Die Fürstin der Gwala-Berge - Walther Kabel - E-Book

Die Fürstin der Gwala-Berge E-Book

Walther Kabel

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Klassiker der Weltliteratur Walther August Gottfried Kabel war ein deutscher Unterhaltungsschriftsteller. Er gilt als einer der meistgelesenen deutschen Volks-Schriftsteller der 1920er Jahre. "Die Fürstin der Gwala-Berge" gehört zu einem seiner bekanntesten Werke.

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Seitenzahl: 77

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Die Fürstin der Gwala-Berge

Walther Kabel 

Inhaltsverzeichnis
Die Fürstin der Gwala-Berge
Das Schlangental
Impressum

Die Fürstin der Gwala-Berge

1. Kapitel.

Die Frau, die den Toten beschwor …

Nördlich der indischen Hafenstadt Bombay liegt unweit der Meeresküste die Eisenbahnstation und Fabrikstadt Bassein. Und nordöstlich von Bassein wieder beginnt ein von einzelnen kurzen und felsigen Höhenzügen durchbrochener Dschungelgürtel.

Was Harst und ich inmitten dieser Dschungel in der Tempelruine des Bergkegels erlebten, hing mit Ben Bensons drei Fingern zusammen. Der Leser kennt diese Geschehnisse aus dem vorigen Band, weiß, daß wir dort im Hofe der Tempelruine einen uralten Ziehbrunnen fanden, an dessen morschen Balken an einem ebenso morschen Tau die zur Mumie eingetrocknete Leiche eines Inders und unterhalb dieser im Grase einen haselnußgroßen Diamanten von vorzüglichem Schliff sowie den dazu gehörigen breiten Goldreif, altindische Arbeit.

Dies hier als Einleitung …

Wir hatten an einem überaus heißen Julitage das Ehepaar Patterson zum Dampfer begleitet, hatten herzlichen Abschied von John Patterson und seiner Doris-Irina genommen und waren dann ins Hotel d’Angleterre zurückgekehrt, um die Tagesstunden im kühlen Lesesaal zuzubringen …

Wir waren jetzt — so glaubte ich, ohne »Arbeit« …

Ich hoffte auf ein paar angenehme Tage, auf Ausflüge und Mußestunden, in denen ich meinen Verpflichtungen gegenüber meinem Verleger nachkommen und sofort »Die drei Finger Ben Bensons« zu Papier bringen wollte …

Bis zum Abend gab ich mich dieser trügerischen Hoffnung mit vollem Behagen hin, arbeitete, rauchte, hörte die Jazzbandkapelle im Speisesaal sehr gedämpft und schaute nur hin und wieder zu Harald hinüber, der in einem Schaukelstuhl ruhte und zu schlafen schien — stundenlang.

Abends gegen sieben Uhr brachte ein frischer Seewind willkommene Abkühlung.

Harst erhob sich und beugte sich über meine Schreiberei.

»Packe ein!« sagte er. »Wir reisen …!«

So ist er …

»Wir reisen!« — abgemacht …!

»Wohin?« gestattete ich mir zu fragen.

»Sonderbar …! Willst Du Dir denn ein Thema für einen neuen Band entgehen lassen?! Willst Du den Toten in der Tempelruine wirklich nicht beachten?! Warst Du es nicht, der den Diamant und den Goldreif fand?! Ist nicht eine Leiche, die am Ziehbalken eines Brunnens hängt und unter der ein Juwel im Grase lag, nicht Stoff genug?! Läßt sich daraus etwa nicht allerlei ableiten?! Glaubst Du, daß der Mann sich selbst aufgeknüpft hat?! Und — wie kam ein so armer Inder in den Besitz eines Ringes, der ein Vermögen wert ist?! — Schließlich: nimmst Du etwa an, daß Lewis Balland, dem wir hier den Familienschmuck der Herzöge von Lancire abgejagt haben, ein so harmloses Tierchen ist, daß er sich nicht zu rächen versuchen wird?! Bist Du töricht genug, hier im Lesesaal keine Spione Englands zu vermuten?!« — Er sprach immer leiser … »Nein, mein Alter, Balland ist bereits kräftig an der Arbeit … drüben in der anderen Ecke sitzt seit zwei Stunden eine Europäerin, die scheinbar einen Roman verschlingt. In Wahrheit möchte sie uns verschlingen … — Komm, wir bezahlen unsere Hotelrechnung, bestellen ein Auto und gondeln gen Bassein … Wir werden dann ja sehen, ob jemand uns folgt …« —

Acht Uhr …

Unser Auto glitt auf tadelloser Straße gen Norden …

Indien zeigte uns wie immer sein Doppelgesicht: europäische Überkultur im Bereich der großen Städte, und ein paar Meilen weiter elende Dörfer, Tiergehege, von Dornen umstarrt, zum Schutze gegen Panther und Tiger …

Es war im übrigen niemand hinter uns her … Wir hatten genau aufgepaßt … —

Unsere Koffer hatten wir im Hotel in Verwahrung gegeben. Unsere praktischen Rucksäcke enthielten alles, was wir brauchten.

Harald nahm jetzt sein Fernglas vor. Wir hatten die Stadt Bassein hinter uns und im verglühenden Schein des Abendrots sahen wir links der Straße die grünen Stellen eines unendlichen Dschungels.

Harald spähte nach dem Bergkegel aus. Dann befahl er dem indischen Schofför zu halten. Wir stiegen aus.

Der Inder machte ein höchst verdutztes Gesicht …

Er war kultiviert, fragte bescheiden:

»Wollen die Herren von hier zu Fuß weiter wandern? Das nächste Dorf ist noch fünf Meilen entfernt, und die aufgeschüttete Straße durchschneidet sumpfige Gebiete, in denen es Legionen Stechmücken gibt …«

Harst sagte nur: »Wir haben Mückenschleier und Handschuhe … Was macht die Taxe?«

Er bezahlte, gab ein sehr anständiges Trinkgeld und meinte:

»Wenn Dich jemand aushorchen sollte, wohin wir gefahren sind, so lüge den Betreffenden an … Und dann geh zu Detektivinspektor Perkins und gib ihm diesen Brief. — Forscht Dich aber niemand aus, so verbrenne den Brief und schweige.«

Der Inder, ein Mohammedaner, schwor bei Allah und dem Propheten, daß er tun würde, was der freigebige Sahib wünschte … —

Das Auto machte kehrt. Wir wanderten weiter. Als wir sehr bald eine felsige Stelle erreicht hatten, bogen wir nach links ab.

Um elf erschien der Mond. Auf allerlei Umwegen, stets auf den niederen Höhenrücken im Dschungel uns haltend und das unsichere Dickicht meidend, gelangten wir gegen Mitternacht zu der einsamen Tempelruine. Wir schalteten die Taschenlampen ein, fanden hier im Innern der halb verschütteten Tempelruine alles wie vordem, schlugen zwei Brillenschlangen mit unseren derben Stöcken tot und rüsteten uns zur Nachtruhe. Unsere seidenen Hängematten, die zusammengerollt kaum zwei Fäuste groß waren, hatten wir rasch ein Meter über dem Boden befestigt. Noch ein kalter Imbiß, ein Schluck Tee und eine Verdauungszigarette, dann lagen wir in den Hängematten und sahen draußen vor dem Ruineneingang im milden Glanz des Mondes die zerstörte Treppenbrüstung — grauweißen Marmor — gespenstisch leuchten …

Ringsum Totenstille …

Und acht Meter weiter hing im Tempelhofe noch immer der Tote am Brunnenbalken. Harald war durch die Mauerspalten gekrochen und hatte nachgesehen.

Totenstille …

Harald atmete tief … Mitunter ein paar Schnarchtöne.

Dann geckerte eine Mauereidechse — eins dieser niedlichen Tierchen, die ihren Kehlsack aufblasen und dann diese merkwürdigen Trompetentöne ausstoßen.

Das liebe Viecherl befand sich auf der Jagd … Bald tutete es hier, bald dort …

Harst erwachte natürlich, brummte:

»Infames Vieh …!!«

Vorläufig war’s mit dem Schlafen nichts …

Ich langte nach der Taschenlampe und ein paar Steinen … Als die Eidechse gerade unter meiner Hängematte sich meldete, beleuchtete ich sie flink und begann das Steinbombardement, traf auch, schlug ihr den Schwanz ab und verjagte sie. Der Schwanz würde von selbst nachwachsen. Die Eidechsen haben es eben besser als wir Menschen. Haut man uns ein Bein ab, bleiben wir Krüppel.

Nun hatten wir Ruhe …

Harst schlief abermals ein …

Mich jedoch hatte die Eidechsenjagd doch allzu munter gemacht. Ich gähnte, gähnte … und fiel schließlich in jene unangenehme Art von Halbschlaf, der die Nerven mehr erregt als beruhigt.

Plötzlich schreckte ich empor …

Lauschte …

Mir war’s, als ob ich eine Stimme hörte — ganz undeutlich …

Eine eintönige Stimme, die nach kurzen Pausen immer wieder zu vernehmen war — irgend woher …

Ich erhob mich ganz leise …

Aber Harald erwacht ja bei dem geringsten Geräusch …

Meine Hängematte knarrte — und da fragte er schon:

»Was gibt’s?!«

»Es spricht jemand …«

»Ich höre schon …«

Er stand gleichfalls auf …

Wir horchten …

»Das kommt vom Tempelhof her,« erklärte er dann flüsternd …

Wir wanden uns durch die Mauerspalten … Der Schlangen wegen hatte Harst seine Lampe in der Linken und den Stock in der Rechten.

Als wir das Gestrüpp erreicht hatten, das hier an den Mauern des Hofes wucherte, richteten wir uns auf …

Der Mond beleuchtete den quadratischen Hof, den Brunnen, den Ziehbalken, an dessen unterem Ende ein großes Felsstück befestigt war, während an dem hochstehenden Ende die Leiche hing — kein lieblicher Anblick.

Auf dem marmornen Brunnenrand, schräg unter dem Toten, saß eine Inderin … — ein junges Weib, ärmlich gekleidet …

Sie hatte den Kopf zurückgebogen und schien zum Monde emporzustarren …

Der Mond stand schräg über dem mumienhaften Toten … Und die Frau sprach mit der Leiche … unaufhörlich, bald lauter, bald leiser … Sie sprach nicht den uns geläufigen Dialekt des Gouvernements Bombay, sondern eine uns unbekannte Mundart …

Manche Sätze ihres einseitigen Zwiegesprächs mit dem Toten waren genau zu verstehen — jedes Wort … Aber den Sinn erfaßten wir nicht …

Die ganze Szene hatte etwas Unheimliches, seltsam Melancholisches an sich …

Die Zeit verrann …

Regungslos saß die Frau … Ihr Plappern wurde erregter …

Zuckende Bewegungen durchliefen plötzlich ihren Körper …

Ebenso plötzlich war sie mit einem Satz oben auf dem Brunnenrand, reckte die Arme zu dem Toten empor …

Schrie ein paar Worte — wie in wildester Verzweiflung …

An den Armen trug sie klirrende Spangen … Um den Hals eine vielfache Kette von großen bunten unregelmäßigen Steinen …

So stand sie da — schien den Toten zu beschwören …

Immer lauter, gellender wurden ihre sich überstürzenden Worte … —

Und — wenn ich hier nun weiterhin dem Leser schildern muß, was auf diese in ihrer Art ebenso phantastische wie nervenaufpeitschende Beschwörungsszene folgte, kann ich nur vorausschicken: auch Harald war minutenlang wie gelähmt.

Ich schaute ihn an …

Sein Gesicht zeigte eine Verblüffung, wie sie bei ihm selten ist …

Denn — — der halb Verweste, halb zur Mumie vertrocknete Leib dort oben, der am Halse in der Schlinge des morschen Taus hing, bewegte sich mit einem Male …

Ruckweise …

Wie vorhin die junge Inderin …

Das Tau kam dadurch ins Schwingen … Der Körper pendelte hin und her …

Die Arme hoben sich …

Die Hände griffen in die Luft, packten das Tau …

Und ich … glaubte zu träumen … in meiner Hängematte …?! Zeigte mir nicht lediglich meine rege Phantasie im Traum dies Unnatürliche, Widersinnige …?!

Da flüsterte Harald ein einziges Wort …

Ein Wort, das alles, was Indien an Unbegreiflichem dem nüchternen Europäer bietet, in sich schließt:

»Ein Yogi!«

Ah — ein Fakir — — ein Zauberer … Ein Mensch aus der Yogi-Kaste, deren uralte Geheimnisse sich vom Vater auf den Sohn — auf Enkel, Urenkel weitervererbt haben … — Ein Yogi, einer, der den Gesetzen der Natur trotzt, der europäischen Gelehrten unlösliche Rätsel aufgibt …

Und wieder flüsterte Harst:

»Ein mit Aussatz behafteter Yogi …!«