Die Flucht - George R. Booker - E-Book

Die Flucht E-Book

George R. Booker

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Beschreibung

Von seiner Frau des Mordes an ihrem Geliebten beschuldigt, landet Max Wheeler im Gefängnis. Als er es nicht mehr aushält, bricht er aus. Auf der Flucht vor der Polizei lernt er Boche Boche kennen, der sein Gedächtnis verloren hat. Zusammen verschlägt es die beiden auf einem Frachter bis nach Südamerika.

 

Tauche ein in die Abenteuer eines zu Unrecht beschuldigten Mannes und erlebe eine Zeit, in der es noch keine Computer und Smartphones gab.... Dies ist der erste Band der spannenden Max Wheeler-Reihe - Verfolgt um die Welt vor 100 Jahren.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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George R. Booker

Die Flucht

Ein Max Wheeler Roman

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Guide to Contents

Table of Contents

Table of Contents

Title Page

Copyright

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

Kapitel 9.

Kapitel 10.

Kapitel 11.

Kapitel 13.

Kapitel 14.

Kapitel 15.

Kapitel 16.

Title Page

George R. Booker

 

Die Flucht

Ein Max Wheeler Roman

 

 

 

 

 

Verfolgt um die Welt vor 100 Jahren

Band 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Copyright

 

 

 

© George R. Booker 2023

Kapitel 1.

Kapitel 1.

 

Die Nacht war damals kalt, regnerisch und dunkel. Ich konnte mir kaum eine bessere Nacht wünschen.

Wenn die Regenschauer und Windböen über das Schieferdach zogen, drang die Kälte durch die durchnässte, muffig riechende Leinenhose und die Jacke, die heimlich aus der grauen Wolldecke geschneidert worden war, bis in meine Knochen.

Seltsamerweise fühlte ich meine Knochen, als wären sie eisige Eisenstangen. Aber meine Haut und mein Gesicht brannten, als hätte ich geholfen, dunkle Schluchten in den felsigen Körper der Jungfrau zu bohren: Höhensonne - Gletscherfeuer!

Vom Dach aus liefen zwei dicke Drähte in leichter Neigung über den Hof und die hohe Mauer hinauf zu einem nahen Hügel.

Zwei ... einer isoliert, der andere durch Witterungseinflüsse oxidiertes Kupfer. Drähte, die den Tod leiteten, aber auch Licht, Strom und Wärme spendeten.

Die Drähte waren etwa fünfzig Zentimeter voneinander entfernt und schwankten in der Brise. Ich war noch nie ein Seiltänzer. Man wird zu allem, wenn es nötig ist. Und ich hatte genug von diesem Leben. In den letzten acht Monaten, in denen ich nur hässliche Pantoffeln genäht und nicht ein einziges Mal anständig gegessen hatte, war ich zweifellos dreißig Pfund leichter geworden. Ich schätzte mein Gewicht auf einhundertundzehn Pfund. Wenn die Drähte hielten und ich das Kunststück fertigbrachte, auf diesen Metallstreben, die den Weg in die Freiheit darstellten - den einzig möglichen Weg -, bis zum dicken Holzmast der Stromleitung hinüberzukommen, war zumindest etwas gewonnen. Aber bei weitem nicht alles.

Vom Boden des roten Backsteingebäudes hatte ich mir ein Stück eines abgebrochenen Fahnenmastes geholt. Als Balancierstange.

Ich setzte mich auf den Rand der Luke, schlüpfte aus den klobigen Lederschuhen und zog die anderen an - aus Gummistoff, ebenfalls selbstgemacht, genau wie die Gummihandschuhe, die ich mir über die Finger stülpte. Mit solchen Drähten muss man vorsichtig sein, vor allem, wenn die Isolierung des Plusleiters durch den Zahn der Zeit bereits stark beschädigt ist und man trotz völliger Nüchternheit nicht das Gleichgewicht verlieren kann.

Unten im Innenhof ging ein dunkler Schatten hin und her. Der Mann war mir gegenüber gleichgültig, ebenso sein Karabiner. Die Anweisungen verlangten, dass er die hohe Backsteinmauer bewachen sollte, die oben noch eine nach innen geneigte Verlängerung von acht Stacheldrähten trug. Bislang war es keinem meiner Kameraden gelungen, diese Mauer zu überwinden.

Ich ergriff die Stange und begann, diesen wahrlich nicht alltäglichen Weg hinunterzugehen. Ich hatte die Dachluke wieder geschlossen. Und das war gut so. Wochenlang hat man sich den Kopf darüber zerbrochen, wie der Ingenieur Max Wheeler das Hotel Düsterburg verlassen haben könnte.

Die ersten gleitenden Schritte auf den beiden Drähten mögen meinen Unternehmungsgeist vor acht Monaten bis zum Gefrierpunkt abgekühlt haben. Die acht Monate mit Pantoffeln und staatlicher Hotelverpflegung - und die Aussicht auf weitere sechzehn Monate: Lieber breche ich mir das Genick oder gehe hier am eigenen Leib durch eine elektrische Hinrichtung!

Weiter ...

Linker Fuß vorwärts auf dem isolierten Draht, rechter Fuß breitbeinig auf dem Kupferband folgen lassen ...

Zähne zusammengebissen ...

Aha - auch das Skelett erwärmt sich, die Gelenke werden geschmeidig, die frische Luft tut gut ...

Spiel mit dem Tod ...

Mein Gott - nicht das erste Mal ...

Als der Sprengschuss im Jungfrau-Tunnel zu früh losging, war ich eigentlich schon mit beiden Beinen im Grab ... Der Sprung hinter den Schutthaufen hätte nicht einen Sekundenbruchteil später erfolgen dürfen.

Verdammt - der Windstoß von vorhin hätte mich fast dem Wachmann unten vor die Füße geworfen. Der arme Kerl hätte sich über diesen Haufen blutigen Menschenfleisches nicht schlecht erschreckt.

Ich wurde wieder etwas vorsichtiger. Als der Wind eine Pause machte, gelang es mir, fünf Schritte vorwärts zu gehen.

So - jetzt war die Mauer hinter mir ...

Bis zum Hügel und Holzpfahl noch etwa dreißig Meter ...

Ich schwitze. Ich hatte noch nie geschwitzt. Nicht einmal damals, als ich den Schienenbruch entdeckt hatte und dem Schnellzug Malmö-Stockholm entgegenlief. Und in jener Nacht standen viele Leben auf dem Spiel. Heute war es nur mein eigenes, und das interessierte niemanden. Die Welt hatte Max Wheeler gemalt.

Aber mein einst so hervorragend trainierter Körper erinnerte sich allmählich an seine früheren Fähigkeiten. Mit dem wachsenden Selbstvertrauen ging es auch schneller.

Verräterischer Nachtwind ... Bestie!!! Tut so, als wolle es noch einmal Atem schöpfen und bläst mir ganz plötzlich so in den Rücken, dass mein linker Fuß ausrutscht ...

Die Rute rauscht in die Tiefe ... Ich hänge an dem Kupferstreifen ... pendle hin und her ...

Die beiden Drähte schwingen ... schwingen ... Der schwarze, umwickelte berührt meinen Handschuh ... schwingt zurück ... Für einen Moment durchfährt das vertraute Kribbeln meine linke Hand ... Der Handschuh isoliert also doch nicht ganz.

Das Biest Wind hört wieder auf zu zischen ...

Und ich hänge nur mit einer Hand am Kupferband, strecke die andere weit nach vorne, umklammere den Draht, öffne die erste ... arbeite mich so an den dicken, geteerten Pfahl heran ...

Danke auch, liebe Kollegen, dass ihr Steigeisen an dieser Stange befestigt habt ...!

Ich habe die erste Etappe hinter mir.

Meine Beine zittern, meine Armmuskeln flattern. Ich lehne mich an den Mast unter mir, und Regen und Wind fächeln mir das schweißnasse Gesicht. Ich schimpfe den Wind nicht mehr als Ungeheuer. Jetzt kommt er mir vor wie kühle, streichelnde Frauenhände, die mir zärtlich Glück wünschen. Hinter mir liegt das große dunkle Gebäude mit den unzähligen Fenstern ...

Einzelne Fenster sind hell: die Flurfenster! Ab und zu gleitet ein Schatten hinter diesen Fenstern vorbei. Die armen Angestellten des Hotels Düsterburg haben nicht einmal nachts Ruhe. Die Hotelgäste haben es besser. Sie dürfen ab neun Uhr ungestört ihren Jagdneigungen nachgehen. Meine Jagdbeute pro Nacht betrug im Durchschnitt dreißig Wanzen und ein Dutzend Flöhe.

Meine überanstrengten Muskeln beruhigten sich wieder. Ich musste daran denken, den zweiten Teil meines Programms zu absolvieren, da die Nächte im April hier in Südschweden nicht allzu lang sind. Um sieben Uhr wird es hell, und bis dahin musste ich unbedingt den Boden meiner Heimat verlassen haben.

Ich wandte mich der im Tal liegenden Stadt zu, überquerte einen kleinen Fluss, dessen Holzbrücke von meinen ehemaligen Kameraden gerade erneuert worden war, und sah nun links die Lichterketten des Bahnhofs und rechts einzelne helle Villen in alten, dicht bewachsenen Gärten herüberwinken.

Ich hatte den literarischen Größen meiner Heimat nur so viel Aufmerksamkeit geschenkt, dass ich mich rechtzeitig im Hotel Düsterburg daran erinnert hatte, dass die berühmte geistige Frau, deren Werke in alle Sprachen übersetzt wurden, hier in der Stadt lebte. Ich wusste auch, dass sie hier eine schlossähnliche Villa besaß, die sich in einem alten Schlosspark befand.

Es war also notwendig, die Villa zu suchen. Denn nur diese Frau mit dem goldenen Herzen würde mir helfen. Ohne sie wäre diese Vergnügungsreise sehr bald zu Ende.

Die Straßen des Villenvorortes waren wie ausgestorben. Nur Katzen und Hunde verrieten den nahenden Frühling, trotz des miserablen Wetters. Ich beobachtete verschiedene vierbeinige Liebespaare, die je nach Charakterveranlagung lautstark oder leise das Schäferstündchen vorbereiteten. Katzen neigen dazu, sich recht rüpelhaft zu verhalten. Wenn all die süßen menschlichen Fräuleins auch so durchdringend durch Mark und Bein kreischen wollten, hätte die vielgeplagte Polizei noch mehr zu tun.

Ein Polizist lehnte verschlafen unter einer Laterne. Es ist wirklich ein Glück, dass die Polizeiminister noch so rückständig sind, ihre Leute in eine weithin erkennbare Uniform zu stecken. Wie leicht könnte man ihnen in die Arme laufen, wenn die Beamten wie einfache Spießer aussähen.

Ich machte einen Bogen um besagte Laterne und spähte eifrig nach einem schlossartigen Gebäude. Dann stellte ich mich vor ein Gittertor und ertastete mit den Fingerspitzen die eingravierten Buchstaben des Messingschildes, kletterte über den Zaun und schlich die Allee entlang, bis ich auf der rechten Seite zwei helle Fenster im Hochparterre bemerkte - die einzigen erleuchteten Fenster des mächtigen Hauses der großen Dichterin. Vor den Fenstern erstreckte sich ein Balkon, und dort stand eine Person, ein Mann, halb zusammengekauert. Das schummrige Licht zeigte mir einen verregneten Velourhut, einen hochgeschlagenen Ulsterkragen und ein umsichtiges Profil mit einer sehr geraden Nase und einem blonden Spitzbart.

Dieser Herr beunruhigte mich. Er passte nicht in mein Programm. Wenn er stehlen wollte und sich dabei ungeschickt anstellte, konnte das auch für mich unangenehme Folgen haben.

Jeder ist auf sich allein gestellt. Besonders nach acht Monaten kostenloser Unterbringung im Staatshotel. Ich begann, den Eisenbalken des Balkons hinaufzuklettern. Der Wind und der Regen und ein paar Katzen im nahen Gebüsch sorgten dafür, dass der Mann mich nicht hörte. Als ich den Kopf über die Balkonbrüstung hob, war ein Flügel der Fenstertür halb geöffnet, und der Herr war verschwunden. Ich war zu spät gekommen und musste das geplante Gespräch mit dem Fremden, der der Faust des ehemaligen Amateurmeisters des Boxclubs »King Tor« zweifellos nicht gewachsen gewesen wäre, vorerst abbrechen.

Umkehren?! - Nein, denn das wäre gleichbedeutend mit einer freiwilligen Rückkehr ins Hotel Düsterburg gewesen. - Vor der halb geöffneten Tür hing ein Vorhang. Er bewegte sich leicht hin und her, und als ich ihn ein wenig zur Seite schob, sah ich eine blonde junge Frau, die aufrecht in einem weiß lackierten, geschnitzten Bett auf der linken Seite saß und mit beiden Händen eine blaue Seidendecke an ihre Brust drückte. Ihr Gesicht lag im Schatten, denn die kippbare Nachttischlampe mit gelbem Trichterschirm war so gedreht, dass das Licht auf den Fremden fiel, der noch weiter links neben einem dreiteiligen Frisiertisch stand.

Der Mann sprach. Ich habe nur einzelne Worte mitbekommen.

Eine gewisse junge Dame, deren Name zu viel der Ehre wäre, um ihn hier zu nennen, kann Auskunft darüber geben, warum Max Wheeler nie wieder emotionale Dummheiten begehen wird, zu denen ich auch meine damalige Rettung des Schnellzuges Malmö-Stockholm zähle. Menschen sind es nicht wert, sich in irgendeiner Weise zu opfern, und Frauen erst recht nicht.

Hier waren die Dinge anders. Hier hatte ich nicht die Absicht, den Lohengrin zu spielen, der Elsa von Brabant von einem Feind befreit. Hier ging es um mich selbst, und ich war es mir schuldig, dieser Szene dort drinnen so schnell wie möglich ein Ende zu setzen.

Die Stimme des blonden Kindes dort im Bett hatte soeben noch einmal bekräftigt, daß sie dem Erpresser beim heiligen Gott nichts ... nichts mehr aushändigen könne, als ich den elenden Schuft schon am Hals hatte ...

Aus dem Bett ein leiser Schrei ...

Der Kerl flog über die Balkonbrüstung nach unten in eine Taxushecke, stand auf, suchte seinen Hut und rannte die Allee hinunter.

Ich kehrte ins Schlafzimmer zurück. Das junge Mädchen starrte mich an und sagte unter Tränen: »Ist er weg ...? Sie sind sicher ein Detektiv, Sir?«

»Ja ... Und Sie, Fräulein?«

Sie zögerte ... »Sie ... kennen mich also nicht?«

»Nein. Ich bin erst seit kurzer Zeit in dieser Stadt, sehr kurzer Zeit. Ich war vorher in einer staatlichen Einrichtung beschäftigt. Außerdem ruft mich ein dringender Auftrag noch heute Abend nach Trelleborg, Mylady. Könnten Sie mir irgendwie einen Anzug, einen Mantel und Wäsche und so weiter besorgen und mir ein Fahrrad leihen?«

Ihr Gesicht konnte ich immer noch nicht klar erkennen, zumal ihr jetzt noch das aufgelöste blonde Haar nach vorne gefallen war.

Sie schwieg für Sekunden. Ich spürte ihre forschenden Blicke. Und ich ahnte, dass sie mich durchschaut hatte.

»Sie ... sind aus Hafdengarden?«, flüsterte sie ....

»Ja. Ich bin der Ingenieur Max Wheeler, der wegen Totschlags zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Sie haben vielleicht in den Zeitungen davon gelesen. Zugegeben, es ist schon über acht Monate her.«

»Mein Gott - - Wheeler!!! - Oh, ich möchte Ihnen helfen ... I ... Ich bin das Stubenmädchen der Dame, der diese Villa gehört. Die Dame ist nicht in der Stadt, und der Chauffeur ist auch im Urlaub. - Drehen Sie sich um ... Ich will mir nur einen Bademantel überwerfen. Ich bringe Sie in die Garage, in den Salon des Chauffeurs.«

»Ich werde wieder in den Garten hinuntersteigen«, vereinfachte ich ihren Vorschlag. »Komm in den Garten, bitte ...«

Sie kam. Sie hatte einen langen Ledermantel an, eine Automütze auf und eine Schutzbrille vor den Augen.

Sie ließ mich allein im Chauffeurzimmer zurück, um das Auto für die Fahrt nach Trelleborg vorzubereiten. Die Kleidung des Chauffeurs passte mir gut, und anschließend nahm ich einen kleinen Koffer mit, um den Eindruck eines einfachen Reisenden zu erwecken.

Wir fuhren los. Sie saß am Steuer. Ich saß neben ihr. Wir wechselten nur ein paar Worte, wie zuvor. Und kurz vor sechs Uhr hielten wir an der Straße unweit von Trelleborg. Ich stieg aus, nahm den Koffer, bedankte mich bei dem Mädchen und übersah ihre Hand, die sie mir lässig hinhielt - wollte sie übersehen ...

»Dann nimm ihn doch«, rief sie ungeduldig. »Du brauchst doch Geld, und mit den drei Schminkstiften wirst du schon umgehen können ...« - Als Nachsatz kam ein etwas verlegenes: »Man würde es Ihrer Gesichtsfarbe ansehen, Mr. Wheeler, wo Sie herkommen ...«

Ich nahm an. Doch bevor ich mich, gerührt von ihrer Fürsorge, noch einmal mit herzlichen Worten bedanken konnte, wurde das Auto geschickt gewendet, raste zurück auf die Straße und verschwand. Mein Winken, meine Rufe blieben ungehört, und meine Retterin, die, wie ich längst erkannt hatte, niemals ein Zimmermädchen war, entschwand mir vielleicht für immer. Ich hatte sie nicht nach ihrem Namen gefragt, ich hatte nur leise vor mich hingelächelt, als sie während des spärlichen Gesprächs mit wenig Erfolg versucht hatte, den Ton eines halbgebildeten Mädchens in ihrer Miene zu treffen. Und doch kannte ich ihren Vornamen: Gerda! - Der Mann mit dem blonden Ziegenbart hatte ihn mehrmals über seine jämmerlichen Lippen gebracht, bevor ich ihn in die Taxushecke hinunterschleuderte, diesen elenden Schurken. Gerda also. Immerhin etwas. Aber ein süßes kleines Kleinkind - niemals! Schon das Schlafzimmer hatte dagegen gesprochen, noch mehr ihr Verhalten, ebenso ihre Sicherheit beim Autofahren.

Schade, dass ich mir kein richtiges Bild von ihren Gesichtszügen machen konnte. Nur die großen dunklen Augen, das blonde Haar und ein Paar sehr frische, sehr schön geformte Lippen haben sich in meiner Erinnerung fest eingeprägt.

Vielleicht war Gerda eine Freundin oder Verwandte des berühmten Schriftstellers, - es muss so gewesen sein: eine Verwandte, vielleicht eine Nichte, denn die große Dichterin zählte mindestens fünfzig Jahre und stammte aus einer zahlreichen Familie.

Gerda ...

Das Leben würfelt mit menschlichen Schicksalen. Der blinde Zufall regiert unser Dasein. Ich glaube nicht an ein Datum, an eine Vorbestimmung unserer Lebenslinie. Wenn dieses Rückgrat der Lehren des Propheten Mohammed von der Wiege an unentwirrbar in das bunte Gewebe unseres Daseins eingewoben wäre, wenn wir kleinen Menschen nur Marionetten wären, die an einem unsichtbaren Faden auf einem vorgeschriebenen Weg geführt werden, würden wir besser, Wenn wir Menschen nur Marionetten wären, die an einem unsichtbaren Faden auf einem vorgeschriebenen Weg geführt werden, Wenn wir Menschen nur Marionetten wären, die an einem unsichtbaren Faden auf einem vorgeschriebenen Weg geführt werden, täten wir besser daran, uns am Tag der vollen Reife der geistigen Erkenntnis eine Pistole an die Schläfe zu setzen und diese Marionettenfäden zu durchstechen, um wenigstens in diesem einen Moment, wenn der Todesschuss fällt, Herr über uns selbst zu werden und nicht bis zum »vorgeschriebenen Tod« elende Marionetten zu bleiben.

Das Leben hat die Würfel geworfen ... Und auf zwei Seiten von zwei Würfeln standen zwei Namen. Das Leben schüttelte den Becher des Schicksals und diese Namen fielen nach oben, - aber meiner war nicht darunter.

Kapitel 2.

Kapitel 2.

 

Eine Straße nordöstlich von Trelleborg. Es regnete immer noch. In der Strohhütte einiger Steinschläger, die noch nicht mit ihrer Arbeit begonnen hatten, schaute ich in den Spiegel, den ich mir ebenfalls aus dem Chauffeurzimmer geliehen hatte. Der Rasierspiegel zeigte mir ein kittgraues, hageres Gesicht mit hoher, kantiger Stirn, dünnem, blondem Haar, einer schmalen, ganz leicht gebogenen Nase und einem Mund und einem Kinn, die der Staatsanwalt vor acht Monaten zum Gegenstand besonderer Bemerkungen gemacht hatte: brutal, selbstbewusst, fast grob in den Zügen, auf Jähzorn hindeutend - und so weiter! So ganz unrecht hatte der Mann nicht gehabt. Nur eine Sache war falsch. Ich hatte nie etwas von Jähzorn in mir gespürt. Lächerlich - ich, der ich schon als Student die Kunst der Selbstbeherrschung mit allen Tricks der modernen Gewissenserforschung geübt hatte!

Wie unheimlich ähnelte ich nun meiner Mutter mit diesen eingefallenen Wangen und diesem ungesund blassen Gesicht! Sie war eine heitere, lebensfrohe Berlinerin gewesen, die den Oberlehrer, Doktor Wheeler, geheiratet hatte, einen schwerblütigen, stumpfen, echten Schweden, wie ihn dieses Land nur zu oft hervorbringt - Männer, die zu sehr geneigt sind, dem schnellen Rhythmus der modernen Zeit zu folgen, so sehr geneigt, dass die Monotonie des Alltags sie vorzeitig zum melancholischen Vegetieren verurteilt. Dass zwei so grundverschiedene Naturen wie meine sonnige Mutter und mein nie lächelnder Vater sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen mussten, dass meine Mutter verkümmerte und früh starb, und dass mein Vater ihr aus Trauer sehr bald folgte, denn er hatte sie auf seine Weise geliebt, - war das ein Wunder?! Und das einzige Kind dieser unglücklichen Nicht-Beziehung war ich. Ich, in meinem Fühlen, Denken, Handeln weit mehr Deutscher als Schwede, ich, der die tote Mutter in seinem Herzen wie eine Heilige verehrte und nie von ihr sprach - nie!

Der unauffällige Umgang mit den Schminkstiften war für einen Laien auf dem Gebiet der Gesichtsveränderung gar nicht so einfach. Nach mehreren erfolglosen Versuchen war ich mit dem rotwangigen Gesicht von Max Wheeler - nein, dem Chauffeur Gunnar Aalfström - zufrieden. Ich hatte auch Aalfströms Pass mitgenommen, ohne den ich niemals die Fähre nach Sassnitz hätte besteigen können, denn jetzt, so kurz nach dem Ende des großen Völkermordes, wurde die Grenzkontrolle noch sehr streng gehandhabt.

Ich schlenderte in Richtung des Hafens. Trelleborg ist ein armseliges, liebloses Nest, und wer zum ersten Mal von den beeindruckenden Ufern Rügens nach Trelleborg kommt, muss unsagbar enttäuscht sein.

Ich wusste, dass das Trajekt um sieben Uhr Trelleborg verlässt. Ich hatte gerade noch genug Zeit, um eine Fahrkarte zu kaufen. Gerda hatte auch fünfhundert Kronen in das Paket gepackt, plus, für mich sehr wertvoll, eine jener Miniatur-Damenpistolen, die die Stockholmer Waffenfabrik neuerdings mit sieben Patronenrahmen auf den Markt bringt.

Die Passkontrolle verlief ohne weiteres, ebenso wie die Zollkontrolle. Mein kleines Köfferchen enthielt nur die bescheidensten und notwendigsten Reiseutensilien. Die Schminkstifte hatte ich weggeschmissen.

So betrat ich den Raucherraum der eleganten »Drottning Viktoria«, setzte mich in einen Clubsessel und bestellte beim Steward das Frühstück.

Die Schiffsglocke am Kai begann zu läuten. Ich atmete erleichtert auf. Gleich musste der große Dampfer, der D-Zug unten in seinem breiten Bauch, den Liegeplatz verlassen.

Die Schiffsglocke hörte abrupt auf zu läuten.