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Luzian Gryczan wird am 05.10.1955 in Szczytno (Masuren) in einer einfachen Handwerkerfamilie geboren. Dort wächst er (mit 6 Geschwistern) aufgrund des behördlichen Drucks auf die Eltern, ohne Deutschkenntnisse auf. Von Büchern besessen, seit er die ersten Worte lesen kann, beginnt er im Alter von 10 Jahren Romane zu entwerfen, zeichnet und gestaltet Schiffe und Fluggeräte, deren Formen sich in seinen Bildern bis heute erhalten haben. Die hier vereinten Gedichte und Zeichnungen sind in den Jahren 1980 bis 2020 entstanden. Da sie höchst heterogenen inhaltlichen und biografischen Zusammenhängen aus dieser, ein halbes Leben umfassenden Periode entstammen, gab es den Wunsch nach einer ersten Sammlung.
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Seitenzahl: 152
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Vorwort des Herausgebers
Gedichte
Geschmeidig wie ein Feuer
Lösung
Worte keine Worte
Sommer des Narren
Abendbirken
Mystische Wahl
Lichtgesicht
Genetische Rose
Licht-Schatten-Triebe der Kindheit
Das trunkene Meer
Vorahnungen
Wolke
Lichtgewitter
Drei der Lieder der Erneuerung
Landscape
Maigelicht
Meine Erlöser
Lichtverbrechen
daz oberste wipfelin
Aus den Liedern der Leute vom Meere
Überlichtgeschwindigkeitsgedicht
Lehrgedicht vom Meere
Olive
aus Sechs Gedichte
Orion
Hölderlin lebt in Afrika
Eiche
(
von Wortkristallen geprüft)
Alte Nacht
Herzgewusste Gegend
Dezembersturm
Im Kampf der Bäume
Unbekannte Rose
Wilde Predigt
Gedichte sind Strahlen der Gerechtigkeit
Leben Gottes
Tiefer Mond
Es ist so still
Die Lieder sterben
Dunkler Aufgang
Der Himmel stirbt ab
Die mich tragen
Feuer für Kongo
Atoll
Tödlich genau
Wie hoch das Meer
Hohe Buchen
Wer sind wir
Der Ozean stößt
Bringe mich zu den Bäumen
Wo das Meer beginnt
Bisonkuh
Picassobrennt
Gegensonne
Schubert
Wo?
Seele, Sonnewach
Wir sind so leicht
Barocke Andacht
Zornige Sonne
Abendandacht
Geheimer Tag
Falscher Sommer
Ruhe sagen
Vor dem Wort
Ode
Psalm
Zornige Sonne
Gefahren der Seele
Die Erde ist glücklich
Libelle
Im Blütenblattfall
Farbengewitter
Geflügeltes Tor
Der steinerne Sommer
Langsame Landschaft
Neues Meer
Herzbaum
Hortus Clausus
Neue Lieder dem Regen
Befestigung der Worte
Geordnet, gezählt, gefügt und gefiedert
Unhörbare Lieder
Sonnendinge
Sonnensammler
Die Erde Denken - Gedankenaustausch
Lebenslinien
Die Poesie wird die Welt retten, traurig ist allein, sie scheint sich zu verspäten. Pablo Garcia Baena
Die hier vereinten Gedichte und Zeichnungen sind in den Jahren 1980 bis 2020 entstanden. Da sie höchst heterogenen inhaltlichen und biografischen Zusammenhängen aus dieser, ein halbes Leben umfassenden Periode entstammen, gab es den Wunsch nach einer ersten Sammlung. Im Rückblick auf meine zahlreichen Besuche in Gryczans Wittstocker Atelier, das schon bei seinem ersten Betreten wie wenige gestaltete Räume diese ganz eigene Welt des schöpferischen Zustands zu erzeugen weiß, kommt es mir vor, als haben sich die vielen, in entlegenen Schubladen und Bilderschränken lauernden Blätter von selbst auf den Weg in dieses Buch gemacht, sich leise zusammengefügt und wie von Zauberhand geführt ihren Platz eingenommen, auf dass sie einem jeden, der es in die Hand nimmt, nun die Erregung weitergibt, deren seltsame Wirkung, wie Paul Valery einst sagte, darin bestünde, dass sie sich in uns und durch uns eine Welt bildet, die ihr entspricht.
In seinen endzeitlich-dramatischen, energiegeladenen Bildern und Gedichten verwandelt der Künstler und Lyriker Luzian Gryczan die Wahrnehmung in eine Aufforderung, sich dem Schreien aus den Abgründen einer entschwindenden Natur auszusetzen. Darin gliedern sie sich mühelos in diesen unfassbaren Zeitraum ein, der unendlich lang, von der Vor-Antike bis in ein zukünftiges X reicht, und der doch so unendlich kurz sein kann, wie das Lesen eines Gedichts oder das Erblicken eines Bildes in einem erregten Moment. Das ist vielleicht der gemeinsame Nenner, der es uns erlaubt, den ganz unterschiedlichen Bedeutungshof, den jedes Gedicht, jedes Bild von unterwegs, von dieser seiner Reise ins Ungewisse mitbringt, zwischen zwei Buchdeckel zu vereinen und damit aufzubereiten und auszubreiten für die jeweils ganz eigene Reise ins Ungewisse, die ja unser aller Einzelleben ist. Gryczan spiegelt die irrationalsten Gemütszustände der Natur wieder, die in uns allen tief verborgen leben, und die, wie Virginia Woolf einmal sagte, ihre Spuren mit unsichtbarer Tinte als Vorahnung an die Wände unseres Bewusstseins geschrieben hat, und die der Künstler kraft seiner Inspiration und Bildarbeit lediglich bestätigt; eine Skizze, die nur noch an das Feuer des Geistes gehalten werden muss, um sichtbar zu werden.
BEGRÜNDUNG DER MYSTERIEN DURCH ORPHEUS 2001, Graphit auf Papier, 20,5 x 29,5cm
I
geschmeidig wie ein feuer
springe ich in die nachtflut
und bereite einen sommer vor
jenseits aller einsamkeit,
einen sommer fern der zeit
vertrockneter augen und götter -,
und – ich erziehe einen sommer
berstender frucht, zischender gräser,
einen sommer hoher flut
gärenden lichtes – das die ufer
zündet, neue meere zu gründen -
lebendiger zeit. und die sonne
entkommt nicht, berührt meine lippen,
den gehörnten fluß meiner stirn,
zieht die bahn entlang, die ich
der galaxis empfehle.
19.11.2005
(ars poetica)
was soll dichtung sein, wenn
nicht strahl? und barfuß
träumend, geliebt
von den steinen - und
schuberts quintett im adagio
der höllen - die reife bedingung
der sonne, ein feuer endlich
der seele - im zeltherz der welt.
dichtung soll das dringende sein,
die meere zu heben, turmhoch
treues singen aus den wellen und tiefen
tagein, nachtaus horizonte bekehrend,
zu singen im stern, traumfrei,
erfüllung im stein.
___________
irgend 2018
LANDSCHAFTSGRÜNDUNG EURIDIKES (schattentanz in der mitternachtssonne - pflanzenoeffnung 2002, Graphit auf Papier, 29,5 x 21cm
ars poetica VIII
(balaton '997, bei der lektüre
von janos pilinszky)
auch ich nun bin
der worte satt. nicht worte mehr
meine worte. leicht, ein kaum
zu fassender schlick
himmlischer güte genügte,
mich von den worten
zu lösen. was ich von jetzt an
wie worte spreche, sind
keine worte - hornissentiefe
einmaligkeiten, wie krümmel
vom tische, da letztlich doch
den göttern nichts blieb,
als den orpheus herauf
an ihre tafel zu bitten -
mit dem zerrissenen sternbild...
*
gebt also nichts mehr
darauf, studierten sinn noch
in meine worte zu hieven,
sinnlos ganz wolln die worte
keine worte dort sein,
wo ich sie verbriefe,
stummgesiegelt, herber einsamkeit
noch tieferer nacht.
*
unter worten giebt es
eine art, deren tiefe
stille haut ist über
den schmerzen
wunderbarer wunde.
solche worte
- keine worte -
sind wie erbsen, vogelherz,
kirschenkerne im stiermist der sterne, steinweintrunkne
engelsteine; worte, scheublau wie
lapislazuli, von einer lippe
der göttin getropft, welche
der nacht mir besuche gestattet,
von denen besser ich
schweige...
*
worte keine worte... - hört!
da schreits wo der welt aus
der welt ein, als wären da
worte, wo's herzabbruchstücke
eigentlich sind, rotpollende
blüte der wunde,
durchs weltzelt zu streun sich
von rio nach auschwitz -
stückchen von kindern,
süß wie taubnesselblüten;
wortreine wesen,
denen man die nackte nacht
durch den kopf schoss -
sehr genau und direkt uns
vor die schweigenden füße.
*
tritt herauf mir der nacht,
welcher gott du immer bist
mit der blüte des tods
meiner seite - guter gott!
wenn so ich dich riefe,
wie die worte
- keine worte -
ich denke, gäbst du sicher
dich bekannt mir und reif
- gerichte zu tanzen gerecht -
tagnacht genau, wie bäume
genau sind, tag und nacht
und gerecht auch - du weißt,
guter gott, - jedoch: du weißt auch
wie gering hier die worte bemessen,
abkürzungen eigentlich immer,
wie im scherze gesprochen
dein wort auch vergeht
unbemessen seiner alle schmerzen
lösenden tiefe.
--
wie aber geht mir
der tag auf, wo die worte
keine worte mehr
sein woll'n! sonn'briefe,
tönend der nacht auch -
steingewichtet sterngerichtet
irdische samen in die herzen
zu setzen, himmlisch genau
in dem zeltherz,
das in die welt schlägt -
hoher tag hoher blüte
erleuchteter augen, - du,
die immer ich liebe, du
kennst das auch, und genau,
als wenn der gott mir
aus dir durch die landschaft
ohne schmerzen mehr schritte
in der stille der haut,
die dich deckt und - all'
diese tiefe, von der ich
nichts weiß mehr.
*
sturztief briefe sende ich
in die tiefe dem herz aus,
das einschlägt, nicht aus mehr
zur welt, stille zeilen
von worten, die
keine worte mehr
sein wolln.
______________
0406'997
2
gewiß, die sklavenmachersprache
kenne auch ich, die täglich gestochne
wortwühlende pracht unreiner häufung
der töne, denen ein grauen entsteigt
von chimären, kellerasseln so ähnlich
wie elektronische chips, traumlos geile
früchte gebärender maschinen, darin
die welt so platt und gerundet, dipolverwundeter staub ist, daß kein wort
sie mehr zeichnet, kein name sie nennt,
so schmutzig er sei - kein zorn mehr
reicht hin dort, seid dessen gewiss! -
wo jene werfe der nichtung uns auszählt, der welt hin elektrischer greuel!
*
genetisches flackern sehe ich am horizont
dumpfer sonne -, watteweiche mordkomplotte
im rücken - werden wir nun leben müssen,
als gäb es uns nicht, wie wir sein solln -:
besseres könnten wir werden, teureres,
sehr genau in die zellen zu pressen,
ganz und gar perfecte wesen, mit der seele
aus eiweißgezähltem und synthetischem mist...
worte keine worte werden wir dann sprechen,
unheimlich schäumend ums maul
irgend krude tiere werden aus uns kriechen,
titelaturen des künstlichen gotts - endlos
freudlose parolen perverser engel, elektrisch
gedopt -; geldgerecht zurechtgestutzt werden
kinder vor uns herziehn, aufgebessert, hoch'gestylt', die blanken genies, welche johlend
über uns herfall'n, weil fast krüppel wir
dagegen sind, primitivster gene schablonen,
tuberkeln beinahe nur... besser wären wir
tot.
*
wenn so die worte keine worte sind,
besser ists dann, ein wort nur zu sein,
das noch einen menschen erinnert am kreuz,
als gekreuzt zu sein gen-laborierender blage,
klonkloakengezeugt, künstlich gezüchteter
irrwisch hochaufzischender nacht der gehirne,
denen kein froschhirn mehr rätsel bewahrt, -
wo der froschgesang mir noch immer mehr,
als der labore zischender irrsinn, rätsel
auf rätsel bewahrt, dem leben zu dienen...
*
sie, ihr alle wißt's mit mir! - sie tilgen
die ordnung der folgen dem leben, sie gären
den tod endlich aus - permanent, alltäglich,
fieberhaft genau... - stille nun, gedicht, still
nun endlich worte, keine worte mehr
will ich... die erde gärt die neue sonne aus.
_______________________
1006'997 in aachen
(am balaton entworfen)
LANDSCHAFTSGRÜNDUNG ORPHEUS schattenhorn für den unbetretnen tag - sternessen 2002, Graphit auf Papier, 29,5 x 21 cm
(mondbauer balmus' gesänge)
***
mein lachender sommer!
in stürmen begonnen
zerrissener tag wilder träume -:
da steht er im feuer!
erloschener berg oder wortsarg
unter der sonneglocke glänzender zähne,
und - ein sack blauer himmel...
unzähmbar! ein würfel aus sonne,
lichtdunk, sternkorall der fieberrose -;
über rasen rasend aufgestöbert
stolpernder kühe – grausame
mühe! verrückte zahlen zu
meistern der engel, der kirschen
und tiere; ein hämischer trümmrer
der städte mit dem hammer aus mondnacht
und fieber, mit einer forcke des glücks
hochstappelnd sternmist,
betrunkene gräser -
städte zuzuschütten, menschenkerne
sättigend, oder bläkend freuden zu nähren,
fernab jeder stadt, flutenmenschen in
neue fieber zu zünden.
ach, glühende gräser! den mücken
und fliegen ein tag noch auf steinernen
knien, buchblätter düngend mit herzodelsaft
und dem nußöl der träume - so närrisch
mein hirn diesen sommers,
daß sich die stunden verdrehn oder purzeln,
wohin sonst es mich niemals geträumt
und gedacht...
da bin ich wurzel eines jeglichen plans,
da auch ein blitz, der die pläne zerfetzt;
steinmasken tragend, wasserhellen,
tamburine für den pfauentanz
willfähriger seele...
aachen '99
birken trinken licht
am abend. unendlich genau
umgibt sie die luft, die
aus der sonne hervorsticht,
erschütterndes blau
meiner seele und
lila-grau jener wolke,
die sich auf den sonnenarm
im untergehn stützt... ja,
sie haben allen grund
licht zu trinken, fürstinnen
mit dem blick der richterinnen,
wennschon der tag
nicht zu vermeiden ist, den wir
den jüngsten uns nennen.
- das ist er gewiss, dem
sich jüngenden gott,
der aus uns licht saugen muß,
wieviel wir davon immer
auch sammeln... dunkel wirds
im abendland; ein letztes
aber höchstes gold, wie
die verheißung ältester zeit, strahlt nun
aus der sonne - immer weniger licht
- so trinkens die birken - während
alle bäume sonst
nacht ausbergen, nacht...
1209'999
KINDGOTT - SPIELWERK 1998, Tinte auf Papier, 20 x 30 cm
dem abend gibt
noch sturmwind
nahrung, verwesten
tagrest über die rande
zu heben fiebernden rots.
weder hält ein horn
von licht noch irgend
der baum stand
diesem anhub der sande
über der tagwelt. - wütend
auch gelb greift das gewölk
mit den händen nach mir,
der ich auf grasnarben
lila'einbrüche gehe
von sternlicht: mystische wahl
meiner seele zum sternbild...
noch aber gärt der tag,
im verwesenden hohl
seiner kehre, gestalt aus
und ton, ferner zwar
immer, doch feindlicher auch
die vision seines zorns.
horizonte wimmernden lichts
seh ich glühen: nachtsturz
blüht im grausamen flimmern,
bricht durch meine schultern ein,
meine seele von rückwärts
zu fülln mit gedünge vom himmel
und des wandelsterns wütenden
staub - als sich plötzlich
letzte sonne löst vom anhang
der wolken, in meine augen,
durch feuchte tore zu stürzen, da
ich wie der wald bin, der wässer
nährer, sturmwindkauend, ast
an ast, unlöslich gewobenes singen
ineinander-klingender töne
erhabener bäume; -
so sehe ich nun doch
im kreuz die letztes
ausbreitend stürmende sonne
gegen die nacht stehn,
vollkommen, rund, golden
wiegend, wo auch der wald
nun leiser geht, darüber
der himmel herabsinkt,
sanfter immer, immer größeren heils
für den schmerz der horizont
und firmament bindend
glühenden wunde der wunder.
__________
1804’997 heiligengrabe
das gedicht des dichters ist sein gesicht. - leuchtend die frucht seiner stürzenden reife – die da im wort ihm den mund bricht. das licht glüht hoch im aufbruch auf, gebogen im ruf tauber not: würgende bürde der leere an orten, die noch zu betreten sind. sein gesicht, voll mürber lauterkeit, ist die verzichtende lehre noch entschiedneren lichts. er gibt, was sich zuträgt, hierorts genau, wie die schwelle genau ist im trennen: haut in der distel berührung weissagenden munds für den gott, der das meer in eine distel glüht, wie das wort. doch - wortgebirge nicht, aber gipfel und höhlen dem licht der versehrten gesichte verbürgt er: wilderen munds als sein mund ist, entsetzteren blicks als sein blick sich entsetzt - die wangenknochen bittren höhen entbrochen und die salzflut des lichtes von der stirne sternenschweiß genährt, lichtgedichtetes gesicht des dichters, der den berg in der hand über den wind trägt der für das letzte wort bürgt.
aachen, im juni 1993
LICHTGESICHTE 1998, Tinte auf Papier, 19 x 28,5 cm
stupide rose, von schenkeln belauert im feuerquartier
irrer steine, architektur wilder aschen im mondblock,
mit den garnituren für den speichel der reichen, ihn
durch die zimmer gottes zu speien – rose
der dummen, aussatzrose verderbender worte
salbadender ingenieure und … pedantenrose,
genkonstruiert und verratenschön von der wurzel
des todes – jauchegesättigte und verwesungträumende, von eisenengeln bespuckt,
von den ballerinnen im leichenornat …
schamlippen frierend saurer zucker
unterm echoplast teurer flüge zum mars …
von der sonne verlassen, von den zwickenden lippen
des mondes in die enge trüber intensivstationen
getrieben, die sich selber sezieren – unter der achsel,
die noch quecksilber schwitzt, niagarawasserstaub
und bordellflüssigkeiten en masse … stumme dienste
in das unaufhörlich weißer werdende weiß weiter welt.
- scherbenrot rohen sterbens unter der geilheit
von ärzten, die verwesungsregenbögen züchten –
im himmel berechnete qualen … rote euter
mit den engelszitzen, sternblute spritzend –
roter tau von unterm bauch der sonnensau
am ufer der tränen … schattennahrung vergeblicher kinder, abgetrieben, bauchabwärts
in die gruben, genkloaken des wirrsinns!
asbestene kuchen oder töchter der sau? Augen,
schön wie afterdrüsen, sehn hinab in die tiefen
des verkommenen kosmos, der wie eine kommode
des todes noch stinkt in der kammer des
verreckenden gotts -; und die landschaft trüber,
widerlich erwachender wesen aus fleisch
ums gebein, dem das licht lang ausgetrieben,
aber in parlamenten zerzaust wird zu staubwort
und fett … oh trübselige ödnis der rosen
aus dem nagelhorn und der hornhaut
von den füßen irgendwelcher messiasse,
die sich selber nur zu küssen vermögen, weil
kein judas mehr zum verrate bereit ist …
herzlose affen stiern aus den fenstern new
yorks in die überallhin fortgerrissene ferne,
alle heilige schriften gravitieren nicht mehr,
kein gewicht mehr überall, keine maaße mehr
stimmen … schwarze löcher immer, und -
ein urknall an den andern gereiht erzeugt
die todesnähe aller zärtlichkeit und - die notdurft der götter …
2
ach wirbelrose mystischer gene! schwarzes
laboratorium verdorbener gene, fingernagelfluten
sendest du aus in die welt der unsichtbaren ströme,
sande demütigend, speichel, wurzeln …
HÄUSER IM HIMMEL für SONNENTRÜMMER 1994, Tinte auf Papier, 29 x 21 cm
schleimornat und fieberkrone mit dem knochenszepter der angst – die attribute neuer herrschaft
über die erde… und die rose beklemmender gene
im garten des wahns…
irgend ’003
"ich muß die kalten kleinen steine der quelle auf meine zunge legen, um ihre sprache zu lernen, um gewiß wie esche und birke zu sprechen." DEREK WALCOTT
ich sah noch die bauern mit pferden auf dem acker lichtarbeit treiben, und sah gewundene furchen, lichstaubgefüllt, aufgehn dem eisen, das sich hineintrieb ins schwarz reiferer erde, die schatten zu teilen, ihnen herzen zu setzen, wo sonst leer sie himmel tönen und hölle - und wie? - weiß ich nicht! einem gott ähnlich jedoch schnitt in einheit von pferd, pflug und wut der bauer den kuchen auf dampfender krume, die im anhubentzweiflog, zu beiden seiten sich windend des eisens, das, lichtworteblitzend im bruch, steingräten freigab, daß es dem bauern kalt den rücken runterran vom kreischen der seelen. und ich sah zerschnittene sterne und würmer und folgte dem taumelnden gang starker beine des bauern, des pferds und der gierigen furche, die ins endlos eine heiße schneise war der erwartung. und sattsam wolken bläckten zähne um vögel, die ihre kreise zogen, sich sonnenfrüchte zu sichern im berstenden brocken erbrochenen bodens; so sah ich noch urkräfte siegen im erliegen der schatten am wutbruch der not, wie einen krieg gegen hunger, geduldlos und groß... zärtlich jedoch sah mich zwischen brusthohem erdwurf die bäuerin an, kraniche zählend; ihre hand, waffengezähmte geste der anmut zwischen den kriegen, strich mein sich sträubendes haar glatt und schickte mich aus, leicht mich in die schulter zwickend, kartoffeln zu holen. wenn ich zurückbog den wilden flug meines hoffens und den beinen befehl gab, den gewichten bei der umkehr zu trotzen, war das pferd oft mit mir gleicher höhe, mächtig atmend, lichtwirbel stiebend in die salzige brise, und es bebte sein laib wie die erde unter den hufen der sonne, schwarz, klebrig, satt von den schatten;und wirklich ahnte ich nicht, daß es grausameres gibt, als dieses brechen der gruben unterm eisernen mondpflug, dieses bersten zum grund verschwiegener glocke, und ich dachte da längst noch nicht an das meer: genügte mir doch dieser schaum wildender flüge der möwen, der krähen und teufel; und die ferne genügte, die am hügel sich brach,