Die dünnen Götter - Aris Fioretos - E-Book

Die dünnen Götter E-Book

Aris Fioretos

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Beschreibung

Große Literatur, die von allem erzählt, was das Leben ausmacht: von Draufgängertum und Verletzlichkeit, von Sehnsucht und Kompromisslosigkeit und von der Liebe …

Ache Middler, ein Rockmusiker in seinen Sechzigern, lebt zurückgezogen in Berlin, als ihn der Brief einer sterbenden Frau erreicht. Jahre zuvor haben sie zusammen eine Nacht verbracht. Jetzt bittet sie ihn, ihrer gemeinsamen Tochter seine Geschichte zu erzählen. Ache blickt zurück: auf die Kindheit in Delaware und die trinkende Mutter, auf den Aufstieg im glamourös abgerissenen New York der 1970er, auf die ewigen Geldsorgen – und auf die drei Frauen, die ihn geprägt haben. Über Jahrzehnte verfolgt "Die dünnen Götter" die Gegensätze eines Lebens: zwischen draufgängerischer Maskulinität und Verletzlichkeit, zwischen Unabhängigkeit und Liebe. Ein Roman, der im Rausch des Undergrounds pulsiert, elektrisierend und lässig melancholisch zugleich.

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Das ist das Cover des Buches »Die dünnen Götter« von Aris Fioretos

Über das Buch

Große Literatur, die von allem erzählt, was das Leben ausmacht: von Draufgängertum und Verletzlichkeit, von Sehnsucht und Kompromisslosigkeit und von der Liebe …Ache Middler, ein Rockmusiker in seinen Sechzigern, lebt zurückgezogen in Berlin, als ihn der Brief einer sterbenden Frau erreicht. Jahre zuvor haben sie zusammen eine Nacht verbracht. Jetzt bittet sie ihn, ihrer gemeinsamen Tochter seine Geschichte zu erzählen. Ache blickt zurück: auf die Kindheit in Delaware und die trinkende Mutter, auf den Aufstieg im glamourös abgerissenen New York der 1970er, auf die ewigen Geldsorgen — und auf die drei Frauen, die ihn geprägt haben. Über Jahrzehnte verfolgt »Die dünnen Götter« die Gegensätze eines Lebens: zwischen draufgängerischer Maskulinität und Verletzlichkeit, zwischen Unabhängigkeit und Liebe. Ein Roman, der im Rausch des Undergrounds pulsiert, elektrisierend und lässig melancholisch zugleich.

Aris Fioretos

Die dünnen Götter

Roman

Aus dem Schwedischen von Paul Berf

Hanser

The world was so thin between my bones and skin.

TELEVISION

Übersicht

Cover

Über das Buch

Titel

Über Aris Fioretos

Impressum

Inhalt

KNOCHEN

DIE WELT

STIRB NICHT

VERZÜCKUNG

LANDSTREICHER

ENFANT TERRIBLE

ZUKUNFT IN LÄRM

AUFLÖSEN/OFFENBAREN

O MI AMORE

RAD BRICHT

FRIKTION

AUSEINANDERFALLEN

DIE ERDE IST IM HIMMEL

REGEN, BÜRGERSTEIG

DAS BLAUE KLEID

SPIRITUELL

DAS H IN HULDIGUNG

FÜNF STUNDEN VON CALAIS

FUCK ROCK ’N’ ROLL

FLAMME

DAS IST ALLES, WAS ICH WEISS (IM MOMENT)

IMMER

HAUT

Anmerkung

KNOCHEN

Wir wissen, dass es mit der Mutter begann. Dem Halbblut, das nur Knochen und Kanten war. Theresa Stern, Dichterin. Sie zog die Unterhemden aus, das eine weiß, das andere schwarz, indem sie mit den Händen über Kreuz den unteren Saum griff und sie sich über den Kopf zog. Der Slip folgte der Jeans. Kein BH. Aus irgendeinem Grund blieb ein Strumpf am Fuß zurück.

Dann stampfte sie so ungeduldig auf, dass der Wecker am Bett zu Boden fiel. »Aus, aus, aus«, keuchte sie, die Lippen auf denen von Ache, an seinem Gürtel nestelnd. Ihre Nägel waren kurz, vielleicht abgekaut. Und schwarz lackiert.

Zehn kleine Kohlestücke, hatte er in der Bar gedacht, wo sie tranken und über den Sternenhimmel sprachen, bis keiner der beiden mehr Lust hatte, sich etwas vorzumachen. Auf dem Weg zu der Wohnung, die sie sich von holländischen Freunden lieh — die Nacht war lau und feucht, die Bleibe lag über einem asiatischen Restaurant —, bat sie um eine Marlboro Menthol. Er fragte, wessen Erkennungsmarke sie um den Hals trage. Sie zog an dem Gummi, der ihr Haar gebündelt zusammenhielt. Lachend, die Zigarette zwischen spärliche Zähne geklemmt, schob sie den Arm unter seinen; Erklärungen könnten doch sicher warten?

In der dritten Etage schlug Theresa die Tür mit dem Ellbogen zu und zog in derselben Bewegung ihre Hemden aus. Ache bekam die Hose nur bis zu den Oberschenkeln herunter, als sie auch schon die Faust um seine Hemdbrust schloss und ihn an sich zog. Sie fielen auf die Matratze. Sie rücklings, er kam mit Hüfte und Brustkorb auf. Das Laken hob sich mit einem sanften Schock, ehe es landete — wie das Nachdenken, von dem keiner etwas wissen wollte.

Zwei Wesen, ruhelos vor Hunger.

Als Ache erwachte, stotterte irgendwo ein Belüftungsrohr. Er lauschte eine Weile dem unseligen, wenngleich vertrauten Lärm, rauchte mit Theresa neben sich. Sie schnarchte nicht, er hörte aber, dass sie atmete. Ruhige Atemzüge, friedvolle. Manchmal bewegte sich die Erkennungsmarke, die, wie sie ihm erzählt hatte, die ihres Vaters gewesen war. Sie war nach innen gedreht, der Name nicht lesbar. Eigentlich hatte sie bloß »der Alte« gesagt; das mit dem Vater hatte Ache selbst ergänzt. Ihre Augen flackerten unter dünner Haut.

Als er sich angezogen hatte, überlegte er, ob er Theresa wecken sollte. Stattdessen hob er den Wecker vom Boden auf. Die Batterie war herausgefallen; er verglich die Uhrzeit mit seinem neuen Handy und stellte ihn. 8:22. Sie hatten kein Kondom benutzt.

Eine Viertelstunde später schimmerten die Fenster auf der anderen Seite der Gracht unwirklich. Der Müll roch bereits, sein Kopf rauschte vor Müdigkeit. Verkatert ging er die Raadhuisstraat hinab zum Hotel. Nachdem er seine Sonnenbrille aufgezogen hatte, wandte er den Blick nach oben, zum wolkenlosen Himmel. Später erfuhr er, dass sich ein Fleck über den unteren Rand der Sonne bewegt hatte, dunkel wie geronnenes Blut, für das bloße Auge aber nicht zu erkennen. Da dachte er: ein bewegliches Einschussloch.

In der Bar hatte Theresa Gedichte rezitiert, während Ache sich an alte Liedtexte hielt. Als er ihr von seinem Traum erzählte, in der Musik aufzugehen, mit Knochen und allem, hatte sie die Nase gerümpft. Hohe Ansprüche. Sie selbst fand, seien »Kalk, Phosphor etc.« das Los des Menschen, reiche ihr das.

Kalk. Phosphor. Er mochte die Wörter.

Im Jahr darauf kam die Postkarte. Über der Briefmarke stand Hobo; die Druckerschwärze war verschmiert, der Rest unleserlich. Die Vorderseite zeigte einen gewaltigen Nachthimmel mit brennenden Krümeln. Der größte Stern, eigentlich ein Planet, war von einem holprigen blauen Ring umgeben. Copyright: Planetary Society.

Theresa hatte an die Plattenfirma geschrieben. Obwohl Ache seinen Vertrag gebrochen hatte, leiteten sie die Postkarte in einem Umschlag weiter. In Sorge, das Unternehmen beabsichtige, den Vorschuss zurückzufordern — er hatte den größten Teil ausgegeben —, ließ er ihn zwischen Schuhlöffeln und anderem in der Schublade des Flurtisches liegen. So ging er meistens mit Sorgen um: ignorierte die Bedrohung, bis sie vorüberging. Wenn er etwas benötigte, kitzelte der Puls an den Handgelenken. Aber erst als Why ihm eines Vormittags den Umschlag reichte, nachdem sie bei ihm übernachtet hatte, verschwand das Gefühl von Gefahr. Es geschah, bevor sie zusammenzogen. »Kommt mir für eine Mahnung nicht dick genug vor.« So erfuhr er, wie das Kind hieß.

Seine Tochter war am 20. März 2005 geboren worden — im Morgengrauen, drei Tage früher als ausgerechnet. In den Minuten nach ihrem ersten Schrei war sie 48 Zentimeter groß und wog 2860 Gramm. Eine Welt im Miniaturformat, schutzlos, aber intakt. Nach dem Gruß an Ache und Informationen über die Entbindung ergänzte Theresa: »Ich möchte nur, dass du es weißt. Mark, Knorpel, Blut — du bist überall in ihr. Das ist genug.« Unstete Buchstaben, mit Kugelschreiber geschrieben, blaue Tinte in den geschwungenen Bäuchen der gs.

Ache schämte sich, weil die Neuigkeit ihn nicht so berührte, wie sie es tun sollte. Er, den man einst den Eiskönig genannt hatte, lebte ein zurückgezogenes Leben; die Erleichterung war größer.

Danach verging die Zeit.

Elf Jahre später bekam Ache wieder Post, diesmal war der Umschlag dick und mit Luftpolsterfolie wattiert. Als er selbst so alt war wie seine Tochter jetzt, hatte sich etwas ereignet, was ihn hatte glauben lassen, er wäre unsichtbar. Hingerissen hatte er im strömenden Regen gestanden. Seine Lunge fühlte sich federleicht an, die Haut durchsichtig. Inzwischen war er sechsmal älter und wusste es besser. Dennoch kam es immer noch vor, dass er sich einbildete, unsichtbar zu sein. Die Umstände hatten ihn gelehrt, es war eine vorteilhafte Art zu leben. Die Sinne blieben empfänglich, aber wer Ache Middler war, spielte keine Rolle. Der Körper wurde zu Zellophan ausgedünnt. Er atmete frei.

Why hatte dieses Bedürfnis zu existieren, ohne zu sein, mit ihm geteilt. Einige Jahre vor der Verfinsterung, wie sie nannten, was geschah, als er ihr krank und betrübt von Amsterdam erzählt hatte, gestand sie, die gleiche Sehnsucht habe sie dazu getrieben, das Pulver zu rauchen, das auf der Alufolie über dem Feuerzeug blubberte. Ache wollte nicht, dass sie wieder anfing, weshalb es besser war, sie glaubte, die neue Sendung enthalte Fanpost. Als er den Umschlag aufgeschlitzt hatte, orange wie Feuer, seufzte er, manche Bewunderer kennten keine Grenzen. Kinderzeichnungen, echt jetzt?

Obwohl die Lunge erneut Probleme bereitete und Ache bei so einfachen Tätigkeiten wie dem Schnüren seiner Schuhe ins Schwitzen geriet, fühlte er sich endlich im Dasein geborgen. Die Wohnung, die Herr Deeb ihnen besorgt hatte, war das Beste, was ihnen passieren konnte. Seither stand er in der Schuld des Maklers, was Why nicht wusste, aber wenn er sein Versprechen hielt, würde sie es auch niemals erfahren müssen. Wenn er die Reise erst einmal gemacht hatte, die Deeb sich als Gegenleistung wünschte, wenn er aus der Hölle zurückgekehrt war — »über alle Meere und Berge hinweg«, wie es bei dem Dichter hieß, den Ache in seiner Jugend gelesen hatte —, würde die Situation sicher sein und seine Notlüge der Vergangenheit angehören. Endlich würde er aufatmen können.

Ache versteckte die Sendung unter den Zeitungen, die er im Arbeitszimmer aufbewahrte, er wusste nicht recht, was er mit einem Umschlag tun sollte, der zu brennen schien. Aus Sorge, Why wolle sich die Zeichnungen womöglich anschauen, überlegte er sogar, sie in den Müllcontainer im Hof zu werfen. Dann las er Theresas Begleitschreiben noch einmal. Sie flehte so eindringlich — »erzähl dem Mädchen zuliebe von dir, für später, wenn sie erwachsen ist« —, dass er nicht zurückrief, als Deeb Anweisungen auf dem Anrufbeantworter hinterließ.

Stattdessen schrieb er zehn, manchmal auch zwölf Stunden am Stück. Morgens ging er mit dem Tee ins Arbeitszimmer. Bevor Why ins Atelier verschwand, arrangierte er das Material für die neue Platte, es sollte ein Konzeptalbum werden; sobald die Tür ins Schloss gefallen war, zog er jedoch an den Computer um, den er übernommen hatte, als sie sich einen neuen gekauft hatte. Die ersten Erinnerungen stellten sich seltsam leicht ein, wie von selbst. Nach ein paar Tagen hatte er schon mehrere Dateien angelegt. Wenn er nicht sicher war, wie er in der einen weitermachen sollte, öffnete er eine andere und schrieb weiter, wo er zuletzt aufgehört hatte. Danach ging er auf seine Zeit in der Band und auf das ein, was mit seinem Bruder passiert war. Da lief es stockender. Und als er den Gig in Holland und die Begegnung mit Theresa erreichte, war es, als bliebe die Uhr ein zweites Mal stehen. Unschlüssig verschob er die Dateien in einen Ordner, der den allumfassendsten Namen erhielt, den er sich vorstellen konnte.

Ache wusste, dass Deeb wartete, und als der Makler zwei Nachrichten am selben Tag hinterließ (er fragte sich, ob es ein Zufall war, dass es am Geburtstag seiner Tochter geschah), machte er weiter. Am letzten Abend hörte er Why nicht nach Hause kommen. Sie steckte den Kopf zur Tür herein, die braune Strickjacke hing ihr über den Schultern. Hatte er den ganzen Tag am Computer gesessen? Er lächelte schief. »Gleich fertig …« Sie hatten so oft über das neue Album gesprochen, dass sie wohl glaubte, er würde an dem Text arbeiten, der es begleiten sollte.

Wenn sie nur wüsste.

Vor langer Zeit hatte sich auch Ache der Poesie gewidmet. Mit seiner ersten Freundin hatte er sogar eine Gedichtsammlung veröffentlicht. Nocturnes hieß sie, ins Reine geschrieben auf ihrer Hermes 2000 in der Wohnung in der East 11th Street. Die Zusammenarbeit ließ ihn erkennen, dass ihm Dichtung nicht so große Kraft schenkte wie Musik, wie er in Amsterdam erklärt hatte. Als Theresa wissen wollte, warum, murmelte er, Töne erschüfen im Unterschied zu Worten Raum für »sie«.

»Sie?« Theresa verstand nicht.

Ache, der spürte, dass er zu viel gesagt hatte, wechselte das Thema. Der erste Auslandsaufenthalt sei für ihn als Musiker gut, wenn auch nicht leicht gewesen. Als er nach New York zurückkehrte, sei der Gesang aus den Liedern verschwunden. Endlich habe er sich nicht über das Dasein äußern müssen, es habe ausgereicht, es zu leben.

Das machte es schwierig, alles in den Briefen unterzubringen. Wenn es ihm jedoch gelang, nicht nur der Lust und dem Eifer Ausdruck zu verleihen, die er erlebt hatte, sondern auch dem Schaden, den er angerichtet hatte, würde seine Tochter eines Tages verstehen, warum er in die Hölle gehen musste.

Nur Fakten, wie seine Großmutter zu sagen pflegte.

Aus dieser Welt zwischen Knochen und Haut.

Und wir, die wir so verworren sprechen, ohne uns zu erkennen zu geben?

Kehren zurück.

DIE WELT

STIRB NICHT

Die Stadt, in der ich aufwuchs, war ein verschlafenes Kaff. Ruhige Straßen, stille Viertel. Die wenigen Gebäude, die bis zu den Wolken reichten, standen Downtown. Vorerst dominierten flache Wohnhäuser, Vegetation und Offenheit. Die Boote fuhren auf dem Fluss ein bisschen wie sie wollten zwischen Prahmen und Containerschiffen, die Parks hatten ihre derbe Wildheit noch nicht verloren.

In den ersten Jahren lebten wir in einer Wohnung. Ich erinnere mich nur, dass ich in der hellblauen Wanne sitzend dachte, dass mein Bruder und ich im Himmel badeten. Mom wusch unsere Arme und Beine, während wir Schaum aufeinander pusteten. Wenn die Seifenblasen wie Kleister auf der Haut hafteten, blieb uns vor Lachen die Luft weg. Wir schafften es selten, uns einen ganzen Tag zu vertragen, aber in der Wanne, umgeben von kaugummiduftenden Wolken, waren wir unzertrennlich.

1955 wurde das Haus, das Mom und Dad bauten, endlich fertig. Es war nicht so groß oder schön wie die der Nachbarn, hatte aber Linoleumböden und eine Klimaanlage. Der gelbe Bungalow mit einer Veranda auf der Rückseite lag am Stadtrand, in einer Siedlung, deren Straßen nach Schriftstellern benannt waren. Fielding Road, Milton Drive, London Lane … Dad, der sich an Mickey Spillane hielt, wenn er etwas anderes als die Zeitung las, erklärte stolz, wir wohnten unter Literaten. Die Straßennamen waren mir bald vertraut, weshalb ich mich später, als ich vom Findelkind Tom Jones las, nicht damit abfinden mochte, dass die Illustrationen eine andere Welt zeigten als meine. Obwohl unser Lehrer in dem Internat, das ich besuchen sollte, in das ich bis dahin aber kaum gegangen war, Fieldings Roman anpries, verstand weder ich noch sonst jemand in der Klasse, wie die englische Gesellschaft des achtzehnten Jahrhunderts funktionierte. Milton war nur ein Name, aber schon als Kind vergötterte ich Jack London.

Zwischen Jim und mir lagen siebzehn Minuten. Da wir zu beiden Seiten der Mitternacht geboren worden waren, fand er, es könnten genauso gut Jahre sein. Ich war fünf oder sechs, als ich den Abstand ausrechnete: eintausendundzwanzig Sekunden. Wir hatten beide Stupsnasen und bekamen mit der Zeit lange Hälse und große Hände. Wir verstanden uns wortlos, häufig reichte uns eine Geste, doch alles, was für unsere Spielkameraden von Bedeutung war — was wir mochten und hassten, unsere Art, in der Welt zu sein —, unterschied sich.

Jim war frech und einfallsreich wie Dad, ich schweigsam und nachdenklich wie Mom. Aber auch hartnäckig, was bedeutete, dass ich vor meinem Bruder lesen lernte. Während er die Cowboys unseres Viertels auf die Prärie führte, die sich westlich des Lea Boulevard ausbreitete, schlenderte ich mit einem Comicheft hinterher, das mir Gesellschaft leisten würde, wenn sie wie üblich Indianer erspähten und mich zurückließen, um das Gepäck zu bewachen (Mützen, Jacken, ein Eishockeyschläger). Oder er dirigierte die Soldaten, von denen die Menschheit vor dem »Ding« gerettet wurden, das im arktischen Eis des Haynes Parks gelandet war, ich war das lesende Monster, das sie in Asche verwandelten, nachdem sie es in eine elektrische Falle gelockt hatten.

Manchmal ließ ich mir etwas einfallen, was den Beifall aller fand, aber es war Jim, der das Leben spannend machte. Nichts war unmöglich und das meiste vorstellbar, wenn er das Spiel anführte. Wir wirkten so verschieden, dass die Bande mich nicht so sehr wie einen gefügigen Bruder, sondern eher wie einen introvertierten Verwandten behandelte, wenn Jim den Bann aufhob, der früher oder später über mich verhängt wurde.

Wären wir Wetter gewesen, mein Bruder hätte für den Blitz, ich für den Donner gestanden. Das klingt sicher seltsam, deshalb werde ich es erklären. Er schlief im oberen Bett, ich im unteren. Wenn er sich herabbeugte, bedeutete ein Schnippen mit den Fingern, dass es an der Zeit war, das Heft zu tauschen, eine ausgestreckte Handfläche, dass er die Astronauten sehen wollte, die unter meinem Kissen versteckt lagen. Eines Abends lieh er sich Vaters Bademantel, warum, begriff ich nicht. Als es still geworden war im Haus, stieg er herunter. Aus der Manteltasche fischte er seine Hypnosebrille, dann hob er die Arme wie Mandra, der Zauberer. Die Gläser zeigten schwarzweiße Wirbel, in deren Mitte die Augäpfel durch kleine Löcher flackerten. Als er mir bedeutete aufzustehen, hatte ich keine Lust, mich zu streiten, stattdessen gab ich vor zu taumeln und stolperte ihm hinterher — zum Schnaps auf dem Wagen neben den Porzellanfiguren im Wohnzimmer, wo ich wie in Trance Bourbon trank.

Das meine ich. Als Kind ließ Jim sich immer etwas einfallen, ich, der ich lieber in meinem Kopf lebte, folgte ihm.

Wochenlang hatte mein Bruder wegen des Handbuchs gequengelt, das zu der Brille gehörte, bis Mom es schließlich bestellte. Die Anleitung wurde von der Firma vertrieben, deren Anzeigen in den Heften über den Gentleman im Umhang ganz hinten zu finden waren. Sie steckte einen Scheck in einen Briefumschlag, leckte die Klebefläche mit einer Zunge zu, die glatt war von Phosferine Tonic Wine, und bat uns, sie in Ruhe zu lassen. Großvater war kürzlich gestorben; bald würde Nana einziehen und Mom musste offensichtlich Kraft schöpfen vor dem Kontakt mit der osteuropäischen Seite unserer Familie. Als ich mich weigerte zu gehen, erkannte sie, dass nur Jim etwas bekommen hatte. Mit einer stummen Geste bat sie mich, die Blechdose aus der Küche zu holen, aus der sie einen Geldschein zog. Ihre Augen waren glasig; sie wirkte nicht anwesend, als sie das Glas auffüllte.

Als mein Bruder mich das nächste Mal hypnotisierte, sprach er zungenbrecherische Formeln, die er, behauptete er, in dem Handbuch gelesen hatte, um mich damit zu seinem mentalen Sklaven zu machen. Diesmal tapste ich auf die Veranda hinaus, statt Schnaps zu trinken — er ging rückwärts mit erhobenem Zauberstab, ich folgte ihm wie ein willenloses Wesen. Auf dem Tisch stand ein Teller voller Cornflakes, die er mit Orangensaft und Ketchup verrührt hatte. »Iss das Licht, Dummkopf, iss das Licht.« Ich schüttelte den Kopf. Niemals.

Jim schlug mit dem Stab. Wenn ich zwei, nein, drei Löffel »Sonnenmatsch« äße, werde er mir sein Orbitop leihen. Wir hatten beide eins von Onkel Ray bekommen. Meins war schon nach zwei Wochen kaputtgegangen, seither wollte Jim die Astronauten sehen, die ich herausgeholt hatte und wie Heilige behandelte. Bis ich entschieden hatte, ob sie beim Absturz gestorben waren oder überlebt hatten, durften sie unter meinem Kissen jedoch nicht gestört werden. Schweigend starrte ich in die schwarzweißen Wirbel der Brille. Während er Zauberformeln zischte, ließ er die Finger zittern und bewegte den Kopf vor und zurück, damit sich der Dämmerzustand vertiefte.

Diesmal funktionierte die Hypnose. Das Gehirn kreiste um sich selbst, bis es kaum größer war als ein Stecknadelkopf. Der Körper wankte, der Wille löste sich in Äther auf. Auf der Kante von Moms Liegestuhl sitzend hob ich apathisch den Löffel zum Mund. Jedes Mal schlug das Blech gegen die Zähne, der Matsch rann aus den Mundwinkeln. Schließlich schnippte Jim mit den Fingern.

Ich zuckte zusammen, aus einer Wolke gefallen. Über den Rasen gebeugt, spuckte ich die letzten Reste aus, die sich in den Backen gesammelt hatten. Das reichte ihm, um mir seinen Plastiksatelliten doch nicht auszuleihen.

Kurz vor unseren Geburtstagen tauchten die Plakate für einen Film auf, über den bald jeder redete. Ein Mann und eine Frau rannten auf den Betrachter zu, beide waren verzweifelt. Im Hintergrund sah man andere Paare, auch sie auf panischer Flucht vor einer unbekannten Bedrohung. Das Plakat war in zwei Bereiche aufgeteilt — der obere rot, der untere gelb — über denen der Abdruck einer Handfläche schwebte. Es war unklar, ob die Hand an dem brennenden Himmel dem Betrachter drohte oder als Warnung gehoben wurde.

Obwohl die Kinobesucher fünfzehn sein mussten, bettelten wir, hineingehen zu dürfen. Dad sagte Nein, versprach aber, den Film mit Mom zu sehen und zu berichten. An unserem Geburtstag lag neben den anderen Geschenken ein Umschlag. Der Film kam erst nach Neujahr in die Kinos, aber er hatte die Filmfotos gekauft, die übrig geblieben waren, als die Vitrinen im Aldine Theatre in der Market Street bestückt wurden.

Später gab Mom die Handlung wieder, danach bauten Jim und ich die Story mit Hilfe der Bilder aus. Und erschreckten die Bande mit Zitaten, ausgesprochen unter schicksalsschwerer Qual.

»Kein gewöhnlicher Körper, nicht wahr?«

»So etwas habe ich noch nie gesehen. Er sieht … unbenutzt aus.«

»Kapiert ihr nicht? Sie sind schon hier. Ihr seid als Nächstes dran!«

Obwohl ich Die Dämonischen erst viele Jahre später sah, beeinflusste mich der Film. Im Unterschied zu dem Ding aus einer anderen Welt, das in dem Film gleichen Namens in einen Gletscher abgestürzt war, fremd für alles in der Welt eines Kindes, regneten Sporen auf eine verschlafene Kleinstadt in Kalifornien herab. Das konnte jederzeit auch in der Coleridge Road passieren. Mit der Zeit wuchs der Staub, fein wie Asche, zu riesigen Samenkapseln heran, in denen Doppelgänger der Menschen in ihrer Nähe entstanden. Wenn die Einwohner schliefen, wurden Gedanken und Erinnerungen, ganze Persönlichkeiten aufgesaugt. Keiner war sicher.

Von da an trug ich im Haus eine Mütze mit Ohrenklappen. Die Vorstellung, dass ein Freund der Feind sein könnte, beunruhigte mich so sehr, dass ich in unserem Sternenatlas nach dem Planeten suchte, von dem die Sporen kommen könnten. Als Mom zum fünften oder achten Mal hereinschaute, und ich zum fünften oder achten Mal das Licht löschte, rief sie Vater hinzu. »Das haben die sich nur ausgedacht, Tim. Schlaf jetzt.« Ich war nicht wirklich überzeugt. Vermutlich gehörte die Hand, die mir die Mütze abstreifte, keinem falschen Menschen. Aber was garantierte mir, dass Fremde — in den Geschäften, in der Schule, in die Jim und ich bald gehen sollten, in der Kirche, zu der uns Mom an den Wochenenden mitnahm —, was machte Vater so sicher, dass sie wirklich waren?

Ich wollte nicht von fremden Wesen besetzt werden; ich beabsichtigte, mich vor Sporen zu schützen, die so fein, aber gefährlich waren, dass sie sich mit bloßem Auge nicht erkennen ließen. Hatte Vater nicht die Schlussfolgerung zitiert, zu der die Hauptperson gelangt war? In dem Programmblatt, aus dem er lachend vorgelesen hatte, bis Mom es weglegte, weil sie befürchtete, es könnte mich beunruhigen, erklärte ein gewisser Dr. Bennell: »Um welche Intelligenz oder welchen Instinkt es sich auch handeln mag, kann diese menschliches Fleisch und Blut aus der dünnen Luft formen, sie ist wahnsinnig mächtig, jenseits unserer Auffassungsgabe.«

Aus der dünnen Luft …

Wenn es nicht nur Sporen regnen konnte, sondern die Kraft, die sie hervorbrachte, außerdem alles übertraf, was ein Mensch sich vorzustellen vermochte, gab es keinen Schutz. Nicht ganz, nicht dauerhaft, nicht so, dass man sich vollkommen sicher fühlte. Und zu schlafen wagte.

Eines Abends, als die Gedanken wilder rumorten als sonst, legte Vater sich zu mir. Nach der Arbeit rasierte er sich immer, weil er morgens lieber etwas länger im Bett blieb. Ich mochte den frischen Wind seiner Wangen; an einem Ohr klebte ein Stück Toilettenpapier mit einem roten Fleck darin. Vater bedrückte es, dass ich schwächer war als Jim, vielleicht fürchtete er, ich würde einmal so werden wie sein Bruder Ray, aber diesmal war deutlich, dass er sich kümmerte. Als er anfing zu schnarchen, wurden meine Lider magisch schwer, als hätte mich sein Vertrauen in den Schlaf angesteckt, und die Gedanken setzten sich im Traum fort. Am nächsten Morgen zog Jim mich auf. Mom, die schlecht hörte, begriff nicht, dass mein Bruder so tat, als würde er schnarchen. Dann gähnte er, streckte die Arme und bat sie, uns den Schluss des Films noch einmal zu erzählen. »Wahrscheinlich wurden die Samenkapseln getötet. Nicht?« Sie stöhnte. »Woher soll ich das wissen? Mit Flammenwerfern oder so etwas.«

Obwohl der Tod durch Feuer mich beruhigte, ärgerte Jim mich weiter. Eine Woche später, als unsere Mom endgültig mit den Nerven am Ende war, weil er sich die Lippe blutig geschlagen hatte, als ich ihn durchs Haus jagte, rief Großmutter mich zu sich. Nach dem Frühstück brachte sie stets die Bettcouch in Ordnung. Einzig die Nylonstrümpfe über der Armlehne des Sessels deuteten an, dass unser Wohnzimmer für mehr als Tagesaktivitäten genutzt wurde; der von den Füßen geweitete Stoff schwebte ein Stück in der Luft — nicht ganz lebendig, nicht vollkommen tot.

Nana konnte verstehen, dass ich nicht hirnlos, willenlos und hungrig aufwachen wollte. Wenn es so sei, gebe es nur einen Weg, sich zu schützen. Sie streckte sich nach den Zigaretten. Kein Mensch sei in der Lage, sich im Schlaf zu verteidigen. Sie begreife nur zu gut, dass die Sporen dann durch Ohren und Mund hereinkrochen, in die Gedanken übergingen, den Körper in einen Rohstoff verwandelten. Sie zog an ihrer Chesterfield, bis sie von Rauch umgeben war. Während der schwersten Jahre im Heimatland, als die örtliche Bevölkerung die Felder in Brand steckte und Familien ihrer Art wie Vieh vor sich hertrieb, habe sie sich auf ihre Puppen verlassen. Ihre Puppen? Mm. Nana hustete. Drei Stück.

Ihr Vater hatte die Figuren aus Stöcken, Halmen und Stoffresten gefertigt. Vor der Reise über den Atlantik packte sie alle in einen geblümten Pappkoffer; die Eltern legten ihre Kleider zwischen ihre. Als sie eine Woche später an Land gingen, war das Gedränge groß, deshalb musste die Mutter ihre Tochter tragen. Als sie in der Ankunftshalle saßen und auf die medizinische Untersuchung warteten, vermisste Nana auf einmal ihre Tasche. Sie wurde hysterisch, biss den Bruder, der versprochen hatte, sie zu tragen, und wollte zurücklaufen. Am Ende zeichnete ihr Vater Konturen in die Luft. Nur weil sie ihre Puppen verloren habe, seien sie nicht fort. Es sei wie mit ihren verstorbenen Verwandten: Wenn sie bloß fest daran glaubte, dass sie noch lebten, träten sie hervor — aus der Luft im Inneren der Luft. Die aus etwas bestehe, das Äther heiße. Früher oder später gingen alle Menschen darin auf.

»Ich kann sie hier spüren.« Nana berührte ihre Schläfen. Die Schutzgeister waren so dünn, dass sie nicht sichtbar waren, aber wenn sie auf der Hut sein musste, flatterten sie. Deshalb sagte sie, dass die Ventilatoren »Mucken machten«; die Götter waren ja mit der Luft verflochten. Lachend nahm sie einen letzten Zug. Als sie wieder sprach, war es, als hätte der Rauch eine Stimme bekommen. »Worauf verlässt du dich so richtig, Timikin?«

Ich lief meine Weltraumreisenden holen. »Hier, auf die.«

»Was. Ist. Das?« Nana schlug sich auf die Brust.

»Astronauten, natürlich.«

Ihr Husten löste den Rauch auf. »Dann bist du auch viele.«

Ein paar Wochen später durfte ich Dad zu The Dry begleiten. Am Tag zuvor war ich mit der Bande in unserem verschneiten Garten spielen gewesen. Mom fand mich an den Baum neben der Hecke gefesselt, wo laut Jim die Sporen herabfallen würden. Während ich den Kopf schüttelte, hatte ich aus vollem Hals gesungen wie ein von Gott besessener Novize, aus panischer Angst, dass die Sporen durch Mund und Ohren eindringen würden, wenn ich aufhörte. Es war das mit Abstand Schlimmste, was mein Bruder jemals getan hatte. Als Dad nach seiner täglichen Verkaufsrunde heimkam, wurde beschlossen, uns zu trennen. Er sägte die Betten auseinander und trug das obere in das Zimmer, das er als Büro benutzt hatte. Seither war es Jims.

Am nächsten Vormittag nahm Dad mich mit. Zweimal im Jahr veranstaltete The Dry Goods Company einen Schlussverkauf. Die Leute kamen von nah und fern. Die eifrigsten warteten stundenlang, bis Joseph Lazarus hinter den Glastüren auftauchte. Auch wenn die Besucher am Eingang ahnten, dass er sie nicht wiedererkannte, wenn er um Punkt zehn Uhr aufschloss, wussten sie den herzlichen Empfang zu schätzen. Mittlerweile ringelte sich die Schlange um den Häuserblock. Traf man wie wir erst kurz vor dem Öffnen ein, musste man sich ganz hinten auf der Rückseite anstellen.

Dad schob den Hut hoch und unterhielt sich mit Frauen in der Schlange, ich trieb mich am Wareneingang herum, wo einem die Kälte am wenigsten zusetzte. In dem schummrigen Licht im Inneren waren Reihen von Kleidern auf Bügeln zu sehen. Kartons verziert mit Zeichnungen von Toastern oder Föhns standen aufgestapelt an den Wänden, Schellackplatten in Pappfutteralen drängten sich mit Singles in Zellophanhüllen. The Dry hatte alles.

Früher war Mom immer an den Lazarustagen einkaufen gegangen. Nach unserem Umzug blieb sie jedoch lieber zu Hause. Es war ihr zu eng, außerdem rochen die Kunden schlecht. Zweimal im Jahr war es Dads Aufgabe, vorteilhaft einzukaufen. Die Verpackungen sollte er am liebsten auf dem Heimweg wegwerfen. Als er unseren Chevrolet rückwärts hinausgesetzt hatte — der Blick in die eine Richtung, der Pfeifenhals in die andere —, klopfte er auf die Tasche mit dem Einkaufszettel. Wir wussten beide, dass Moms Einstellung eigentlich mit dem Besitzer zusammenhing, der wie Familie Middler ein Einwanderer war. »Und so weiter.« Ich war inzwischen alt genug, um zu verstehen, was Letzteres bedeutete.

Mom, die uns sonst nie die Gottesdienste in St. Mary’s verpassen ließ, machte für die Lazarustage eine Ausnahme. Auch wenn sie gezwungen war, dem Pfarrer auszurichten, dass eines der Kinder krank war, hatte sie nichts gegen einen glänzenden elektrischen Mixer, einen neuen, runden Flurteppich oder eine Brennschere, Blumensamen, Porzellan … Ganz oben auf der Liste standen jedoch Kleider. Nylonstrümpfe für sie, Unterhosen und -hemden für Dad, immer weiß und im Fünferpack, Sommer- oder Winterkleidung für die Söhne.

Als wir endlich den Eingang erreichten, hatte Mr. Lazarus sich in das labyrinthische Innere des Kaufhauses zurückgezogen. Während Dad sich nach Inspiration umschaute, aber hoffte, auf den Besitzer zu stoßen, schlenderte ich zu den Spielsachen. Als er mich eine Stunde später fand, hatte ich die Regale durchgesehen, nun saß ich vor den Comics. In der Regel schaffte ich es, zwei, drei illustrierte Klassiker abzuhaken und konnte mir vorstellen, im Austausch gegen eine Wurst zu gehen. Diesmal weigerte ich mich allerdings, das Heft mit dem braun-weißen Hund auf dem Umschlag loszulassen. Ich hatte darum gebettelt, dass wir uns einen Hund anschafften, wenigstens den in dem Heft wollte ich bekommen. Am Ende gab Dad nach. Wenn ich auf das Würstchen verzichtete, würde er mir Ruf der Wildnis kaufen.

Wir konnten nicht ohne etwas für Jim zurückkehren, sodass wir zusätzlich das neueste Heft mitnahmen. Als ich darauf hinwies, dass Die Zeitmaschine zehn Cent mehr kostete als meins, das mehrere Jahre vorher erschienen war, aßen wir doch noch eine Wurst. Ich bekam sogar Krautsalat dazu.

Eine Zeitlang ersetzte Buck die Astronauten. Wenn Jim mit seiner Bande spielte, trieb ich mich mit meinem Hund herum. Die sechzig Kilo schwere Mischung aus Bernhardiner und Collie trottete ungesehen, aber treu an meiner Seite, wir kommunizierten per Gedankenübertragung. Wenn er bellte, bedeutete das »Schau!« oder »Hierher!«. Mal hing die Klappe eines Briefkastens herunter, mal hatte der Nachbar die Schneeschaufel in der Auffahrt vergessen. Aber manchmal strich er wimmernd mit der Schnauze über meine Wange und flüsterte. »Was ist los, Tim? Wollten wir nicht Spaß haben? Komm!«

Buck verwandelte unsere Gegend in ein unbekanntes Schneereich voller Vergnügungen und Geheimnisse. Schon bald waren die Straßen jedoch ausgetreten, außerdem riskierten wir, auf die Jungen der Bande zu stoßen, die meinen Begleiter nicht sahen und stattdessen meinten, ich würde lügen, bis meine Zunge schwarz wurde, also verlegten wir unsere Entdeckungsreisen mit der Zeit in die Grünfläche zwischen dem westlichen und östlichen Teil des Matson Run Parkway. Dort bauten wir uns unter einer Fichte ein Iglu. Der Schnee war voller Kies und Nadeln, die Wände wurden nicht wie gedacht, das Dach stürzte ein. Als ich eine Decke aus dem Haus schmuggelte, erwies sich das Versteck trotzdem als erstaunlich bequem. Ich fühlte mich wie Mom am Küchentisch, allein mit Buck statt mit einer Flasche. Manchmal nahm der Hund Bewegungen zwischen den Bäumen wahr oder hörte Pfiffe, die bedeuteten, dass die anderen in der Nähe waren. Dennoch fanden sie uns nie.

In dem Heft, das ich bekommen hatte, wurde geschildert, wie der Gärtner Manuel den Hund von Richter Miller verkaufte, um Spielschulden zu begleichen. Der Name ähnelte unserem, außerdem verlief die Miller Road parallel zu unserer Straße, sodass jedes Mal, wenn ich zu dieser Szene kam, meine Brust schmerzte. Nach einer zweitägigen Zugreise — vom Santa Clara Valley nach Seattle — wurde Buck an einen kanadischen Kurier weiterverkauft. Perrault, der ahnte, dass der Hund »der eine unter tausend« war, hatte vor, ihn nach Norden zu bringen.

Mein Freund war nie verkauft oder jemandem überlassen worden, wenngleich ich wusste, dass er sich nach der Wildnis sehnte. Der Bach vor unserem Iglu war einen Meter breit und voller eisiger Steine. Auch wenn ich mir große Mühe gab, ähnelten sie doch nicht den kargen Inseln entlang der Küste bis nach Anchorage hinauf. Wenn Buck wahre Einöde erleben sollte, mussten wir uns weiter weg begeben, zu der unbekannten Landmasse, die sich im Rockwood Park ausbreitete. Wenn wir in der Mitte der Straße blieben, die man kürzlich geräumt hatte, würden keine Spuren zu sehen sein. Eiskristalle rotierten träge in der Luft; im Gegensatz zu den Sporen wollten sie mir nichts tun.

Als wir die East Matson überquert hatten, folgte ich Buck die Lowell Road hinab und bog in den Milton Drive, ein paar Straßen weiter setzten wir unseren Weg auf der Serenity Lane fort. Dann endete er abrupt an einem Zaun, der sich aus wattegleichem Schnee erhob. Bucks Ohren ließen mich verstehen, dass hinter den dunklen, glänzenden Baumstämmen die Wildnis rief, bald würde auch ich ihre Lockrufe empfangen. Wir kletterten hinüber und gingen durch den Wald, danach kamen wir auf ein riesiges Feld hinaus. Vor uns nur Tundra — Heimat von Wühlmäusen und Wölfen, von Menschen unberührt.

Alaska.

Hier war es unmöglich, keine Spuren zu hinterlassen, deshalb stapften wir schnell durch den Schnee. Der Himmel wölbte sich tosend blau über unseren Köpfen. Die Ohrläppchen brannten, unter der Jacke dampfte mein Pullover. Meine Stiefel schienen trocken zu sein, wenngleich ich mir nicht sicher war, ob ich meine Zehen noch spürte. Die Adern kitzelten bei dem Gedanken, dass kein Mensch je zuvor hierhergekommen war. Manchmal lief Buck vor, aufgekratzt vor lauter Freude. Ich rief, er bellte, genauso kohlensäureschwindlig wie sein Herrchen.

In dem Comicheft hatte der Familienhund eine Reihe von Abenteuern zu überstehen, ehe er schließlich mit der Wildnis vereint wurde. Auch wenn Perraults Schlittenhunde feindselig waren — vor allem Spitz, der von Spitzbergen über die Arktis und Kanada nach Seattle hinuntergewandert war —, zogen sie den Schlitten Kilometer für blendenden Kilometer. So lernte Buck den Wert gemeinsamer Anstrengungen. Er studierte, wie die anderen Kleinwild jagten, und suchte Schutz, wenn Stürme losbrachen. Auch wenn er Spitz aus dem Weg ging, der ihn herausforderte, sobald sich ihm die Gelegenheit dazu bot, lehrte der weiße Leithund ihn doch, Perraults Peitsche zu entgehen, »denn nur der Klügste und Listigste überlebt«. Mit jeder neuen Seite verwandelte sich Buck immer mehr von einem zahmen Tier in ein wildes Wesen.

Mein Beschützer hatte noch etwas von beidem. Er war verschmust und fürsorglich, aber auch kühn und ungestüm. Als unsere Kräfte schwanden, suchte ich nach einer warmen Stelle unter dem Schnee, was, wie einige bewegende Comicpanels mir gezeigt hatten, erforderlich war, um die Polarnacht zu überleben. Buck fand den perfekten Ort. Am Waldsaum hatte sich der Schnee auf einige Blätterhaufen gelegt. Dankbar sank ich nieder und tastete mit den Händen. Die untere Blätterschicht fühlte sich trocken, fast angenehm an.

Dort saß ich mit dem Rücken an einen glasartigen Stamm gelehnt und Bucks Schnauze lag auf meinem Oberschenkel. Mein Begleiter hatte gezeigt, dass er die Eigenschaft besaß, die sowohl Nana als auch das Comicheft am wichtigsten fanden: Fantasie. Hätte ich Kekse dabeigehabt, ich hätte ihm alle gegeben. Stattdessen streichelte ich ihn steif und wischte mir den Rotz von der Nase.

Mittlerweile war es dunkel, sodass ich nicht mehr als ein paar Meter unserer verschlungenen Schritte über den Schnee sah, aber das reichte. Wir würden uns in Sicherheit bringen können, ehe Verfolger die Gestalten unter dem Ahornbaum entdeckten. Der Mond war rund, die Sterne waren unfassbar fern. Ich wusste nicht viel über Konstellationen oder Navigation, es fiel jedoch nicht weiter schwer zu verstehen, dass jemand, der sich mit Hilfe des Himmels orientierte, im Einklang mit der Natur lebte. Frei war allein das Wesen, das sich auf seine Sinne und das Firmament verließ.

In der Szene, die mich am stärksten berührte, hatte Buck gerade den Mann verloren, der sich in Alaska um ihn gekümmert hatte. Nun war er erfüllt von »großer Leere, ähnlich wie Hunger, allerdings einer Leere, die schmerzte und schmerzte …«. Schon als ich das Heft im The Dry las, hatte ich gewusst, dass ich mich an diese Worte erinnern würde, es war, als spräche die Zukunft zu mir. In dem Bild, das mich so fesselte, hatte Buck die Augen geschlossen, als wäre sein Blick nach innen auf eine Verlassenheit gerichtet, die größer war als die um ihn herum. Einsam im Schnee, geschützt von Fichten, war er ganz für sich allein. Ich spürte den gleichen Hunger schmerzen und schmerzen, hatte aber weiterhin den Hund an meiner Seite.

Die Finger waren starr, genau wie Arme und Beine, aber das Blut kitzelte in Millionen Nadelstichen, die an die Krümel über mir erinnerten. Mit jedem neuen Pulsschlag erblühte der Himmel, kribbelte und wurde zerstreut wie gefrorene Löwenzahnhärchen. Die Lunge verlangte kaum noch Sauerstoff, der Kopf schwamm zwischen Wachen und Schlaf. Der Äther befand sich zugleich über und in mir, wie funkelndes Blut.

Ich weiß nicht, wann ich das Bewusstsein verlor.

Nur, dass es schön war, der Kälte zu entgehen.

Ein Aufseher entdeckte mich. Auf dem Weg zum Glaspavillon hatte er Spuren im Schnee gesehen, war ihnen gefolgt und hatte mich stark unterkühlt unter dem Ahornbaum gefunden. Ich war nicht ansprechbar. Mein Atem ging schwach, der Puls ließ sich nicht ertasten. Er wählte 911, dann brachte mich ein Löschzug ins Krankenhaus. Das mit dem Löschzug erfuhr ich erst später; offenbar war er in der Nähe gewesen. Als ich es hörte, stellte ich mir Männer vor, die auf den Bänken entlang der Seiten schweigend mit den Helmen im Schoß zusammensaßen wie bei einer Totenwache, während ich in Löschdecken gewickelt auf dem Boden lag. Eine Samenkapsel zwischen schweren Stiefeln.

Mom und Dad brauchten eine ganze Weile, um mich zu finden. Mom fragte Jim aus, der weinte, aber nichts wusste. Als Vater endlich nach dem letzten Kundenbesuch heimkam, nahm er Kontakt zur Polizei auf, die vorschlug, dass sie im Krankenhaus anrufen sollten. Dort teilte man ihnen mit, ein namenloser Junge sei in die Notaufnahme eingeliefert worden. Die Krankenschwester, die sie gegen elf Uhr abends in Empfang nahm, nannte mich scherzhaft John Doe. Als Vater mich beschrieb, sagte sie zwar nichts über meinen Zustand, aber es lag auf der Hand, dass die Lage kritisch war. Als ich das hörte, dachte ich, dass nicht nur Jim, sondern die ganze Welt Reue zeigen musste.

Keiner konnte sich erklären, wie ich unter einem Ahornbaum gelandet war, nicht einmal der Aufseher, der mich ins Krankenhaus begleitet hatte. Die Körpertemperatur hatte bei meinem Eintreffen bei ungefähr 16 ° gelegen, was bedeutete, dass sie im Park niedriger gewesen war. Noch war ich bewusstlos, der Puls war jedoch lokalisiert worden. Der diensthabende Arzt erkundigte sich, ob ich an Krankheiten litte: Offenbar wimmerte Mom; Dad schüttelte den Kopf, unfähig, mehr zu stammeln, als dass ich immer gesund gewesen sei. Der Mann dankte ihm für die Information. Wenn keine Gebrechen die Situation komplizierten, müssten sie möglichst schnell feststellen, ob das Gehirn geschädigt worden sei.

Die Erwärmung war in vollem Gange. Bevor ich wieder bei Bewusstsein war, wagte der Arzt jedoch nicht, meine Eltern zu mir zu lassen. Zunächst hatte er ein heißes Bad in Erwägung gezogen. Es galt, die Temperatur zu erhöhen, damit die Sauerstoffzufuhr stimuliert wurde. Weil die inneren Organe am wichtigsten waren, geschah dies allerdings am leichtesten, indem man das Blut außerhalb des Körpers erwärmte. Deshalb war ein äußerlicher Schlauch angeordnet worden. Im Moment lief die Flüssigkeit durch einen Apparat, der die Temperatur alle fünf Minuten um einen Grad erhöhte. Gerettet wurde ich also dadurch, dass mein Blut vorübergehend den Körper verließ. Der Arzt nahm Moms Hände; das sei nichts, was Eltern erleben müssten. Sie werde jedoch sehen, bald würde ihr Junge wieder zu sich kommen. Wenn das Herz regelmäßig schlug, verbesserte sich die Pumpfunktion automatisch. Sobald ich aus der Gefahrenzone war, würde mir intravenös warme Flüssigkeit verabreicht. Dann wurde sie an meiner Seite gebraucht.

Dad wollte wissen, ob andere Organe geschädigt seien. Der Doktor hatte offenbar erkannt, dass eine beschwichtigende Antwort nicht ausreichte, denn er erklärte, es gebe Fälle, in denen Unterkühlung zu einem akuten Nierenversagen geführt habe. Schlechte Blutzirkulation habe außerdem leicht Blutgerinnsel zur Folge. Zum Glück geschah dies vor allem bei Erwachsenen, deren größere Körperfläche über einen längeren Zeitraum Wärme verloren hatte. Ich war dagegen so schmächtig, dass die Glieder schockgefroren waren. Zwar musste ich besser essen, denn Phosphormangel führte zu Knochenschwund, aber diesmal war meine Magerkeit ein glücklicher Umstand. Ich war ja die reinste Bohnenstange.

Schließlich hüstelte ich. Danach stabilisierte sich mein Zustand, und zwei Stunden später konnte ich Besucher empfangen. Mittlerweile war es nach zwei Uhr. Mom und Dad flüsterten im Flur. »Der Junge hat keinen Überlebensinstinkt …« Die folgende Pause bedeutete, dass Dad mit dem Unterkiefer ruckte, was er immer tat, wenn ihn etwas störte. »Hörst du, Ruthie? Keinen.«

Statt zu antworten — ihr Verhältnis war steif und unglücklich; sie sprachen wie immer eher aneinander vorbei als miteinander —, wollte Mom wissen, warum Dad nicht zu Hause gewesen war. Wer ließ denn abends eine Klimaanlage installieren? Wenn er seiner Familie doch nur die gleiche Fürsorge zukommen lassen würde wie seinen Kunden. Dads verbissener Reaktion war anzuhören, dass sie dieses Gespräch nicht zum ersten Mal führten. »Wenn du weniger trinken würdest, hättest du gemerkt, dass er nicht nach Hause gekommen ist.« Als sie eintraten, streichelten mich jedoch beide überall — Beine und Arme, Bauch und Brust. Lag da wirklich ihr Junge unter der Decke?

Mom roch nach Pfefferminzbonbons, Dad strich mir die Tolle aus der Stirn. Auch er roch, aber nach Pfeife und etwas anderem, nicht Rasierwasser. Normalerweise tat es weh, wenn er mich in die Wange kniff, diesmal drückte er mich allerdings, als wäre ich sein vornehmster Besitz. »Du farkirtst mir die yorn, zun …«

Ich begriff nicht, dass ich tot gewesen war, ohne gestorben zu sein.

Weder Mom noch Dad wollten mich allein lassen, am Ende wurden sie dennoch überredet, nach Hause zu fahren. Da war es vier Uhr morgens. Trotz einer Lungenentzündung bestehe kein Grund zur Sorge. Dass die Bohnenstange nicht bereit sei zu sprechen, sei normal; jetzt müsse der Junge sich erholen. Die Pflegerinnen, die regelmäßig Kontrollen durchführten, würden abwechselnd an meinem Bett sitzen. Wenn Dad und Mom zurückkamen, versprach ihnen der Arzt, dürften sie so lange mit mir reden, wie meine Kraft reichte.

Am nächsten Morgen hatte ich meine motorischen Fähigkeiten wiedererlangt. Ich fühlte mich ausgelaugt, aber das war nicht weiter schlimm, sodass ich mich aufsetzen konnte. Die Angiografie hatte keine blockierten Gefäße offenbart, wenn ich angesprochen wurde, reagierte ich.

»Timmy, Liebling …« Mom versuchte sich zu beherrschen. »Hast du Schmerzen? Ist dir warm? Was hast du getan?«

Dennoch wollte ich nicht sprechen.

»Soll er so sein?« Dad suchte nach einem Aschenbecher, um seine Pfeife darin auszukratzen; als er keinen fand, steckte er sie in die Jacketttasche. Dads Unterkiefer bewegte sich.

Dem Doktor zufolge ließ sich unmöglich sagen, wie schnell ich mich erholen würde. Im Moment benötigte ich meine Kräfte für wichtigere Dinge als das Sprechen. Eine Stunde später kehrte er zurück. Es sei gut, dass ich Gesellschaft hätte, aber nun müssten sie mich in Ruhe lassen. Auch wenn die Lungenentzündung nicht gravierend zu sein scheine, werde mir der Schlaf helfen. Bevor meine Eltern gingen, senkte er die Stimme: »Ich habe schon Schlimmeres gesehen.«

Die Krankenschwester, die am ersten Abend Dienst gehabt hatte, tauchte nicht wieder auf, aber das restliche Personal fand immer neue Gründe, sich um den jüngsten Patienten der Station zu kümmern. Eine Pflegerin versorgte mich mit Mandarinen und selbstgemachtem Fudge, eine andere mit Comicheften, die sie sich von ihren Kindern ausgeliehen hatte. Niemand begriff, was ein Junge, der nicht einmal in die Schule ging, an einem Februarabend 1956 allein im Schnee gemacht hatte.

Nur die breite, mürrische Cadence fragte nie. Wie die übrigen Schwestern kontrollierte sie Puls und Blutdruck, maß die Temperatur und schlug die Kissen auf. Doch sie bot mir keine Spezialbehandlung an. Ihre Hände waren fest, aber unsanft, wenn sie mir zur Toilette half. Wollte ich etwas trinken, musste ich mich selbst nach dem Glas strecken. Wenn sie entdeckte, dass ich las, obwohl es nach zehn war, zeigte sie auf die Lampe, bis ich sie ausschaltete. Sie blieb vor der Tür stehen; nach einer Weile hörte ich sie etwas murmeln, anschließend davonwatscheln.

Mom und Dad besuchten mich abwechselnd. Am ersten Sonntag, sechs Tage nach meiner Expedition, kamen auch Jim und Großmutter. Nana setzte sich in den Sessel, Mom faltete Kleider neu, die bereits zusammengefaltet gewesen waren, und schielte in einer Weise zum Bett, die bedeutete, dass ich beichten sollte. Dad rauchte im Flur, mein Bruder starrte aus dem Fenster. Nana fingerte an ihrer Schachtel Chesterfields herum. Sie sagte nicht viel, es war eher ihre Art zu brummen, die mich aufhorchen ließ. Schließlich kapierten Mom und Jim.

Als sie uns allein gelassen hatten, bemerkte Großmutter, sie habe vieles erlebt, allerdings noch nie etwas so Idiotisches. Natürlich sei es klug, die Welt auf eigene Faust zu erforschen. Wie sollte ein Junge sonst etwas lernen? Aber man dürfe nicht aufbrechen, ohne Bescheid zu sagen. Tatsächlich sei mein Vater einmal ausgebüxt, als er ein bucher war, weil er seine Geschwister in der engen Wohnung in Morristown, New Jersey, sattgehabt hatte. Er hatte es bis zu Mintz’s Diner geschafft, ehe ihm die Puste ausging. Harry Mintz, ein Freund der Familie, hatte ihn zu einem Milkshake eingeladen, während ein Laufbursche Großvater holte. Ich hätte sehen sollen, wie rot der Po geworden sei, als sein Vater den Gürtel ausgezogen hatte. Wie die Sonne, bevor sie unterging!

Das sei Dad eine Lehre gewesen. Und hier kam noch eine: Ausreißer waren dennoch das Salz der Erde, das durfte ich nie vergessen. So wie die weißen Körnchen in einem Streuer niemandem etwas nutzten, mussten die Menschen sich auf der Welt verteilen. Flüchtlinge, Landstreicher oder fahrendes Volk, es lag Stärke in der Zerstreuung. »Sonst binden die Zellen kein Wasser, das Geschlecht vertrocknet.« Salz verkörpere eine andere Version ihrer Puppen. Oder meiner Astronauten. Großmutter lächelte verschmitzt. Im Moment war die Familie mein Streuer, aber wenn ich älter wurde, würde ich mich an andere binden. Wenn ich brav war, konnte Vater bis dahin sogar einen Hund anschaffen.

Ich schüttelte den Kopf.

»Keinen Hund?«

Wieder schüttelte ich den Kopf. Nur Buck kam in Frage. Und er befand sich, wo er sein wollte.

Bevor meine Familie an jenem Tag ging, legte Jim sein Orbitop auf die Decke. »Stirb nicht.« Während sich ihre Schritte entfernten, ließ ich mir nichts anmerken, dann stürzte ich mich auf das Spielzeug.

Hinter dem Plexiglas saßen die Astronauten Rücken an Rücken, in Overalls und bis zur Taille sichtbar. Wie eine moderne Version von Janus wurden die Hälften durch einen Spalt getrennt, was erklärte, warum ich keine eigene Kapsel mehr hatte. Der Satellit, der durch die Luft geschwungen werden sollte, orientierte sich ebenso sehr mit abstehenden Antennen wie mit der Schnur. Laut Anzeige konnte er »auf Mars oder Venus landen und viele, viele Abenteuer im Orbit erleben«. Ich hatte vor dem Badezimmerspiegel geübt, bis es mir gelang, einen Bogen auszuführen und auf dem runden roten Teppich zu landen. Ich mochte besonders das energische Plumpsen des Raumschiffs. Der Untergrund hinderte es daran, wegzurollen und den letzten Treibstoff zu verbrauchen, stattdessen brütete es angespannt auf die Rückreise wartend.

Der Besuch auf dem nächsten Planeten endete jedoch in einer Katastrophe. Die Landung auf Moms gelbem Kopftuch im Flur misslang ein ums andere Mal. Die Energie, die das schnurrende Raumschiff antrieb, saß wie bei einem Jojo in der Nabe zwischen den Hälften und ließ mich vor Wut rot anlaufen, weil ich nicht begriff, wie der Satellit auf Venus bleiben können sollte, ohne Treibstoff zu verlieren. Am Ende schleuderte ich ihn so fest zurück, dass er gegen Jims Tür schlug. Das Plexiglas riss, weitere Fahrten waren undenkbar. Nun konnte ich zumindest die Figuren studieren, dafür bog ich die Glashaube ab und hebelte die Reisenden mit einem Messer heraus. Beiden fehlte ein Unterleib; als ich sie zusammengeleimt hatte, dachte ich an Jim und mich in der Badewanne.

Mein Bruder war das Orbitop schon nach ein paar Tagen leid gewesen, hatte sich aber geweigert, es mir auszuleihen. Im Bett liegend drehte ich seinen fast kratzerlosen Satelliten. Zog an den Silberantennen, die an die Fühler von Schnecken erinnerten, polierte mit dem Pyjamaärmel die Glaskuppel. In gewisser Weise waren es die gleichen Astronauten, die zu Hause unter meinem Kissen lagen. Wenn es sich schon um falsche Menschen handelte, waren sie einem wenigstens wohlgesonnen. Ganz gleich, wie ich das Raumschiff drehte, einer der Männer suchte immer meinen Blick. Die Spalte, die sie trennte, verstärkte diesen Eindruck: Verschwand der eine aus dem Blickfeld, übernahm der andere. Stoisch folgten sie mir mit vom Weltall erfüllten Augen.

»Leg das Ding weg.« Cadence stellte das Essen ab, mit dem sie hereingekommen war, dann räumte sie die Kleider ein, die Mom nochmals gefaltet hatte. Erst auf dem Weg nach draußen sagte sie wieder etwas. »Du magst also den Weltraum.«

Ich nickte stumm.

»Weißt du, wie groß er ist?«

Als die Schwester das nächste Mal Abenddienst hatte, trug sie einen Mantel über ihrer Tracht. Es muss am Valentinstag gewesen sein, denn die Angestellten hatten ein Herz aus Plastik mit einer Sicherheitsnadel über der Brusttasche befestigt. Als das Schmuckstück wegen des scheuernden Mantels herunterfiel, steckte Cadence es in die Tasche, was uns beide zum Lachen brachte. Sie holte Jacke und Mütze aus dem Schrank, fand meine Stiefel aber nicht. Ich zeigte auf den Tisch, unter dem Mom sie abgestellt hatte, und streckte mich nach dem Satelliten. Zwei Minuten später schlichen wir uns zu den Aufzügen.

Die knirschenden Stiefel fühlten sich steif an; seit Alaska hatte ich sie nicht mehr getragen. Cadence hob den Finger an die Lippen, als eine Schwester von der Nachbarstation die Handflächen in einer fragenden Geste nach oben drehte. Als der Aufzug kam, bat sie mich, auf den Knopf zu drücken. »Dreizehnter Stock.«

Ich zuckte mit den Schultern. Einen solchen Knopf gab es nicht.

»Dann wirst du wohl auf die zwölf drücken müssen.«

Als der Aufzug plingte, stiegen wir ganz oben im Gebäude aus. Dort gab es nur eine Station, dafür wurde der Korridor auf unserer Seite von Lagerräumen gesäumt. Entlang der Wände standen zur Hälfte uralte, zur Hälfte futuristische Maschinen, alle von einer zentimeterdicken Staubschicht bedeckt. Cadence bewegte sich zur letzten Tür. Sie war abgeschlossen, auf der Axt, die an der Wand hing, lag aber ein Schlüssel.

Sie stellte die Tür mit einem Stuhl auf und bat mich vorzugehen. Die Treppe war steil und dunkel, ich hörte sie hinter meinem Rücken schnaufen. Auf dem Treppenabsatz am oberen Ende wartete eine neue Tür, die sie mit einer Schnur festhakte. Dann standen wir auf dem Dach, im Freien.

Schnee wirbelte puderleicht über das Blech, Leitungen schlugen im Dunkeln. Ich wagte nur ein paar Schritte und hielt Cadence’ Hand fester, als es sich für einen kanadischen Kurier gehörte. Auch wenn das Dach von einer Balustrade umgeben war und die Schwester dreimal so viel wog wie ich, konnte der Wind uns jeden Moment fortreißen. Mühsam kämpften wir uns um das Treppenhaus herum in den Windschatten. Ein Aschenbecher zeigte, dass wir nicht die einzigen Besucher waren.

»Ich gehe jede Wette, dass du ihn so noch nie erlebt hast.« Über uns wölbte sich der Himmel größer als alles, was ich je zuvor gesehen hatte. »Man wird leicht weggeweht.« Cadence zündete sich eine Silk Cut an — der Rauch verließ ihre Lippen, als wollte er das Gesagte beweisen. »Angst?«

In der Ferne fuhr wütend hupend ein Fahrzeug durch die Straße. Ich bildete mir ein, dass es ein Löschzug war, obwohl es sich wie ein Krankenwagen anhörte. Die dunklen Leiber der Schiffe bewegten sich steif auf dem Fluss; es glitzerte ebenso viel aus den Fenstern der umliegenden Gebäude wie am Himmel. An die Wand gelehnt schüttelte ich den Kopf, stimmte ihr aber zu. Die Welt war wirklich gewaltig, wir selbst waren weitaus kleiner als Staubkörner.

Einige Minuten vergingen. Ich mochte die mürrische Schwester. Und die Dunkelheit, die über uns sprudelte wie die Kohlensäure in meinem Blut.

»Sie steht für Pech.« Der Dampf aus Cadence’ Mund löste sich auf, es bildete sich unverzüglich neuer. Weil die Dreizehn Unglück bringe, fehle der entsprechende Knopf in Aufzügen. Zwar habe das Krankenhaus nur zwölf Stockwerke, doch selbst wenn es vierzehn oder siebzehn gewesen wären, würde die dreizehnte Etage fehlen. »Auf was für Ideen die Leute kommen, was?«

Auch jetzt sagte ich nichts.

Die Zigarette zischte kurz, als sie den Schnee traf.

Du verstehst sicher, warum ich das erzähle. Ich wurde bei zwei Gelegenheiten geboren. Das erste Mal eintausendundzwanzig Sekunden nach meinem Bruder. Das zweite Mal allein, durch altes Blut, das neu geworden war.

Auch wenn ich zu klein war, um die richtigen Worte zu finden, erkannte ich auf dem Dach, mit kitzelnden Venen, dass die Fantasie gleichzeitig Hilfe und Gefahr war. Ich würde niemals alles wissen, was der Himmel enthielt. Es konnte Sporen regnen, es war möglich, zu fernen Planeten zu reisen. Der Weltraum war so unfassbar groß, so unvorstellbar vielfältig, dass keiner ihn gedanklich zu erfassen vermochte. Es war mit Sicherheit klug, eine Mütze auf dem Kopf zu tragen, man wusste ja nie, aber besser war es, das Orbitop dort zu lassen. Es würde eventuelle Sporen vernichten, noch ehe sie auf die Erde fielen. Und mich eines Tages vielleicht zu der besseren Luft bringen, zum Äther.

»Ich habe keine Angst.«

»Komm.« Cadence watschelte zur Tür. »Sonst frieren wir hier noch fest.«

VERZÜCKUNG

In dem Brief zwischen den Zeichnungen, die deine Mutter mir geschickt hat, bittet sich mich, dir alles Wichtige aus meinem Leben zu erzählen. Ich darf dich nicht mit Dingen langweilen, über die Musiker sich am liebsten auslassen — Konzerte, Erfolge, Technik —, sondern muss mich auf das Dasein hinter Bühne und Image konzentrieren. Früher habe ich ja Lyrik geschrieben, es sollte also gehen. Auch wenn ich nie ein richtiger Vater gewesen bin, hast du, sobald du volljährig wirst, das Recht, mich »von innen nach außen« kennenzulernen.

Ich nehme an, sie meint, worüber wir in Amsterdam gesprochen haben: Kalk, Phosphor etc. … Ich werde es versuchen.

Am schwierigsten wird etc.

Es gibt keine selbstverständliche Gelegenheit, es zu erwähnen, deshalb kann ich es genauso gut sofort tun: Es ist vorgekommen, dass dein Vater geglaubt hat, nicht aus Knochen und Haut, sondern aus Luft zu bestehen. Zum ersten Mal passierte es in dem Jahr, als ich elf wurde — wie du in ein paar Wochen.

Zu der Zeit spielte ich zwar noch mit Jim und seiner Bande, hielt mich aber häufiger fern. Die Nacht auf dem Krankenhausdach ruhte noch wie ein geheimer Schatz in meinem Inneren. Wenn ich nicht von der Logopädin zu den Klavierstunden hetzte, weil Mutter davon träumte, einen ihrer Söhne an der Orgel in St. Mary’s zu sehen, streunte ich durch unseren Teil der Stadt. Eines Tages fand ich einen rostigen Nagel, den ich über den Zaun um die brachliegenden Grundstücke am Haynes Park zog. Das holpernde Rasseln erfüllte mich mit Trotz und Freude; ich hielt Donner in der Hand. Am nächsten Tag folgte ich einer Promenadenmischung, die entlang der Miller Road schnüffelte, ehe sie auf der Rückseite einer Lagerhalle verschwand. Ich lief ihr hinterher und fand die Hündin an ein paar Benzinfässern, wo sie winselnd drei magere, fast durchsichtige Welpen leckte, in denen ich mich seltsamerweise wiedererkannte.

Aus Angst, sie zu erschrecken, blieb ich mit meinem scheuernden Rucksack stehen. Die Welpen, die in der Grube lagen, die sich an einem Fallrohr gebildet hatte, starrten mich mit trägen Augen an. Ich wollte sie retten, aber man sah, dass sie krank, vielleicht todkrank waren. Diesen Blick wie faules Wasser hatte auch Nana. Ich weigerte mich zu akzeptieren, dass Großmutter von uns gehen würde, wusste jedoch, was der Blick bedeutete. »Nur Fakten«, pflegte sie zu sagen, ehe ihr Lachen in Husten überging. »Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.« Sie meinte ihre Chesterfields.

Es sind solche Augenblicke, an die ich mich aus meiner Jugendzeit erinnere. Alltägliche Ereignisse haben kaum überlebt, allein das Vage, aber Gewaltige, was sie manchmal umgab. Dann erreichte die Arbeit an der I-95 die Stadt, und als Dad das Kaddisch für seine Mutter las, verschwand auch die Kindheit.

Im Sommer 1961 wurde überall für die Autobahn gebaggert. Die Lastwagen fuhren von morgens bis abends Kies, ihr Gewicht ließ die Erde beben. Weil sich ein neues Zeitalter ankündigte, nutzte der Bürgermeister die Gelegenheit, um Straßen neu zu pflastern. Schon bald war es unmöglich, dem beißenden Geruch von Asphalt zu entkommen. Wenn der Wind in unsere Richtung wehte, schienen sogar Bewegungen zähflüssig zu werden und Kleider zu kleben. Kein Wunder, dass Nana Probleme bekam. Den Jahren, die sie im stürmischsten Dorf in der ukrainischen Provinz verbracht hatte, »gemacht aus Wind«, waren siebzig in den USA gefolgt, die meisten davon als Kettenraucherin. In den letzten Tagen muss ihre Lunge geklebt haben wie Teer.

Nach der Beerdigung wurde es still. Kein Husten, keine Unterhaltungen in der Sprache, die Mutter nicht ertrug, obwohl sie kaum einmal hörte, wie sie gesprochen wurde. Und sie am liebsten allein in der Küche saß. An dem Abend, als Dad den Fernseher wegen Dragnet ausschaltete — er wollte den Mann nicht sehen, der Detektiv Friday spielte und in Werbeanzeigen damit prahlte, zwei Schachteln am Tag zu rauchen —, wurde beschlossen, dass Jim und ich in ein Ferienlager fahren sollten. Der Verkauf von Raumklimatisierungsgeräten lief gut, endlich konnte er sich leisten, was andere Väter seit Jahren taten. Später begriffen wir, dass er Mom bestochen hatte. Wenn sie uns in das Sommerlager fahren ließ, das vom Jewish Community Center organisiert wurde, versprach er, mit ihr nach Florida zu reisen. Jetzt, da Nana nicht mehr gepflegt werden musste, träumte Mom davon, dorthin zu ziehen. Als ich protestierte, dass Großmutter nicht tot sei, nur woanders, kniff Dad mich in die Wange; der Schmerz wärmte. Jim fand es eigenartig, dass sie braungebrannt waren, als wir im August heimkehrten, aber ich glaubte Mom, als sie uns schwor, sie hätten trotz Lärm und Asphalt jeden Nachmittag auf der Veranda gesessen.

Im Bus zum Lager staunte ich über die Welt. Mein Bruder fand, ich müsse mich zusammenreißen, aber ich hätte mir niemals vorstellen können, dass die Erde genauso weit und unbekannt war wie der Himmel. Die Reklameschilder entlang der Straße, die Autos mit ihren chromglänzenden Flossen, die Wälder, die vor Grün trieften — alles war zwei Nummern größer. Als wir an den Raffinerien außerhalb von Newark vorbeifuhren, schimmerte in der Ferne Manhattan, eine Luftspiegelung aus Schweiß und Gusseisen.

Die Fahrt dauerte mit Pausen sechs Stunden. Während Ezra tankte, konnte man, wenn man wollte, das Restaurant besuchen. Jim und ich blieben auf dem Parkplatz. Wir hatten einen Dollar pro Woche bekommen, und er weigerte sich zu prassen. Mein Bruder war so geizig wie Mom — obwohl sie an Gott glaubten, legten beide Kupfermünzen in den Klingelbeutel. Um unser Mittagessen spannend zu gestalten, tauschten wir unsere belegten Brote gegen die anderer Jungen.

Es war erst Nachmittag, als wir in Camp Orange ankamen, trotzdem mussten alle auspacken. Die Hütten formten ein Hufeisen um einen Fahnenmast. Matt, der auf uns gewartet hatte, hisste die Flagge, das weiße J baumelte wie ein Angelhaken in allem Rot. Mitten in dem Hufeisen standen Bänke und Tische. Die Feuerstelle lag neben der Hütte der Lagerleiter, in der Ezra mit Matt wohnen würde und wo sich außerdem die Vorratskammer befand. Hinter dem Bastschutz auf der Rückseite waren über einer Blechrinne Wasserhähne montiert worden; drei klapprige Duschen ließen die Köpfe hängen. Nur kaltes Wasser. Die Toiletten lagen am Waldrand und stanken. Jim, der sie mit einem anderen Jungen inspiziert hatte, wettete, dass es keiner mehr als eine Minute inmitten der opalgrünen Fliegen aushalten würde.

Mein Bruder hatte schon mit anderen gesprochen, obwohl die meisten ein Jahr älter waren als wir, deshalb ahnte ich, dass er nicht vorhatte, mit mir zusammen zu wohnen. Als Matt, der uns verteilte, erklärte, es gebe noch einen Platz in Mohawk — die Hütten trugen die Namen von Indianerstämmen —, meldete sich Jim. Ich gab nichts darauf, wusste aber, dass mich Unbehagen erwartete. Die Feuchtigkeit war noch nicht aus Apache gewichen, wo ich mit zwei Jungen landete, die kaum etwas sagten. Die Matratze schienen mit Sand gefüllt zu sein. Frühere Gäste hatten Versautes ins Holz geschnitzt, von dem ich meinen Blick nicht losreißen konnte, obwohl in jeder Toilette des Landes das gleiche stand.