Die Führungskunst der Jedi - Michael Fuchs - E-Book

Die Führungskunst der Jedi E-Book

Michael Fuchs

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Beschreibung

Der Star Wars-Kosmos bildet im gesamten Buch die tragende Analogie und zeigt den Entwicklungsprozess hin zu einer erfolgreichen Spitzenführungskraft des 21. Jahrhunderts. Die Autoren Michael Fuchs und Jochen Messner zeigen die Ambivalenz und Spannung unserer unberechenbaren Welt und bieten Orientierung für Krisensituationen. Kurz: Das Buch bietet eine Anleitung zur Wiederentdeckung der wesentlichen Dimensionen moderner Führungskultur. Inhalte: - Bezugssysteme verstehen - Dysbalancen der gewohnten Management-Welt - Mentoring als Führungsinstrument - Der Weg der Jedi als Führungsentwicklung - Ganzheitliche Führungsentwicklung mit dem Quaternitäts-Prinzip - Radikale Selbstverantwortung und transpersonale FührungNeu in der 2. Auflage: - Jetzt mit Workbookanteil - Erfahrungsberichte aus der Praxis - Wie man mit den Archetypen im Businessalltag arbeiten kannDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.

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Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtmyBook+ImpressumVorwortProlog1 Das Fundament für die persönliche ­Entwicklung als Führungskraft – Phase 11.1 Komplexität als Realität1.1.1 Innere Arbeit1.1.2 Die eigene Mythologie1.1.3 Die Heldenreise als Blaupause für Entwicklung1.2 Keine Führung ohne Selbstführung1.2.1 Der Weg der Jedi – ein Selbstwerdungsprozess1.2.2 Das Ich und das Selbst1.3 Absichtsvoll reisen1.4 Vier Archetypen der Vorbereitung1.4.1 Der Optimist1.4.2 Der Kamerad1.4.3 Der Krieger1.4.4 Der Geber1.5 Mentoring1.6 Führungsinstrumente1.7 Ich will so bleiben, wie ich bin1.8 Von sich selbst loskommen2 Transformation und Entfaltung des Potenzials – Phase 22.1 Die Erkundung unbewusster Anteile2.1.1 Die Macht der Intuition2.1.2 Leitbilder entwickeln für Licht und Schatten2.1.3 Das SELBST als Kraftwerk für Transformation2.2 Vier Archetypen der Potenzialentfaltung2.2.1 Der Suchende2.2.2 Der Zerstörer2.2.3 Der Liebende2.2.4 Der Schöpfer2.3 Die Angst vor Selbst-Erkenntnis2.4 Sieben Urängste2.5 Der Mut zur eigenen Wahrheit3 Die Führungskunst der Jedi3.1 Das Sowohl-als-auch neuer Führung 3.1.1 Mit Polaritäten führen3.1.2 Synchronizität nutzen3.2 Vier Archetypen integraler Führung3.2.1 Der König3.2.2 Der Magier3.2.3 Der Weise3.2.4 Der Narr3.2.5 Die Neuordnung der Organisation3.3 Die ausbeuterische Organisation3.3.1 Suchterzeugende Systeme3.3.2 Narzissmus3.4 Die integrale Organisation3.4.1 Flex-Flow-Organisation3.4.2 Zeitgemäße Führungsmodelle3.4.3 Führen mit der Macht als VerbündeterEpilog – der Herr zweier WeltenÜberblick der Star Wars Episoden I-VIDankDie AutorenVerwendete und weiterführende LiteraturIhre Online-Inhalte zum Buch: Exklusiv für Buchkäuferinnen und Buchkäufer!

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ISBN 978-3-648-17799-0

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ePub:

ISBN 978-3-648-17800-3

Bestell-Nr. 10138-0101

ePDF:

ISBN 978-3-648-17801-0

Bestell-Nr. 10138-0151

Michael Fuchs/Jochen Messner

Die Führungskunst der Jedi

2. aktualisierte und überarbeitete Auflage, September 2024

© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG

Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg

www.haufe.de | [email protected]

Bildnachweis (Cover): Stoffers Grafik-Design, Leipzig, KI-generiert mit Midjourney

Produktmanagement: Bettina Noé

Lektorat: Gabriele Vogt

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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»Ich bin immer viel auf Reisen, aber die Heldenreise war eine der spannendsten Reisen zu mir selbst, die ich bislang erleben durfte. Sie hat mir bis heute sehr geholfen, Charaktere in Geschichten und Songs kraftvoller zu gestalten und andere zu verstehen.«

Clueso – Sänger, Songwriter, Produzent, Autor

Vorwort

Es genügt heute nicht mehr, nur Führungsinstrumente zu erlernen. Es geht um die Arbeit an der Persönlichkeit. Schon der hl. Benedikt, der vor 1500 Jahren die Führungsleitsätze für den Cellerar, den wirtschaftlichen Leiter des Klosters, beschrieben hat, geht zuerst einmal von der Arbeit an sich selbst aus. Der Cellerar soll ganz bestimmte Eigenschaften für sich erwerben. Nur dann kann er andere führen. Er muss vor allem weise sein. Weise ist nicht der, der viel weiß, sondern der tiefer sieht, der seine eigene Wahrheit erkennt. Das lateinische Wort für weise ist »sapiens«. Und das kommt von »sapere = schmecken«. Weise ist also der, der sich selbst schmecken kann, der sich selbst angenommen hat mit all seinen Höhen und Tiefen. Die Selbsterkenntnis ist für den hl. Benedikt die eigentliche Voraussetzung für das Führen.

Die Selbsterkenntnis hat zwei Aspekte: Der erste Aspekt bezieht sich auf die Erkenntnis der eigenen Schattenseiten. C. G. Jung, der große Schweizer Psychologe, geht davon aus, dass jeder Mensch in sich zwei entgegensetzte Pole hat: Verstand und Gefühl, Liebe und Aggression, Disziplin und Disziplinlosigkeit, Ordnungssinn und Chaos, Licht und Dunkel, Stärken und Schwächen. Wenn ich nur einen Pol bewusst lebe, gerät der andere in den Schatten. Vom Schatten aus wirkt sich der verdrängte Pol destruktiv auf mich selbst aus. Er verdunkelt immer wieder mein bewusstes Handeln. Und er wirkt sich negativ auf meine Umgebung aus. Denn ich projiziere dann meinen verdrängten Schatten auf die anderen. Viele Führungskräfte haben gelernt, bestimmte Führungsinstrumente anzuwenden. Doch wenn sie ihren Schatten nicht integriert haben, dann können diese Führungsinstrumente nicht wirklich Segen bringen. Ihre Schattenseiten legen sich ständig wie ein dumpfer Nebel auf ihr Führungsverhalten.

Der zweite Aspekt der Selbsterkenntnis ist die Erkenntnis des Potenzials, das in meiner Seele bereit liegt. Für C. G. Jung sind es die archetypischen Bilder, die mich mit dem Reichtum meiner Seele in Berührung bringen, mit meinen inneren Fähigkeiten und mit der Quelle innerer Energie. Archetypische Bilder sind in allen Menschen vorhanden. Sie werden ausgedrückt in Mythen und Märchen, in religiösen Texten und in der Dichtung und in Filmen. Archetypische Bilder wollen sich in mich einbilden, um mich zu zentrieren, um mich in meine eigene Mitte zu führen. Und dort in meiner Mitte entdecke ich meine Fähigkeiten.

Manche werden meinen, die Beschreibung der Archetypen würde wenig hergeben für die Aufgaben heutiger Führungskräfte. Doch die archetypischen Bilder bringen uns in Berührung mit der Quelle von Kreativität, von Kraft, von Liebe, von Energie und Inspiration, die auf dem Grund unserer Seele in uns sprudelt. Und wenn wir aus dieser Quelle schöpfen, dann werden wir nicht so leicht erschöpft. Viele Führungskräfte, die sich nur vom Verstand und Willen leiten lassen, leiden darunter, dass ihnen die Energie ausgeht, die Inspiration, die Vision, dass ihnen die königliche Energie oder die Fähigkeit des Magiers abgeht, der neue Wege für die Firma weisen kann. Die archetypischen Bilder wecken in uns neue Fähigkeiten. Und diese Fähigkeiten sind in der verwandelten Welt von heute gefragt, damit neue Wege in der Führung und im Wirtschaften beschritten werden.

So wünsche ich allen Lesern und Leserinnen dieses Buches, dass sie ihre königliche Energie, ihre Liebhaber-Energie, ihre Magier-Energie und ihre Fähigkeit, für das Leben zu kämpfen, in sich selber entdecken und daraus schöpfen können. Dann werden sie auch neue Inspiration und Kraft in die Teams fließen lassen, mit denen sie zusammen arbeiten.

P. Dr. Anselm Grün OSB

Prolog

You become mature when you become the authority for your own life.

Joseph Campbell

Es liegt in unserer Hand, die Verhältnisse, in denen wir leben, und unsere Haltung gegenüber dieser Welt täglich zu hinterfragen und neu zu erkunden. Tun wir das nicht, blicken wir lediglich in gewohnter Manier auf unser Leben und verhindern so die Entfaltung des uns innewohnenden Potenzials. Denn durch unsere Gewohnheiten, Spontandeutungen und emotionalen Einspurungen fühlen wir uns sicher: Wir geben uns der Illusion hin, uns selbst und andere zu kennen und unser Leben kontrollieren zu können. Leider übersehen wir dabei allzu leicht die damit einhergehenden Verzerrungen, blinden Flecken und projektiven Vorwürfe. Wir suchen im Gegenüber lediglich nach Bestätigung unserer eigenen Annahmen, Erfahrungen und Befürchtungen, anstatt uns mutig, jenseits voreiliger Bewertungen, in eine neugierige, erkundende Haltung zu begeben und dadurch Fortschritt nach Innen und Außen zu ermöglichen.

Diese Art zu leben – in Passivität und Ignoranz – ist in unserer aktuellen konsumorientierten Gesellschaft generell möglich, bietet jedoch in einer zunehmend komplexen Welt keine konstruktiven, sinnvollen Antworten mehr.

Die Lage ist komplex

Es ist erstaunlich, wie viele der von uns in der Erstauflage von 2016 skizzierten Entwicklungen in unserer aktuell erlebten Wirklichkeit angekommen sind. Mehr noch: wie viele neue Dynamiken sich seitdem in rasender Geschwindigkeit entfalten. Die rasante Ausbreitung von KI-Systemen, der Neuralink-Ansatz von Elon Musk, Yuval Noah Hararis Zukunftsentwurf der Verdrängung des Homo Sapiens durch den Homo Deus oder Emmanuel Todd und Niall Fergusons »Abgesang des Westens« – all diese Narrative vereinen disruptive Veränderungen, kulturellen Wandel und massive wirtschaftliche wie politische Destabilisierungen.

Nicht umsonst wählten wir für die englische Publikation dieses Buches 2018 den Titel »Leadership in a VUCA world«, um damit auf den neuen Kontext hinzuweisen, in dem jede Art von Führung heute stattfindet. VUCA bzw. VUKA bedeutet volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig und sollte in den 1990er Jahren als Rahmen für die Entwicklung strategischer Führungskräfte in den Streitkräften dienen. Doch die Beschreibung passte so gut zu den globalen Veränderungen, dass die Wirtschaft den Begriff eifrig übernahm. In dieser VUKA-Welt ist das Vertrauen in politische, wirtschaftliche und finanzielle Institutionen auf einem Tiefpunkt. Wir erleben Machtverschiebungen von Staat und Kirche zu Großkonzernen, Zeitkomprimierungen beim Werdegang, z. B. im Bildungssektor (G8 und Bolognaprozess), Auflösung alter Gesellschaftsverträge wie z. B. Wohlstand durch Arbeit, Selbstidealisierungen in sozialen Medien und nicht zuletzt eine große Verwirrung in Bezug auf die Bewertung der Authentizität von Informationen, nicht nur im World Wide Web. Eindrücklich nahegebracht wurde uns schließlich die erlebbare Bedeutung der VUKA-Welt während der COVID-19-Pandemie. Trend­sicher hatten wir bereits 2019 unsere integrale Spiel-Simulation GlobalCommunity­Game® als erfahrungsorientiertes Lernkonzept im Umgang mit komplexen Dynamiken veröffentlicht und schon damals die – von Teilnehmern als utopisch wahrgenommene – Ereigniskarte »Pandemie« als Herausforderung ins Spiel integriert. Ignorieren sollten wir daher auch weitere künftige Krisenszenarien nicht, und auf jeden Fall den konstruktiven Umgang damit trainieren!

Mehr noch: In unserer Welt radikaler Umbrüche, widersprüchlicher Wahrheiten und flüchtiger Trends werden die Stimmen nach einem grundlegenden Paradigmenwechsel und einer breit angelegten gesamtgesellschaftlichen Transformation immer lauter. Gleichzeitig drängt uns das Phänomen der massiven Entwicklungsbeschleunigung in kollektive Stressmuster, die im schlimmsten Fall in eine gemeinsame Ohnmacht, Depression und Opferhaltung führen. Spannung baut sich auf in unserem Leben. Es ist dieses Ziehen und Schieben, das Hin- und Her, Auf und Nieder, das für gewöhnlich große Umbrüche deutlich ankündigt – sofern wir wachsam genug sind, derartige Umbrüche zu erkennen und sie voll bewusst gestalten.

Hat der Übergang von der Jagd- zur Agrargesellschaft noch tausende von Jahren in Anspruch genommen, verlief der Übergang zur Industriegesellschaft innerhalb eines Jahrhunderts sehr rasant. Und doch vollzog sich die industrielle Revolution wiederum langsam im Vergleich zum Übergang in die Informationsgesellschaft, der sich so schnell ereignete, dass ihn viele gar nicht bewusst registrierten und so in Bezug auf die gesellschaftliche Entwicklung zurückfielen. Der nun stattfindende Übergang wiederum von der Wissensgesellschaft zur Weisheitsgesellschaft, in der wir zwischen »wissbaren« und wissenswerten Aspekten unterscheiden, verläuft in solch fliegendem Wechsel und so unspektakulär, dass die wenigsten ihn bewusst wahrnehmen (siehe auch Kondratieff-Zyklen, z. B. auf Wikipedia).

In dem Maße aber, in dem wir blind für bewusste Übergänge innerhalb unserer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung sind, wird auch eine bewusste Gestaltung des individuellen Entwicklungsweges immer schwerer. Zumal sich der klassische gesellschaftliche Entwicklungsweg (Kindergarten, Schule, Universität, Berufseinstieg, Beförderung, Familie …) ebenso auflöst wie der industrielle Karrierepfad (Führung einzelner Mitarbeiter, eines Teams, einer Abteilung, einer Business Unit …). Hinderlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass Erwachsenwerden oft damit einhergeht, brav und möglichst schnell den Erwartungen der Gesellschaft oder der eigenen Eltern zu entsprechen, anstatt als Mensch in seinem ganz eigenen Rhythmus zu reifen und der Gemeinschaft mit seinem eigenen Sinn und Verstand mutig und integer zu begegnen bzw. die Gesellschaft aktiv schöpferisch mitzugestalten oder gegebenenfalls zu erneuern.

Wir können unmöglich die Quelle schöpferischer, bewegender Handlungen und eindeutiger Führung sein, wenn die verschiedenen Persönlichkeitsanteile, die uns als Menschen letztlich ausmachen, nicht in einem Reifeprozess miteinander verknüpft werden. Erst wenn unsere inneren Anteile an Kohärenz gewinnen, sind wir fähig, unsere Umgebung schöpferisch durch eine logisch zusammenhängende, nachvollziehbare und sinnbildende Führung zu gestalten – in einer Gesellschaft, in der die Mitglieder mehr sein wollen als passive Empfänger.

Re-Orientierung auf innere Entwicklung

Unser aktueller gesellschaftlicher wie persönlicher Fokus richtet sich zumeist auf äußere Faktoren. Ich bin etwas wert, wenn ich etwas Bemerkens-wertes tue. Lob erhält man für erfolgreich bewältigte Aufgaben, nicht für charakterliche Qualitäten. Erfolge werden häufig denjenigen zugesprochen, die fähig sind, Bedürfnisse anderer zu erkennen und strategisch zum eigenen Vorteil zu nutzen. Auf diese Weise werden politische Ämter zu »Jobs« und Vorstandsetagen zu Petrischalen narzisstischer Not1. Auch an Schulen und in sozialen Medien geht es immer weiter in die oberflächliche »Selbstoptimierung« anstelle einer gesunden »Selbstwahrnehmung«. Es ist das Schauspiel an Selbstinszenierungen, mit dem wir uns gegenseitig immer mehr vergiften. Aufkeimende gegenläufige Trends werden bereits unter dem Label des »Detox« vereinnahmt und gewinnbringend platziert. Eine starke Zunahme prozessualer Süchte (z. B. Mediensucht und Pornographie) verweist auf Entfremdung, innere Leere und Dissoziation menschlich-vitaler Anteile. Das viel beklagte Tempo und die Zerstreuung des modernen Lebens decken blendend diese Leere zu: Wenn wir in Bewegung bleiben, haben wir die Illusion von Bedeutsamkeit und Entwicklung. Das innere Vakuum wird durch Stimulierungen oder Selbstbeweihräucherung überdeckt. Wir sind rastlos getrieben, da wir verlernt haben, auf unsere inneren Orientierungssysteme zu achten.

Doch genau hier setzt »Führung« an, egal ob im Bildungssystem, in Politik, Medizin oder in der Wirtschaft: Ihre Funktion ist das Ausstrahlen einer klaren (inneren) Orientierung in Bezug auf die großen Fragen: Welche Idee habe ich über das Leben? Wie will ich es leben? Wie antworte ich auf das, was mir passiert? Was hält die Welt zusammen? Viele großartige Gestalter unserer heutigen Zeit teilen die dargestellte Problembeschreibung unserer VUKA-Welt und widmen sich ähnlichen Lösungsansätzen mit der Prämisse: Menschen in Führungspositionen tragen eine gesellschaftliche Verantwortung, die Bindungskraft sozialer Normen und Beziehungen zu stärken. Dafür aber ist eine Erkundung des eigenen Potenzials, also aller vitalen Anteile (Qualitäten – Licht) und Traumatisierungen (verdrängte/abgelehnte Anteile – Schatten) unerlässlich.

Im Bildungsbereich macht sich dazu allen voran der Neurobiologe Dr. Gerald Hüther stark und prägt maßgeblich den Begriff der »Potentialentfaltung«. Ebenfalls im deutschsprachigen Raum spezialisiert sich der Psychotraumatologe Dr. Franz Ruppert auf die Auseinandersetzung mit Traumata und deren Auswirkungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene mit dem Ziel, eine traumainformierte Gesellschaft zu etablieren. Ähnliche Argumentationen werden von Dr. Gabor Maté, einem ungarisch-kanadischen Arzt, vertreten. Er beschreibt, dass unser Konzept gesellschaftlich-kultureller »Normalität« nicht unbedingt mit tatsächlicher psychischer Gesundheit übereinstimmt. Auch die aktuellen Erkenntnisse aus Neurologie und Psychologie verweisen auf die Bedeutung einer unverfälschten Selbstwahrnehmung und die Wiedererlangung regulatorischer Fähigkeiten, eindrücklich beschrieben in den Arbeiten von Dr. Stephen Porges (Polyvagal Theorie) und Dr. Peter A. Levine (Somatic Experiencing).

Einsicht

In all diesen Beiträgen geht es im Grunde um Wahrnehmung und Heilung dysfunktionaler Elemente unseres Lebens, damit wir die Fähigkeit zu persönlicher Autonomie und Bindungsfähigkeit wiedererlangen. Wer auf Grundlage dieser Fähigkeiten Führung übernimmt, kann angemessen Grenzen setzen, Entscheidungen in Unsicherheit treffen und ist in der Lage, selbst bei abweichenden Sichtweisen konstruktive Beziehungen einzugehen. Wir lassen all diese gesicherten Erkenntnisse in die nun folgende Entwicklungsreise für Führungskräfte einfließen.

Von Logos zum Mythos

Was also kann uns dabei unterstützen, wieder bewusst mit dem eigenen Leben umzugehen, es zu verantworten und zu Klarheit, reifen Überzeugungen und tiefem Selbstverständnis zu gelangen? Wie gelingt die Gratwanderung zwischen aufgeklärter, reiner Vernunft und tiefen, ursprünglichen Gefühlen und Lebensthemen, wie Gewinn und Verlust, Lob und Tadel, Entstehen und Vergehen, Kooperation und Kampf? Wie gelingt es, das Leben – und damit auch die Führung eines Unternehmens – im Großen zu sehen? Es mag in dem Zusammenhang verwunderlich klingen, doch eigentlich ist dieser Weg der Menschheit schon längst bekannt. Er wird immer und immer wieder erzählt: Mythologische Erzählungen vermitteln, wenn wir genau hinhören, bewährte Orientierungen und letztlich psychosoziale Anleitungen für Lebensübergänge und Krisensituationen.

Mythen sind zusammen mit Symbolik die Grundlage menschlichen Daseins. Mythische Fantasien sind der kreative Versuch, Erfahrungen mit dem Unbekannten, Unerklärbaren und Unvorhersehbaren in Bilder und Geschichten zu bannen. Mythen ermöglichen es uns, über eine Wirklichkeit zu sprechen, die wir nicht direkt erkennen können. Insbesondere wenn wir über das Innenleben von Menschen und ihre Beziehungen zueinander reden – die Kernsäulen moderner Führungsarbeit –, sprechen wir letztlich über etwas schwer Fassbares. Doch auch wenn derartige psychologische Wirklichkeiten schwer zu begreifen sind, sind sie nicht minder wirklich als etwas, das wir leicht bestimmen oder messen können. Die Tatsache, dass wir uns dieser Wirklichkeit nicht bewusst sind oder sie nur indirekt erfassen können, heißt nicht, dass deren Wirkungen harmlos sind. Das Unfassbare ist ähnlich eines im Nebel frontal auf uns zurasenden Autos: Die Konturen sind unscharf und schwer zu erfassen, besitzen aber dieselbe Wirklichkeit wie bei hellem Tageslicht.

Mythen sind im Kern nicht unwahr oder unwirklich, sie verweisen vielmehr auf die sogenannte Realität. In früheren Zeiten kam dementsprechend den mythologischen Erzählungen eine bindende Kraft für alle Mitglieder einer Gesellschaft zu. Und auch wenn sich heute der Logos in der Wissenschaft und Technik durchgesetzt hat: Bei der Suche nach dem Sinn des Lebens, bei der Bewältigung von Entfremdung, Nihilismus, Egoismus, Verzweiflung und Angst tragen uns Mythen weiterhin, häufig unterbewusst als persönliche Skripte, Identitätsmuster und Lebensentwürfe.

Als moderne Form der Geschichtenerzählung finden sich Mythen in Blockbustern und Serienhighlights. Auch Hollywood bedient sich schon lange einer mythologischen Erzählstruktur, die tiefe Erfahrungsmuster menschlicher Entwicklung in uns ansprechen, und ist gerade deswegen so erfolgreich. Eine besonders anschauliche Filmreihe ist die Star-Wars-Saga, eine von George Lucas geschaffene mehrteilige Erzählung, die den persönlichen Entwicklungsweg von Luke Skywalker zu einem Jedi-Meister, sozusagen einer voll integrierten Führungskraft, beinhaltet. Dieser Entwicklungsweg dient uns als Vorlage für die in diesem Buch beschriebenen Heldenreise. In den Episoden I bis III wird erzählt, wie der Weg vom Schüler zum Meister bei Lukes Vater Anakin Skywalker misslingt und dieser als »Darth Vader« zu einem narzisstischen, bürokratischen Befehlsempfänger des Imperiums wird. Die folgenden Episoden IV bis VI beleuchten den erfolgreichen Werdegang von Anakin Skywalkers Sohn Luke, der sich für seine ganz eigene innere Stärke und Wahrheit entscheidet. Dadurch wird er zu einer charismatischen Persönlichkeit, die in ihren Gefährten wichtige Motive, Werte und Fähigkeiten wachrufen kann, um so tragfähige Beziehungen zu entwickeln. Dank seiner gewonnen inneren Reife ist es ihm möglich, Ereignisse als Anregung für Entwicklungsprozesse zu nutzen und die Handlungsspielräume an die neuen Erfordernisse anzupassen. Er sieht Konflikte als Chance, sich selbst und den Anderen zu erkennen und damit die Zusammenarbeit auf ein höheres Funktionslevel zu heben.

Luke Skywalkers wahrer Mut ist seine Bereitschaft, die wirkliche Situation vor sich selbst und vor anderen nicht zu verbergen, sondern von dem, was passiert, berührt und beeinflusst zu werden. Er verkörpert damit das Führungsideal einer von Individualität und aktiven Begegnungen geprägten Organisation (Republik), die ein innovatives Lösen von Problemen erlaubt und unterstützt.

Einsicht

Luke Skywalker oder auch andere Helden der Mythen sind für den Einzelnen so eindrucksvoll, weil sie Wunsch- und Idealgestalten verkörpern. Sie treten für die eigene Sache ein und dadurch identifiziert sich der Einzelne mit ihnen, in ihren Ängsten, Siegen und Niederlagen erkennt er sich wieder. In schweren Zeiten sind sie Leitfiguren und Hoffnungsträger und zeigen, wie man Krisen überwinden kann.

Deine leadership journey

Eine zeitgemäße Führungsausbildung sollte folglich die Funktion haben, eine Reise ins Innere anzubieten. Eine Reise, die dich Schritt für Schritt mit dir selbst in Verbindung bringt. Mit innerer Sicherheit und klaren Überzeugungen wirst du fähig sein, auf die Unwägbarkeiten der VUKA-Welt passende Antworten zu finden.

Drei Phasen sind auf deiner Entwicklungsreise entscheidend:

Das Errichten eines stabilen Fundaments aus Fähigkeiten und Identität, mit dessen Hilfe du dich sicher und (Selbst-)bewusst durch die Welt bewegst; dieses besteht aus vier grundlegenden Managementkompetenzen.

Die darauf aufbauende Wahrnehmung tieferer Anteile deiner Selbst, die dich mit deinem Potenzial und damit deinem Purpose in Verbindung bringen. Ergebnisoffenheit, die Einstellung, dass es gar nichts zu erreichen gibt, ist hier unerlässlich und erlaubt damit das Führen von Transformationsprozessen.

Die Neu-Ausrichtung oder Re-Orientierung des Systems, in dem du agierst. Eine fluide wie stabile Selbstwahrnehmung, die erlaubt, hier mit Widersprüchen und Mehrdeutigkeiten zu führen. Das Einbeziehen multipler Perspektiven und Haltungen. Eine holistische, stets am Leben beteiligte, authentische Führung.

Jede dieser Phasen beinhaltet bestimmte Herausforderungen und Konflikte in der äußeren oder inneren Erlebniswelt, die dir helfen zu erkennen, in welchem Stadium der Entwicklung du dich gerade befindest. Du erlangst die Fähigkeit, dich bewusst aus den Fesseln alter, nicht mehr funktionierender persönlicher Strategien zu lösen, und entwickelst neue, effektivere Muster, diesen Herausforderungen zu begegnen. Dissonanzen, Minderwertigkeitsgefühle und destruktive Verhaltensweisen werden aufgelöst und bewusst ersetzt durch kraftvolle, natürliche Rhythmen. Kreativität, Lebendigkeit und Gemeinschaftssinn kehren zurück und geben dir eine natürliche Inte­grität, aus deren Mitte du kraftvoll andere Menschen führen kannst.

Es ist die Entwicklung vom Schüler zum Meister, vom Manager zur authentischen Führungskraft und Mentor, von Überforderung zu Souveränität und Klarheit. Der Weg der Jedi gibt dir eine Anleitung, wie du in deinem Leben zurück zu Sinnorientierung und nachhaltiger Wirksamkeit findest, die in unserer Gesellschaft mehr denn je gebraucht werden. In dieser 2. Auflage bieten wir dir ergänzend als konkrete Arbeitsgrundlage wiederkehrende Workbook-Fragestellungen an. Schritt für Schritt kannst du damit deinen eigenen Lernerfolg in den Phasen der Leadership Journey bestimmen und deine neugewonnenen Erkenntnisse im Alltag testen. Beispiele aus unserer Arbeitspraxis ergänzen diesen pragmatischen Lernansatz.

Achtung

Für Führungskräfte macht es einen erheblichen Unterschied, ob ihre Arbeit auf fixen Selbst- und Fremdbildern basiert oder sich an einer hinterfragenden Selbstwahrnehmung orientiert. Wer bemüht ist, sich selbst zu optimieren und sich dazu an Idealen wie Erfolg, Wahrheit oder Glück orientiert, hört auf, mit der Welt in Resonanz zu kommen, und erwartet stattdessen, dass seine Ideale und Leitbilder von allen anderen geteilt werden. Ein narzisstischer Fallstrick. Erkundende Selbstwahrnehmung, wie wir sie in diesem Buch beschreiben, ­bedient sich kollektiver innerer archetypischer Muster, die alle vitalen Anteile in uns repräsentieren: das Scheitern im Erfolg, die Trauer im Glück und die unzähligen Wahrheiten, die sich entfalten, wenn wir ehrlich mit anderen in Kontakt kommen.

I am not bound to win,

but I am bound to be true.

I am not bound to succeed,

but I am bound to live up

to what light I have

Abraham Lincoln

Lässt du dich auf diese Reise ein, werden die bestehenden Gegensätze, Paradoxien und Konflikte im Führungsalltag nicht einfach verschwinden. Dein Umgang damit wird sich allerdings bedeutend ändern. Logik gegenüber Intuition, Stabilität gegenüber Veränderung, Kontrolle gegenüber Autonomie – all diese Dualitäten führen nun nicht mehr zu Zerrissenheit und Unsicherheit, sondern zu einer fließend-situativ-­stimmigen Sowohl-als-auch-Haltung.

Anders gesagt: Dieses Buch ist keine 08/15-Betriebsanleitung. Es offeriert dir keine »todsicheren Rezepte«, cleveren psychologischen Diagnosen oder Manipulationsverfahren. Dies ist also vor allem dann kein Buch, wenn du gefühlsmäßig völlig unbeteiligt sein willst oder aus Furcht vor Selbsterkenntnis lieber im Elfenbeinturm der Ich-Bezogenheit verweilen möchtest. Wenn du dich allerdings öffnest, kann dir das Buch als Inspiration und Reiseführer zu einer höheren inneren Stimmigkeit bzw. inneren Reife jenseits der fixen Rollenzuschreibungen2 und Konditionierung durch dein Umfeld dienen. Vieles erscheint dir vielleicht selbstverständlich, weil es dem gesunden Menschenverstand entspricht. Einiges davon führt aber durchaus auch weiter, wenn du selbst weiterdenkst und es an deinen eigenen Alltagserfahrungen reflektierst. Es eröffnet dir den Zugang zu deinen eigenen Qualitäten und Fähigkeiten und zeigt dir, wie du autonom, integer und freudvoll Handlungen in Gang setzt, anstatt in die Kleider oder Erwartungen anderer zu schlüpfen. Du lernst, die dynamischen Energien zwischenmenschlicher und organisatorischer Beziehungen zu nutzen und als Teil deines eigenen inneren Reichtums anzuerkennen. Statt deine Energien in innere oder zwischenmenschliche Konflikte zu stecken oder sie zur Unterdrückung von Emotionen wie Ärger, Frustration, Enttäuschung oder Angst zu vergeuden, stehen sie dir nun für kreative Zwecke zur Verfügung.

Wo vorher einseitiges Handeln zu unerwünschten Ergebnissen geführt hat, lernst du Bipolaritäten in Balance zu bringen und in deiner Führungsfunktion mit Voraussicht und Einsicht zu handeln. Damit bist du in der Lage, Führung wieder mit Bedeutung zu versehen und den Weg zu evolutionären Organisationen zu ebnen.

Es gibt viele Zugänge zum Thema Führung. Der Zugang, den wir gewählt haben, verbindet Luke Skywalkers mythologische Heldenreise mit den neuesten holistischen Wissenschaftsmodellen und hoffentlich verbindet er auch dich mit der Macht. In diesem Sinne:

»Möge die Macht mit dir sein!«

1 Siehe Klaus Eidenschink (2021). Es gibt keine Narzissten.

2 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Buch das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

1 Das Fundament für die persönliche ­Entwicklung als Führungskraft – Phase 1

Die Führungskunst der Jedi besteht wie im Prolog benannt aus einem dreiteiligen Entwicklungsweg mit dem Ziel, eine reife, authentische Führungspersönlichkeit auszubilden. Wir beschreiben im Folgenden diesen Weg, der mit dem Fokus auf stabiler Identität und soliden Managementfähigkeiten beginnt – der Jedi-Anwärter. Die zweite Phase zielt auf die Qualitäten einer Führungskraft, Erneuerungs- und Transformationsprozesse zu initiieren und erfolgreich zu begleiten. Auf der dritten Stufe, der Stufe der Jedi-Meister, bildet sich das aus, was wir eine Spitzenführungskraft nennen: ein persönlich gereifter Mensch mit tiefen Erfahrungen, der fest verankert in seiner eigenen Berufung andere Menschen in ihrer Arbeit und persönlichen Entwicklung unterstützen kann und das Unternehmen mit Blick auf gesamtgesellschaftliche und globalökonomische Zusammenhänge in die Zukunft führt.

Hier im ersten Teil erfährst du alles über die Grundlagen, die ein Jedi-Anwärter beherrschen sollte, damit der weitere Entwicklungsweg gelingt. Es sind die Aufgaben eines selbstbewussten Managers, der klare Ziele setzt, deren Verwirklichung plant, Aufgaben zuteilt, Verhandlungen führt und so eine solide Ergebnisleistung erzielt. Mithilfe von Leitfragen wirst du deine Grundannahmen zur Welt erkunden können, die Führungsinstrumente eines Jedi kennenlernen und erfahren, was Jedi-Meister wie Obi-Wan Kenobi und Meister Yoda unter Mentoring verstehen. Darüber hinaus bieten wir dir mit der Analogie zur Star-Wars-Saga einen Erklärungshintergrund für die He­rausforderungen heutiger Manager und wie du diese meistern wirst. Wir verknüpfen dazu Aspekte aus Mythologie, Psychologie und Managementlehre zu einem Abenteuer der Persönlichkeitsentwicklung.

Das Gerüst dieser dreistufigen Entwicklung vom Manager zum Mentor bilden die Phasen der sogenannten »Heldenreise«, die auch den Star-Wars-Filmen ihre Grundstruktur verleiht: Aufbruch (Management) – Initiation (Transformation) – Rückkehr (Leadership). Analog zum Entwicklungsweg von Luke Skywalker zum Jedi – der Leadership Journey – erläutern wir die entsprechenden Bedeutungsebenen für deine Führungsrolle.

In jedem der drei Phasen findest du vier sogenannte »Archetypen«, kraftvolle, allgemeingültige Motive oder Urbilder, die die dort verankerten Wirkungsfaktoren einer Führungskraft abbilden. Du kannst sie als tiefenpsychologische Apps (Anwendungssoftware) betrachten, die dir zur »Lösung von Entwicklungsproblemen und Führungsaufgaben« dienen, d. h., bestimmte Orientierungs- und Handlungskompetenzen deiner Führungs-Betriebssoftware erweitern. In diesem ersten Teil beschreiben wir als Archetypen den Optimisten, den Kamerad, den Krieger und den Geber. Die Eigenschaften aller vier zusammen bilden die Grundlage für eine solide Managementkompetenz. Sie entfalten allerdings erst ihre volle Wirkung, wenn du dir gleichzeitig auch die negativen Ausprägungen bewusst machst, ansonsten könnte es zu »Programm-Abstürzen« kommen. Und genau hier beginnt das Abenteuer der Führungskunst der Jedi: Folgst du dem Licht oder doch lieber der dunklen Seite der Macht?

Überblick: Entwicklungsweg in drei Phasen

1. Phase

2. Phase

3. Phase

Entwicklungsebenen

Manager

Transformations-begleiter/Coach

Leader/Mentor

Führungsmodell

Transaktional

Transrational

Transpersonal/Integral

System

Mechanisch

Biologisch

Transformativ

Führungsaufgabe

Zielsetzung

Kontrolle

Erkunden

Erschaffen

Erneuern

Transformieren

Ziele

Stabilität

Perfektion

Kontrolle

Sensitivität

Veränderung

Kreativität

Agilität

Passung

Beziehung

Fokus

Ergebnis

Prozess

Interdependenz

Star Wars

Jedi-Anwärter

Jedi-Padawan

Jedi-Meister

Heldenreise

Aufbruch

Initiation

Rückkehr

Archetypen

Optimist

Kamerad

Krieger

Geber

Suchender

Zerstörer

Liebender

Schöpfer

König

Magier

Weiser

Narr

Psychologie (C. G. Jung)

Ich-Stabilisierung

Individuation, Selbst-Werdung

Ego-Selbst-Reunion

Sinndimensionen

Außen

Innen

Verbindend

Abb. 1:

Die Leadership Journey – Phase 1 – vier Archetypen für Bewusstheit

1.1 Komplexität als Realität

Star Wars ist Science Fiction, Abenteuer, Mythologie, weit weg in einer anderen Zeit, in einer anderen Galaxie – das Star-Wars-Universum entspricht trotzdem genau der Welt, in der du lebst. Schon der berühmte Vorspann, der sich als Text langsam von dir weg in den Raum bewegt, gibt dir eine Idee von dem grundsätzlichen Konflikt, um den es hier geht3, und du nimmst an, dass es eine mögliche Hoffnung im Lichte eines Konfliktes von galaktischen Ausmaßen gibt. Bei diesem handelt es sich um Bürgerkrieg, Rebellen, Raumschiffe, ein böses Imperium, Spione, Geheimpläne, eine absolut todbringende Waffe von der Größe eines Sterns, finstere Agenten und eine Prinzessin, die ihr Volk retten und den Frieden wieder herstellen will. Zwei Droiden tauchen auf, der eine in humanoider Form, der andere zylindrisch, die wesentlich menschlicher wirken als viele der eher roboterhaft agierenden Menschen in der Story. Die Sturmtruppen des Imperiums hingegen sind maskiert und ausdruckslos, während die Gesichter der Rebellen sichtbar sind und Angst und Anspannung ausdrücken. Zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte wird alles eher schwarz und weiß gehalten. Da sind die weiß gekleidete, anmutig heroische Prinzessin und der männliche, schwarze Antiheld: Darth Vader, der dunkle Lord, und Prinzessin Leia, die strahlende Heldin.

Auf der äußeren, sichtbaren Ebene erzählen die Star-Wars-Filme von allgemeinen Konflikten und Zuständen, die wir auch in unserer heutigen Gesellschaft kennen: u. a. von der Dominanz und Herrschaft des Patriarchats, das als übermächtiger Sternenkreuzer das kleine Rebellenschiff als Symbol für ein prozessorientiertes, lebendiges, soziales System angreift. Auf der psychischen bzw. inneren Ebene wiederum erzählen die Filme von der Überbetonung des Bewusstseins, der Ratio, der Außenorientierung und Kontrolle gegenüber den unbewussten, intuitiven, introvertierten, vielfältigen Aspekten unseres Lebens – die innere und äußere Welt im Ungleichgewicht.

Diese Dysbalance findest du ebenfalls in den uns so vertrauten ökonomischen Institutionen der Arbeitswelt wieder. Viele Organisationen beharren darauf, dass die Ursachen und die Lösung ihrer Probleme irgendwo in den äußeren Umständen auszumachen sind. Sie projizieren unbewusst ihre ungelösten Konflikte und Schwierigkeiten auf ihre Mitarbeiter, Partner oder Kunden. Sie suchen in der äußeren Welt zudem nach Antworten auf die Frage: »Wie werden wir noch bedeutsamer, noch effektiver«, und vergessen dabei, das Innere, sozusagen die menschliche Dimension, zu berücksichtigen.

Die leitenden Kräfte dieser Organisationen, Männer wie Frauen, verteidigen eine einseitige Sammlung an Glaubenssätzen, also was man unbedingt tun oder lassen sollte, um die Firma zu entwickeln und zu erhalten. Zwischenmenschliche Beziehungen werden anhand von Organigrammen dargestellt und beständiges ökonomisches Wachstum als eine kluge Langzeitstrategie für die Gesellschaft gesehen. Es ist das Newtonsche Glaubensmodell von Linearität, simpler Ursache-Wirkungs-Dynamik und reduktionistischer Logik unserer Technologiegesellschaft. Gefüttert wird dieses Denkmodell dadurch, dass es allein eine einzige Sichtweise zulässt und es versucht wird, die andere Seite unserer Realität auszublenden: nämlich komplexe dynamische Zusammenhänge und Verflechtungen, unendliche Variationen, Vielfalt und synchrone Ereignisse.

Einsicht

Das Drama unserer sogenannten Moderne ist, dass der Geist des naiven Rationalismus die komplexe Wirklichkeit, die wir erschaffen haben, nicht mehr beherrscht.

Wir denken immer noch, die Welt sei verstehbar, alles könne geplant und geordnet werden. Mithilfe von Statistiken und Zahlen versuchen wir, die Welt zu kontrollieren. Wir haben dabei vergessen, dass es Geheimnisse gibt, und verkennen, dass wir die Welt niemals ganz verstehen werden. Früher gab es in allen Kulturen wirksame Lehren über das Göttliche, dem wir einen Teil unserer Macht abtreten konnten, um uns vor unserer Selbstüberschätzung zu bewahren. Ohne dass es unser Eingreifen erforderte, konnten sich so die Mächte von Selbstorganisation und Selbstregulation frei entfalten. Heute steuern Vertreter der rationalen Ökonomie unsere Geschicke und verlassen sich bei ihren Prognosen auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen, völlig ignorierend, dass jede Messung immer mehr oder weniger fehlerhaft ist. Diese illusionäre Annahme, mithilfe der Statistik die Welt unter Kontrolle zu haben, führt zu erhöhter Risikobereitschaft – das Ergebnis dieser Selbstüberschätzung war in den vergangenen Wirtschafts- und Staatskrisen für jeden von uns deutlich erlebbar.

Durch diese »Alles im Griff«-Mentalität wird unsere Welt immer fragiler. Wir müssen uns daher einer anderen Realität öffnen, in der sich zwar viele physikalische Vorgänge recht gut vorhersagen lassen, nicht aber die Ereignisse sozialer Systeme. Glücklicherweise kehrt die Akzeptanz, dass hochkomplexe Systeme wie die menschliche Gemeinschaft niemals ganz verstanden und kontrolliert werden können, mehr und mehr in das Bewusstsein gesellschaftlicher Institutionen und wirtschaftlicher Organisationen zurück.

Doch was hat das alles mit einer unschuldigen Prinzessin und einem verbitterten Kriegsstrategen zu tun? Nun, zumindest sehen wir das Imperium bei jedem Versuch, die Galaxie zu kontrollieren oder den Ausgang einer Schlacht vorherzusagen, regelmäßig scheitern. Immer funkt ihnen die Unberechenbarkeit eines einzelnen Menschen oder einer kleinen Gruppe von Freunden bzw. Verbündeten dazwischen. Doch ganz so plakativ und simpel wie im Film ist die Realität der Unternehmenswelt nur selten. Um die grundlegende Dynamik komplexer Phänomene zu erfahren und die Dysbalancen besser zu begreifen, hilft es daher zunächst, ein stark vereinfachtes Modell als Krücke zu benutzen.

Drei-Schichten-Modell der organisationalen Psyche

Grundlegend existieren in jedem komplexen dynamischen System drei Ebenen oder Schichten mit verschiedenen Elementen: offensichtliche Elemente, für alle Beteiligten erkennbar wie die Spitze eines Eisbergs, die über die Wasseroberfläche hinausragt (1) sowie verborgene Anteile, deren Ausmaße tief hinunterreichen (2), und die mit der noch tieferen Welt des Ozeans in Kontakt (3) sind. Im Unternehmen bilden die drei Schichten die organisationale Psyche oder auch Unternehmenskultur ab. Sie unterteilen sich in:

Abb. 2

: Drei-Schichten-Modell der organisationalen Psyche

die erste Schicht des »Offen-Sichtlichen«, in der sich beobachtbares Verhalten und sichtbare Artefakte der Kultur zeigen, wie zum Beispiel die Ansprache per »Sie« oder »Du«, der Dresscode des Unternehmens oder die Gestaltung der Arbeits­räume;

die zweite Schicht der Beziehungen und Prozesse, in der sich die Qualität der Beziehungen von Unternehmensleitbildern, Strategien und Zielen ableiten lässt, während sich die noch etwas darunter angelegten Entwicklungsprozesse über die Werte der Organisation ausdrücken;

in der dritten und tiefsten Schicht schließlich finden wir die grundlegenden, aber unbewussten Annahmen der Organisation über die Welt, den Markt, die Mitarbeiter.

Wenn du die Grundannahmen deiner Organisation – die dritte Ebene – nicht ordentlich entschlüsseln kannst, wirst du nicht wissen, inwieweit die jeweiligen Werte und Beziehungsmuster tragfähig sind, bzw. die Artefakte an der Oberfläche nicht korrekt interpretieren. Mit anderen Worten: Die Essenz einer Kultur liegt in den Mustern ihrer Grundannahmen und erst nachdem du diese verstanden hast, wirst du mit Leichtigkeit die darüberliegenden Ebenen verstehen und angemessen damit umgehen.

Die Mitglieder des Imperiums beispielsweise sehen im Bau eines funktionstüchtigen Todessterns (1. Ebene) den Beweis für die Übermacht ihrer Organisation. Diesem Artefakt liegen Werte und Überzeugungen wie »Sieg«, »Stärke« und »Sicherheit« zugrunde (2. Ebene). Hinterfragst du jedoch die tiefen Grundannahmen dieses Systems, wirst du wahrscheinlich mit den Themen »Die Welt ist ein Schlachtfeld« und »Individuelle Freiheit muss vernichtet werden« konfrontiert (3. Ebene).

1.1.1 Innere Arbeit

Menschen in Führungsfunktionen kommt bei der Wahrnehmung der Grundannahmen eine entscheidende Rolle zu. Deine Werte und Überzeugungen sind die Quelle, die eine zugehörige Gruppe Schritt für Schritt veranlasst, mit internen und externen Problemen auf eine bestimmte Art und Weise umzugehen. Wenn dein Einwirken auf dein Umfeld wiederholt funktioniert, wird das, was einmal nur deine Grundannahme war, allmählich zu einer gemeinsamen Grundannahme. Wenn eine Reihe grundlegender Überzeugungen erfolgreich bestätigt werden, definieren sie irgendwann Charakter und Identität einer gesamten Gruppe und können zu einem individuellen und gemeinsamen Verteidigungsmechanismus nach außen werden. Denn wir – Gruppen ebenso wie Einzelne – suchen nach Orientierung, Stabilität und Bedeutung in Form von haltgebenden Grundannahmen. Haben wir uns diese erst einmal angeeignet, blocken wir neue Sichtweisen mithilfe von Verleugnung, Projektion, Rationalisierung und anderen spannenden Defensivmechanismen, um unsere bestehenden Grundannahmen nicht ändern zu müssen.

Kulturentwicklung im Sinne von Konfrontation und Veränderung grundlegender Überzeugungen ist schwierig, zeitaufwendig und angstbesetzt. Und genau darüber solltest du dir im Klaren sein, denn je mehr du an der Gestaltung der Organisation mitwirkst, desto stärker wirst du mit den »unsichtbaren« Kräften, Dämonen und Schatten der Organisation konfrontiert. Je besser du dich daher mit deinen persönlichen Annahmen auskennst und deine eigenen Schattenseiten integriert hast, desto weniger wirst du von den »dunklen« Anteilen deiner Organisation bzw. deren Mitglieder geschluckt. Also fang bei dir an; der Rest wird folgen.

Stell dir dabei die Wiederentdeckung verdrängter menschlicher Qualitäten als eine Art »Re-Vitalisierung« vor. Du reaktivierst die verloren gegangene ganzheitliche Betrachtung deiner selbst als verstandesfähiges und zugleich tief geheimnisvolles Wesen. Das bedeutet nichts weniger, als dich in all deinen Facetten zu sehen, auch mit dem Unbequemen, mit dem, was dich krank macht, was dich demotiviert und dir den Sinn nimmt. Du kannst nur dann motiviert Leistung bringen, wenn deine Aufgabe dich ausfüllt und persönlich anspricht. Siehst du im Leben und in deinem Beruf keinen Sinn bzw. keine optimalen Bedingungen für die Weiterentwicklung deiner Potenziale, wirst du am Arbeitsplatz vielleicht gerade noch Dienst nach Vorschrift machen, aber ganz bestimmt nicht mehr. Und wenn du unter diesen Bedingungen als Manager tätig bist, stellen sich natürlich die Fragen, wie du als sinnkrisengeschüttelte Führungskraft deine Mitarbeiter noch zu irgendetwas motivieren sollst bzw. die Unternehmenskultur mitgestalten kannst.

Die Entdeckung deiner Sinnhaftigkeit und deiner eigenen inneren Wahrheit bildet die Grundlage und stabile Mitte, aus der du schließlich auch andere Menschen bei ihrer Suche danach unterstützen kannst. Wenn du gewillt bist, ehrliche Beziehungen mit anderen zu gestalten, Meinungsfreiheit wirklich schätzt und mehr von deiner eigenen Lebendigkeit und Intensität in dein Leben einladen willst, wirst du nicht darum herumkommen, dich auf eine Reise in die tieferen Schichten deiner Persönlichkeit zu machen.

Einsicht

Im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz sind Führungskräfte verantwortlich für eine souveräne Gestaltung des rasanten technologischen Wandels. Verbunden mit dieser Veränderung sind hohe soziale Dynamiken wie Unsicherheit, Konflikte, Zugehörigkeit und nicht zuletzt die Frage der ethischen Nutzung von KI. Die Begleitung sozialer Dynamiken und deren Anpassungsprozesse an die neue Arbeitswelt sind der zentrale Wettbewerbsfaktor für Organisationen. Grundlage all dieser Kompetenzen ist eine gesunde Selbstwahrnehmung jenseits äußerer verfälschter Spiegelungen und ein »in Resonanz kommen« mit anderen. Auf der »Schein«-Ebene oberflächlicher Identifizierungen lässt sich keine wirksame Lösung finden, wohl aber auf den »Sein«-Ebenen tiefer liegender Erkenntnisprozesse von Person und Organisation.

Selbstwahrnehmung und Selbstaktualisierung gehören zu den wichtigsten Auf­gaben unserer Zeit. Die verschiedenen Schichten deiner Psyche lassen sich anhand des bereits erwähnten Strukturmodells verdeutlichen.

Abb. 3:

Drei-Schichten-Modell der Psyche

Betrachtest du deine eigene innere psychische Struktur, so schlägt uns der bekannte Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung den Begriff »Bewusstsein« für die offensichtlichen Aspekte vor (Spitze des Eisbergs) und verwendet die Begriffe »Unterbewusstsein« und »kollektiv Unbewusstes« für die Ebenen unter der Wasseroberfläche (großer Teil des Eisbergs und die Tiefen des Ozeans). Das Unbewusste trägt Inhalte, die undifferenziert ganzheitlich miteinander verwoben sind, und es ist dabei nicht klar, welche Elemente zur eigenen Person gehören und welche nicht.

Das Merkmal des Bewusstseins ist die Unterscheidung. Um Dinge wahrzunehmen, fangen wir an, die Verwirrungen und Gegensätze im Unbewussten zu trennen und sie als »Person« oder »Ich« zu differenzieren. Um in der Welt zu überleben, sorgen Bewusstsein und Unterbewusstsein für eine Art homöostatischen Ausgleich. Wie bei der semipermeablen Membran einer intakten Zelle werden Elemente eingeleitet und ausgeleitet. Eine gesunde Psyche sorgt also immerzu für eine Balance aus bewusst-differenzierten und unbewusst-undifferenzierten Energien.

Erlebnisse und Erfahrungen, die wir auf der Ebene des Bewusstseins in der Außenwelt machen, verdichten sich schließlich als Ansammlung von Glaubenssätzen, Werten oder generellen Annahmen über die Welt und werden im Unterbewusstsein vorgehalten bzw. »gespeichert«. Diese individuellen Erfahrungselemente werden als Komplexe und Schatten (positiv wie negativ) von deiner Psyche repräsentiert. Es sind Ansammlungen deiner Gefühle, Bilder, Gedanken und Vorstellungen, die durch eine emotionale Färbung miteinander verbunden sind.

Die kollektiv unbewussten Erfahrungsmuster dagegen nennen wir Urbilder oder Archetypen4. Sie sind in viel tieferen Schichten der Psyche angelegt. Verdrängung und Verleugnung, Projektionen und Komplexe, Träume und archetypische Energien sind das Rohmaterial, das wieder gesehen, anerkannt und integriert werden will auf dem Weg zum Ziel psychischer Ganzheit. Es ist der Prozess der Selbstwerdung oder Individuation, wie Jung ihn nannte (siehe Kapitel 1.2.1).

1.1.2 Die eigene Mythologie

Da unser inneres System Gedanken, Gefühle und Bilder zu Geschichten verknüpft, die wir dann gerne als »Erinnerung« oder »Wahrheit« bezeichnen, spielen in unserer persönlichen Entwicklung Mythen als Orientierung eine wichtige Rolle. Die verschiedenen Formen von Mythen – von Homers Odyssee hin zu Grimms Märchenstunde, Disney-Filmabenden und der Welt der Superhelden – sind weit mehr als nur Ablenkung vom Alltag. Mythen sind keine erfundenen Geschichten oder Hirngespinste, sondern grundlegende Erlebniswelten, die erzählerische Grammatik unseres Daseins in der Welt. In den allgemeinen Bildern und Symbolen entdecken wir unsere ganz persönlichen, individuellen Themen, die uns faszinieren, erschrecken oder ganz einfach in Resonanz gehen mit unseren aktuellen Sicht- und Verhaltensweisen.

Natürlich haben wir uns die Überbetonung rationaler, auf die äußere Welt gerichteter Denkweisen selbst eingebrockt, indem wir uns im Laufe der Zeit die dazu passenden Geschichten bzw. Mythen erzählt haben. Auch der große Denker Platon gibt am Ende seines Lebens zu, dass, wo das Denken scheitert, der Mythos spricht. Mythen sind letztlich Erzählungen über die Weltsituation: woher wir Menschen kommen, wohin wir gehen und wer wir Menschen sind. Sie erzählen von Geburt und Tod, von Himmeln und Höllen, von Göttern, Helden und Bedrohungen des Lebens. Mythologische Erzählungen geben uns über die Sprache der Symbole und Dualitäten eine nützliche Orientierung in der mitunter unüberschaubaren Welt. Dort finden wir Antworten auf die Frage, wie wir persönliche Lebenskrisen überwinden, um mit unserer gewonnenen Reife und Weisheit die Gemeinschaft, in der wir leben, zu bereichern.

Eine weitere wichtige Funktion von Mythen und auch Traditionen ist es, als Brücke zwischen den Zeiten die angesammelte Weisheit einer Kultur an die nächste Generation weiterzutragen. Wir aber leben in einer Zeit, in der sich die Lebensumstände schneller ändern als jemals zuvor in der Geschichte. Mythologien werden dadurch fragmentiert und einseitig, gelten nicht mehr für die gesamte Kultur und fördern dadurch eher Entfremdung und Verwirrung unter den Menschen. »Vom Tellerwäscher zum Millionär« zum Beispiel beschreibt die durch die industrielle Gesellschaft errungene persönliche Freiheit und hat besonders für die entstehende Mittelschicht große Bedeutung erlangt. Im Grunde aber sagt dieser moderne Mini-Mythos: »Du bist, was du besitzt«, und reiht sich damit ein in ähnliche fragwürdige Mythen unserer Zeit, wie den der »absoluten Toleranz gegenüber Fremden«, den Mythos der »Null-Fehler-­Qualität« und den Mythos der »Ewigen Jugend«, um nur einige Beispiele zu nennen. Viele Menschen fühlen sich von diesen einzelnen Mythen nicht nur ausgegrenzt, sondern auch von ihrer eigenen Kultur entfremdet.

Einsicht