Die Garde - Simon Scarrow - E-Book

Die Garde E-Book

Simon Scarrow

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Beschreibung

Tödlicher Verrat im Herzen des römischen Imperiums

Rom im Jahre 50 n. Chr.: Intrigen sind an der Tagesordnung, ein mysteriöser Geheimbund scheint alle Schaltzentralen der Macht unterwandert zu haben. Die Drahtzieher gehören offenbar zu den kampferprobten Prätorianern, der Leibgarde des Kaisers. Allein zwei mutigen Männern, die dem Imperium bis in den Tod treu ergeben sind, gelingt es, sich in die Prätorianergarde einzuschleusen: Präfekt Cato und Centurio Macro. Doch dann bringt sie ein alter Feind in Gefahr und die beiden müssen erneut zu den Waffen greifen.

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Simon Scarrow

Die gardE

Roman

Aus dem Englischen

von Norbert Stöbe

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Die Originalausgabe PRAETORIAN erschien 2011bei Headline Publishing Group, London.
Copyright © 2011 by Simon ScarrowCopyright © 2012 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.Redaktion: Werner BauerCoverillustration: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung der Original-Coverillustration von © Tim ByrneSatz und E-Book: Greiner & Reichel, KölnISBN 978-3-641-07622-1V005
www.heyne.de

ZUM BUCH

Rom im Jahre 50 n. Chr. ist ein gefährlicher Ort: Verrat und Intrige lauern an jeder Ecke, und ein mysteriöser Geheimbund, »Die Liberatoren«, scheint das Imperium unterwandert zu haben. Die Drahtzieher gehören offenbar zu den Prätorianern, der Leibgarde des Kaisers. Quästor Narcissus ruft zwei todesmutige Männer nach Rom, die dem Reich bis in den Tod treu ergeben sind: Präfekt Cato und Centurio Macro.

Die beiden werden damit beauftragt, sich in die Prätorianergarde einzuschleichen. Dabei stehen sie vor der schwierigen Aufgabe, das Vertrauen ihrer Kameraden zu gewinnen. Kaum haben sie es fast geschafft, den teuflischen Plan der Liberatoren aufzudecken, da erscheint ein alter Feind auf der Bildfläche, der ihre Identität aufdecken und sie dadurch in tödliche Gefahr bringen könnte. In einem Wettlauf gegen die Zeit müssen die beiden die Identität des Anführers der Liberatoren herausfinden.

ZUM AUTOR

Simon Scarrow wurde in Nigeria geboren und wuchs in England auf. Nach seinem Studium arbeitete er viele Jahre als Dozent für Geschichte an der Universität von Norfolk, bevor er mit dem Schreiben begann. Mittlerweile zählt er zu den wichtigsten Autoren historischer Romane. Mit seiner großen Rom-Serie und der vierbändigen Napoleon-Saga feiert Scarrow internationale Bestsellererfolge.

Besuchen Sie Simon Scarrow im Internet unter

www.scarrow.co.uk

LIEFERBARETITEL: Centurio – Gladiator – Die Legion

PersoneN

PrätorianergardE

Tribun Balbus – bewacht den Münztransport

Centurio Gaius Sinius – ein ehrgeiziger Verräter

Tribun Burrus – Befehlshaber der Dritten Prätorianerkohorte

Centurio Lurco – praktisch der Teilzeitbefehlshaber derSechsten Centurie der Dritten Kohorte

Optio Tigellinus – Lurcos frustrierter Untergebener

Gardist Fuscius – wurde erst kürzlich angeworben, hältsich aber schon für einen Veteranen

Präfekt Geta – Befehlshaber der Prätorianergarde

KaiserpalasT

Kaiser Claudius – ein gerechter, wenn auch nicht immer vernünftiger Herrscher

Kaiserin Agrippina – seine Gemahlin und Nichte, Muttervon

Prinz Nero, ein netter Junge mit künstlerischen Ambitionen

Prinz Britannicus – der Sohn des Claudius, klug, abergefühlskalt

Narcissus – kaiserlicher Sekretär und enger Berater vonKaiser Claudius

Pallas – ein weiterer enger Berater des Kaisers undderKaiserin

Septimus – ein Geheimagent des Narcissus

RoM

Cestius – boshafter und skrupelloser Anführer einerBande

Vitellius – leichtlebiger Senatorensohn und alter Gegnervon Macro und Cato

Julia Sempronia – die schöne Tochter des SenatorsSempronius

rom unter der herrschaft von kaiser claudius

I – Kaiserpalast IV – Circus Maximus

II – Lager der Prätorianer V – Lagerhäuser

III – Boarium VI – Subura-Slum

kapitel 1

Die kleine Kolonne der Planwagen hatte vor zehn Tagen die Grenze zur Provinz des zisalpinischen Gallien überquert und war jetzt wieder auf dem Rückweg nach Rom. In den weiter nördlich gelegenen Bergen war bereits der erste Schnee gefallen, und die gleißenden Gipfel hoben sich vom tiefblauen Himmel ab. Der Winter hatte es mit den Marschierenden bislang gut gemeint, denn trotz der Kälte hatte es seit dem Aufbruch von der kaiserlichen Münzanstalt in Narbonensis nicht geregnet. Im Gegenteil, der Boden war hart gefroren, und die schwer beladenen Wagen kamen gut voran.

Der für den Transport verantwortliche Prätorianertribun ritt ein Stück voraus, und als der Weg hügelan führte, lenkte er sein Pferd zur Seite und zügelte es. Die Straße erstreckte sich schnurgerade in die Ferne und folgte der wogenden Hügellandschaft. Der Tribun hatte freie Sicht auf die einige Meilen entfernte Stadt Picenum, wo er sich mit einer bewaffneten Eskorte der römischen Prätorianergarde treffen sollte– der Elitetruppe, welche die Aufgabe hatte, Kaiser Claudius und dessen Familie zu schützen. Die Centurie der Hilfssoldaten, welche die vier Wagen von Narbonensis hierhergeleitet hatten, würde zu ihren Quartieren in der Münzanstalt zurückmarschieren, und auf dem Rest des Weges zur Hauptstadt würden die Prätorianer unter dem Befehl des Tribuns den Konvoi schützen.

Tribun Balbus drehte sich im Sattel um und musterte den Konvoi, der sich den Hang hochmühte. Die Hilfssoldaten waren Germanen, rekrutiert vom Stamm der Cherusker, große, finster wirkende Krieger mit struppigen Bärten, die aus dem Wangenschutz ihrer Helme hervorschauten. Balbus hatte ihnen befohlen, in den Hügeln die Helme aufzubehalten, eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass sie in einen Hinterhalt von Wegelagerern geraten sollten. Er glaubte allerdings gar nicht so recht daran, dass die Banditen es wagen würden, einen Konvoi anzugreifen. Eigentlich ging es vor allem darum, die Haartracht der Hilfssoldaten zu verbergen, damit vorbeikommende Zivilisten nicht beunruhigt wurden. Obwohl er volles Vertrauen zu den germanischen Hilfstruppen hatte, welche die Prägeanstalt bewachten und deren Loyalität unmittelbar dem Kaiser galt, empfand Balbus den Männern gegenüber, die man bei den wilden Stämmen jenseits des Rheins rekrutiert hatte, eine ebensolche Verachtung wie die meisten Römer.

»Barbaren«, brummte er und schüttelte den Kopf. Er war die peinliche Sauberkeit der prätorianischen Kohorten gewohnt und hatte den Auftrag, die neueste Lieferung der kaiserlichen Münzprägeanstalt an Silbermünzen nach Gallien zu bringen, nur ungern übernommen. Nach so vielen Jahren bei der Garde hatte Balbus genaue Vorstellungen von der Erscheinung eines Soldaten, und hätte man ihm eine Kohorte germanischer Hilfssoldaten unterstellt, hätte er als Erstes Befehl gegeben, ihnen die scheußlichen Bärte abzuschneiden und sie zu rasieren, damit sie aussahen wie richtige Soldaten.

Außerdem fehlten ihm die Annehmlichkeiten Roms.

Tribun Balbus war ein typischer Vertreter der Offizierskaste. Er war den Prätorianern beigetreten, hatte Rom gedient und sich nach oben gearbeitet. Irgendwann hatte er sich zur Dreizehnten Legion an die Donau versetzen lassen und auch dort einige Jahre gedient, bis er sich schließlich zur Prätorianergarde hatte zurückversetzen lassen. Nach einigen ruhigen Dienstjahren war er zum Tribun ernannt worden, zum Befehlshaber einer von neun Kohorten der kaiserlichen Leibgarde. Noch ein paar Jahre, und Balbus würde mit einer hübschen Gratifikation aus dem Militärdienst ausscheiden und einen Verwaltungsposten in einer italienischen Stadt übernehmen. Er hatte sein Augenmerk bereits auf Pompeji gerichtet, wo sein jüngerer Bruder ein Badehaus und eine Athletenschule betrieb. Die Stadt lag an der Küste und gewährte einen schönen Blick auf die Bucht von Neapel. Sie hatte mehrere große Theater und eine attraktive Arena zu bieten, in deren Umkreis Tavernen billigen Wein ausschenkten. Und hin und wieder würde er sogar einer Rauferei mit Männern aus der Nachbarstadt Nuceria beiwohnen können, überlegte er sehnsüchtig.

Hinter den ersten fünf Unterabteilungen der Hilfssoldaten rollten die vier Wagen, schwere Fahrzeuge, jedes von zehn Maultieren gezogen. Neben jedem Wagenlenker saß ein Soldat auf dem Kutschbock, und hinter den beiden spannten sich die Ziegenlederplanen straff über die verschlossenen Truhen, die auf dem Wagenboden standen. In jedem Wagen befanden sich fünf Truhen, deren jede hunderttausend frisch gemünzte Denare enthielt – alles in allem zwei Millionen, genug, um eine ganze Legion ein Jahr lang zu bezahlen.

Unwillkürlich überlegte Balbus, was er mit einem solchen Vermögen anfangen könnte. Dann besann er sich. Er war Soldat. Er hatte einen Eid geschworen, den Kaiser zu schützen und ihm zu gehorchen. Seine Pflicht war es, dafür zu sorgen, dass die Wagen im Schatzhaus in Rom ankamen. Mit zusammengepressten Lippen überlegte Balbus, dass einige seiner Prätorianerkameraden eine etwas dehnbarere Auffassung von Pflichtgefühl hatten.

Es war noch keine zehn Jahre her, dass Mitglieder der Prätorianergarde den vorangegangenen Kaiser und dessen Familie ermordet hatten. Sicher, Gaius Caligula war ein wahnsinniger Gewaltherrscher gewesen, aber eine bindendere Verpflichtung als einen Eid konnte Balbus sich nicht vorstellen. Er missbilligte die Ermordung Caligulas noch immer, wenngleich der neue, von den Prätorianern ausgewählte Kaiser sich eher als ein besserer Herrscher erwiesen hatte. Die Thronbesteigung Claudius’ war chaotisch verlaufen. Jene Offiziere, die seinen Vorgänger ermordeten, hatten zunächst vorgehabt, dem römischen Senat die Macht zurückzugeben. Als ihre Kameraden aber begriffen, dass es ohne einen Kaiser auch keine Prätorianergarde mehr geben würde und dass damit alle ihre Privilegien hinfällig wären, hielten sie rasch nach einem Nachfolger für den Thron Ausschau und lösten ihr Problem mit Claudius. Der kränkliche Stotterer war zwar kaum die ideale Galionsfigur für das größte Imperium der bekannten Welt, aber er hatte sich als ein im Allgemeinen gerechter und erfolgreicher Herrscher erwiesen, wie Balbus einräumen musste.

Sein Blick wanderte zu den letzten fünf Unterabteilungen der germanischen Hilfssoldaten, die hinter den Wagen marschierten. Sie sahen vielleicht nicht wie richtige Soldaten aus, aber Balbus wusste, dass sie gute Kämpfer waren. Sie hatten den Ruf, dass eine Räuberbande schon äußerst tollkühn sein müsste, um den Konvoi anzugreifen. Doch jetzt, da sie in das breite, flache Tal des Flusses Po hinunterstiegen, war die Gefahr, wie groß oder klein sie auch gewesen sein mochte, ohnehin vorüber.

Er schnalzte mit der Zunge und stieß seinem Pferd die Absätze in die Weichen. Mit einem Aufschnauben fiel das Tier in den Schritt, und Balbus lenkte es auf die Straße zurück. Er überholte die vorderen Reihen der Hilfssoldaten und ihren Kommandanten, Centurio Arminius, und nahm seine Position an der Spitze des Konvois wieder ein. Sie waren gut vorangekommen. Es war noch nicht einmal Mittag, und in einer Stunde würden sie in Picenum eintreffen, um dort die Prätorianereskorte zu erwarten, falls sie nicht bereits in der Stadt war.

Sie waren noch zwei Meilen von Picenum entfernt, als Balbus sich nähernden Hufschlag hörte. Der Konvoi passierte gerade ein kleines Pinienwäldchen, dessen harziger Duft die kalte Luft erfüllte. Ein Stück weiter vorn versperrte ein Fels die Sicht auf den Fortgang der Straße. Balbus fühlte sich an seine Dienstzeit an der Donau erinnert, wo der Lieblingstrick des Feindes darin bestanden hatte, römische Kolonnen an ähnlich unübersichtlichen Schauplätzen in die Falle zu locken. Er zügelte sein Pferd und hob die Hand.

»Halt! Gepäck absetzen.«

Während die Wagen rumpelnd zum Stehen kamen, legten die germanischen Hilfssoldaten eilig die Tragestangen, an denen ihre Ausrüstung befestigt war, am Straßenrand nieder und schlossen die Reihen vor und hinter dem Konvoi. Balbus nahm die Zügel in die linke Hand, bereit, sein Schwert zu ziehen, und spähte nach beiden Seiten in den Schatten unter den Bäumen. Keinerlei Bewegung auszumachen. Der Hufschlag wurde lauter, es hallte vom harten Pflaster der Straße und dem Fels wider. Dann bog der erste Reiter um die Ecke, bekleidet mit dem roten Umhang eines Offiziers. Der Helm mit dem Federbusch hing an einem Sattelhorn. Hinter ihm ritten weitere zwanzig Mann in den schlammbespritzten, weißen Umhängen der Prätorianergarde.

Balbus blies die Wangen auf und stieß einen lauten Seufzer der Erleichterung aus. »Rührt euch!«

Die Hilfssoldaten senkten ihre Schilde und Speere, und Balbus erwartete die Reiter. Ihr Anführer zügelte sein Pferd zum Trab und schließlich, auf den letzten zwanzig Metern, zum Schritt.

»Tribun Balbus, Herr?«

Balbus sah sich den anderen Offizier genauer an. Das Gesicht war ihm nicht unbekannt.

»Wie lautet die Parole, Centurio?«, fragte er.

»Die Trauben Campaniens sind erntereif«, antwortete sein Gegenüber förmlich.

Balbus nickte, denn dies war der Satz, den er erwartet hatte. »Nun gut. Du solltest uns eigentlich in Picenum erwarten, Centurio …«

»Gaius Sinius, Herr. Centurio der Zweiten Centurie, Achte Kohorte.«

»Ah ja.« Balbus erinnerte sich vage dieses Namens. »Und was machst du hier draußen auf der Straße?«

»Wir sind gestern in Picenum eingetroffen, Herr. Das ist die reinste Geisterstadt. Die meisten Einwohner sind zur Feier eines lokalen Festes zu einem nahe gelegenen Heiligtum aufgebrochen. Da dachte ich, wir reiten schon mal los, dir und deinen Leuten entgegen.« Er zeigte auf die germanischen Hilfssoldaten.

»Das sind nicht meine Leute«, knurrte Balbus.

»Jedenfalls haben wir gesehen, wie du dich der Stadt genähert hast, Herr, und na ja, da sind wir nun. Bereit, die Wagen nach Rom zurückzubegleiten.«

Balbus betrachtete den Centurio einen Augenblick schweigend. Er mochte Soldaten, die sich buchstabengetreu an ihre Befehle hielten, und wusste nicht recht, ob er damit einverstanden war, dass Sinius und seine Männer ihnen entgegengeritten waren, statt sie, wie vorgesehen, in der Stadt zu erwarten. Zwei Monate zuvor waren in Rom eindeutige Anordnungen für die Lieferung des Silbers getroffen worden, und alle Beteiligten sollten sich an ihre Anweisungen halten. In dem Moment, in dem Offiziere mit ihren Befehlen nach eigenem Gutdünken verfuhren, scheiterten Pläne. Er beschloss, nach ihrer Rückkehr ins Prätorianerlager vor den Toren Roms ein Wörtchen mit Sinius’ Vorgesetztem zu reden.

»Centurio Arminius!«, rief Balbus über die Schulter hinweg. »Komm her!«

Der Befehlshaber der germanischen Hilfssoldaten eilte vor. Er war ein großer, breitschultriger Mann, dessen muskulöser Oberkörper nur gerade so eben in den Schuppenpanzer passte. Er blickte zum Tribun auf. Im Sonnenschein war sein Bart fast flammend rot.

»Herr?«

Balbus nickte zu den Reitern hinüber. »Die Eskorte aus Rom. Sie wird den Schutz der Wagen von hier aus übernehmen. Du und deine Männer, ihr könnt umgehend nach Narbonensis zurückkehren.«

Der Germane schob die Lippen vor und antwortete mit starkem Akzent auf Latein: »Die Übergabe sollte in Picenum stattfinden, Herr. Meine Leute hatten gehofft, vor der Rückkehr eine fröhliche Nacht in der Stadt zu verbringen.«

»Tja, das ist jetzt nicht mehr nötig. Außerdem bezweifle ich, dass die Einheimischen die Invasion durch eine kleinere Horde von Germanen positiv aufnehmen würden. Ich weiß, wie deine Männer sind, wenn sie ein bisschen über den Durst getrunken haben.«

Centurio Arminius blickte finster. »Ich werde dafür sorgen, dass sie keinen Ärger machen, Herr.«

»Und das werden sie auch nicht. Ich befehle, dass ihr kehrtmacht und sofort nach Gallien zurückmarschiert, hörst du?«

Der andere Mann nickte langsam, seine Erbitterung war unübersehbar. Dann nickte er seinem Vorgesetzten knapp zu, machte kehrt und marschierte zum Konvoi zurück. »Gepäck aufnehmen! Fertigmachen zum Abmarsch! Für uns heißt es zurück nach Gallien, Männer.«

Einige seiner Männer stöhnten, und einer fluchte laut in seiner eigenen Sprache, was ihm einen scharfen Tadel des Centurios eintrug.

Balbus warf Sinius einen Blick zu und sagte leise: »Ich kann ja nicht zulassen, dass eine Horde behaarter Barbaren sich anständigen Leuten aufnötigt.«

»Wahrhaftig nicht, Herr.« Sinius nickte. »Es ist ohnehin schon schlimm genug, dass die Germanen den Auftrag erhalten haben, die Münz- und Silberkonvois zu bewachen. Das sollte eine Aufgabe für richtige Soldaten sein, für Legionäre oder eine Prätorianerkohorte.«

»Anscheinend hat der Kaiser kein Vertrauen zu uns«, meinte Balbus bedauernd. »In den letzten Jahren haben zu viele hochrangige Offiziere versucht, in der Politik mitzumischen. Und wir müssen es dann ausbaden. Jedenfalls können wir nichts daran ändern.« Er richtete sich im Sattel auf. »Deine Leute sollen sich vor und hinter den Wagen aufstellen. Sobald die Hilfssoldaten uns nicht mehr im Weg sind, können wir abmarschieren.«

»Jawohl, Herr.« Centurio Sinius salutierte, wandte sich ab und gab die Befehle an seine Männer weiter. Während die Germanen sich hinter den Wagen verdrossen zu einer einzigen Kolonne formierten, lenkten die Reiter ihre Tiere an die vorgesehenen Plätze, und bald waren die beiden kleinen Truppen bereit, sich zu trennen. Balbus ritt zu Centurio Arminius, um ihm letzte Befehle zu erteilen.

»Du wirst so schnell wie möglich nach Narbonensis zurückkehren. Da ich nicht da sein werde, um auf deine Männer aufzupassen, ist es an dir, darauf zu achten, dass sie auf dem Rückweg keinen Ärger in Dörfern oder Siedlungen machen. Verstanden?«

Der Centurio presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und nickte.

»Dann also, Abmarsch!«

Ohne auf eine Antwort zu warten wendete Balbus sein Pferd und trabte zur Spitze der kleinen Kolonne davon, wo Centurio Sinius ihn erwartete. Nach vorne winkend erteilte Balbus Reitern und Wagen den Befehl, sich in Bewegung zu setzen. Die Peitschen der Kutscher knallten, und die Wagen rollten mit ihren schweren, eisenbeschlagenen Rädern laut rumpelnd los. Das Hufgeklapper der Maultiere und Pferde verstärkte den Lärm noch. Balbus blickte sich nicht um, bis er den Felsen erreichte. Erst dann schaute er zurück und sah eine Viertelmeile entfernt die abziehenden Hilfssoldaten auf dem Rückweg nach Gallien.

»Die sind wir los«, murmelte er.

Die Wagen mit ihrer neuen Eskorte folgten der Straßenbiegung um den Felsen herum und rollten dann durch eine weitere Viertelmeile Pinienwald geradeaus auf Picenum zu. Jetzt, da er die germanischen Truppen wirklich los war, besserte sich Balbus’ Stimmung. Er zügelte sein Pferd, bis er neben Centurio Sinius ritt.

»Was gibt es für Neuigkeiten aus Rom?«

»Der neue Ehedrachen des Kaisers bekommt den alten Knaben immer besser in den Griff.«

»Ach ja?« Balbus runzelte die Stirn über die raubeinige Bezeichnung für die Kaiserin.

»Ja. Im Palast heißt es, Agrippina habe Claudius aufgefordert, seine Geliebten aufzugeben. Natürlich ist er nicht so scharf darauf. Aber das ist noch seine kleinste Sorge. Du weißt schon, dieses Kind von ihr, Lucius Domitius? Sie lässt verbreiten, dass Claudius den Jungen adoptieren wird.«

»Das macht Sinn«, erwiderte Balbus. »Der Junge soll sich ja nicht ausgeschlossen fühlen.«

Sinius betrachtete ihn mit einem belustigten Lächeln. »Du weißt noch nicht die Hälfte, Herr. Agrippina bedrängt Claudius öffentlich, den jungen Lucius zu seinem Erben zu ernennen.«

Balbus zog die Augenbrauen hoch. Das war eine gefährliche Entwicklung; der Kaiser hatte bereits einen legitimen Erben, Britannicus, seinen Sohn aus seiner ersten Ehe mit Messalina. Nun würde es also einen Thronrivalen geben. Balbus schüttelte den Kopf. »Warum um alles in der Welt sollte der Kaiser sich dazu bereitfinden?«

»Vielleicht lässt er im Kopf allmählich nach«, schlug Sinius vor. »Agrippina behauptet, sie will nur, dass Britannicus einen Beschützer hat, und wer wäre für diese Aufgabe besser geeignet als sein neuer großer Bruder? Er könnte Britannicus’ Interessen verteidigen, wenn Claudius von der Bühne abgetreten ist. Und dieser Tag ist nicht mehr so fern. Der alte Knabe ist zum Strich abgemagert und dazu noch hinfällig. Es sieht jetzt also so aus, als würden die Prätorianer den jungen Lucius Domitius als neuen Oberherrn bekommen, wenn Claudius einmal nicht mehr da ist. Eine ziemlich überraschende Wendung, oder?«

»Ja«, antwortete Balbus. Er überlegte, was Sinius’ Bericht bedeutete. Als kleines Kind war Britannicus, der Sohn des Kaisers, bei der Prätorianergarde beliebt gewesen; er hatte seinen Vater häufig bei Besuchen im Lager begleitet. Er hatte seinen eigenen kleinen Panzer getragen und zur Belustigung der Männer darauf bestanden, am Exerzieren und an Waffenübungen teilzunehmen. Aber aus dem kleinen Kind war ein Knabe geworden, der sich inzwischen mit seinen Studien beschäftigte. Nun würde der junge Britannicus um die Zuneigung der Prätorianer wetteifern müssen.

»Es gibt noch mehr, Herr«, sagte Sinius leise und warf einen Blick über die Schulter, als wollte er sich vergewissern, dass seine Männer nicht mithörten. »Falls du es wissen willst.«

Balbus blickte ihn scharf an und fragte sich, wie weit er dem anderen Offizier vertrauen konnte. In den letzten Jahren hatte er oft genug miterlebt, dass Männer hingerichtet worden waren, weil sie ihre Zunge nicht im Zaum gehalten hatten, und er hegte durchaus nicht den Wunsch, ihr Schicksal zu teilen. »Besteht irgendeine Gefahr, wenn ich höre, was du zu sagen hast?«

Sinius zuckte mit den Schultern. »Das hängt von dir selbst ab, Herr. Oder genauer gesagt, es hängt davon ab, wem deine Loyalität zuerst gilt.«

»Meine Loyalität gilt zuerst und ausschließlich meinem Kaiser. Und das gilt auch für dich und alle Männer der Prätorianergarde.«

»Wirklich?« Sinius blickte ihn direkt an und lächelte. »Ich hätte gedacht, ein Römer hielte vor allem anderen Rom die Treue.«

»Rom und der Kaiser sind ein und dasselbe«, erwiderte Balbus knapp. »Unser Eid bindet uns gleichermaßen an beide. Es ist gefährlich, etwas anderes zu behaupten, und ich rate dir, dieses Thema nicht noch einmal zur Sprache zu bringen.«

Sinius musterte den Tribun einen Moment lang forschend und blickte dann weg. »Selbstverständlich. Du hast natürlich recht, Herr.«

Nach diesen Worten ließ Sinius sein Pferd zurückfallen, bis er hinter seinem Vorgesetzten herritt. Der Konvoi erreichte das Ende des Pinienwaldes und rollte nun in offenes Gelände hinaus. Balbus war seit Tagesanbruch keinen anderen Reisenden begegnet und erblickte auch in Richtung Picenum niemanden. Dann fiel ihm ein, was Sinius über das Fest gesagt hatte. Ein kurzes Stück weiter vorn führte die Straße in eine Senke hinab, und Balbus richtete sich im Sattel auf, als er zwischen einigen verkrüppelten Büschen eine Bewegung ausmachte.

»Da vorne ist etwas«, sagte er zu Sinius. Er hob den Arm und wies die Richtung. »Siehst du das? Eine Viertelmeile voraus, in der Talmulde.«

Sinius blickte dorthin, wohin er zeigte, und schüttelte den Kopf.

»Bist du blind, Mann? Da vorn bewegt sich eindeutig etwas. Ja, jetzt erkenne ich es genau. Eine Handvoll kleiner Karren und Maultiere im Gebüsch.«

»Ah, jetzt sehe ich es auch, Herr.« Sinius spähte kurz in die Senke und fuhr dann fort: »Das könnte eine Gruppe von Kaufleuten sein, die dort Lager macht.«

»Um diese Tageszeit? So kurz vor Picenum?« Balbus schnaubte. »Das glaube ich kaum. Komm, das müssen wir uns näher ansehen.«

Er trieb sein Pferd an und trabte über die Straße auf das Gebüsch in der Senke zu. Sinius winkte der vordersten Unterabteilung von Reitern, ihm zu folgen, und ritt hinter seinem Vorgesetzten her. Als Balbus sich dem Gebüsch näherte, stellte er fest, dass dort deutlich mehr Karren standen, als er anfangs gedacht hatte, und jetzt sah er auch eine Handvoll Männer, die zwischen den Büschen kauerten. Die Besorgnis, die er kurz zuvor empfunden hatte, kehrte zurück, und seine Kopfhaut kribbelte wie von eisigen Nadelstichen. Hundert Schritte vor dem vordersten der Männer und Karren zügelte er sein Pferd und wartete darauf, dass die anderen ihn einholten.

»Das gefällt mir gar nicht. Diese Halunken führen etwas im Schilde. Da wette ich drauf. Sinius, mach deine Männer bereit.«

»Jawohl, Herr«, antwortete der Centurio mit ausdrucksloser Stimme.

Balbus hörte das Klirren, mit dem ein Schwert aus der Scheide gezogen wurde, packte die Zügel fester und machte sich bereit, die berittenen Gardisten vorwärtszuführen.

»Tut mir leid, Herr«, sagte Sinius leise und stieß dem Tribun das Schwert zwischen den Schulterblättern in den Rücken. Die Spitze durchdrang Umhang und Tunika, Fleisch und Knochen und fuhr Balbus ins Rückgrat. Balbus’ Kopf ruckte bei dem Hieb nach hinten, und er stieß ein lautes Keuchen aus. Seine Finger spreizten sich, gekrümmt wie Klauen, und er ließ die Zügel los. Sinius drehte die Klinge kraftvoll hin und her und riss sie dann heraus. Der Tribun brach mit dem Gesicht nach unten zwischen den Sattelhörnern zusammen, seine Arme hingen schlaff an den Flanken seines Pferdes herab. Das Tier machte erschreckt einen Satz, und von dieser Bewegung kippte der Tribun aus dem Sattel. Er stürzte schwer zu Boden und rollte auf den Rücken. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er nach oben, und sein Mund bewegte sich mühsam.

Sinius wandte sich seinen Männern zu. »Kümmert euch um die Fahrer und bringt die Wagen dann zu den Karren.« Er blickte auf den Tribun hinunter. »Tut mir leid, Herr. Du bist ein guter Offizier und hast das nicht verdient. Aber ich habe meine Anweisungen.«

Balbus versuchte zu sprechen, doch kein Laut kam ihm über die Lippen. Ihm war kalt, und zum ersten Mal seit Jahren empfand er Angst. Als ihm die Sicht verschwamm, begriff er, dass er im Sterben lag. Für ihn würde es keinen Ruhestand in Pompeji geben, und einen Moment lang bedauerte er, dass er seinen Bruder nie wieder sehen würde. Das Leben schwand schnell aus seinen Augen, und der Blick des reglos am Boden Liegenden wurde starr. Weiter hinten auf der Straße ertönten ein paar überraschte Schreie, die bald erstarben, da die Wagenlenker unbarmherzig niedergemetzelt wurden. Dann beförderten die Reiter die Wagen zu den wartenden Karren. Sinius wandte sich zu einem großen Mann herum und zeigte auf die Leiche des Tribuns. »Cestius, leg ihn und die anderen auf einen der Wagen. Ich möchte, dass zwei Männer vorausreiten und Wache halten. Zwei weitere reiten zur Straßenbiegung zurück und vergewissern sich, dass die Hilfssoldaten uns keinen Streich spielen und umkehren, um in Picenum ungenehmigt Urlaub zu machen.«

Die Männer kamen mit den Karren aus dem Gebüsch hervor und stellten sie in einer Reihe neben der Straße auf. Auf Sinius’ Befehl hin wurden die Truhen rasch aus den Wagen geholt und einzeln auf die Karren verladen. Sobald sie sicher befestigt waren, wurden sie mit billigen Stoffballen, Getreidesäcken oder Lumpenbündeln zugedeckt. Die Maultiere vor den Wagen wurden ausgespannt und die Tiere einzeln den Karren zugeteilt, die jetzt wesentlich schwerer waren als zuvor. Die geleerten Wagen zog man tief ins Gebüsch, schlug die Achskappen heraus und zog die Räder von den Achsen ab, sodass die Wagen nach unten sackten und von der Straße aus nicht mehr zu sehen waren. Die Leichen wurden tiefer ins Gebüsch gezerrt, in einen schlammigen Graben geworfen und dann mit Strauchwerk bedeckt, das man aus dem Gebüsch herausgeschnitten hatte. Schließlich versammelten sich die Männer um die Karren, während Sinius und eine Handvoll Helfer noch mehr Zweige herbeischafften, um dort, wo die Wangen hindurchgerollt waren, die Lücken im Buschwerk zu schließen und die Spuren im Gras zu verwischen. Da Frost herrschte, waren im Boden keine verräterischen Wagenfurchen zurückgeblieben.

»Das reicht«, entschied Sinius und warf sein Zweigbündel beiseite. »Es wird Zeit, die Kleider zu wechseln, meine Herren.«

Eilig zogen sie ihre Umhänge und Tuniken aus und vertauschten sie mit Zivilkleidung in den unterschiedlichsten Stilen und Farben. Als die Uniformen in Bündeln hinter den Sätteln verstaut waren und die Helme und Harnische so unauffällig wie möglich auf den Wagen, musterte Sinius die Männer prüfend. Er nickte zufrieden; sie sahen ganz wie die Kaufleute und Händler aus, die regelmäßig die Straßen zwischen den Siedlungen und Städten Italiens bereisten.

»Ihr habt eure Anweisungen. Wir brechen in getrennten Gruppen auf. Wenn Picenum erst einmal hinter euch liegt, wählt euren Weg gemäß euren Befehlen, bis ihr das Lagerhaus in Rom erreicht. Dort erwarte ich euch. Passt gut auf eure Karren auf. Ich will nicht, dass irgendwelche Gelegenheitsdiebe über den Inhalt dieser Kisten stolpern. Verhaltet euch unauffällig und spielt eure Rolle gut, dann wird uns keiner verdächtigen. Ist das klar?« Er blickte sich um. »Gut. Dann lasst uns die ersten Karren auf den Weg bringen.« Im Verlauf der nächsten Stunde verließen Karren und Reiter die Senke in unregelmäßigen Abständen einzeln oder in Zweier- oder Dreiergruppen. Einige wandten sich nach Picenum, andere schlugen an der Kreuzung vor der Stadt die Straße nach Westen oder Osten ein und folgten einem indirekten Weg nach Rom. Als der letzte Karren sich in Bewegung gesetzt hatte, blickte Sinius sich ein letztes Mal um. Es gab noch immer einige Spuren von Karrenrädern und den Hufen von Maultieren und Pferden, doch er bezweifelte, dass diese an der Straße nach Picenum die Aufmerksamkeit von anderen Reisenden erregen würden.

Mit einem kurzen, zufriedenen Nicken lenkte Sinius sein Pferd auf die Straße und ritt damit im Schritt in aller Ruhe zur Stadt. Am Stadttor zahlte er den Wächtern Zoll und hielt bei einer Taverne, um eine Schale Eintopf zu essen und einen Becher heißen Wein zu trinken, bevor er seine Reise fortsetzte. Er verließ die Stadt durchs Südtor und nahm die Straße nach Rom.

Spät am Nachmittag sah er eine kleine Kolonne Reiter in weißen Umhängen von Süden heranreiten. Sinius zog die Kapuze seiner abgetragenen, braunen Tunika über den Kopf, um sein Gesicht zu verbergen. Als er an den Prätorianern vorbeikam, die dem Konvoi aus Narbonensis entgegenritten, hob er grüßend die Hand. Der Offizier, der die Eskorte anführte, übersah die Geste hochmütig, und Sinius lächelte bei dem Gedanken, dass der Mann das Verschwinden der Wagen und der Silbertruhen würde erklären müssen, wenn er seinen Vorgesetzten in Rom Bericht erstattete.

kapitel 2

Ostia, Januar, 51 n. Chr.

Das aufgewühlte Meer war grau, außer an den Stellen, wo der heftige Wind weiße Gischtfetzen von den gegen die Küste anrollenden Wellenkämmen riss. Der Himmel war von niedrigen Wolken verhangen, die sich ohne Unterbrechung bis zum Horizont erstreckten. Ein kalter Nieselregen machte die Szene noch deprimierender, und Centurio Macro klebte das dunkle Haar nass am Kopf, als er den Blick über die Hafenstadt wandern ließ. Ostia hatte sich sehr verändert, seit er zum letzten Mal hier gewesen war, nämlich ein paar Jahre zuvor bei seiner Rückkehr vom Feldzug in Britannien. Damals war der Hafen eine ungeschützte Anlegestelle gewesen. Passagiere auf dem Weg nach Rom, das von der Mündung des Flusses Tiber aus zwanzig Meilen landeinwärts lag, hatten hier das Schiff gewechselt, und der Hafen war ein Umschlagplatz für allerlei Waren gewesen. Ein paar aus Holzbalken errichtete Piers hatten vom Ufer aus ins Wasser hineingeragt und Platz für das Entladen der Importe geboten, die aus allen Teilen des Reiches kamen. Ein etwas kleinerer Strom von Exporten verließ Italien in Richtung der von Rom regierten fernen Provinzen.

Jetzt wurden am Hafen gewaltige Umbaumaßnahmen durchgeführt, angeordnet vom Kaiser, der mit diesen und ähnlichen Mitteln den Handel fördern wollte. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger gab Claudius öffentliche Gelder lieber zum Wohle der Allgemeinheit als für absurden Luxus aus. Zwei lange Molen befanden sich im Bau und umfingen das Wasser des neuen Hafens wie mit Titanenarmen. Die Arbeiten gingen ohne Unterbrechung durch alle Jahreszeiten weiter, und Macros Blick ruhte kurz auf den elenden, aneinandergeketteten Sklaventrupps, die Steinblöcke auf hölzernen Rollen zum Ende der Molen beförderten, wo sie ins Meer geworfen wurden. Steinblock um Steinblock errichtete man einen Wall, der eine sichere Entladung gewährleisten sollte. Weiter draußen, jenseits der Molen, stand der Wellenbrecher. Der Wirt des Gasthauses, in dem Macro und sein Freund Cato abgestiegen waren, hatte ihnen erzählt, dass eines der größten Schiffe, die man jemals gebaut hatte, mit Steinen beladen versenkt worden war und das Fundament des Wellenbrechers bildete. Weitere Steinblöcke waren auf den Schiffsrumpf geworfen worden, bis der Wellenbrecher fertig war, und jetzt befand sich dort ein Leuchtturm im Bau, dessen untere Geschosse bereits standen. Macro konnte mit Mühe die winzigen Gestalten der Bauleute auf dem Gerüst erkennen, die dort schufteten und gerade eine neue Lage Steine aufmauerten.

»Besser die als ich«, murmelte Macro und zog sich den Umhang enger um die Schultern.

Seit zwei Monaten ging er nun jeden Morgen am Strand entlang und schenkte den Fortschritten der Bauarbeiten dabei immer weniger Beachtung. Wie in so vielen Hafenstädten gab es auch hier in der Nähe der Kais zahlreiche lärmende Kneipen, in denen man den frisch entlohnten Matrosen am Ende einer Fahrt das Geld aus der Tasche zog. Den größten Teil des Jahres wären hier genug interessante Leute zu finden gewesen, mit denen Macro einen Becher Wein hätte trinken und ein paar Geschichten austauschen können. Doch in den Wintermonaten stachen nur wenige Schiffe in See, und so lag der Hafen still da, und die Kneipen wurden nur von einer Handvoll Trinkfreudiger bevölkert. Anfangs war Cato gerne bereit gewesen, ihm bei ein paar Bechern heißem Wein Gesellschaft zu leisten, aber der junge Mann grübelte darüber nach, dass die Frau, die er heiraten wollte, sich nur einen Tagesmarsch entfernt in Rom befand. Die Befehle, die sie aus dem Kaiserpalast erhalten hatten, verboten Cato strengstens, sie aufzusuchen oder sie auch nur wissen zu lassen, dass er sich in Ostia aufhielt. Macro zeigte Mitgefühl für seinen Freund. Es war beinahe ein Jahr vergangen, seit Cato Julia zum letzten Mal gesehen hatte.

Bevor sie in der Hafenstadt eintrafen, hatten Macro und Cato in Ägypten gedient, wo Cato gezwungen gewesen war, das Kommando über ein letztes Aufgebot von Soldaten zu übernehmen, um einen Angriff der Nubier zurückzuschlagen. Es war gerade noch einmal gut gegangen, sagte sich Macro. Sie waren in der Erwartung nach Italien zurückgekehrt, für ihre Anstrengungen belohnt zu werden. Cato hatte sich die Bestätigung seiner Ernennung zum Präfekten reichlich verdient, und Macro war eigentlich versprochen gewesen, die Legion, in der er eingesetzt würde, frei auswählen zu können. Stattdessen hatte man sie, nachdem sie dem kaiserlichen Sekretär Narcissus auf der Insel Capreae Bericht erstattet hatten, nach Ostia geschickt, um dort auf Befehle zu warten. Eine neue Verschwörung zur Entmachtung des Kaisers war aufgedeckt worden, und der kaiserliche Sekretär brauchte Macros und Catos Hilfe, um der Bedrohung zu begegnen. Die Befehle, die sie von Narcissus erhalten hatten, waren eindeutig. Sie sollten unter falschem Namen in der Taverne in Ostia bleiben, bis sie weitere Anweisungen erhielten. Der Wirt war ein freigelassener Sklave, der in Rom im Kaiserpalast gearbeitet hatte, bis man ihn mit seiner Freiheit und einer kleinen Zuwendung belohnt hatte, die ausgereicht hatte, um die Kaschemme zu eröffnen. Er erhielt vom kaiserlichen Sekretär den Auftrag, sich um die beiden Gäste zu kümmern und keine Fragen zu stellen. Es war entscheidend, dass ihre Anwesenheit niemandem in Rom bekannt wurde. Narcissus hatte Julia Sempronia nicht ausdrücklich erwähnen müssen. Cato hatte sehr wohl verstanden, was er meinte, und seine Enttäuschung die ersten paar Tage im Zaum gehalten. Doch dann wurde aus den Tagen ein Monat, schließlich zwei, und noch immer war von Narcissus keine Nachricht eingetroffen. Der Geduldsfaden des jungen Offiziers war zum Zerreißen gespannt.

Die einzige Information, die Narcissus ihnen gegeben hatte, lautete, dass die Intrige gegen den Kaiser von einer geheimen Organisation von Verschwörern ausging, die die Macht an den Senat zurückgeben wollten. Demselben Senat, der nach der Ermordung Julius Caesars daran schuld gewesen war, dass die Republik in einen jahrzehntelangen blutigen Bürgerkrieg versunken war, dachte Macro erbittert. Den Senatoren durfte man keine Macht in die Hände geben. Sie neigten zu politischen Tricksereien und achteten kaum auf die Folgen ihrer Machtspielchen. Natürlich gab es ein paar ehrenwerte Ausnahmen, überlegte Macro. Männer wie Julias Vater Sempronius und Vespasian, der den Befehl über die Zweite Legion geführt hatte, in der Macro und Cato während des Britannienfeldzugs gedient hatten. Beide waren gute Leute.

Macro widmete einen letzten Blick den Sklaven, die auf dem Wellenbrecher arbeiteten, und schlug die Kapuze seines Militärumhangs hoch. Er drehte sich um und ging über den Küstenweg zur Hafenstadt zurück. Auch hier waren viele Hinweise auf den neuen Entwicklungsschub in Ostia zu sehen; hinter dem neuen Kai waren mehrere große Lagerhäuser aus dem Boden geschossen, und dort, wo das alte Hafenviertel niedergerissen worden war, um Platz für die neuen Projekte zu schaffen, waren weitere Lagerhallen im Bau. Macro konnte sehen, dass bei Beendigung der Arbeiten ein schöner, neuer Hafen entstanden sein würde. Ein weiterer Beweis für Roms Reichtum und Macht.

Der Pfad stieß auf die Straße, die zur Hafenstadt führte, und die Beschlagnägel an den Sohlen von Macros Armeestiefeln hallten auf dem gepflasterten Boden laut wider. Er nickte dem Wachtposten nur zu, als er das Stadttor passierte, denn der war klug genug, von einem Legionär keinen Stadtzoll zu verlangen. Einer der Vorteile des Soldatenlebens war die Befreiung von einigen der kleinlichen Regeln, die das Leben der Zivilisten regierten. Was nach Macros Meinung nur gerecht war, da erst die Opfer der Soldaten den Frieden und Wohlstand des Imperiums ermöglichten. Wobei er natürlich nicht an die Faulenzer dachte, die in befriedeten Zonen wie Griechenland eine ruhige Kugel schoben, und auch nicht an diese eingebildeten Arschlöcher in der Prätorianergarde. Macro runzelte die Stirn. Sie erhielten den anderthalbfachen Legionärssold, hatten aber nichts anderes zu tun, als sich gelegentlich für eine Zeremonie in Schale zu werfen und die als Feinde des Kaisers verurteilten Todeskandidaten zu beseitigen. Die Wahrscheinlichkeit, aktiv kämpfen zu müssen, war für sie gering. Macro hatte die Prätorianer allerdings einmal in Aktion gesehen, damals in Britannien während der Stippvisite des Kaisers, mit der er den Erfolg des Feldzugs für sich hatte verbuchen wollen. Damals hatten sie durchaus tapfer gekämpft, wie Macro widerwillig zugeben musste.

Die drei oder vier Stockwerke hohen Wohnblocks entlang der Straße schlossen das ohnehin matte Tageslicht noch weiter aus und tauchten den Weg ins Innere der Stadt in eine kalte Düsternis. Als er die Kreuzung erreichte, von der aus die Straßen in die anderen Viertel Ostias abgingen, bog Macro nach rechts in die Hauptstraße ein, die mitten durch die Hafenstadt führte. Dort drängten sich die Haupttempel, die vornehmsten Bäder und das Forum, als wetteiferten sie darum, welches die angesehenste Einrichtung sei. Es war Markttag, und auf der Hauptstraße wimmelte es von Händlern und städtischen Beamten, die ihren Geschäften nachgingen. Unter den wachsamen Augen einiger mit Keulen bewaffneter stämmiger Wächter schlurfte eine Reihe von Sklaven, die mit Fußfesseln aneinandergekettet waren, auf dem Weg zu den Käfigen des Sklavenmarkts am Straßenrand entlang. Macro passierte das Forum, das sich zu beiden Seiten der Straße erstreckte, und bog dann in eine Seitenstraße ein. Dort erblickte er die eindrucksvolle Säulenfassade der Bibliothek des Menelaus, wo er mit Cato verabredet war. Die Bibliothek war Ostia von einem freigelassenen griechischen Sklaven geschenkt worden, der sein Vermögen mit der Einfuhr von Olivenöl gemacht hatte. Sie war mit Schriften aus den unterschiedlichsten Bereichen bestückt, die ohne ersichtliche Ordnung in Regalfächern lagen.

Macro schob seine Kapuze zurück, als er von der Straße auf die kurze Treppe zum Bibliothekseingang trat. Unmittelbar hinter der Tür saß ein Schreiber, von einem Kohlebecken gewärmt, an einem schlichten Holztisch. Beim Anblick des Soldaten kniff er misstrauisch die Augen zusammen.

»Kann ich dir helfen, Herr?«

Macro wischte sich den Regen von der Stirn und nickte. »Ich suche jemanden. Einen Soldaten wie mich.«

»Wirklich?« Der Schreiber zog eine Augenbraue hoch. »Bist du dir sicher, dass dies der richtige Ort ist, Herr? Das hier ist eine Bibliothek.«

Macro starrte ihn an. »Ich weiß.«

»Dürfte ich darauf hinweisen, Herr, dass du mit der Suche nach deinem Kameraden in einer der Schenken beim Forum vielleicht mehr Glück hättest? Ich glaube, eine solche Örtlichkeit erfreut sich bei Soldaten größerer Beliebtheit als die Bibliothek.«

»Glaub mir, mein Freund hat die Bibliothek als Treffpunkt vorgeschlagen.«

»Nun, hier ist nicht der Ort, wo sich Soldaten normalerweise treffen, Herr«, beharrte der Schreiber kurz angebunden.

»Das stimmt, aber mein Freund ist anders als der übliche Armeeangehörige.« Macro lächelte. »Also, hast du ihn nun gesehen? Beantworte einfach nur meine Frage, ja? Du brauchst nicht von oben auf mich herabzusehen, jedenfalls dann, wenn du weiterhin eine ruhige Kugel schieben willst.«

Der Schreiber begriff, dass der untersetzte, kampferprobt wirkende Besucher sich nicht abwimmeln lassen würde. Er räusperte sich und streckte die Hand nach einem Griffel und einem Wachstäfelchen aus, wie um darauf hinzuweisen, dass er bei einer komplizierten und wichtigen Verwaltungsaufgabe gestört worden war. »Mein Dienst hat erst vor kurzem begonnen, Herr. Falls dein Freund hier ist, muss er schon vor mir gekommen sein, denn ich habe ihn nicht gesehen und habe keine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte. Am besten gehst du rein und suchst ihn.«

»Verstehe«, antwortete Macro gleichmütig. Er wich nicht von der Stelle und beugte sich so weit über den Schreibtisch vor, dass es von seinem Umhangsaum auf das Wachstäfelchen des Schreibers tropfte. Der Schreiber erstarrte und blickte nervös auf.

»Herr?«

»Noch ein Gedanke zum Abschied«, knurrte Macro. »Es gibt keinen Grund, mich so miesepetrig zu behandeln, mein Junge. Wenn du das noch mal versuchst, könnte ich deine nette, kleine Bibliothek mit einer sehr rauen Kneipe verwechseln, falls du verstehst, was ich meine.«

Der Schreiber schluckte. »Jawohl, Herr. Ich bitte um Entschuldigung. Bitte fühle dich frei, die Bibliothek nach Belieben zu nutzen.«

»Na also!« Macro richtete sich mit einem erfreuten Lächeln auf. »Höflich sein ist auch nicht schwerer als den Naseweis rauszukehren, hm?«

Der Schreiber blickte sich nervös suchend nach einem seiner Kollegen um, aber er war allein. Er sah den Soldaten vor dem Schreibtisch argwöhnisch an. »Jawohl, Herr. Ganz, wie du meinst.«

Macro wandte sich ab und rieb die Hände aneinander, um sie zu wärmen. Er hasste all die kleinlichen Verwaltungsangestellten der Welt, die zu nichts anderem zu taugen schienen, als jene Menschen zu behindern, die tatsächlich etwas Nützliches zu erledigen hatten.

Die Bibliothek hatte eine große Eingangshalle. Zu beiden Seiten gingen je zwei Türen ab, und eine weitere lag unmittelbar gegenüber dem Eingang. Nach kurzem Zögern entschied Macro sich für die mittlere Tür. Seine Schritte hallten von den hohen Wänden wider. Er betrat einen langgestreckten Raum, an dessen Wänden sich mit Schriftrollen gefüllte Regale entlangzogen. Die Decke, die sich zehn Meter über den gefliesten Fußboden erhob und von schmalen Fenstern hoch oben in den Wänden erhellt wurde, war mit nautischen Szenen bemalt. Durch die Saalmitte zog sich eine Reihe von Tischen mit Bänken, und da es noch früh war und ein nasskalter Morgen, waren nur drei Männer anwesend. Zwei ältere Männer saßen, in eine gedämpfte Unterhaltung vertieft, über einer Schriftrolle. Der dritte war Cato in seinem Militärmantel, eine unverkennbare, schlanke Erscheinung. Er saß im hinteren Bereich des Raums, wo ein schmaler Lichtschacht kaum genug Helligkeit für die vor ihm liegenden großen Papyrusblätter bot.

Das laute Poltern von Macros Stiefeln veranlasste die beiden alten Männer, ihre Unterhaltung zu unterbrechen und stirnrunzelnd den Neuankömmling zu mustern, der die übliche Ruhe in der Bibliothek störte. Obwohl Cato die Stiefel seines Freundes gehört haben musste, las er weiter, bis Macro beinahe vor ihm stand. Dann legte er den Finger auf den Papyrus, um die Stelle zu markieren, an der er gelesen hatte, und blickte auf. Sein Gesicht war ausgemergelt, und er betrachtete Macro, der sich ihm gegenüber auf die Bank setzte, vollkommen ausdruckslos. Der jüngere Offizier hatte sich in Ägypten eine schwere Gesichtsverletzung zugezogen, und jetzt führte eine weiße Linie aus Narbengewebe von seiner Stirn über die Augenbraue bis zur Wange hinunter. Es war eine recht eindrucksvolle Narbe, aber sie hatte sein Gesicht eigentlich gar nicht entstellt. Ein Mal, auf das er stolz sein konnte, dachte Macro. Etwas, das Cato von den jugendlich frischen Gesichtern der anderen Offiziere unterscheiden würde, die dem Kaiser dienten, und das ihn als den erfahrenen Veteranen ausweisen würde, zu dem er sich entwickelt hatte, seit er der Zweiten Legion vor acht Jahren als schlaksiger Rekrut beigetreten war.

»Hast du gefunden, was du suchst?« Macro nickte zu den Schriftstücken hinunter, die vor Cato lagen, und deutete dann auf die gefüllten Regalfächer entlang der Wände. »Mehr als genug Lesestoff, mit dem du dich beschäftigen kannst, oder? Das sollte dir helfen, dir die Zeit zu vertreiben.«

»Bis wann, frage ich mich nur.« Cato hob die freie Hand und rieb sich dort, wo die Narbe endete, leicht über die Wange. »Wir haben jetzt seit fast einem Monat nichts mehr von Narcissus gehört.«

Cato hatte dem kaiserlichen Sekretär vermittels des Wirts eine Nachricht gesandt und nachgefragt, wie lange er und Macro noch in Ostia bleiben müssten. Die Antwort war knapp ausgefallen. Sie waren aufgefordert worden, weiter zu warten. Catos Langeweile angesichts des erzwungenen Aufenthalts in der Hafenstadt wechselte mit brennendem Zorn darüber, dass man ihn davon abhielt, Julia zu sehen. Gleichzeitig quälte ihn aber die Furcht, wie sie auf seine Narbe reagieren würde. Würde sie sich damit abfinden und ihn wieder in die Arme schließen? Oder würde sie sich angewidert von ihm abwenden? Am schlimmsten aber war Catos Befürchtung, sie könnte ihn nur aus Mitleid zum Ehemann nehmen. Schon der Gedanke machte ihn krank. Bis er sie wiedersah, konnte er ihre Reaktion nicht einschätzen. Und er konnte sie auch nicht auf die Begegnung vorbereiten, da Narcissus ihm verboten hatte, Kontakt mit ihr aufzunehmen.

»Was liest du da?«, unterbrach Macro seine Gedanken.

Cato riss sich zusammen. »Eine Abschrift des Amtsblatts aus Rom. Ich habe mich über die römischen Ereignisse der letzten Monate informiert, weil ich herausfinden möchte, wofür Narcissus uns braucht.«

»Und?«

»Nichts Auffälliges. Nur das Übliche. Ernennungen, Geburten, Eheschließungen und Todesfälle bei den Großen und Guten. Senator Sempronius wurde auch erwähnt. Er wurde für die Niederschlagung des Sklavenaufstands auf Kreta vom Kaiser belobigt.«

»Unser Anteil an der Unternehmung ist wahrscheinlich unerwähnt geblieben«, meinte Macro nachdenklich.

»Leider ja.«

»Na, das ist ja eine Überraschung. Sonst noch was Erwähnenswertes?«

Cato blickte auf die vor ihm liegenden Seiten hinunter und schüttelte den Kopf. »Nichts Ungewöhnliches, außer …« Er ging die Schriftstücke durch, warf auf jedes einen kurzen Blick und zog dann eines heraus. »Hier. Ein Bericht von vor zwei Wochen. Ein Offizier der Prätorianergarde wurde von Wegelagerern überfallen und in der Nähe von Picenum ermordet. Die Räuber wurden bisher nicht gefunden … Er hinterlässt eine trauernde Witwe, einen kleinen Sohn und so weiter.« Cato blickte auf. »Das ist alles.«

»Das klingt nicht so, als hätte es etwas mit unserem Aufenthalt hier zu tun«, meinte Macro.

»Wohl nicht.« Cato setzte sich zurück, reckte sich und gähnte mit offenem Mund. Als er fertig war, stützte er sich auf die Ellbogen auf und sah Macro an. »Dann also noch ein Tag in der wunderschönen Stadt Ostia. Womit sollen wir uns die Zeit vertreiben? Im Theater läuft nichts. Es ist zu kalt, um zum Schwimmen an den Strand zu gehen. Die meisten Badehäuser sind geschlossen, bis der Handel im Frühjahr wieder anzieht, und unser Freund, der Wirt Spurius, ist erst am Abend bereit, ein wärmendes Feuer anzuzünden.«

Macro lachte. »O je, du bist aber wirklich in einer trübseligen Stimmung!« Er dachte einen Moment lang nach und zog dann die Augenbrauen hoch. »Ich sag dir was. Spurius zufolge ist in diesem Bordell unten bei den Bädern des Mithras frische Ware eingetroffen. Möchtest du hingehen und sehen, was sie im Angebot haben? Da würde uns einmal richtig warm werden. Was meinst du?«

»Klingt verlockend. Aber ich bin nicht in der richtigen Stimmung.«

»Unsinn. Du sparst dich für dieses Mädchen auf, richtig?«

Cato zuckte mit den Schultern. Tatsächlich hielt er nichts davon, die von Krankheiten geplagten Huren zu besuchen, die sich den Stadtbewohnern und vorbeiziehenden Seeleuten anboten. Wenn er sich bei ihnen ansteckte, würde das seine Aussicht auf eine glückliche Wiedervereinigung mit Julia zunichtemachen. »Geh du nur hin, wenn du wirklich willst. Ich kehre ins Wirtshaus zurück, esse einen Happen und ziehe mich dann zum Lesen zurück.«

»Zum Lesen«, meinte Macro verständnislos. »Was hast du eigentlich in den Adern, Junge? Blut oder dünne Suppe?«

»Wie dem auch sei, ich bleibe in unserem Zimmer und lese. Du kannst machen, was dir gefällt.«

»Das werde ich auch. Sobald ich etwas gegessen habe, um wieder zu Kräften zu kommen.«

Die Bänke scharrten über den Boden, als die beiden Soldaten aufstanden. Cato schob das Amtsblatt zusammen und legte es in ein Regalfach zurück. Dann marschierten er und Macro aus der Bibliothek. Ihre Schritte störten die beiden Männer auch diesmal wieder.

»Pssst!« Einer der beiden legte den Finger an die Lippen. »Das hier ist eine Bibliothek!«

»Eine Bibliothek!«, feixte Macro. »Ein Bordell der Ideen, das ist es. Der einzige Unterschied besteht darin, dass man bei einer Bibliothek nie so ein nettes, warmes Glühen im Bauch bekommt, hä?«

»Empörend«, wies der Mann ihn zurecht. Er wandte sich Cato zu. »Mein Herr, bitte sei so gut und entferne deinen Kameraden aus diesem Haus.«

»Dazu muss man ihn nicht drängen, glaub mir. Komm, Macro.« Cato zog ihn am Arm und lenkte seinen Freund zur Tür.

Spurius’ Koch, ein steinalter Matrose, der bei einem Schiffsunfall ein Bein verloren hatte, servierte ihnen einen dünnen Eintopf aus Gerste und Fleischstücken, die vielleicht von einem scharf gewürzten Lammschenkel stammten, aber genau konnte man das nicht sagen, da das Fleisch seinen Geschmack vollständig verloren hatte und so zäh wie feuchte Baumrinde war. Aber der Eintopf war warm und stillte den Hunger der Soldaten. Als Cato um Brot bat, blickte der Koch finster drein, stapfte davon und kehrte mit einem altbackenen Laib zurück, den er vor ihnen auf den Tisch knallte.

»Spurius! Komm mal her!«, blaffte Macro und erschreckte damit die vier anderen Gäste des Wirtshauses. Spurius stand am Ausschank und stellte gerade seine billigen Tonbecher auf die Regalfächer hinter der Theke. Er drehte sich gereizt um und eilte zum Tisch.

»Was ist los? Und hättest du vielleicht die Güte, nicht so laut zu brüllen?«

Macro zeigte auf die Schale mit Eintopf, die noch immer zu einem Drittel gefüllt war. »Ich bin vielleicht hungrig genug, diesen Fraß zu essen, aber bei Brot, das ich verdammt nochmal nicht mal einem Schwein aufnötigen würde, ist bei mir Schluss.« Er nahm den Laib und schlug ihn krachend auf den Tisch. »Steinhart.«

»Dann tunk es eben in den Eintopf. Da wird es bald weich«, schlug Spurius in hilfreichem Tonfall vor.

»Ich will gutes Brot«, entgegnete Macro energisch. »Frisch gebacken. Und ich will es jetzt.«

»Tut mir leid, es gibt keins.«

Macro schob seinen Hocker zurück. Er fuhr mit leiserer Stimme fort, damit die anderen Kunden ihn nicht hörten: »Schau mal, du hast Anweisung erhalten, dich um uns zu kümmern, und zweifellos wirst du gut dafür bezahlt, uns unterzubringen und mit Essen zu versorgen.«

»Ich bekomme fast gar nichts für euch beide«, knurrte Spurius. »Oder ich werde zumindest fast gar nichts bekommen, wenn ihr aufbrecht und Narcissus die Rechnung begleicht. Bis dahin schmälert ihr meinen Gewinn.«

Macro lächelte. »Diese Schlange Narcissus gibt einem nie mehr, als er unbedingt muss. Dass er dich betrügt, ist nicht unwahrscheinlicher, als dass er zu seinem Wort steht. Das haben wir auf eigene Kosten bei mehr als einer Gelegenheit erlebt.«

»Das reicht, Macro«, warnte ihn Cato. »Wir reden nicht über unsere Angelegenheiten.«

Macro drehte sich um und sah ihn finster an, doch dann wurde seine Miene sanfter. »In Ordnung. Aber es passt mir nicht, hier in Ostia auf dem Trockenen zu sitzen und für Kost und Logis auf diese Spelunke hier angewiesen zu sein. Das ist nicht richtig, Cato.«

»Natürlich nicht, aber wir können nichts daran ändern.« Cato wandte sich dem Wirt zu. »Nun, ich weiß, du nimmst es übel, dass Narcissus uns dir aufgehalst hat. Uns passt das auch nicht. Aber wenn du willst, dass wir gut miteinander auskommen und es keinen Ärger gibt, schlage ich vor, dass du etwas unternimmst, um unsere Rationen aufzubessern. Zunächst einmal rate ich dir, meinem Freund das frische Brot zu bringen, um das er dich gebeten hat.«

Spurius beruhigte sich mit einem tiefen Atemzug und nickte leicht. »Ich schaue mal, was ich finden kann. Wenn ihr versprecht, keinen Ärger mit den anderen Gästen anzufangen.«

Cato nickte. »Das versprechen wir.«

Der Wirt kehrte zur Theke zurück und wechselte ein paar Worte mit seinem Koch. Cato lächelte Macro zuckersüß an. »Siehst du, was man mit ein bisschen Freundlichkeit alles erreichen kann?«

Macro rümpfte die Nase. »Das ist eine Möglichkeit. Aber ich muss sagen, nach meiner Erfahrung kann die Anwendung von ein bisschen Gewalt gelegentlich ebenso befriedigende Ergebnisse erbringen.«

»Nicht, wenn man keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen will.«

Macro schüttelte den Kopf. »Ich könnte ein bisschen Aufmerksamkeit durchaus vertragen, Cato. Diese Kaschemme hier macht mich noch wahnsinnig. Es ist schon schlimm genug, dass wir hier auf dem Hintern hocken und warten müssen, wie es Narcissus beliebt. Aber der Drecksack hat uns nur einen Bruchteil des ausstehenden Solds vorgeschossen, und wir können uns nicht mal besseres Essen oder ein gemütlicheres Zimmer leisten.«

Cato schwieg einen Augenblick. »Damit will er uns wohl gefügig machen.«

Bevor Macro etwas erwidern konnte, hörte man draußen auf der Straße das Rasseln von Wagenrädern. Plötzlich verstummte das Geräusch, da das Fahrzeug vor dem Wirtshaus hielt. Spurius eilte zur Tür, schob sie einen spaltweit auf, schlüpfte schnell hinaus und machte die Tür hinter sich zu. Macro und Cato hörten einen kurzen, gedämpften Wortwechsel, dann fuhr der Wagen um das Gebäude herum zur Rückseite, wo ein kleiner Hof mit Ställen für die Pferde der Reisenden lag, die im Gasthaus abstiegen.

»Neue Gäste für dieses Loch hier«, meinte Macro nachdenklich. »Meinst du, wir sollten sie warnen?«

»Lass gut sein«, sagte Cato müde. Er blickte einen Augenblick in seine Schale hinunter und griff dann widerstrebend nach seinem Löffel, um noch etwas von dem Eintopf zu essen. Kurz danach tauchte der Koch mit nervöser Miene auf und brachte ihnen ein neues Brot. Macro beschnupperte es und blickte Cato überrascht an. »Frisch gebacken!«

Er nahm es, brach es in der Mitte durch, warf die eine Hälfte Cato zu und machte sich dann voll Genuss über die warme, weiche Krume her. Aus den hinteren Räumen des Gasthauses war das Geräusch von Stimmen und Stühlerücken zu hören, und kurz darauf kam Spurius aus der niedrigen Tür hinter der Theke. Er blickte sich nach den anderen Gästen um, durchquerte den Raum und trat an Macros und Catos Tisch.

»Was jetzt?«, brummte Macro. »Ich wette, der Drecksack will uns aus unserem Zimmer schmeißen, um Platz für seinen neuen Gast zu schaffen.«

»Das glaube ich nicht.«

Spurius beugte sich zu ihnen vor und sagte sehr leise: »Folgt mir.«

Cato und Macro wechselten einen raschen Blick, dann fragte Cato: »Warum?«

»Warum?« Spurius runzelte die Stirn. »Kommt einfach mit, Herr. Ihr werdet schon sehen. Mehr kann ich nicht sagen.« Er nickte zu den anderen Gästen hinüber. »Falls ihr mich versteht.«

Macro zuckte mit den Schultern. »Nein.«

»Komm schon«, meinte Cato. »Gehen wir.«

Sie ließen den Rest des Essens stehen, standen auf und folgten dem Gastwirt zu der Tür, die nach hinten führte. Die anderen Leute im Raum musterten die Vorbeigehenden neugierig, wie Cato mit einem leisen, belustigten Lächeln feststellte. Spurius ging voran, gefolgt von Macro, und Cato bildete das Schlusslicht. Er musste sich unter dem Türrahmen hindurchducken. Dahinter kam ein schmaler Raum, der von einer einzigen Ölfunzel erhellt wurde. In ihrem schwachen Schein erkannte Cato, dass an den Wänden Krüge voll Wein und Körbe voll Gemüse standen. An einem Haken hing neben zwei Stücken Pökelfleisch ein Netz mit frischem Brot. Ganz offensichtlich aß der Gastwirt gut, ganz im Gegensatz zu seinen Gästen. Am hinteren Ende des Raums war eine Tür leicht geöffnet, und der Türrahmen wurde von einem Feuer, das im Nachbarzimmer brannte, hell angestrahlt. Spurius betrat den Raum, von Macro gefolgt, der sofort einen Fluch ausstieß. Der Raum war geräumig, und in seiner Mitte stand ein großer Tisch. Unter einem Eisenrost knisterte ein frisch geschürtes Kochfeuer und tauchte den Raum in ein rosiges Licht. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tischs saß eine schmächtige Gestalt in einem schlichten Umhang. Der Mann blickte von dem ihm kredenzten Brot und Käse auf und lächelte Macro und Cato an.

»Beste Grüße, meine Herren. Es ist schön, dass ihr zu mir kommt!« Narcissus forderte sie mit einer Handbewegung auf, ihm gegenüber auf der Bank Platz zu nehmen. »Oder besser, es ist schön, dass ich zu euch komme.«

»Was machst du hier?«, fragte Macro. »Ich habe mir allmählich schon Sorgen gemacht, dass du uns ewig hier schmoren lassen würdest.«

»Ich freue mich ebenfalls, dich zu sehen, Centurio«, erwiderte Narcissus aalglatt. »Das Warten ist vorbei. Euer Kaiser braucht euch wieder. Jetzt mehr denn je …«

kapitel 3

Cato erwiderte die Begrüßung des kaiserlichen Sekretärs mit einem kalten Blick. Narcissus war zwar im kaiserlichen Palast als Sklave geboren, hatte aber hart gearbeitet und war von Claudius in den Jahren vor dessen Erhebung zum Kaiser freigelassen worden. Als freigelassener Sklave hatte Narcissus einen geringeren gesellschaftlichen Rang als der bescheidenste römische Bürger, doch als einer der engsten Ratgeber des Kaisers überstiegen seine Macht und sein Einfluss alles, worüber selbst ein Aristokrat im Senat gebot, bei weitem. Narcissus kontrollierte außerdem das Netzwerk von Spionen, das die Aufgabe hatte, Bedrohungen für seinen Herrn aufzuspüren. In dieser Rolle hatte er schon früher die Dienste von Cato und Macro in Anspruch genommen, und nun war es wieder so weit, überlegte Cato verdrossen.

Nachdem der Gastwirt einen Krug Wein und drei Becher gebracht hatte, schickte Narcissus ihn hinaus. »Das genügt vorläufig, Spurius. Sorge dafür, dass wir nicht gestört und nicht belauscht werden.«

»Jawohl, Herr.« Spurius senkte den Kopf und wandte sich zum Gehen. In der Tür blieb er stehen. »Meister?«

»Was denn?«

»Wegen meiner Tochter. Gibt es in ihrer Sache irgendetwas Neues?«

»Pergilla heißt sie, nicht wahr? Nun, ich versuche noch immer, den Kaiser zu überreden, ihr die Freiheit zu schenken. Diese Dinge brauchen Zeit. Halte du deinen Teil der Abmachung ein, dann werde ich alles für sie tun, was in meiner Macht steht.« Narcissus winkte. »Und jetzt lass uns allein.«

Spurius eilte hinaus, und Narcissus wartete, bis seine Schritte verklangen und die äußere Tür des Verbindungsraums sich hinter dem Wirt schloss.

»Er ist ein guter und treuer Diener, aber er kann manchmal recht anspruchsvoll sein. Doch genug davon!« Narcissus beugte sich vor und nickte zu dem Weinkrug hinüber. »Macro, schenke uns doch allen einen Becher voll. Wir sollten das Wiedersehen alter Freunde feiern.«

Macro schüttelte den Kopf. »Mein Freund bist du gewiss nicht.«

Narcissus starrte ihn einen Augenblick an und nickte dann. »Nun gut, Centurio. Dann werde ich euch selbst bedienen.« Er beugte sich vor, zog den Pfropfen aus dem Krug und schenkte dunklen Rotwein in jeden der Becher. Dann setzte er den Krug ab und hob seinen Becher. »Bringt wenigstens einen Trinkspruch mit mir aus … Tod den Feinden des Kaisers.«

Macro hatte den Wein schon länger sehnsüchtig angeschaut, und so griff er nach einem winzigen Moment des Widerstrebens nach dem nächsten Becher und wiederholte den Trinkspruch. Er trank einen Schluck und machte ein anerkennendes Geräusch. »Das also hat dieser geizige Drecksack Spurius uns vorenthalten.«

»Dann seid ihr also nicht gut verpflegt worden?«, fragte Narcissus. »Spurius hatte Anweisung, es euch angenehm zu machen.«

»Er hat sein Bestes getan«, erklärte Cato. Wenn man dem Gastwirt Glauben schenken konnte, hatte man ihm zwei Gäste zwei Monate lang aufgenötigt, ohne ihn dafür zu entschädigen. Wenn Narcissus Spurius’ Tochter zudem als Druckmittel benutzte, um den Wirt nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, wollte Cato die Probleme des Mannes nicht noch vergrößern. »Wir haben ein sauberes Zimmer und regelmäßige Mahlzeiten bekommen. Spurius hat dir gut gedient.«

»Das nehme ich an.« Narcissus betrachtete Macros überraschte Miene und zog eine Augenbraue hoch. »Wenngleich du anderer Meinung zu sein scheinst.«

»Wir sind Soldaten«, antwortete Macro. »Wir sind Schlimmeres gewöhnt.«

»So ist es. Und jetzt ist für euch die Zeit gekommen, Rom ein weiteres Mal zu dienen.« Narcissus trank einen kleinen Schluck Wein und leckte sich die Lippen. »Falerner. Spurius versucht wohl, Eindruck zu schinden!«

»Vermutlich hast du es eilig, rasch zum Palast zurückzukehren«, sagte Cato. »Am besten kommen wir gleich zum Geschäft.«

»Wie rücksichtvoll von dir, junger Cato«, erwiderte Narcissus mit eisiger Stimme. Er knallte den Becher auf den Tisch. »Nun gut. Du erinnerst dich an unsere letzte Begegnung?«

»Auf Capreae, ja.«

»Ich hatte eine neue Bedrohung erwähnt, die von den Liberatoren ausgeht. Dieser Abschaum wird nicht ruhen, bis der Kaiser gestürzt ist. Natürlich behaupten sie, im Interesse des Senats und des römischen Volkes zu handeln, aber in Wirklichkeit wollen sie Rom in das finstere Zeitalter von Tyrannen wie Marius und Sulla zurückkatapultieren. Der Senat wäre von widerstreitenden Fraktionen zerrissen. Wenige Monate nach Claudius’ Sturz würden wir mitten in einem Bürgerkrieg stecken.« Narcissus hielt kurz inne. »Der Senat hatte seinen Nutzen in einer Zeit, als Rom noch kein Weltreich erobert hatte. Jetzt kann nur eine oberste Autorität die notwendige Ordnung gewährleisten. Tatsache ist, dass man den Senatoren die Sicherheit Roms nicht anvertrauen kann.«

Cato lachte trocken. »Aber dir schon, nehme ich an.«

Narcissus schwieg einen Moment, und seine Nasenflügel blähten sich vor Verachtung. Dann nickte er. »Ja. Ich und die, die mir dienen, sind alles, was zwischen der Ordnung und dem blutigen Chaos steht.«

»Das mag so sein«, räumte Cato ein. »Aber Tatsache ist, dass die Ordnung, die du zu schützen behauptest, gelegentlich beinahe ebenso blutig ist.«