Die Galoschen des Glücks - Hans Christian Andersen - E-Book

Die Galoschen des Glücks E-Book

Hans Christian Andersen

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Beschreibung

Ein Märchen über die zwiespältige Möglichkeit der Zeitreise: Im Vorraum einer großen Kopenhagener Gesellschaft sitzen zwei Feen: Die eine ist die Abgesandte des Glücks, die andere der Trauer. Erstere hat zum Geburtstag Galoschen erhalten, die einen, sobald man sie anzieht, an den Ort und in die Zeit versetzen, in der man gern wäre. Doch ist das immer so gut? Die Gäste testen es...-

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Hans Christian Andersen

Die Galoschen des Glücks

Übersetzer Julius Reuscher

Saga

Die Galoschen des Glücks ÜbersetzerJulius Reuscher

Copyright © 1838, 2020 Hans Christian Andersen und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726520538

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

I. Ein Anfang.

In einem Hause in Kopenhagen, nicht weit vom Königsneumarkt, war eine sehr grosse Gesellschaft eingeladen, um von den Eingeladenen wieder Einladungen zu erhalten. Die eine Hälfte der Gesellschaft sass schon an den Spieltischen, die andere Hälfte erwartete das Ergebnis von dem „Was wollen wir denn nun anfangen?“ der Wirtin. So weit war man, und die Unterhaltung kam so gut als möglich in Gang. Unter anderm kam auch die Rede auf das Mittelalter. Einzelne hielten es für weit hübscher als unsere Zeit, ja der Gerichtsrat Knapp verteidigte die Meinung so eifrig, dass die Frau vom Hause sogleich auf seine Seite trat, und beide eiferten nun gegen Oersteds Abhandlung im Almanach über alte und neue Zeiten, worin unserm Zeitalter im wesentlichen der Vorzug gegeben wird. Der Gerichtsrat betrachtete die Zeit des Dänenkönigs Hans 1 als die edelste und glücklichste.

Während dies der Stoff der Unterhaltung war, und dieselbe nur auf Augenblicke durch die Ankunft eines Tageblattes unterbrochen wurde, welches nichts enthielt, was zu lesen der Mühe wert gewesen wäre, wollen wir uns in das Vorzimmer hinausbegeben, wo die Mäntel, Stöcke und Galoschen Platz gefunden hatten. Hier sassen zwei Mädchen, ein junges und ein altes. Man hätte glauben können, sie seien gekommen, um ihre weibliche Herrschaft nach Hause zu geleiten; betrachtete man sie aber etwas genauer, so begriff man bald, dass sie keine gewöhnlichen Dienstboten waren, dazu waren die Formen zu edel, die Haut zu fein, der Schnitt der Kleider zu gewagt. Es waren zwei Feen, die jüngste zwar nicht das Glück selbst, aber ein Kammermädchen einer der Kammerjungfrauen desselben, welche die geringern Gaben des Glücks umhertragen; die ältere sah etwas finster aus, es war die Trauer. Sie geht immer selbst, in höchsteigner Person ihre Geschäfte zu besorgen, dann weiss sie, dass dieselben gut ausgeführt werden.

Die beiden Feen erzählten einander, wo sie an diesem Tage gewesen waren. Die Abgesandte des Glücks hatte nur einige unbedeutende Handlungen ausgeführt, einen neuen Hut vorm Regenguss bewahrt, einem ehrlichen Mann einen Gruss von einer vornehmen Null verschafft usw., aber was ihr noch übrig blieb, war etwas ganz Ungewöhnliches.

„Ich kann auch erzählen,“ sagte sie, „dass heute mein Geburtstag ist, und zur Ehre desselben sind mir ein paar Galoschen anvertraut, die ich der Menschheit bringen soll. Diese Galoschen haben die Eigenschaft, dass ein jeder, der sie anzieht, augenblicklich an die Stelle und in die Zeit versetzt wird, wo er am liebsten sein will; ein jeder Wunsch, mit Rücksicht auf Zeit, Ort oder Dauer wird sogleich erfüllt und der Mensch so endlich einmal glücklich hienieden!“

„Ja, das magst du glauben!“ sagte die Trauer; „er wird sehr unglücklich und segnet den Augenblick, wo er die Galoschen wieder los sein wird!“

„Wo denkst du hin?“ sagte die andere. „Nun stelle ich sie an die Tür, einer vergreift sich und wird der Glückliche!“

Sieh, das war das Zwiegespräch.

*

II. Wie es dem Gerichtsrat erging.

Es war spät geworden; der Gerichtsrat Knapp, in die Zeit des Königs Hans vertieft, wollte heimkehren, und das Schicksal lenkte es so, dass er anstatt seiner Galoschen die des Glücks bekam und nun auf die Oststrasse hinaus trat; aber er war durch die Zauberkraft der Galoschen in die Zeit des Königs Hans zurückversetzt, und deshalb setzte er den Fuss geradezu in Kot und Morast auf die Strasse, weil es zu jener Zeit noch kein Steinpflaster gab.

„Es ist ja greulich, wie schmutzig es hier ist!“ sagte der Gerichtsrat. „Der ganze Bürgersteig ist fort und alle Laternen sind ausgelöscht.“

Der Mond war noch nicht hoch genug heraufgekommen und die Luft überdies ziemlich dick, so dass alle Gegenstände ringsumher bei dieser Dunkelheit ineinander verschwammen. An der nächsten Ecke hing jedoch eine Laterne vor einem Marienbilde, aber die Beleuchtung war so gut wie keine, er bemerkte sie erst, als er gerade darunter stand, und seine Augen fielen auf das gemalte Bild mit der Mutter und dem Kinde.

„Das ist wohl,“ dachte er, „eine Kunstsammlung, wo man vergessen hat, das Schild abzunehmen.“

Ein paar Menschen, in der Tracht des Zeitalters, gingen an ihm vorbei.

„Wie sahen sie doch aus! Sie kamen wohl aus einer Maskerade!“

Plötzlich ertönten Trommel und Pfeifen, Fackeln leuchteten hell. Der Gerichtsrat stutzte und sah nun einen sonderbaren Zug vorbeiziehen. Zuerst kam ein ganzer Trupp Trommelschläger, die ihre Trommeln recht tüchtig bearbeiteten, ihnen folgten Trabanten mit Bogen und Armbrüsten. Der Vornehmste im Zuge war ein geistlicher Herr. Erstaunt fragte der Gerichtsrat, was das zu bedeuten habe und wer der Mann sei.

„Das ist der Bischof von Seeland!“

„Was fällt dem Bischof ein?“ seufzte der Gerichtsrat und schüttelte mit dem Haupte; der Bischof konnte es nicht sein. Darüber grübelnd und ohne zur Rechten oder Linken zu sehen, ging der Gerichtsrat durch die Oststrasse und über den Hohenbrückenplatz. Die Brücke, die nach dem Schlossplatze führt, war nicht zu finden, er wurde ein seichtes Ufer gewahr und stiess endlich hier auf zwei Leute, die in einem Boote waren.

„Wil der Herr nach dem Holm übergesetzt werden?“ fragten sie.

„Nach dem Holm hinüber?“ sagte der Gerichtsrat, der ja nicht wusste, in welchem Zeitalter er sich befand. „Ich will nach Christianshafen in die kleine Torfstrasse!“

Die Leute betrachteten ihn.