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In "Die fromme Helene" vereint Wilhelm Busch humorvolle Erzählkunst mit scharfsinnigem sozialen Kommentar. Die Geschichte der frommen Helene, die in ihrer dörflichen Umgebung als Tugendbold gilt, ist ein Meisterwerk der Ironie und Satire. Busch, bekannt für seinen scharfen Witz und seine pointierten Illustrationen, thematisiert die Diskrepanz zwischen dem ostentativen Glauben und den menschlichen Schwächen. Die Illustrierte Ausgabe hebt Buschs talentierte Zeichnungen hervor, die den Text auf brillante Weise ergänzen und somit eine tiefere Bedeutung der Handlung unterstützen, während sie die Leser zum Schmunzeln anregen. Wilhelm Busch, geboren 1832, gilt als einer der Väter des deutschen Humors und der Comic-Literatur. Mit einem Hintergrund in Kunst und Literatur, schuf er nicht nur Gedichte, sondern prägte auch die Gattung des Bilderbuchs. Der Einfluss seiner eigenen Erfahrungen, seine kritische Haltung gegenüber der Gesellschaft und sein umfangreiches Wissen über menschliche Natur haben ihn inspiriert, die Kunst der humorvollen Erzählung zu perfektionieren. Diese Aspekte fließen deutlich in "Die fromme Helene" ein. Dieses Buch ist ein unverzichtbares Werk für Literatur- und Humorliebhaber. Es fordert den Leser heraus, über soziale Konventionen und die Heuchelei im Alltag nachzudenken, während es gleichzeitig köstliche Unterhaltung bietet. Ob Sie nun Buschs Werk schon kennen oder neu in sein vielfältiges Universum eintauchen, "Die fromme Helene" bietet sowohl amüsante Tiefsinnigkeit als auch die zeitlose Relevanz der menschlichen Erfahrung.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Wie der Wind in Trauerweiden
Tönt des frommen Sängers Lied,
Wenn er auf die Lasterfreuden
In den großen Städten sieht.
Ach, die sittenlose Presse!
Tut sie nicht in früher Stund
All die sündlichen Exzesse
Schon den Bürgersleuten kund?!
Offenbach ist im Thalia,
Hier sind Bälle, da Konzerts.
Annchen, Hannchen und Maria
Hüpft vor Freuden schon das Herz.
Kaum trank man die letzte Tasse,
Putzt man schon den ird'schen Leib.
Auf dem Walle, auf der Gasse
Wimmelt man zum Zeitvertreib.
Und der Jud mit krummer Ferse,
Krummer Nas' und krummer Hos'
Schlängelt sich zur hohen Börse
Tiefverderbt und seelenlos.
Wie sie schauen, wie sie grüßen!
Hier die zierlichen Mosjös,
Dort die Damen mit den süßen
Himmlisch hohen Prachtpopös.
Schweigen will ich von Lokalen,
Wo der Böse nächtlich praßt,
Wo im Kreis der Liberalen
Man den Heil'gen Vater haßt.
Schweigen will ich von Konzerten,
Wo der Kenner hoch entzückt
Mit dem seelenvoll-verklärten
Opernglase um sich blickt;
Wo mit weichem Wogebusen
Man schön warm beisammen sitzt,
Wo der hehre Chor der Musen,
Wo Apollo selber schwitzt.
Schweigen will ich vom Theater,
Wie von da, des Abends spät,
Schöne Mutter, alter Vater
Arm in Arm nach Hause geht.
Zwar man zeuget viele Kinder,
Doch man denket nichts dabei.
Und die Kinder werden Sünder,
Wenn's den Eltern einerlei.
»Komm Helenchen!« sprach der brave
Vormund – »Komm, mein liebes Kind!
Komm aufs Land, wo sanfte Schafe
Und die frommen Lämmer sind.
Da ist Onkel, da ist Tante,
Da ist Tugend und Verstand,
Da sind deine Anverwandte!«
»Helene!« – sprach der Onkel Nolte –
»Was ich schon immer sagen wollte!
Ich warne dich als Mensch und Christ:
Oh, hüte dich vor allem Bösen!
Es macht Pläsier, wenn man es ist,
Es macht Verdruß, wenn man's gewesen!«
»Ja leider!« – sprach die milde Tante –
»So ging es vielen, die ich kannte!
Drum soll ein Kind die weisen Lehren
Der alten Leute hochverehren!
Die haben alles hinter sich
Und sind, gottlob! recht tugendlich!
Nun gute Nacht! Es ist schon späte!
Und, gutes Lenchen, bete, bete!«
Helene geht. – Und mit Vergnügen
Sieht sie des Onkels Nachthemd liegen.
Die Nadel her, so schnell es geht!
Und Hals und Ärmel zugenäht!!
Darauf begibt sie sich zur Ruh
Und deckt sich warm und fröhlich zu.
Bald kommt der Onkel auch herein
Und scheint bereits recht müd zu sein.
Erst nimmt er seine Schlummerprise,
Denn er ist sehr gewöhnt an diese.
Und nun vertauscht er mit Bedacht
Das Hemd des Tags mit dem der Nacht.
Doch geht's nicht so, wie er wohl möcht,
Denn die Geschichte will nicht recht.
»Potztausend, das ist wunderlich!«
Der Onkel Nolte ärgert sich.
Er ärgert sich, doch hilft es nicht.
Ja siehste wohl! Da liegt das Licht!
Stets größer wird der Ärger nur,
Es fällt die Dose und die Uhr.