke im Organismus; er nimmt sie wahr, wie er eine Farbe oder einen Ton wahrnimmt. Er nimmt sie als eine innere Erfahrung wahr. Dieses Gefühl nimmt man in der Regel wahr, wenn etwas nicht in Ordnung ist, ansonsten ist man sich dessen nicht bewusst. Durch den Sinn des Lebens erhält der Mensch die erste menschliche Erkenntnis über sich selbst. Es ist der Sinn, durch den sich die gesamte Innerlichkeit des Menschen seiner Körperlichkeit bewusst wird. Dies ist der erste wahre Sinn, der gleichrangig mit den anderen Sinnen, dem Gehör, dem Geruchssinn usw., aufgezählt werden muss. Und niemand kann den Menschen und die Sinne verstehen, wenn er nicht eine Ahnung von jenem Sinn hat, der dem Menschen die Möglichkeit gibt, sich selbst als eine vollständige Innerlichkeit zu empfinden.
Der zweite Sinn ergibt sich, wenn Sie ein Glied bewegen, z. B. wenn Sie Ihren Arm heben. Sie sind kein Mensch, wenn Sie Ihre eigenen Bewegungen nicht wahrnehmen können. Eine Maschine nimmt ihre eigenen Bewegungen nicht wahr - nur ein Lebewesen kann sie mit Hilfe eines realen Sinnes wahrnehmen. Und den Sinn, der es uns ermöglicht, wahrzunehmen, wenn wir uns selbst bewegen, sei es beim Blinzeln, Gehen oder Laufen, nennen wir den Sinn der Selbstbewegung.
Ein dritter Sinn wird uns dadurch bewusst, dass der Mensch in sich selbst zwischen oben und unten unterscheidet. Wenn er diesen Unterschied nicht mehr wahrnimmt, wird es für ihn gefährlich, dann kann er sich nicht mehr halten, er bricht zusammen. Ein bestimmtes, sehr feines Organ im menschlichen Körper hat mit diesem Sinn zu tun, nämlich die drei halbkreisförmigen Kanäle des Ohres; wenn diese verletzt werden, verliert der Mensch seinen Orientierungssinn (etwas Ähnliches findet man im Tierreich, die sogenannten Otolithen (Teilchen aus Karbonatkalk, die in einer bestimmten Weise liegen müssen, damit das Tier im Gleichgewicht sein kann). Dieser dritte Sinn ist der statische oder Gleichgewichtssinn.
Mit diesen drei Sinnen nimmt der Mensch sozusagen etwas in sich selbst wahr - er fühlt etwas in sich selbst.
Jetzt kommen wir aus dem Menschen heraus: Er beginnt, mit der Außenwelt in eine Wechselwirkung zu treten. Diese erste wechselseitige Beziehung des Handelns besteht darin, dass der Mensch eine Substanz der Welt mit sich vereint und sie dadurch wahrnimmt. Eine Substanz kann nur wahrgenommen werden, wenn sie wirklich mit dem Körper verbunden ist. Feste und flüssige Körper können dies nicht; nur gasförmige Körper können dies. In diesem Fall dringen sie in die Substanzialität ein. Wenn ein Körper keine gasförmigen Stoffe abgibt und diese Stoffe nicht in die Organe der Nasenschleimhaut eindringen, kann es keine Geruchswahrnehmung geben. Der vierte Sinn ist also der Geruchssinn. Es ist der erste Sinn, durch den der Mensch in eine wechselseitige Beziehung mit der Außenwelt tritt.
Der fünfte Sinn entsteht, wenn der Mensch nicht mehr nur die Substanz wahrnimmt, sondern einen Schritt weiter in die Substanz selbst eindringt: Er tritt in eine tiefere Beziehung zu dieser Substanz. Die Substanz muss dann etwas tun; die Substanz muss dann eine Handlung in ihm ausüben. Dies geschieht, wenn ein wässriger oder gelöster Körper auf der Zunge ruht und sich mit dem verbindet, was die Zunge selbst absondert. Die wechselseitige Beziehung zwischen Mensch und Natur ist intimer geworden; die Dinge sagen dem Menschen nicht nur, was sie als Substanzen sind, sondern auch, was sie können. Dies ist der fünfte Sinn, der Geschmackssinn.
Jetzt kommen wir zum sechsten Sinn. Die Intimität im gegenseitigen Handeln wird noch größer - der Mensch dringt noch tiefer in die Substanz ein, die Dinge teilen ihm ihre Innerlichkeit mehr mit. Dies kann jedoch nur durch besondere Vorbereitungen geschehen. Der Geruchssinn ist der primitivste dieser zweiten Art von Sinnen. Beim Geruchssinn unternimmt der menschliche Körper keine Anstrengungen, in die Substanz einzudringen, sondern nimmt sie so auf, wie sie ist. Der Geschmackssinn ist komplizierter als der Geruchssinn. Der Mensch und die Substanz sind bereits enger miteinander verbunden, also gibt die Substanz noch mehr. Auf der nächsten Stufe gibt es die Möglichkeit, noch tiefer in die Welt einzudringen. Dies ist der Fall, wenn ein äußerer Stoff Licht durchlässt oder nicht durchlässt, wenn er durchsichtig oder undurchsichtig ist, oder je nachdem, wie er Licht durchlässt, d. h. wie er gefärbt ist. Ein Gegenstand, der grünes Licht ausstrahlt, ist innerlich so beschaffen, dass er grünes Licht reflektieren kann. Die äußere Oberfläche der Dinge offenbart sich uns durch den Geruchssinn, etwas von ihrer inneren Natur durch den Geschmackssinn, etwas von der Tiefe der Dinge durch den Sehsinn. Daher die komplizierte Anordnung des Auges, das uns viel tiefer in das Wesen der Dinge führt, als die Nase und die Zunge. Dies ist der sechste Sinn, der Sinn des Sehens.
Lassen Sie uns nun noch weiter in die Dinge eindringen. Wenn wir z.B. mit dem Auge sehen, dass eine Rose rot ist, so teilt sich uns ihr Inneres durch ihre Oberfläche mit - diese allein sehen wir, und da sie durch das Innere bestimmt ist, lernen wir durch sie dieses Innere bis zu einem gewissen Grad kennen.
Nun aber fassen wir ein Stück Eis oder ein Stück heißen Stahls an; dann offenbart sich uns nicht nur die Oberfläche und durch sie hindurch das Innere, sondern es offenbart sich uns das Innere selbst; was äußerlich kalt oder heiß ist, ist ganz von Kälte oder Hitze durchdrungen. Der Wärmesinn führt uns noch tiefer in das Substrat der Dinge hinein. der siebte Sinn.
Kann der Mensch noch tiefer in die Dinge eindringen, als er es mit dem siebten Sinn kann? - Ja, er kann eindringen, wenn die Dinge ihm nicht nur, wie beim Wärmesinn, das offenbaren, womit sie gefüllt sind, sondern auch das, was sie in ihrer Innerlichkeit sind. Und das verraten sie ihm, wenn sie anfangen zu klingen.
Die Wärme verteilt sich gleichmäßig in den Dingen. Der Klang bringt die Dinge zum Klingen; durch ihn nehmen wir die innere Beweglichkeit der Dinge wahr. Wenn wir ein Ding anschlagen, offenbart es uns sein Inneres im Klang. Und wir unterscheiden die Dinge nach ihrer inneren Natur, wie sie innerlich schwingen und pochen können, wenn wir ihren Klang auf uns wirken lassen. die Seele der Dinge, die in ihren Klängen zu unserer eigenen Seele spricht. Dies ist der achte Sinn, der Sinn des Hörens.
Gibt es außer diesen noch andere, höhere Sinne? Wenn wir diese Frage untersuchen wollen, müssen wir mit größerer Umsicht vorgehen. Wir dürfen das, was wirklich ein Sinn ist, nicht mit anderen Dingen und anderen Ausdrücken verwechseln. Im gewöhnlichen Leben zum Beispiel, wo man am Boden bleibt und gewöhnlich alles durcheinanderbringt, spricht man gewöhnlich von einem nachahmenden Sinn, einem verborgenen Sinn und dergleichen. Das ist falsch. Ein Sinn wird aktiv, wenn wir uns eine Meinung bilden, ohne dass unsere Intelligenz bereits in Aktion getreten ist. Wir sprechen hier nur dann von einem Sinn, wenn unsere Urteilsfähigkeit noch nicht in Aktion getreten ist. Um eine Farbe wahrzunehmen, braucht man einen Sinn; um zwischen zwei Farben zu unterscheiden, braucht man keinen Sinn.
So kommen wir zu einem neunten Sinn. Wenn wir darüber nachdenken, stellen wir fest, dass es im Menschen zweifellos eine Wahrnehmungsfähigkeit gibt, die für die Begründung der Anthroposophie von ganz besonderer Bedeutung ist; eine Wahrnehmungsfähigkeit, die nicht auf Urteilskraft beruht, aber dennoch in ihm vorhanden ist. Das ist es, was wir wahrnehmen, wenn wir mit unseren Mitmenschen durch Sprache kommunizieren. Der Wahrnehmung dessen, was durch Sprache vermittelt wird, liegt ein echter Sinn zugrunde: der Sinn der Sprache. Dies ist der neunte Sinn.
Bevor das Kind lernen kann, zu urteilen, lernt es die Sprache. Das ganze Volk besitzt eine Sprache - das Urteilen bleibt dem Einzelnen überlassen, aber das, was den Sinn anspricht, unterliegt nicht der animischen Aktivität des Einzelnen. Die Wahrnehmung, dass ein artikulierter Klang dies oder jenes bedeutet, ist kein bloßes Hören - das uns nur die innere Schwingung einer Sache offenbart -, sondern muss dem, was in der Sprache ausgedrückt wird, eine besondere Bedeutung geben. So lernt das Kind zu sprechen oder zumindest zu verstehen, was gesprochen wird, bevor es zu urteilen beginnt. Erst mit der Sprache lernt er, zu urteilen. Der Sprachsinn ist ein Erzieher, ebenso wie der Hör- und Sehsinn in der frühen Kindheit. Was die Sinne wahrnehmen, kann nicht verändert werden, nichts kann verdorben werden; wir nehmen eine Farbe wahr, aber mit dem Urteilsvermögen kann nichts verändert oder verdorben werden; und ebenso mit Hilfe des Sprachsinns, wenn wir die Innerlichkeit des ausgesprochenen Klangs wahrnehmen. Es ist notwendig, den Sinn der Sprache als neunten Sinn anzugeben.
Wir kommen nun endlich zum zehnten Sinn, dem höchsten für das gewöhnliche Leben, dem Sinn des Konzepts. Durch sie wird der Mensch fähig, den Begriff, der nicht in den Klang der Sprache gekleidet ist, zu verstehen, als ob er ihn wahrnehmen würde. Um urteilen zu können, müssen wir Konzepte haben. Wenn sich die Seele bewegen soll, muss sie zunächst den Begriff wahrnehmen können. Dazu braucht es den Begriffssinn, der genau wie der Geruchssinn und der Geschmackssinn ein Sinn an sich ist.
Ich habe jetzt zehn Sinne aufgezählt und den Tastsinn nicht erwähnt. Aber was ist mit dem Tastsinn? - könnte jemand fragen. Eine Betrachtungsweise, die nicht die geistigen Fäden in sich trägt, bringt alles durcheinander. Der Tastsinn wird üblicherweise mit unserem siebten Sinn, dem Wärmesinn, gleichgesetzt. Aber nur in dieser Hinsicht, als das Gefühl der Wärme, hat es eine Bedeutung. Sicherlich kann man die Haut als Organ des Wärmesinns bezeichnen - die Haut, die auch als Organ des Tastsinns existiert. Aber wir fühlen nicht nur, wenn wir einen Gegenstand oberflächlich berühren, wir fühlen auch, wenn wir etwas mit den Augen suchen, wir fühlen, wenn wir etwas mit der Zunge schmecken, wir fühlen, wenn wir etwas mit der Nase riechen. Berührung ist eine gemeinsame Eigenschaft der Sinne, und vom vierten bis zum siebten Sinn" sind sie alle "Sinne der Berührung". Bis hin zum Wärmesinn können wir von Gefühl sprechen. Mit dem Hörsinn endet die Möglichkeit des Fühlens, endet die Möglichkeit, von ihm als Schlüsselsinn zu sprechen, er existiert dort nur in sehr geringem Maße, er existiert überhaupt nicht im Sprach- und Begriffssinn. Wir bezeichnen diese drei Sinne daher als die Sinne des Verstehens und des Verständnisses. Die ersten drei Sinne informieren uns über das Innere des Menschen; wenn wir an die Grenze zwischen innerer und äußerer Welt kommen, führt uns der vierte Sinn zunächst in diese äußere Welt, in die wir mehr und mehr eindringen; mit den Schlüsselsinnen nehmen wir die äußere Welt an ihrer Oberfläche wahr; mit den Sinnen des Verstehens lernen wir die Dinge kennen, wir gelangen zur Seele der Dinge. Sind diese zehn Sinne die einzigen - oder gibt es noch andere darüber oder darunter? Von diesen höheren Sinnen werden wir später sprechen.
Unterhalb des Geruchssinns gibt es also drei weitere Sinne, die ihre Mitteilungen aus dem Inneren des Menschen beziehen. Dann führt uns der Geruchssinn zunächst in die Außenwelt. Wir dringen dann immer tiefer in die äußere Welt ein. Aber was ich dir bisher beschrieben habe, sind noch nicht alle Sinne; es gibt noch etwas darunter und darüber. Was ich Ihnen gezeigt habe, ist nur ein Teil des Ganzen, es gibt noch etwas darunter und darüber. Vom Sinn des Konzepts können wir zu einem ersten astralen rc-Sinn aufsteigen und zu den Sinnen gelangen, die in die Spiritualität eindringen; wir würden dann einen elften, einen zwölften und einen dreizehnten Sinn finden. Diese drei astralen Sinne werden uns noch tiefer in die Substrate der äußeren Dinge führen; sie führen uns dorthin, wohin der Begriff nicht reicht. Der Begriff hört vor dem Äußeren auf; der Geruchssinn hört vor dem Inneren auf.
Dies dient als Grundlage für das Wissen der Menschen, es ist absolut notwendig. Jahrhundert in Vergessenheit geraten ist, ist alles in ein unbeschreibliches Durcheinander geraten, sowohl in der Philosophie als auch in der Erkenntnistheorie. Es wird allgemein gesagt: Was kann der Mensch mit den einzelnen Sinnen wissen? und man kann nicht einmal den Unterschied zwischen dem Hörsinn und dem Sehsinn aufzeigen. Wir sprechen von Lichtwellen, wie wir von Schallwellen sprechen, ohne zu berücksichtigen, dass der Sehsinn nicht so tief eindringt wie der Hörsinn. Durch den Hörsinn steigen wir in die beseelte Natur der Dinge auf. Und wir werden sehen, dass wir mit Hilfe des elften, zwölften und dreizehnten Sinnes auch in den Geist der Dinge, in den Geist der Natur eindringen. Jeder Sinn hat ein anderes Wesen und eine andere Entität.
Ein Großteil der Überlegungen, die heute über die Natur des Sehsinns und seine Beziehung zur umgebenden Welt angestellt werden, insbesondere von Physikern, kann daher a priori als Aussagen betrachtet werden, die die Natur der Sinne nicht berücksichtigt haben. Zahllose Irrtümer sind auf dieser Fehleinschätzung der Natur der Sinne aufgebaut worden. Es ist notwendig, darauf zu bestehen, weil das, was hier gesagt wurde, unmöglich mit dem allgemeinen Wissen übereinstimmen kann. Man kann dort Dinge lesen, die von Menschen geschrieben wurden, die nicht einmal eine Ahnung von der inneren Natur des Sinneswesens haben. Wir müssen verstehen, dass die Wissenschaft von ihrem Standpunkt aus anders sprechen muss, dass sie einen Irrtum zum Ausdruck bringen muss, weil die Evolution in einer Weise stattgefunden hat, dass die wahre Natur der Sinne vergessen wurde.
Diese wahre Natur der Sinne ist das erste Kapitel der Anthroposophie.
Im ersten Vortrag über Anthroposophie haben wir nur die menschlichen Sinne aufgezählt, wie sie sich aus dem menschlichen Wesen selbst ergeben. Wir haben sie nicht verwechselt, wie es in der äußeren Physiologie unvermeidlich ist, weil sie die Beziehungen zwischen ihnen nicht kennt. Vielmehr haben wir sie in einer vollständigen Reihe aufgezählt, die dem menschlichen Wesen entspricht.
Es ist nun unsere Aufgabe, den Bereich der menschlichen Sinne genauer zu untersuchen, denn er wird für uns bei der weiteren Erforschung des menschlichen Wesens von größter Bedeutung sein.
Wir haben mit dem Sinn begonnen, den wir den Lebenssinn, das Lebensgefühl, den vitalen Sinn nennen. Worauf gründet sich dieser Lebenssinn in der wahren geistigen Bedeutung des Wortes? Es wird notwendig sein, sehr tief in das Unterbewusstsein, in die innersten Substrate des menschlichen Organismus hinabzusteigen, wenn wir uns eine Vorstellung davon machen wollen, woher der Sinn des Lebens kommt. Die geisteswissenschaftliche Untersuchung offenbart uns in dieser Hinsicht vor allem ein besonderes Zusammenwirken von physischem und ätherischem Leib. Das unterste Glied des menschlichen Wesens, der physische Leib, und das zweite Glied, der Ätherleib, treten in eine gewisse Wechselbeziehung, durch die im Ätherleib etwas Neues entsteht, das sich in gewisser Weise im Ätherleib niederlässt und ihn durchdringt. Der Ätherleib ist durchdrungen, durchdrungen von etwas, das der Mensch ja zur Zeit noch gar nicht bewusst kennt. Das, was so den Ätherleib durchdringt, durchdringt ihn, wie Wasser den Schwamm durchdringt. Die okkulte Wissenschaft ist in der Lage zu sagen, was wirklich auf diese Weise im Ätherleib wirkt: Das, was wirkt, entspricht bereits dem, was der Mensch in sehr ferner Zukunft als Geist-Mensch oder Atma entwickeln wird. Der Mensch besitzt diesen Atma noch nicht selbst; er muss ihm von der geistigen Außenwelt gleichsam geliehen werden, ohne dass er selbst daran teilhat. Später, in ferner Zukunft, wird der Mensch sie in sich selbst entwickelt haben. Es ist also der Menschengeist oder das Atma, das den Ätherleib durchdringt; auf der gegenwärtigen Entwicklungsstufe des Menschen ist es in gewissem Sinne eine übermenschliche Wesenheit, die ihn durchdringt.
Wie wird dieser Atma ausgedrückt? Diese Übermenschlichkeit drückt sich darin aus, dass dieser Atma oder Geistmensch den Ätherleib konzentriert, ihn auf eine bestimmte Weise zusammenzieht. Wenn wir uns ein Bild von der äußeren Welt der Sinne machen wollen, können wir diesen Vorgang mit der eisigen Wirkung der Kälte vergleichen, die den physischen Körper zusammenzieht. Dieser Prozess wird für den Menschen einmal sehr vorteilhaft gewesen sein; derzeit ist er aber noch nicht reif dafür und daher in gewissem Sinne vernichtet. Das Ergebnis ist, dass die Astralität im Menschen verdrängt, ausgequetscht wird. In dem Maße, in dem der Ätherkörper komprimiert wird, gerät auch der physische Körper in einen Zustand der Spannung. Auf diese Weise wird der Astralkörper ausgestoßen. Man kann sich diesen Prozess in gewisser Weise wie einen Schwamm vorstellen, der ausgepresst wird. Die Vorgänge im Astralkörper sind nun alle Gefühlserfahrungen (Lust, Leid, Freude, Schmerz). Dieser Prozess der Verdrängung wird nun für das Gefühl als Sinn des Lebens manifestiert. Dies ist der Prozess im Astralkörper. Sie äußert sich als Gefühl der Freiheit, als Gefühl der Stärke oder als Erschöpfung.
Lassen Sie uns nun einen Schritt weiter gehen. Als zweiten Sinn haben wir den Sinn der Selbstbewegung genannt. Hier wirkt wiederum ein anderes Prinzip im Ätherleib des Menschen, das der Mensch selbst aber in gewissem Sinne noch nicht hat. Sie wird heute noch nicht bewusst verarbeitet, sondern fließt dem Menschen aus der geistigen Welt zu. Auch der Ätherleib wird hier wie ein Schwamm mit Wasser getränkt. Aber das, was ihn jetzt durchdringt, ist der Lebensgeist (Buddhi), der ihn in der Zukunft erfüllen wird, der ihm aber jetzt in gewisser Weise durch den Lebensgeist der Welt vorläufig gegeben ist. Er wirkt anders als der Atma; so wie im stillen Wasser ein Gleichgewichtszustand entsteht, so bewirkt er ein Gleichgewicht, einen Gleichgewichtszustand im Ätherleib und im physischen Leib und folglich auch im Astralleib. Dieser Gleichgewichtszustand hat zur Folge, dass sich das Gleichgewicht, wenn es gestört wird, wieder einstellen kann. Wenn wir zum Beispiel einen Arm ausstrecken und durch diese Positionsänderung das Gleichgewicht stören, passiert es, dass der Astralkörper, der im Gleichgewicht ist, sich
stellt das gestörte Gleichgewicht sofort wieder her. Wenn wir unseren Arm ausstrecken, fließt der Astralstrom in die entgegengesetzte Richtung zu der, in der der Arm ausgestreckt ist, und stellt das Gleichgewicht wieder her. Wann immer eine physische Positionsveränderung eintritt, zum Beispiel, wenn wir blinzeln, bewegt sich der Astralstrom in die entgegengesetzte Richtung durch den Organismus. In diesem innerlich erlebten Prozess eines Gleichgewichts im Astralkörper manifestiert sich der Sinn der Selbstbewegung.
Wir kommen nun zu einem dritten Element, das den Ätherleib des Menschen durchdringen kann. Auch von diesem dritten Element ist dem Menschen nur noch ein sehr kleiner Teil bekannt, nämlich das Manas oder das geistige Selbst. Da es aber jetzt am Menschen liegt, weil es seine irdische Mission ist, das Manas zu entwickeln, wirkt es auf den Ätherkörper anders als das Atma und die Buddhi, die erst in ferner Zukunft entwickelt werden. Manas wirkt so, dass es den Ätherkörper ausdehnt. Das Ergebnis ist, dass mit dem, was im vitalen Sinne als eisig bezeichnet wird, das Gegenteil geschieht.